Das Bild vom späten Mittelalter

Zu Wilhelm Pinder: Die Kunst der Ersten Bürgerzeit bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Wilhelm Pinder in der deutschen Kunstgeschichte

2. Die Kunst der Ersten Bürgerzeit bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts
2.1 Die Kunst der „Stauferzeit“
2.2 Die Kunst der „Bürgerzeit“
2.3 Die Kunst um 1400
2.4 Die Kunst der „Kampfzeit“ im 15. Jahrhundert

Fazit

Literaturverzeichnis

Primärliteratur:

Sekundärliteratur:

Internetquelle:

Einleitung

Die Zeit zwischen dem Altertum und der Neuzeit wird als ‚Mittelalter’ bezeichnet. Dieser von den Humanisten geprägte Begriff versucht eine Zeitspanne von ca. neunhundert Jahren zu umfassen. Um begreiflicher zu machen, wie viele Entwicklungen und Veränderungen in dieser langen Zeit stattgefunden haben, wurden diese neun Jahrhunderte nochmals in drei Phasen, nämlich Früh-, Hoch-, und Spätmittelalter, unterteilt.

Um die letzte Phase, das Spätmittelalter zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert, soll es in dieser Arbeit gehen und um den immerwährenden Drang des menschlichen Geistes, den Dingen ihren Namen zu geben. Ein Name oder eine Bezeichnung hat den Sinn eine Sache mit nur einem Wort genauestens zu charakterisieren. Wilhelm Pinder hat in seinen Geschichtlichen Betrachtungen den Versuch unternommen, das späte Mittelalter neu zu gliedern und zu benennen.

Aufgrund seiner Betrachtungsweise entwickelte er ein Bild dieser Zeit, für das herkömmliche Bezeichnungen nicht mehr treffend genug zu sein schienen. Es stellt sich nun die Frage, welche Vorstellung der berühmte Kunsthistoriker vom Spätmittelalter anhand seiner Untersuchungen gewonnen hat und an welchen Kriterien er diese Vorstellung festgemacht hat. Es wird dabei auch zu klären sein, welche Ziele Wilhelm Pinder mit seinem Werk verfolgte und welche Theorie er seinen Untersuchungen der Kunst und Geschichte des deutschen Spätmittelalters zugrunde legte.

Anhand Pinders eigener zeitlichen Einteilung des späten Mittelalters soll erarbeitet werden, inwieweit seine Namen tatsächlich Programm sind, also welches Bild der spätmittelalterlichen Welt sich jeweils hinter seinen Bezeichnungen verbirgt.

Diesen Untersuchungen wird eine kurze Betrachtung des Lebens Wilhelm Pinders und seiner Rolle in der Kunstgeschichte während des Nationalsozialismus vorangestellt. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden abschließend nochmals im Fazit zusammengefasst dargestellt.

1. Wilhelm Pinder in der deutschen Kunstgeschichte

Wilhelm Georg Maximilian Pinder wurde am 25.6.1878 in Kassel geboren. Pinder studierte zunächst Jura, danach ab 1896 Kunstgeschichte in Göttingen, München und Berlin. Er promovierte 1903 in Leipzig. Nach seiner Habilitation zwei Jahre später lehrte er in Würzburg (1905-1911), Darmstadt (bis 1916), Straßburg (1918), Breslau (1920/21), Leipzig (bis 1927), München (bis 1935) und schließlich in Berlin. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er vom Dienst suspendiert und von den alliierten Behörden in Berlin festgehalten. Aufgrund einer Verwechselung wurde er inhaftiert und starb kurz darauf am 13.5.1947.

Pinder ist einer der meistgelesenen deutschsprachigen Kunsthistoriker der Welt. Seine Texte in der Reihe Blaue Bücher von 1912 erreichten eine Auflage von zwei Millionen Exemplaren.

Pinder haftet seit langem der Ruf „Hitlers Kunsthistoriker[1] an. Grund dafür mögen sein Nationalismus und sein ideologisch geprägtes Wissenschaftsverständnis sein. Seine Ergebenheit der Kunst gegenüber war jedoch stärker als die gegenüber Hitler. Er sah im Nationalsozialismus eher eine „nationale Bewegung“, die zur „Lösung der gesellschaftlichen Widersprüche“ beitragen sollte.[2] Trotz anfänglicher Schwierigkeiten mit der SS arrangierte er sich schließlich mit dem Regime. Seine Rolle als Kunsthistoriker im Dritten Reich war jedoch nur die eines Mitläufers. Er setzte sich 1933 für jüdische Kollegen ein und hielt 1935 einen Vortrag in Dachau zur Verteidigung einiger vom Nationalsozialismus geschmähter Expressionisten und ihrer sogenannten ‚Entarteten Kunst’.

Die Kunstgeschichte solle, laut Pinder, Volk und Staat dienen und „national“ sein, es solle aber auch immer um die „Erkenntnis der Wahrheit“ gehen.[3] Er deutete die Kunstgeschichte der Ideologie seiner Zeit entsprechend. Diese wurde vor allem durch den 1928/29 gegründeten „Kampfbund für deutsche Kultur“ beeinflusst. Ziel dieser Organisation war es „das deutsche Volk über die ‚Zusammenhänge zwischen Rasse, Kunst, Wissenschaft, sittlichen und soldatischen Werten’ aufzuklären.[4]. Innerhalb der Kunsttheorie gab es unterschiedliche Tendenzen, deren Hauptmerkmale neben Antisemitismus, eine Ablehnung ausländischer Einflüsse in der deutschen Kultur, Ablehnung avantgardistischer Kunst und der Glaube an den „Führungsauftrag des nordischen Volkes[5] waren. Ebenso wurde die Auffassung von der Autonomie der Kunst abgelehnt, jenes Verständnisses eines „eigenständigen Entwicklungsprozesses der Kunst jenseits der gesellschaftlichen Entwicklung[6]. Man glaubte, eine Entfremdung der Gesellschaft von der Kunst auszumachen, welche eine Krise und einen Kulturverfall bedeute, da die Kunst ein „Indiz für die rassische Vollkommenheit[7] sei. Die Arier seien in der Vergangenheit diejenigen gewesen, die in süd- und zentraleuropäischen Ländern eine Kulturblüte hervorgebracht hätten. Überzeugungen dieser Art lassen sich zum Teil auch in Pinders Werk Vom Wesen und Werden deutscher Formen wiederfinden.

Andererseits muss auch berücksichtigt werden, dass seit der Gründung und Überführung der Berufsverbände in die Reichskulturkammer 1933, die Kunst den politischen Erfordernissen untergeordnet wurde, wodurch eine nationalsozialistische Ausrichtung der Kunst garantiert werden sollte und die Künstler auf die faschistische Staatsideologie verpflichtet wurden. Hinzu kam seit 1936 das Verbot der Kunstkritik, woraufhin Kunstwerke nur noch hingehend ihrer nationalsozialistischen Aspekte analysiert werden sollten.[8] Somit stand Pinder vielleicht auch gezwungenermaßen mit seiner Kunstauffassung in geistiger Nähe zum Nationalsozialismus. Er ging aber auch seinen eigenen Weg indem er versuchte ein neues Bild der deutschen Kunst, vor allem der des Spätmittelalters, zu entwerfen. Er sah die Geschichte in einem größeren Rahmen Sie war für ihn nicht nur linear, keine einfache Abfolge von Stilen, sondern mehrdimensional. Künstlerische Stile und Formen seien geprägt von relativ stetigen Faktoren, wie der Kultur, der Nation, dem Stamm und der Geographie. Kunst sei damit also ein Produkt der ‚Volkskraft’, den biologischen und psychischen Besonderheiten eines Volkes. Dieses Wesen eines Volkes könne durch äußere Einflüsse, zum Beispiel politischer Art, beeinflusst werden, was sich dann auch in der Kunst widerspiegele. Das sich daraus resultierende Wandeln sah Pinder als „besonderes Kennzeichen der europäischen Entwicklung“ im Gegensatz zur asiatischen und als „Selbstwert“ der Deutschen an.[9]

Diesen Wandlungen geht Pinder auch in seinem vierbändigen Werk Vom Wesen und Werden deutscher Formen nach, mit dem erklärten Ziel alte Tatsachen „im Lichte der Gegenwart neu interpretieren zu wollen[10].

2. Die Kunst der Ersten Bürgerzeit bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts

Das vierbändige Werk Pinders von 1937 Vom Wesen und Werden deutscher Formen – Geschichtliche Betrachtungen befasst sich im zweiten Band Die Kunst der Ersten Bürgerzeit bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts mit einer Stil- und Formanalyse der Kunst des deutschen Spätmittelalters. Aufgrund dieser Betrachtungen entwickelte er ein neues Bild dieser Epoche. Wie Pinder im Vorwort erklärt, strebt er keine vollständige geschichtliche Darstellung an, sondern die „Darstellung gilt dem ersten Aufstiege unseres Bürgertumes und damit auch des malerischen Zeitalters.[11]. Diese Aussage ist ein erster Hinweis auf Pinders Kunsttheorie, nach der sich Kunstgeschichte mehrdimensional in Zeit und Raum entwickelt. Die gesellschaftlichen Entwicklungen des Spätmittelalters bedingen und prägen also seiner Meinung nach auch die Kunst. Weiterhin gibt Pinder an, bewusst auf die üblichen europäischen Stilbezeichnungen verzichtet zu haben, weil es ein „deutsches Sonderschicksal innerhalb des europäischen[12] gebe. Da er sich in diesem Werk nur mit der „[...]Rolle der deutschen Kunst innerhalb der deutschen Geschichte[13] befasst, bestimmte er neue Bezeichnungen für die Wandlungen, welche er im deutschen Wesen und ihren Formen feststellte. Er versuchte also anhand der Kunstwerke Stimmungen und politische Haltungen der Deutschen im Spätmittelalter herauszulesen. Ebenso versuchte er anhand der Kunst den Grad der „deutschen Volkskraft[14] in dieser Epoche zu ermessen, also inwieweit die stetigen Faktoren von den gesellschaftlich-politischen beeinflusst wurden. Die Kunst ist für ihn also immer auch ein politisches Indiz.

Seine nationalistische Sichtweise mag ihn veranlasst haben, die deutsche Kunst von der italienischen, französischen und niederländischen abgrenzen zu wollen.

[...]


[1] Neue Zeitung, 7.12.1945, S. 3, in: Die Geschichte der Kunstgeschichte in Berlin.Nationalsozialismus. 2002 hu Berlin. Kunstgeschichtliches Seminar. Webmaster. http://www2.hu-berlin.de/arthistory/pub/semLs3s2.php?pg=s5. 24.8.2005.

[2] Peter Betthausen. 1999, S. 311.

[3] Ebd., S.309.

[4] Joachim Petsch. 1987, S.11.

[5] Ebd., S. 12.

[6] Ebd., S. 10.

[7] Ebd., S. 12.

[8] Ebd., S. 14 f.

[9] Udo Kultermann. 1990, S.199.

[10] Peter Betthausen. 1999, S. 311.

[11] Wilhelm Pinder. 1937, S.7.

[12] Ebd., S.12.

[13] Ebd., S.7.

[14] Wilhelm Pinder. 1937, S. 15.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das Bild vom späten Mittelalter
Untertitel
Zu Wilhelm Pinder: Die Kunst der Ersten Bürgerzeit bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V112068
ISBN (eBook)
9783640107506
ISBN (Buch)
9783640345519
Dateigröße
453 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bild, Mittelalter
Arbeit zitieren
Daniela Sechtig (Autor:in), 2005, Das Bild vom späten Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112068

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