1. Zum Verhältnis von Christentum und Kunst
Bevor ich auf die Verwendung von Farben in der christlichen Kunst, insbesondere der Farbe Blau, näher eingehe, muss ich zunächst die enge und doch stets kontroverse Verbindung zwischen Christentum und Kunst erläutern. Erst so wird verständlich, wie gewisse Arten von Kunstwerken, beispielsweise Ikonen oder Buchmalereien, zustande kommen konnten und in welchem Zusammenhang sie möglicherweise entstanden sind.
Zur Zeit Moses beginnt die konfliktgeladene Beziehung der Religion zur Kunst: Das Bilderverbot des Judentums entstand nach dem Exil des Volkes Israel in Ägypten und sollte die radikale Unterscheidung zur ägyptischen Kultur mit all ihren Götterbildnissen deutlich machen. Erst lange Zeit später wurden die Bilder durch die gehobenen Bevölkerungsschichten wieder in die Religion, in diesem Fall das Christentum, eingeführt. Erste Christusdarstellungen finden sich zunächst in den Katakomben, also im Untergrund, in dem das Christentum sich entwickelte, und später nach Anerkennung der Religion in Kirchen.
Ab dem 4. Jahrhundert macht dann die Ikonenmalerei ein weites Feld im Kunstbereich aus. Eine positive Wende für die religiöse Kunst wurde im 8. Jahrhundert nach dem 120 Jahre andauernden byzantinischen Bilderstreit erreicht. Auf dem Konzil von Nizäa wurden die kultbildfeindlichen Beschlüsse widerrufen und später die Kultbildverehrung in der Ostkirche sogar festgeschrieben. Im Westen, am Hofe Karls des Großen, war zwar eine Anbetung der
Bilder nicht gestattet, wohl aber wurde das Bild zum ersten Mal als autonomes Kunstwerk betrachtet.[1] Nicht der Inhalt, sondern die Qualität des Bildes stand dort im Vordergrund.[2]
In der katholischen Theologie wurde vor allem der didaktische Nutzen der Bilder hervorgehoben. Für Papst Gregor den Großen (540-604) galten „Bilder als Bücher des Volkes“[3], die die Worte der Predigt verstärken. Diese Meinung wurde auf katholischer Seite auch während und nach der Reformation geteilt.[4]
Um 1000 n. Chr. war der Höhepunkt der christlichen Buchkunst. Einen hohen Stellenwert hatten hier Bildsprache und Farbsymbolik. Die Bedeutung, die ein Bild haben sollte, wurde mithilfe von Farben und Licht hervorgehoben. So benutzte man beispielsweise einen kostbaren Goldgrund, um die göttliche Natur Christi hervorzuheben.
Die Reformation brachte eine erneute Wende auf Seiten der „neuen“, evangelischen Konfession. Die Bildproduktion wurde radikal reduziert und der Schwerpunkt verlagerte sich von der religiösen hin zur weltlichen Kunst (z.B. Rubens) Noch heute gibt es immer wieder Konflikte zwischen Kirche und Kunst. Ein Beispiel hierfür ist Georg Baselitz’ Bild „Tanz um das Kreuz“, das ein Geschenk an eine Dorfkirche war. Es löste starke Diskussionen aus, da das Kreuz auf dem Kopf steht und musste schließlich vom Künstler wieder zurückgenommen werden.[5]
Trotz dieser Konflikte, Bilderstreits und Diskussionen hatte die Kirche wie kaum eine andere Institution Einfluss auf die Herstellung von Kunst. Zwar differenziert Hans Belting zwischen Kunst „im empathischen und reflektierten Sinne“[6], die erst nach der Renaissance entstanden sei, und Kultbildern in der Zeit davor.
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Dennoch wird gemeinhin, und auch in der Forschungsliteratur, schon bei den ersten Höhlenmalereien von Kunst gesprochen und so bezeichne auch ich die „Kultbilder“ vor der Renaissance als Kunst.
In der folgenden Arbeit werde ich also auf christliche Kunstwerke eingehen, die mit der Farbe Blau zu tun haben. Dabei möchte ich zunächst klären, welche Bedeutung Farben für uns Menschen allgemein haben und inwiefern die christliche Kirche diese Vorstellungen übernommen und umgesetzt hat. Vor allem auf die Farbe Blau gehe ich dabei näher ein, dazu gehört nicht nur die Symbolik, sondern auch die Herstellung und Herkunft der Farbe. An konkreten Kunstbeispielen werde ich die Verwendung von Blau im Christentum verdeutlichen. Diese Beispiele sollen einen Querschnitt der christlichen Kunst darstellen und sind daher aus verschiedenen Epochen und Genres wie z.B. Mosaik, Glasfenster, Fresken, Gemälde und andere gewählt. Der Ausblick auf andere Religionen am Ende der Arbeit soll mögliche Parallelen und Unterschiede in der Symbolik der Farbe Blau aufzeigen.