Reggio-Pädagogik


Seminararbeit, 2002

22 Seiten, Note: 1


Leseprobe


INHALT

1 Einleitung

2 Historische Entwicklung

3 Definition

4 Das Bild vom Kind

5 Ziele der reggianischen Erziehung

6 Projekte
6.1 Projekt allgemein
6.2 Projekte in der Reggio-Pädagogik
6.2.1 Bedeutung
6.2.2 Projekte: Der Weg ist das Ziel
6.2.3 Die Dimension des Spiels
6.2.4 Was Kinder in Projekten lernen

7 Rolle des Erziehers
7.1 Projektdokumentation / Ausstellungen

8 Raumgestaltung
8.1 Der Raum als „dritter Erzieher“

9 Zusammenfassung

10 Übertragungsschwierigkeiten/ Transferprobleme

11 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Aufgrund meines Pädagogik-Studiums, wurde in mir das Interesse an der Erziehung, die ich als Kind genoss, geweckt. Von meiner Neugier getrieben ging ich in den Kindergarten, in dem ich von 3 bis 6 Jahren meine Zeit verbrachte. Als ich nach anfänglichen Orientierungsproblemen auf dem Kindergartengelände, endlich den Eingang gefunden hatte, kam ich mir wie in eine andere Welt versetzt vor. Dies war aber keineswegs eine Welt, die ich kannte, sondern eine völlig fremde. Dieser Kindergarten hatte nichts mehr mit dem, den ich noch kannte, und den damaligen Erinnerungen gemeinsam, ausser einer Erzieherin. Nach einem längeren Gespräch und täglich folgenden Gesprächen und Diskussionen mit den Erzieherinnen, während meines Praktikums, musste ich feststellen, dass sich in den letzten Jahren sehr viel in den Kindergärten und somit auch in der Elementarpädagogik verändert hat und sich auch verändern musste. Aber nicht nur der gesamte Tagesablauf mit den Aktivitäten und Fördermaßnahmen hat sich geändert, sondern auch das gesamte Umfeld des Kindergartens, wie die Architektur, die räumliche Gestaltung, die Gestaltung des Gartens, und somit auch die Interessen, Möglichkeiten und Aktivitäten der Kinder.

Ein Paradebeispiel für die Veränderung der Erziehung zu der, die ich als Kind im Kindergarten erfuhr, ist eine jüngere Pädagogik-Bewegung, die Reggio-Pädagogik. Unterschiede lassen sich schon an dem reggianischen Bild des Kindes feststellen und geht von den Tätigkeiten der Kinder hin bis zu der räumlichen Gestaltung der Kindergärten.

Was man unter Reggio-Pädagogik versteht, möchte ich in dieser Arbeit vorstellen. Zuerst werde ich den historischen Hintergrund der Reggio-Pädagogik erläutern, um den gesellschaftlichen Bezug derselbigen zu verdeutlichen. Danach werde ich versuchen die Reggio-Pädagogik zu definieren. Warum das nicht, im Gegensatz zu anderen Pädagogik-Konzepten, so ohne weiteres möglich ist, wird dabei deutlich werden. Fortfahren werde ich dann mit dem reggianischen Bild vom Kinde. Anschließend komme ich zu den Zielen der Reggio-Pädagogik und dem Wesentlichen dieser Pädagogik, der Projektarbeit. Des weiteren stelle ich die Rolle, die die Erzieher/innen in der Reggio-Pädagogik spielen, mit ihren Aufgaben, wie zum Beispiel der Dokumentation von Geschehnissen, dar. Durch die Bedeutsamkeit der Räume in der Reggio-Pädagogik, welchen die Rolle des dritten Erziehers zugeschrieben wird, zeige ich im Anschluss die architektonische Gestaltung einer solchen Kindertagesstätte oder Krippe auf. Beenden werde ich diese Arbeit mit einer Zusammenfassung und im Folgenden meine Meinung hinsichtlich der Probleme der Durchsetzung dieser Pädagogik in anderen Ländern aufzeigen.

2 Historische Entwicklung

Die Grundgedanken der Reggio-Pädagogik sind bereits ab Mitte des 18. Jahrhunderts formuliert worden. Ein Vorreiter war zum Beispiel Rousseau, der für die Achtung vor Freiheit und Würde des Kindes, eintrat. In der Reformpädagogik schritt diese besondere Wertschätzung gegenüber der Kinder weiter voran. Circa 1920 formulierte der polnische Arzt und Pädagoge Janusez Korczak drei Rechte der Kinder, die sie vor einer Allmacht der Erwachsenen schützen sollen.

1948 wurde auf der Kinderrechtscharta die Rechte der Kinder in die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen aufgenommen. Darin wurden Standards der Lebensqualität von Kindern kulturunabhängig festgesetzt.[1]

Der Name Reggio-Pädagogik, rührt von der norditalienischen Stadt Reggio-Emilia her, in der sie entwickelt wurde. Diese Namensgleichheit drückt die enge Verbundenheit dieses Vorschulkonzeptes mit den situativen Gegebenheiten dieser Stadt aus.[2]

Mit der faschistischen Übernahme in den 20er Jahren, wurden alle in Italien bis dato vorherrschenden demokratischen Ansätze unterdrückt. Erst nach dem 2. Weltkrieg entwickelte sich eine Wiederstandsbewegung. Unmittelbar nach dem Krieg, 1945, stellten sich die Eltern und Erzieher in Reggio-Emilia die Frage, nach dem „Wohin“ sie ihre Kinder erziehen möchten. Dabei ging es ihnen vor allem darum, durch demokratische und soziale Erziehungsformen dem Faschismus etwas entgegen zu setzten.[3] Demokratische und soziale Erziehungsformen bedeutete für sie, die Kinder im Kindergarten zur Demokratie, Gerechtigkeit und Solidarität zu erziehen. Die Eltern und Erzieher/innen verfolgten damit das Ziel, dadurch den Weg einer neuen Erziehung, an dem Aufbau einer neuen Gesellschaft beizutragen. Hierbei erreichte die Erziehung eine politische Dimension. Zusammen mit Erzieherinnen der kommunalen Kindertageseinrichtungen, entwarf Loris Malaguzzi, 1963, in Reggio- Emilia, die sogenannte Reggio-Pädagogik.

Von 1970 bis 1985 leitete Loris Malaguzzi das Koordinationsbüro der reggianischen Kindertageseinrichtungen.[4] Er gilt als der wichtigste Inspirator der Reggio-Pädagogik, wobei durch die Dynamik des Konzepts es heutzutage und weiterhin das Werk aller Beteiligten ist.[5] Zu den Beteiligten zählen gleichermaßen die Kinder, die in den frühen 90ern in Reggio-Emilia ihre Rechte mit der Hilfe der Erwachsenen selbst formuliert und niedergeschrieben haben.

Anfang der 70er gab Gianni Rodari wichtige Impulse für die pädagogische Praxis der reggianischen Kindertageseinrichtungen hinsichtlich der Dimension des „Spiels“ in den Projektsarbeiten.

Die ersten reggianischen Einrichtungen in Reggio-Emilia stießen auf starke Ablehnung durch Vertreter des etablierten, traditionellen Erziehungswesens. Bis heute sind diese Einrichtungen weiterhin auf die Region begrenzt. Seit den 70er Jahren versucht die Reggio-Pädagogik ihre Ideen und Konzepte durch Publikationen, Tagungen, Ausstellungen und Studienreisen nach Reggio- Emilia bekannt zu machen. Die erste Ausstellung fand 1981/82 in Schweden statt, unter dem Titel: “Die Hundert Sprachen der Kinder“. Die Selbe Ausstellung fand auch mehrmals in Deutschland statt, das letzte Mal 1997 in Düsseldorf. Mittlererweile stehen die reggianischen Einrichtungen in Reggio-Emilia mit circa 25 Ländern in Kontakt.[6]

1992 wurde eine dieser Einrichtungen von einer amerikanischen Expertengruppe als beste Kindertagesstätte der Welt ausgezeichnet.

Derzeit existieren in Reggio-Emilia 35 reggianische Einrichtungen, von denen 13 Krippen und die Restlichen Kindertagesstätten sind. An dem überdurchschnittlich hohen Angebot an Einrichtungen für Vorschulkinder, sowie an der finanziellen Unterstützung der Öffentlichkeit, wird deutlich, dass der Erziehung der Vorschulkinder und den kindlichen Bedürfnissen eine besondere Wertschätzung entgegen gebracht wird. Dazu möchte ich eine Aussage von Annette Dreier zitieren:

<< (...) denn Krippen und Kindergärten gelten in der Emilia Romagna nicht als "Luxus" oder "Notbehelf", sondern vielmehr als Bedingung und Voraussetzung für das Wachsen der privaten und kollektiven Lebensqualität >>[7]

1982 hospitierten die ersten Deutschen in einer diesen reggianischen Einrichtungen.

Inzwischen finden sich auch in Deutschland Einrichtungen, die sich an der Reggio-Pädagogik orientieren, wobei Berlin als das Zentrum der Reggio-Konzeption, bezeichnet wird.

1995 wurde die Vereinigung zur Förderung der Reggio-Pädagogik in Deutschland e.V. gegründet, mit dem Namen Dialog Reggio. Sie verfolgen, durch Veranstaltungen und Tagungen, das Ziel eines regen Austauschs von Praxiserfahrungen zwischen den Einrichtungen.[8]

1999 wurde auf einer dieser Mitgliederversammlung ein 9-Punkte-Papier verabschiedet, in dem die wichtigsten Elemente und Prinzipien der Reggio-Pädagogik zusammengefasst wurden:

<< 1.Wir verstehen das individuelle Kind als Konstrukteur seiner Wirklichkeit und

seiner Entwicklung. (...)

2. Die Ich-Bildung steht in einer Wechselbeziehung mit der Du- und Wir-Bildung.

(...)

3. Das Kind hat Hundert Sprachen. (...)

4. Projektorientierung. (...)

5. Der Raum als dritter Erzieher. (...)

6. Gegen die Einsamkeit der Erzieherin. (...)

7. Einbeziehung der Mütter und Väter. (...)

8. Die Gemeinwesenorientierung. (...)

9. Wirken für die Rechte der Kinder. (...) >>[9]

3 Definition

Eine starre Konzeption, die einfach und strukturiert dargestellt werden kann, ist in der Reggio-Pädagogik nicht vorzufinden. Deshalb können lediglich Aspekte aufgezeigt werden, aus denen sich das Bild des reggianischen Ansatzes zusammensetzt.

Die Reggio-Pädagogik kann zu einem reformpädagogischen Entwurf, als „Pädagogik vom Kinde aus“, gezählt werden. Sie ist eine Vorschulpädagogik, der ein sozialistisches Menschenbild zu Grunde liegt. Sie setzt sich permanent mit der Frage nach dem „Wohin“ die Kinder erzogen werden sollen, auseinander. In der Konzeption der Reggio-Pädagogik ist eine ständige Veränderung vorgesehen, weshalb sie auch als „Pädagogik des Werdens“ bezeichnet wird. Diese Pädagogik wird in der Interaktion mit dem sozio-kulturellen Umfeld und den gesellschaftlichen Veränderungen gesehen, wodurch immer wieder neue Wege in der Erziehung entdeckt und umgesetzt werden.[10] Dadurch ist das Konzept der Reggio-Pädagogik eine Sammlung von Grundsätzen, welche bei jährlichen Treffen der Mitarbeiter durch Einzelkonzeptionen erweitert und geändert werden. Durch unterschiedliche Einzelkonzeptionen kann auf die individuellen Lebenssituationen der unterschiedlichen Kinder spezifisch eingegangen werden. Trotz Einzelkonzeptionen stellen sich dennoch alle Beteiligten die gleichen Fragen. Zum Einen:

<< Wie kann der Anspruch auf eine gemeinschaftliche Verantwortung für Kinder eingelöst werden, das heißt wie wird die Zusammenarbeit von Eltern, Erzieherinnen, Bürger und Kommunalpolitikern organisiert? >>[11]

Und zum anderen:

<< Welche Zielsetzung verfolgt die pädagogische Arbeit mit den Kindern? >>[12]

In dem Konzept der Reggio-Pädagogik soll ihr spezielles Bild vom Kinde umgesetzt werden. Dabei soll das Kind in seiner Vielfalt von Formen und Strategien nicht eingeschränkt werden. Unter Vielfalt von Formen und Strategien wird zum Beispiel der Realitätssinn, die Phantasie, der Forschungsdrang und die Träume der Kinder verstanden.[13] Das Kind soll so die Möglichkeit haben, sich und seine Umwelt zu erkennen.

[...]


[1] Vgl.: Knauf: Einführung in das Thema, in PÄD Forum,..., 2001, S. 175.

[2] Vgl.: Schäfer: Grundlagen der Reggio-Pädagogik,..., 2002.

[3] Vgl.: Krieg: Hundert Welten entdecken,..., 1993, S. 11.

[4] Vgl.: Knauf: Einführung in das Thema, in PÄD Forum,..., 2001, S. 175.

[5] Vgl.: Stenger: Grundlagen der Reggiopädagogik,..., in KiT 1.11, 1998, S. 135.

[6] Vgl.: Schaub: Reggio-Pädagogik, ..., 1998.

[7] Dreier: Was tut der Wind, wenn er nicht weht?..., 1993, S. 23.

[8] Vgl.: Knauf: Einführung in das Thema, in PÄD Forum,..., 2001, S. 176.

[9] Vgl.: Knauf: Einführung in das Thema, in PÄD Forum, ..., 2001, S. 176.

[10] Vgl.: Dreier: Was tut der Wind, wenn er nicht weht?..., 1993, S. 57.

[11] Dreier: Was tut der Wind, wenn er nicht weht?..., 1993, S. 58.

[12] ebd.

[13] Göhlich: Was ist Reggio-Pädagogik,..., in PÄDForum, 2001, S. 177.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Reggio-Pädagogik
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Pädagogik)
Veranstaltung
Bildungsprozesse im Elementarbereich
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
22
Katalognummer
V11209
ISBN (eBook)
9783638174299
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reggio-Pädagogik, Elementarbereich
Arbeit zitieren
Silke Reichert (Autor:in), 2002, Reggio-Pädagogik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11209

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