Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 ZielsetzungundGliederung
1.1.1 Zielsetzung
1.1.2 Gliederung
1.2 Forschungsstand
1.3 Begriffsdefinitionen
1.3.1 NGO
1.3.2 Einfluss
1.3.3 Lobbying
2. TheoretischeGrundlagen
2.1 Pluralismus
2.2 (Neo-)Korporatismus
2.3 MancurOlsonsLogikdeskollektiven Handelns
3. DieUmweltpolitikder EuropäischenUnion
3.1 DieEntwicklungder europäischenUmweltpolitik
3.1.1 RechtlicheRahmenbedingungen
3.1.2 Schwerpunkte und Probleme der EU-Umweltpolitik
3.2 GemeinsameFischereipolitik
3.2.1 Die Reform der GFP 2002
3.3 Umwelt-NGOsaufEU-Ebene
3.3.1 Greenpeace
3.3.2 WWF
4. Einflussmöglichkeiten
4.1 EinflussnahmeaufdieOrganeder EU
4.1.1 Europäische Kommission
4.1.2Ministerrat
4.1.3 Europäisches Parlament
4.4 Strategien der Beeinflussung
4.5 Machtverteilung zwischen Umwelt- und Wirtschaftsinteressen
5. Greenpeace und WWF als Akteure in der europäischen Umweltpolitik
5.1 Entstehungsgeschichte
5.1.1 WWF - Die Geburt einer Umweltstiftung
5.1.2 Greenpeace - Von der Aktionsgruppe zum internationalen Umweltkonzern
5.2 Strukturen, Ziele und Finanzierung
5.2.1 Der konservative WWF
5.2.2 Die Protestorganisation Greenpeace
5.3 InstrumenteundArbeitsweise
5.3.1 WWF – der kooperative Lobbyingspezialist
5.3.2 Greenpeace – die aktionsorientierte Medienorganisation
5.4 ProblemeundDefizite
5.4.1 Legitimationsdefizit
5.4.2 Das Problem der Entpolitisierung
5.4.3 Organisationsdefizit
6. Fallbeispiel: ReformderGFP
6.1 Arbeitsweisen von WWF und Greenpeace
6.2 Ziele der Umwelt-NGOs
6.3 Strategien der Einflussnahme
6.3.1 WWF
6.3.2 Greenpeace
6.4 Bewertung
7. Schlussbetrachtung
7.1 Verortung der Umwelt-NGOs im politischen System der EU
7.2 Resümee und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. EINLEITUNG
Die Europäische Union1 umfasst derzeit 25 Mitgliedsstaaten und ist ein komplexes System mit verschiedenen politischen, gesellschaftlichen und soziokulturellen Interessen, das besonders seit der Osterweiterung und der konstatierbaren Verfassungskrise vor neue Herausforderungen gestellt ist.
Auswirkungen hat der fortschreitende Integrationsprozess auch auf die europäische Umweltpolitik, die nach anfänglichem Schattendasein in der ursprünglich als Wirtschaftsgemeinschaft gegründeten EU inzwischen ein zentraler Politikbereich geworden ist (vgl. Knill 2003, S. 11). Da Umwelt und ihr Schutz nicht an nationalen Grenzen enden können, ist dies ein Problemkreis, der für eine Lösung auf europäischer Ebene geradezu prädestiniert ist. Eine Bürgerbefragung des Eurobarometers zum Thema Umweltpolitik im Jahr 1995 ergab in allen Mitgliedsländern eine klare Mehrheit für das Betreiben von Umweltpolitik auf EU-Ebene (vgl. Tabelle 1 im Anhang). Die Erkenntnis, dass Umweltprobleme internationale Dimensionen haben, hat sich durchgesetzt, was sich schon allein daran zeigt, dass nach verschiedenen Schätzungen ca. 80 – 90 % der nationalen Umweltgesetzgebung ihren Ursprung in Vorgaben der EU haben. Die europäische Umweltpolitik setzt den Rahmen beispielsweise für die nationale Naturschutz-, Wasser-, Luftreinhalte- und Chemikalienpolitik. Außerdem sind viele Politikbereiche der EU mit starken Umweltbezügen in besonderem Maße vergemeinschaftet, wie etwa die Landwirtschafts-, Fischerei- und Handelspolitik und die Regionalförderung (vgl. Meyer-Ohlendorf 2004, S. 97).
Somit verwundert es nicht, dass europäische Umwelt-NGOs ein großes Interesse an der Formulierung der europäischen Umweltpolitik haben und sich auf vielfältige Art und Weise in diesen Prozess einzubringen versuchen. Wie groß ihre Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten sind und mit welchem Erfolg sie ihre Interessen durchsetzen, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Im Mittelpunkt stehen dabei exemplarisch Greenpeace und der WWF, zwei der größten auf europäischer Ebene tätigen internationalen Umwelt-NGOs, deren Einflusspotential am Beispiel der jüngsten Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik sichtbar gemacht werden soll. Ziel ihrer Arbeit ist es nicht nur, auf die Missstände bzgl. der Umwelt in Europa aufmerksam zu machen und somit eine Gegenposition zu Wirtschaftsverbänden einzunehmen, sondern auch die konsequente Anwendung und Kontrolle sowie eine Verbesserung der Umweltpolitik zu erreichen.
Bestimmt werden die Einflusschancen der NGOs von den Adressaten ihres Lobbyings, in erster Linie der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat2 als wichtigste Institutionen bei der Formulierung der Umweltpolitik. Von ihnen hängt ab, wie hoch der Partizipationsgrad ist, aber auch von der Arbeit der NGOs selbst, die neben der direkten Beeinflussung von Entscheidungsträgern gerade bei öffentlichkeitswirksamen Themen außerdem die Möglichkeit haben, durch Kampagnen und die Einbeziehung von Medien öffentlichen Druck auszuüben. Der Frage, inwiefern sich das oft beklagte Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit auf die Einflussmöglichkeiten der Umwelt-NGOs auswirkt, wird noch nachzugehen sein.
Die Voraussetzungen für Umwelt-NGOs, auf europäischer Ebene eigene Interessen durchzusetzen, sind allerdings nicht sehr Erfolg versprechend. Aufgrund ihrer mangelnden Organisationsfähigkeit und fehlenden Ressourcen sind sie im Vergleich zu wirtschaftlichen Interessenverbänden benachteiligt. Außerdem sind sie wenig konfliktfähig, da sie beispielsweise nicht wie Firmen mit der Verlagerung von Produktionsstätten drohen können (vgl. Furtak 2001b, S. 23).
1.1 Zielsetzung und Gliederung
1.1.1 Zielsetzung
Ausgehend von der Annahme, dass im Gegensatz zu Industrieverbänden die ressourcenschwachen Umwelt-NGOs eher geringe Einflussmöglichkeiten auf EU-Ebene haben, ist es Ziel dieser Arbeit, ihre tatsächlichen Partizipationsmöglichkeiten bzgl. der
Formulierung der europäischen Umweltpolitik zu untersuchen und herauszufinden, ob sie gegenüber den Wirtschaftsvertretern wirklich im Nachteil sind. Neben der Analyse der wichtigsten politischen Organe, der Kommission, dem Rat und dem Parlament, auf mögliche Einflusskanäle, steht der Vergleich von zwei der größten europäischen Umwelt-NGOs, Greenpeace und WWF, im Vordergrund. Wichtige Aspekte sind hierbei:
In welcher Intensität und in welcher Art und Weise arbeiten die Interessengruppen zur Umweltpolitik und was sind ihre Intentionen? Welche Mittel zur Einflussnahme wenden sie an und wie offen sind überhaupt die Institutionen der EU für die Partizipation von Umwelt-NGOs? In diesem Zusammenhang soll in kurzer Form auch das Einflusspotential von Wirtschafts- und Industrieverbänden thematisiert werden, um die Verhandlungsmacht der beiden auf die europäische Umweltpolitik Einfluss nehmenden Gegenspieler – Umwelt- und Wirtschaftsverbände - vergleichen zu können.
Ein weiteres Erkenntnisinteresse liegt speziell darin, anhand eines detaillierten Vergleichs von Greenpeace und WWF herauszufinden, welche Strategie der Beeinflussung Erfolg versprechender ist.
1.1.2 Gliederung
Zur Erörterung der generellen Rolle von Interessenvertretern im politischen System wird zunächst auf die traditionellen Verbändetheorien, Pluralismus und (Neo-)Korporatismus eingegangen. Als weiterer Erklärungsansatz wird außerdem Mancur Olsons Logik des kollektiven Handelns herangezogen.
Das folgende Kapitel wird sich mit der Entwicklung der europäischen Umweltpolitik beschäftigen, wobei besonders die Frage nach dem Grad der Vergemeinschaftung dieses Politikfeldes sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Arbeit der Umwelt-NGOs von Interesse sein wird. Im Hinblick auf das später folgende Fallbeispiel wird außerdem ein erster Einblick in die Gemeinsame Fischereipolitik gegeben.
Anschließend soll der Einfluss der europäischen Umwelt-NGOs auf die Formulierung der europäischen Umweltpolitik anhand einer Analyse der formellen und informellen Beteiligungsmöglichkeiten am Entscheidungsprozess untersucht werden. Dabei werden vor allem die politischen Akteure und ihre Rolle im Gesetzgebungsverfahren sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen und lobbyingrelevanten Einflusskanäle für umweltpolitisch aktive Verbände betrachtet.
Der darauf folgende Abschnitt stellt einen Vergleich von Greenpeace und WWF an. Hierbei sollen die Organisation, Struktur, Finanzierung, Arbeitsweise und das Selbstverständnis der beiden Verbände sowie ihre Kontakte zu den politischen Institutionen als auch mögliche Probleme bei der Interessenvermittlung untersucht werden. Der Frage nach der Legitimation von NGOs, die eng an ihr Selbstverständnis geknüpft ist, soll exemplarisch nachgegangen werden, ebenso der dieser Frage gegenüberstehenden Überlegung, dass die Mitwirkung derselben am Entscheidungsprozess einen Mehrwert an Legitimation mit sich bringt. Eine Analyse der Einflussstrategien von Greenpeace und WWF stellt Kapitel 6 dar, in dem die Rollen der beiden Organisationen bei der jüngsten Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik verglichen werden.
Am Ende der Arbeit sollen in einer Schlussbetrachtung die aufgeworfenen Fragen beantwortet werden und die Verortung der untersuchten Umwelt-NGOs im politischen System der EU sowie eine Bewertung ihrer umweltpolitischen Arbeit erfolgen.
1.2 Forschungsstand
Der Thematik der Interessenvertretung in der Europäischen Union hat sich die politikwissenschaftliche Forschung erst in den letzten Jahren intensiver gewidmet, nachdem dieses Feld bis Ende der 90er Jahre eher schwach bearbeitet war (vgl. Buholzer 1998, S. 21 ff.). Inzwischen gibt es zahlreiche Publikationen zur Rolle der Interessenvertreter im Entscheidungsprozess,3 ebenso einige Veröffentlichungen speziell zu Umweltorganisationen auf europäischer Ebene.4
Im Vordergrund der Forschung stehen dabei die Rolle von Netzwerken und Organisationen im Politikprozess der EU, insbesondere die Frage, wie Interessenverbände
Einfluss ausüben können. Nach Justin Greenwood spielen hierbei Expertise und die legitimierende Wirkung eine große Rolle (vgl. Greenwood 1997, S. 18). Auffällig ist besonders die Tatsache, dass es in der Interessengruppenforschung keinen einheitlichen theoretischen Ansatz gibt, was u. a. darauf zurückzuführen ist, dass die Integrationsforschung und die Verbändeforschung - zwei Forschungsrichtungen, die sich mit diesem Thema befassen - in unterschiedlichen Bereichen angesiedelt sind: erstere im Bereich Internationale Beziehungen und letztere in der vergleichenden Regierungslehre (vgl. Buholzer 1998, S. 22).
Bei den Veröffentlichungen zu Umweltorganisationen auf europäischer Ebene handelt es sich zumeist um Gesamtdarstellungen. Fallstudien über einzelne Organisationen existieren kaum, was auch auf Greenpeace und den WWF zutrifft.5
1.3 Begriffsdefinitionen
1.3.1 NGO
Zum Thema Non-Governmental Organization hat sich im Fahrwasser der Global Governance-Diskussion in den letzten Jahren ein eigenes Forschungsfeld herausgebildet, das von zwei entgegengesetzten Denkschulen geprägt wird. Die pragmatische betont das veränderte Verhältnis zwischen Staat und NGOs und die ideologische verweist auf die neue Rolle von NGOs in einer von nichtstaatlichen und transnationalen Steuerungsformen beherrschten, globalisierten Welt (vgl. Obser 1997, S. 70 ff.). Besonders die 90er Jahre ließen NGOs als die „großen Hoffnungsträger“ (Wahl 2001, S. 10) und die „neuen Stars in der internationalen politischen Arena“ (Roth 2001, S. 14) erscheinen, inzwischen lässt sich aber eine Abkühlung der Euphorie und die Tendenz zu einer sachlicheren Befassung mit dem Thema feststellen (vgl. Brand 2001, S. 72).6
Da der Begriff NGO zunächst eine große Bandbreite an Organisationen zulässt,7 ergibt sich ein definitorisches Problem, weshalb in der Forschung weitgehender Konsens über die Notwendigkeit einer engeren Fassung dieses Begriffs besteht (vgl. Take 2002, S. 39).8
Daher sollen in dieser Arbeit europäische NGOs in Anlehnung an Florian Furtak als
„Zusammenschlüsse nicht materiell orientierter gesellschaftlicher Kräfte, die im öffentlichen Interesse liegenden Ziele verfolgen, sich insbesondere für humanitäre und ökologische, dem Anspruch nach universelle Prinzipien einsetzen und versuchen, Einfluß auf die Politik der EU auszuüben“ (Furtak 2001b, S. 62) verstanden werden. Der Begriff Umwelt-NGO meint somit jene Interessenverbände,9 die sich für die Umwelt und ihren Schutz als allgemeines öffentliches Interesse einsetzen und versuchen, insbesondere auf die Umweltpolitik, aber auch auf andere Politikbereiche der EU Einfluss zu nehmen.
1.3.3 Einfluss
Die Möglichkeiten von Interessengruppen, Einfluss auf ein politisches System auszu- üben, sind vielfältig. Sie können dies durch Überzeugungsarbeit, Verhandeln oder das Ausüben von Druck (vgl. Wörner 2004, S. 2). Die Frage nach der Definition und Messung von Einfluss stellt sich allerdings als schwierig dar, weil gerade im Mehrebenensystem der EU die Änderung des Verhaltens eines Akteurs durch die Interaktion mit einem anderen Akteur nur schwer nachweisbar ist (vgl. Furtak 2001b, S. 26 f.). Deshalb beschränkt sich diese Arbeit weitestgehend auf die Untersuchung der Einflussmöglichkeiten, bei denen grundsätzlich zwischen zwei Formen unterschieden werden kann: informelle und formelle, also institutionalisierte Partizipation. Eine gebräuchliche Bezeichnung für den Versuch der informellen Einflussnahme ist Lobbying.
1.3.2 Lobbying
Der Begriff Lobby leitet sich vom lateinischen Wort labium ab und bedeutet Vorhalle bzw. Wartehalle. Historisch gesehen stammt der Ausdruck Lobbying aus der ursprünglich nur im britischen und amerikanischen politischen System üblichen Praxis von Interessenvertretern, auf Abgeordnete in den Vorräumen von Sitzungssälen Einfluss zu nehmen (vgl. Teuber 2001, S. 117). Eine sehr breite Definition liefert René Buholzer, der Lobbying als „wertneutrale[n] Sammelbegriff für die Fülle von Möglichkeiten zur Reaktion und Einflussnahme nicht direktbeteiligter Dritter auf den politischen Entscheidungsprozess“ (Buholzer 1998, S. 6) auffasst.10 Besonders in Kontinentaleuropa herrscht eine eher negative Vorstellung von Lobbying vor, was das Definitionsproblem noch verstärkt.11 Ein weiteres Manko, auf das Jörg Teuber hinweist, ist die Tatsache, dass sich gerade im Bezug auf europäisches Lobbying nicht immer zwischen tatsächlich nicht am Entscheidungsprozess beteiligten Lobbyisten und am Verfahren beteiligten Personen unterscheiden lässt, da beispielsweise Mitglieder des EP gleichzeitig Interessengruppenvertreter sein können (vgl. Teuber 2001, S. 205).
Um diese Probleme zu umgehen soll Lobbying in dieser Arbeit als der „Versuch der Beeinflussung von Entscheidungsträgern durch Dritte“ (Fischer 1997, S. 35) aufgefasst werden, da diese Definition alle für die Einflussnahme auf europäischer Ebene wesentlichen Merkmale umfasst (vgl. Teuber 2001, S. 118). Wichtig ist hierbei die Abgrenzung zur tatsächlichen Einflussnahme, denn Lobbying „is only an unorthodox effort to create a desired outcome of influence, and there is, consequently, never any guarantee of success“ (van Schendelen 2002, S. 205).
Kapitel 2
2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Die Grundlagen zur Analyse der Einflussmöglichkeiten von Umwelt-NGOs auf die Formulierung der Umweltpolitik der EU ergeben sich aus politikwissenschaftlichen und ökonomischen Theorien zur generellen Rolle von Interessenvertretern im politischen Prozess. Als „die beiden wesentlichen Grundrichtungen innerhalb der Verbändeforschung“ (Wörner 2004, S. 33) gelten der Pluralismus sowie der (Neo-)Korporatismus, anhand derer ein Fundament für die Einordnung der Umwelt-NGOs in das politische System der EU gelegt werden soll. Zur näheren Betrachtung der Organisationsfähigkeit und Interessenaggregation wird Mancur Olsons Logik des kollektiven Handelns hinzugezogen.
Während bis in die 70er Jahre hinein der vor allem von Arthur Bentley (1908) und Daniel B. Truman (1951) entwickelte Pluralismusansatz dominant war, gewann besonders durch die beiden Wissenschaftler Philippe C. Schmitter und Gerhard Lehmbruch (1979) in den darauf folgenden Jahren der (neo-)korporatistische Ansatz mehr und mehr an Bedeutung. Ob der Einfluss von Interessenverbänden auf europäischer Ebene eher pluralistisch oder korporatistisch erklärbar ist, ist umstritten, ebenso vermag keiner der drei im Folgenden vorgestellten Ansätze alle Aspekte der Interessenvermittlung hinreichend erklären.12
2.1 Pluralismus
Der Begriff Pluralismus leitet sich von Vielfalt ab, gemeint ist damit „die für freiheitliche Demokratien charakteristische Vielfalt von Meinungen und Interessen“ (Wörner 2004, S. 35). Im Mittelpunkt des pluralistischen Ansatzes stehen die Verbände und ihre Einflussnahme auf das politische System, wobei unterstellt wird, dass der Staat auf die Aktivitaten der Verbande lediglich reagiert.
[...]
1 Die EU wurde 1993 mit Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages gegründet. Der Einfachheit halber werde ich im Folgenden diese Bezeichnung in den meisten Fällen auch dann beibehalten, wenn ich mich auf die Zeit davor und somit ihre Vorgänger, EG bzw. EWG, beziehe.
2 Die offizielle Bezeichnung für den Ministerrat lautet Rat der Europäischen Union, im Folgenden auch einfach als Rat bezeichnet.
3 U. a. Furtak (2001b), Greenwood (1997), Greenwood/Aspinwall (1998), Imig/Tarrow (2000), Lahusen/Jauß (2001), Teuber (2001), van Schendelen (2002) und Warntjen/Wonka (2004).
4 Neben der Untersuchung von Hey und Brendle (1994) sind dies beispielsweise die Studien von Roose (2003) und Wörner (2004).
5 Zu nennen wäre hier nur die Studie von Günter Murr (1996), der sich mit der Rolle des WWF als Akteur in der internationalen Umweltpolitik befasst und dabei in einem Kapitel auch die europäische Ebene behandelt. Zu Greenpeace liegen u. a. Untersuchungen zur Brent-Spar-Kampagne vor (vgl. z. B. Lahusen 1997), allerdings ist der überwiegende Teil der Literatur zu diesen beiden NGOs nichtwissenschaftlich.
6 Peter Wahl vertritt sogar die Auffassung, dass NGOs „der am meisten überschätzte politische Akteur der neunziger Jahre“ (Wahl 1997, S. 293) sind.
7 In Teil I der ECOSOC-Resolution 1269 (XLIV) vom 23. Mai 1968 heißt es unter Paragraph 7: „Any international organisation which is not established by inter-governmental agreement shall be considered as a nongovernmental organization“.
8 Nicht dieser Auffassung ist Ulrich Brand: „Der Eindruck drängt sich auf, daß versucht wird, einem recht sperrigen gesellschaftlichen Phänomen mit einheitlichen und damit vereinheitlichenden Begriffen beizukommen. Dies wird den politischen Akteuren NRO aber nicht gerecht“ (Brand 2000, S. 9).
9 Da eine exakte Trennung nicht sinnvoll ist, werden die Begriffe Interessenverband, Interessengruppe und NGO in dieser Arbeit synonym verwendet.
10 Einschränkend fügt er allerdings hinzu, dass die Akzeptanz dieser Definition nicht durchgehend ist und in der Forschung kein Konsens über eine einheitliche Definition besteht (vgl. Buholzer 1998, S. 6).
11 So findet sich der im Deutschen eher gebräuchliche Begriff Lobbyismus im Kleinen Lexikon der Politik nur unter dem Stichwort Korruption, „als Versuch, Abgeordnete, Regierungs- und Verwaltungsmitglieder durch Informationen, Überzeugungsarbeit oder Gefälligkeiten im eigenen Interesse zu beeinflussen“ (Nohlen 2001, S. 267).
12 Manche Stimmen sprechen von einer „Abkehr von der neo-korporatistischen Eurokratie und Komitologie der Europäischen Gemeinschaft und [der] Hinwendung zum pluralistischen Eurolobbyismus der Europäischen U- nion“ (Lahusen/Jauß 2001, S. 22). Justin Greenwood, Jürgen R. Grote und Karsten Ronit gelangen allerdings zu der Auffassung: „From our studies it is impossible to draw the conclusion that interest intermediation at the European level is clearly of either corporatist or pluralist nature“ (Greenwood/Grote/Ronit 1992, S. 248). Um eine Festlegung zu umgehen, wird deshalb häufig politikfeldspezifisch argumentiert und von einem Mix aus Plu-