Wie funktioniert Kommunikation? - Die Theorie der Implikatur des Paul Grice


Zwischenprüfungsarbeit, 2008

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALT

1 Einleitung: Kommunikation und Bedeutung

2 Die Bedeutung der Sprachphilosophie für die Kommunikation

3 Das Gricesche Programm
3.1 Die Maximen der rationalen Verständigung
3.2 Die Theorie der Implikatur
3.3 Die bedeutungstheoretische Funktion der Implikatur

4 Probleme, die sich aus der Implikatur ergeben

5 Fazit: Funktion und Bedeutung der Implikatur

6 Quellen

1 Einleitung: Kommunikation und Bedeutung

Ein Sprecher, nennen wir Ihn S, äußert einen Satz: „Ich muss heute Abend noch einen Bericht schreiben“. Was meint S mit diesem Satz? Dass er zum Zeitpunkt der Äußerung plant, einen Bericht zu schreiben. Setzen wir diesen Satz jedoch in einen bestimmten Gesprächskontext, so kommt es zu einem Bedeutungswandel der Äußerung. Ging z.B. die Frage eines Gesprächspartners, nennen wir ihn G1 voraus, „Kommst Du heute mit, ein Bier trinken?“, so beabsichtigt S mit seiner Äußerung, das Angebot abzulehnen, und zwar mit der implizierten Begründung, dass er noch einen Bericht schreiben müsse. Setzen wir den Satz des S in einen anderen Gesprächskontext, bei dem ein anderer Gesprächspartner, nennen wir Ihn G2 die Frage äußert: „Kannst Du für mich diesen Text übersetzen?“, so könnten wir den Satz des S interpretieren als „Ja, solange es bis Morgen Zeit hat“. Der Gesprächskontext verleiht einundderselben Aussage jeweils eine unterschiedliche Bedeutung, die im Falle des G1 eine Ablehnung und im Falle des G2 eine einschränkende Zustimmung bedeuten könnte.

Ein anderes Beispiel – mit höherer Praxisrelevanz: Ein Bewerber, Herr B., erhält von seinem letzten Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis, in dem der Satz steht: „Herr B. zeichnete sich durch stete Pünktlichkeit aus“. Wie kommt es, das ein Satz, der zunächst unverfänglich wirkt, da er eine positive Aussage transportiert, im Kontext des Arbeitszeugnisses ein mulmiges Gefühl bei Herrn B. hinterlässt, und auch beim Personalchef des neuen Arbeitgebers, dem dieses Arbeitszeugnis vorliegt?

Wie kommen derartige Bedeutungswechsel zustande und ist es tatsächlich so, dass die Mehrheit der Gesprächspartner genau diese Bedeutung korrekt erfasst? Und falls ja, wie ist es möglich, dass man mit einer Aussage unterschiedliches Meinen zum Ausdruck bringen kann, so dass es der Gesprächspartner auch im Sinne des Sprechers versteht? Durch Intuition? Durch Interpretation? Paul Grice hat in seiner Sprachphilosophie diese Fragen näher untersucht.

2 Die Bedeutung der Sprachphilosophie für die Kommunikation

Die Sprachphilosophie ist ein Produkt der neueren und neuesten Philosophie. Erst im 19. Jahrhundert, nach dem „linguistic tuirn“ haben die Philosophen erkannt, dass, wenn Erkenntnisse sprachlich verfasst sind, diese nicht losgelöst von Sprache untersucht werden können[1]. Sie haben erkannt, dass ein Verständnis der Funktionsweise des menschlichen Geistes nicht ohne ein Verständnis der Funktionsweise der menschlichen Sprache möglich ist. Die Bedeutung von Sprache ist auch für John Locke fundamental: „Da nun aber die Annehmlichkeiten und Vorteile der Gesellschaft ohne eine Mitteilung der Gedanken nicht zu erreichen sind, so muss der Mensch notwendig gewisse äußere, sinnlich wahrnehmbare Zeichen ausfindig machen, mit deren Hilfe jene unsichtbaren Ideen, die seine Gedankenwelt ausmachen, anderen mitgeteilt werden könnten“[2]. Ludwig Wittgenstein stellte im Tractatus Logico-Philosophicus fest, dass die Funktion jeder Sprache die Abbildung der Wirklichkeit ist[3]. John L. Austin kam darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass Sprache auch Handlung sein kann, z.B. im Falle einer performativen Äußerung, wie der Taufe: „Ich taufe Dich auf den Namen...“, eine Handlung, die er als Sprechakte bezeichnet[4] Auch Grice beschäftigt sich mit der Intersubjektivität der Sprache, also ihrer Funktion, wie sie Locke ihr zugeschrieben hat. Die performative Äußerung der Sprechakte kann nicht wahr oder falsch sein. Für Grice stellt sich diese Frage in erster Linie in der Relation von Sender und Empfänger, also, inwiefern ein Wahrheitswert vom Sender zum Empfänger übertragen werden kann. Ist der Wahrheitswert des Sprecher-Satzes immer noch derselbe, wie die des vom Hörer vernommenen Satzes? Bleibt es wirklich dieselbe Aussage?

3 Das Gricesche Programm

Grice entwickelte eine Theorie von den propositionalen Einstellungen der Mitglieder einer Sprachengemeinschaft, die in „dass-Sätzen“ mit Hilfe von psychologischen Verben, wie z.B. „wünschen, glauben, hoffen, befürchten usw.“ eine propositionale Einstellung erkennen lassen[5]. Damit kann Verhalten alltagspsychologisch erklärt werden. Grice unterscheidet dabei zwischen den subjektiven Äußerungsbedeutungen der Sprecher- und der Hörerperspektive, bei denen der Hörer etwas hört und der Sprecher etwas meint[6]. Von den subjektiven zu den intersubjektiven (und damit allgemeinverbindlichen) Äußerungsbedeutungen gelangt man mittels Sprachkonventionen, in denen bestimmte Regelmäßigkeiten der Kommunikation festgehalten werden. Eine dieser Sprachkonventionen ist die Sprechakttheorie.

Für den Beispielsatz „Ich muss heute Abend noch einen Bericht schreiben“ lässt sich zunächst mittels rekursiver Semantik die Bedeutung dieses Ausdruckes erfassen, wobei die Bedeutung eines Satzes zunächst die Funktion der Bedeutungen seiner Satzteile ist. Auf der Basis eines endlichen Vokabulars lassen sich somit unendlich viele Sätze konstruieren[7]. Wie wir in dem Einleitungsbeispiel gesehen haben, reicht die rekursive Semantik allein jedoch nicht aus, die Bedeutung eines Satzes genau zu erfassen. Der Satzinhalt muss im Kontext der jeweiligen Äußerungsintention stehen.[8] Für diesen Zweck liefert Grice die Maximen der rationalen Verständigung.

3.1 Die Maximen der rationalen Verständigung

Wenn der Sprecher kommunikative Absichten hat und daran interessiert ist, dass der Hörer diese auch erkennen kann, ist es erforderlich, die Kommunikation erfolgreich verlaufen zu lassen. Die Gesprächspartner, und dies ist eine entscheidende Voraussetzung, verhalten sich kooperativ. Kooperation ist somit eine elementare Funktion einer Sprachengemeinschaft, da erst der Gebrauch von Sprache durch die Sprachengemeinschaft eine bestimmte Bedeutung konstituiert, wie Wittgenstein im Blauen Buch schrieb[9]. Daher lautet auch Grices Maxime: „Gestalte Deine Konversation so, wie sie erforderlich ist“, was er auch als „Kooperationsprinzip“ bezeichnet, dem er später eine quasi-kontraktierende Funktion zuspricht[10]. Um den kommunikativen Zweck von Sprache zu veranschaulichen, entwickelte Austin drei verschiedene Dimensionen des Gebrauchs von Sprache. Eine Aussage, die eine Bedeutung hat, wie „Ich muss heute Abend noch einen Bericht schreiben“ wird als lokutionärer Akt bezeichnet. Geschieht dies jedoch als Antwort auf die Frage, ob man heute Abend noch ein Bier trinken geht, bezeichnet Austin dies als illukutionären Akt, das damit gesendete (hier: verneinende) Signal wird als Illokution bezeichnet. Und findet als Ergebnis dieser Unterhaltung der beabsichtigte Kneipengang nicht statt, so handelte es sich dabei um einen perlokutionären Akt[11]. Austin unterscheidet Aussagen also hinsichtlich ihrer kommunikativen Funktion. Illokutionäre und perlokutionäre Sprechakte, die auf eine Sprachengemeinschaft ausgerichtet sind, müssen bestimmten Regeln unterworfen sein, um den kooperativen Zweck einzuhalten. Dabei handelt es sich nicht um regulative Regeln, sondern um konstitutive Regeln, die ein bestimmtes Verhalten erst ermöglichen, so wie das auch bei Spielregeln der Fall ist (z.B: Schach)[12]. Auch Wittgenstein vergleicht die Sprache mit einem Spiel, welches regulative Regeln enthält, die Aussagen über den Erfolg von Aussagen enthalten, sowie konstitutive Regeln, welche festlegen, welche Äußerungen zulässig sind: „Eine Sprache können wir nur dann verstehen, wenn wir die zugehörigen Lebensformen und die Regeln des einzelnen Sprachspiels kennen. Diese Regeln, die wir implizit durch den Gebrauch der Sprache lernen, legen fest, wann ein Ausdruck richtig gebraucht wird.“[13] Von diesen Regeln hängt die Bedeutung eines Ausdrucks ab, und nicht etwa von der Bedeutung des Ausdrucks, oder von den Intentionen des Sprechers[14].

[...]


[1] vgl.: Gabriel, Gottfried: „Grundprobleme der Erkenntnistheorie“, Paderborn 1998, S. 130

[2] Locke, John: „Versuch über den menschlichen Verstand“ Hamburg 1988, S. 5

[3] vgl. Glock, Hans-Johann: „L. Wittgenstein – Sprache, Bedeutung und Gebrauch“, Stuttgart 2004, S. 601

[4] vgl. Kompa, Nikola: John L. Austin – Sprechakttheorie“, Stuttgart 2004, S. 624

[5] vgl.: Newen, Albert: „Analytische Philosophie zur Einführung“, Hamburg 2005, S. 214

[6] vgl. ders., ebda, S. 214

[7] vgl. ders., ebda, S. 215

[8] Vgl. Prechtl, Peter: „Sprachphilosophie“, Stuttgart 1999, S. 190

[9] vgl. Glock, Hans-Joachim: „L. Wittgenstein – Sprache, Bedeutung u. Gebrauch“, Stuttgart 2004, S. 612

[10] vgl. Grice, Paul: „Studies in the way of words“, Cambridge MA 1991, S. 26 und 29

[11] vgl. Kompa, Nikola: „John L. Austin – Sprechakttheorie“ Stuttgart 2004, S. 634

[12] vgl. Greve, Jens: Kommunikation und Bedeutung“, Würzburg 2003, S. 77

[13] Prechtl, Peter: „Sprachphilosophie“, Stuttgart 1999, S. 175

[14] vgl. Glock, Hans-Johann: „L. Wittgenstein – Sprache, Bedeutung u. Gebrauch“, Stuttgart 2004, S. 612f

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Wie funktioniert Kommunikation? - Die Theorie der Implikatur des Paul Grice
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Philosophie)
Veranstaltung
Analytische Philosophie
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V112485
ISBN (eBook)
9783640108381
ISBN (Buch)
9783640109951
Dateigröße
407 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunikation, Implikatur, Paul Grice, Analytische Philosophie, Sprechakte, Austin, Sprachphilosophie
Arbeit zitieren
Matthias Wühle (Autor:in), 2008, Wie funktioniert Kommunikation? - Die Theorie der Implikatur des Paul Grice, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112485

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