In den Jahren vor der Wiedervereinigung gab es für Deutschland im In- und Ausland die verschiedensten Bezeichnungen, die die Rolle der Bundesrepublik in der Europäischen Gemeinschaft kennzeichnen sollten: Man bediente sich metaphorischer Begriffe, wie „Antriebsmotor“ oder „Lokomotive“, um die „Économie dominante“, also die herausragende wirtschaftliche Stellung und den damit verbundenen Einfluss im europäischen Gefüge zu beschreiben.
Das Jahr 1990 und das Ende des Ost-West-Konfliktes haben für die europäische Politik Veränderungen hervorgebracht, die sehr unterschiedlich beurteilt wurden: War man sich davor schon weitestgehend einig, dass Frankreich, Großbritannien und Deutschland als europäische Großmächte verstanden werden müssen, so wurde die neue Rolle Deutschlands nach der Wiedervereinigung und vor der anstehenden Osterweiterung der Europäischen Union in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft heftig diskutiert. Im folgenden soll deshalb erklären werden, warum der Wissenschaftler Hans-Peter Schwarz Deutschland heutzutage als „Zentralmacht Europas“1 bezeichnet und andere Autoren wie zum Beispiel Daniel Burstein sogar von der „neuen deutschen Supermacht“2 sprechen. Wenn dies im folgenden genauer ausgeführt wird, so soll damit nicht gesagt werden, dass Deutschland die Stellung einer europäischen Supermacht anstrebt, noch bestimmte Ansprüche daraus ableitet, sondern dass das Franz-Josef Strauß nachgesagte Diktum - Deutschland sei ein wirtschaftlicher Riese, aber ein politischer Zwerg – an Gültigkeit verloren hat. Nach der Wiedervereinigung hat Deutschland zu seiner ökonomischen Stärke auch politische hinzugewonnen.
Auch wenn sich die Bundesrepublik gegen eine „wohlwollende Hegemonie“3 ausspricht, so kommt ihr doch aufgrund ihres neuen politischen und wirtschaftlichen Gewichts eine Führungsrolle zu. Die Frage, wie sich Deutschland in dieser Führungsrolle oder sogar als „Euro-Hegemon“4 begreift, ist für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung.
Eine herausragende Stellung eines Staates und vor allem, wenn dieser Staat Deutschland ist, weckt verständlicherweise Befürchtungen bei seinen Nachbarn. Diese Ängste erreichten nach der Wiedervereinigung einen Höhepunkt und führten leider auch in der wissenschaftlichen Debatte zu subjektiven und teilweise unwissenschaftlichen Beiträgen, die zum Teil ein sehr düsteres Bild von Deutschland und Europa zeichneten. Als Beispiel sei an dieser Stelle Heleno Saña5 genannt [...]
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG.
- HAUPTTEIL.
- Der Hegemoniebegriff..
- Die neue Rolle Deutschlands.
- Angst vor Deutschland..
- Die neue Rolle Deutschlands in Europa..
- SCHLUSS..
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die veränderte Rolle Deutschlands in Europa nach der Wiedervereinigung und hinterfragt die Bezeichnungen Deutschlands als "Zentralmacht Europas" oder "neue deutsche Supermacht". Sie untersucht, ob Deutschland eine hegemoniale Führungsrolle anstrebt und welche Ängste diese Rolle bei den Nachbarn hervorruft.
- Der Hegemoniebegriff und seine Anwendung auf Deutschland.
- Die neue Rolle Deutschlands in der Europäischen Union.
- Die Ängste vor einer deutschen Dominanz in Europa.
- Die Notwendigkeit einer konstruktiven und einvernehmlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und seinen Partnern.
- Die Bedeutung der deutschen Außenpolitik in der Gestaltung der neuen europäischen Ordnung.
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt die verschiedenen Bezeichnungen Deutschlands im europäischen Kontext vor der Wiedervereinigung dar. Sie beleuchtet die Veränderungen in der europäischen Politik nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und die damit verbundene Diskussion über Deutschlands neue Rolle.
- Das Kapitel "Der Hegemoniebegriff" erklärt den Begriff der Hegemonie und seine Anwendung auf die internationale Politik. Es beschreibt die Merkmale eines Hegemons und seine Bedeutung für die Stabilität des internationalen Systems.
- Das Kapitel "Die neue Rolle Deutschlands" analysiert die veränderte politische und wirtschaftliche Stellung Deutschlands nach der Wiedervereinigung. Es untersucht die Rolle Deutschlands als "Zentralmacht Europas" und die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen.
- Das Kapitel "Angst vor Deutschland" untersucht die Ängste, die die neue Rolle Deutschlands bei seinen Nachbarn hervorruft. Es analysiert die Gründe für diese Ängste und die Reaktionen in Wissenschaft und Politik.
- Das Kapitel "Die neue Rolle Deutschlands in Europa" befasst sich mit der Gestaltung der deutschen Außenpolitik im Kontext der neuen europäischen Ordnung. Es beleuchtet die Notwendigkeit einer konstruktiven und einvernehmlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und seinen Partnern.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beleuchtet die Themen Hegemonie, deutsche Außenpolitik, Europäische Union, deutsche Führungsrolle, Angst vor Deutschland, Wiedervereinigung, europäische Integration und die Rolle Deutschlands in der Gestaltung der neuen europäischen Ordnung.
- Quote paper
- Patrick Nitsch (Author), 2002, Deutschland als europäische Macht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11266