Spanisch ist heute eine der meistgesprochenen Sprachen mit weltweit über 570 Mio. Muttersprachler*innen. Auf dem amerikanischen Kontinent ist es die häufigste Muttersprache. Allein in den USA stellen sie 18% der Bevölkerung dar. Schon die Sprecher*innenzahl und die geographische Dimension der Hispanophonie deuten auf die Vielfältigkeit der spanischen Sprache hin. Eine bloße Unterteilung in europäisches und lateinamerikanisches Spanisch kann der Komplexität der Sprache nicht gerecht werden. Auch andere Faktoren, als der Standort der jeweiligen Sprecher*innen, gestalten die gesprochenen Varietäten, ihr Prestige und ihre Reichweite mit.
Um feststellen zu können, inwiefern Spanisch als plurizentrische Sprache verstanden werden kann, muss eine genauere Untersuchung der Bedeutung von den einzelnen Sprachvarietäten des Spanischen vorgenommen werden und in den Kontext der sprachwissenschaftlichen Erkenntnisse, sowie der medialen Gegenwart gesetzt werden. Um den Einfluss der Massenmedien auf das gegenwärtige Spanisch besser verstehen zu können, bietet sich auch eine Betrachtung des Konzepts der Mündlichkeit und Schriftlichkeit an.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Konzept der Plurizentrik
Die Entwicklung der Spanischen Sprache
Gesprochene und geschriebene Sprache mit Gegenwartsbezug
2. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Einleitung
Spanisch ist heute eine der meistgesprochenen Sprachen mit weltweit über 570 Mio. Muttersprachlerinnen. Auf dem amerikanischen Kontinent ist es die häufigste Muttersprache. Allein in den USA stellen sie 18% der Bevölkerung dar. Schon die Sprecher*innenzahl und die geographische Dimension der Hispanophonie deuten auf die Vielfältigkeit der spanischen Sprache hin. Eine bloße Unterteilung in europäisches und lateinamerikanisches Spanisch kann der Komplexität der Sprache nicht gerecht werden. Auch andere Faktoren, als der Standort der jeweiligen Sprecherinnen, gestalten die gesprochenen Varietäten, ihr Prestige und ihre Reichweite mit. Um feststellen zu können, inwiefern Spanisch als plurizentrische Sprache verstanden werden kann, muss eine genauere Untersuchung der Bedeutung von den einzelnen Sprachvarietäten des Spanischen vorgenommen werden und in den Kontext der sprachwissenschaftlichen Erkenntnisse, sowie der medialen Gegenwart gesetzt werden. Um den Einfluss der Massenmedien auf das gegenwärtige Spanisch besser verstehen zu können, bietet sich auch eine Betrachtung des Konzepts der Mündlichkeit und Schriftlichkeit an.
1. Konzept der Plurizentrik
Der Begriff Plurizentrik ist eine wissenschaftliche Beschreibung von Sprachen,1 welche mehrere Zentren besitzen.2 Unter Zentren versteht man modellbildende städtische Ausstrahlungszentren, welche mit anderen Zentren interagieren und über eine ausreichende geographische Mobilität verfügen, sowie über Vertreterinnen die in der Lage sind, das sprachpolitische Handeln zu koordinieren. Wenn also durch institutionelle Sprachpflege regionale Standards entstehen und Prestige erhalten, werden diese von den Sprecherinnen als regionale Standards wahrgenommen.3 Plurizentrik kann jedoch nicht mit „Gleichberechtigung“ identifiziert werden, da es sich nicht um einen symmetrischen Vorgang mit gleichberechtigten Parteien handelt, sondern vielmehr um eine Hierarchie. Diese hängt beispielsweise vom historisches Prestige, Bevölkerungszahlen, wirtschaftlicher und politischer Macht sowie aktueller soziokultureller Bedeutung ab.4 Es handelt sich um Sprachen, welche mehrere, als nur eine Standardnorm besitzen. Eine Norm bildet sich aus einer standardisierten Varietät, die zum Standard erhoben wird.5 Die Linguistin Aina Torrent-Lenzen beschreibt Standardsprachen folgendermaßen:
La lengua estandar es un producto final, es el resultado de un proceso de estabilizacion de unos usos y formas por encima de otros. La lengua estandar tiene, ademas, por definicion, caracter supraregional y es aceptada por la gran mayoria de los miembros de una comunidad lingmstica (Torrent-Lenzen 2006).
Standardsprachen können als Endprodukt verstanden werden, da sie sich gegen andere Varietäten durchgesetzt haben und von der Mehrheit der Mitglieder einer linguistischen Gemeinschaft akzeptiert werden.6 Standardsprachen werden also von einer öffentlichen Institution als allgemein gültig für die Öffentlichkeit festgelegt und dann beispielsweise auch in Bildungseinrichtungen angewendet.7 Demnach zufolge müsse um Plurizentrik zu erreichen eine sowohl interne, als auch externe Anerkennung eines regionalen Standards vorliegen.8 Nach Kailuweit zeige sich die Plurizentrik darin, dass die Hierarchien ins fließen geraten. Dies unterscheidet die plurizentrische Sprachkultur stark von der monozentrischen, da diese darauf abzielt, die präskriptive Norm einer Sprache im gesamten Sprachgebiet zu bewahren und einheitlich zu entwickeln.9
Das Konzept der plurizentrischen Sprachkultur entstand in den 70-ger Jahren unter dem synonymen Namen Polyzentrik und wurde in den 80-ger Jahren detaillierter ausgearbeitet und terminologisch eingegrenzt.10 Der australische Linguist Michel Clyne schrieb 1992:
The term pluricentric was employed [...] to describe languages with several interacting centers, each providing a national variety with at least some of its own (codified) norms. National varieties are, of course, identified with a particular nation - by both the in and the outgroup. (Clyne 1992)
Clyne verbindet das Konzept also mit Nationalitäten und knüpft an den von Kloss 1978 geführten Gedanken an, dass Plurizentrik im Zusammenhang zum Selbstbewusstsein der Sprecher*in- nen eines Landes stehe.11 Bedeutende Linguisten wie Lebsanft und Kailuweit sind jedoch der Auffassung, dass Sprachräume keine geographischen Gegebenheiten darstellen, sondern sozial konstruiert sind. Was dafür spreche, dass plurizentrische Sprachkulturen regional nicht bloß auf nationale Grenzen beschränkt seien.12 In der Sprachwissenschaft ist von sogenannten „Markern“ die Rede. Sie beschreiben einzelne Merkmale einer regionalen Variation. Je nach Kom- munikationspartner*in kann die sprechende Person bewusst Gebrauch machen von bestimmten Merkmalen oder sie durch andere ersetzten. An dieser Überlegung lehnt sich das heuristische Modell für die Modellierung dynamischer plurizentrischer Kommunikation an. Dieses besagt, dass bei einem Zusammenkommen von Sprecher*innen unterschiedlicher regionaler Normen, diese auf einen gemeinsamen Wortschatz plurizentrischer Marker zurückgreifen, um die Kommunikation zu erleichtern. Dieser gemeinsame Wortschatz wird größtenteils von den Massenmedien gegeben. Die Verwendung der Marker wird hierbei nach subjektiver Einschätzung gewählt und bestimmt sich an der Verbreitung und des Prestiges der jeweiligen Norm.13 Also tragen heutzutage auch die (Massen-)Medien verstärkt zu einer Normfindung bei.14
Die Entwicklung der spanischen Sprache
Die Spanische Sprache wurde im 15. Jahrhundert im Zuge der Kolonialisierung nach Amerika getragen und hat sich dort seither als Standard gehalten. Mit den Unabhängigkeitsprozessen entstand jedoch ein starker Drang nach sprachlich-kultureller Eigenständigkeit. Das gesprochene Spanisch in den verschiedenen Staaten in Lateinamerika konkurrierte zunehmend untereinander, sowie mit dem europäischen Spanisch.15 Zu Beginn dieser starken Veränderungen appellierten bedeutende Linguisten, wie Andrés Bello, für die Bewahrung der sprachlichen Reinheit in der kompletten Hispanophonie.16 Sprachliche Phänomene, die vom europäischen Standard abweichen, stellen jedoch in Lateinamerika ihren eigenen regionalen Standard dar. Nach Oesterreicher haben diese Regionalstandards konzeptuell bergründete Eigenschaften. Sie haben mindestens in ihrem eigenen Sprachgebiet für die Distanzsprache Gültigkeit und rücken somit nicht in die Varietätenkette ein. So werden sie dann selber zum Bezugspunkt für alle Sprachvarietäten im jeweiligen Sprachgebiet. Dieser Definition nach zu Folge sei auch das europäische Spanisch nur ein regionaler Standard.17
Die Frage, ob Spanisch als plurizentrische Sprache verstanden werden kann ist auch in der Gegenwart noch sehr umstritten. Hispanophone Linguisten und ausländische Romanisten seien immer noch nicht so weit, dass sie den Gedanken von nur einer präskriptiven Norm, also einer Hochsprache, auch „habla culta“ genannt, anzweifeln. Viele konstatieren zunächst nur, dass es in fremden Sprachgemeinschaften ein von den Sprecher*innen wie auch immer bestimmtes „richtiges“ und zugleich „gutes“ Spanisch gebe, das sie als Beobachter*innen weder selbst erarbeitet noch zu verantworten, sondern nur zu beschreiben haben. Auch der Umgang der Real Academia Espanola mit der Polizentrik wird von Sprachwissenschaftlerinnen kritisiert. Linguisten wie Kailuweit bemängeln, dass der Begriff policéntrico von der Real Academia Espanola nicht ausreichend definiert werde. In der Akademiegrammatik von 2009 heißt es zwar: „la norma espanola tiene caracter policéntrico“, (RAE:2009: XLII) jedoch existiert kein weiterer Eintrag zur genaueren Erläuterung.18 Nach Lebsanft könne man von Plurizentrik sprechen, wenn mehrere Standardvarietäten einen endonormativen Status besäßen.19 Derzeit sei die Verbreitung und Akzeptanz jedoch nur in Mexiko und Argentinien weit vorangeschritten. In Mexiko stehe so beispielsweise das diccionario del espanol usual en México für einen endonor- mativen Status und Argentinien erreichte den Status mit der Erklärung, dass der voseo unma- kiert sei. Welchen Status die anderen Länder Lateinamerikas besitzen bleibt demnach jedoch unklar.20
Die Real Academia Espanola teilt die Spanische Sprache derzeit in neun Macro-Regionen ein. Kailuweit betont jedoch, dass wenn man der Hypothese folge, dass die Sprache der Massenmedien bedeutender für die sprachliche Orientierung sei, als nationale Sprachpflege und Bildungseinrichtungen, müsse man Spanisch in eine geringere Zahl von Standards einteilen. Ein Reduk- tionismus riskiere jedoch, das Sprachbewusstsein der Specher*innen zu ignorieren und sprachlich-kulturelles Prestige mit einer subjektiven Wertung gleichzusetzten.21
Gesprochene und geschriebene Sprache mit Gegenwartsbezug
2000 ergänzten Koch und Oesterreicher die drei Varietätendimensionen diatopisch, diastratisch und diaphasisch durch die Unterscheidung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit sowie Nähe und Distanz. Dem prototypischen Konzept nach ist Mündlichkeit mit face-to-face Kommunikation gleichsetzt und Schriftlichkeit mit graphischen Texten. Die Sprache der Mündlichkeit ist dem Konzept nach durch Spontanität geprägt und produziert Nähe, da der vermittelte Inhalt im direkten Bezug zur sprechenden Person steht. Sie verfügt zudem über eine stärkere Differenzierung und ist ferner der Zentren lokalisiert. Bei der Schriftlichkeit handle es sich um eine geplante Sprache, welche im Zusammenhang mit der Zentrumsbildung gesehen wird. In seinem Nähe-/ Distanz-Kontinuum bezeichnet Oesterreicher die Schriftlichkeit deshalb als konzeptionelle Schriftlichkeit oder auch als kommunikative Distanz und die Mündlichkeit als kommunikative Nähe.
Bei Varietäten mit distanzsprachlicher Kommunikation handle es sich ihm nach zufolge meistens um diatopisch neutrale, nur schwach markierte Varietäten oder diastratisch und diapha- sisch als hoch markierte Varietäten. Diese Sprachform bilde dann im Allgemeinen die Hochsprache bzw. Hochschrift. Bei der konzeptuellen Mündlichkeit hingegen sind auch diatopisch stark markierte oder diastratisch bzw. diaphasisch als niedrig markierte Varietäten angemes- sen.22 Der Nähepol wurde von Koch/Oesterreicher über Parameter wie Vertrautheit oder die raum-zeitliche Nähe der Kommunikationspartner*innen charakterisiert und der Distanzpol zeichnete sich durch raum-zeitliche und persönliche Distanz aus.23
Da jedoch auch geschriebene Texte mündliche vorgetragen werden können oder Gesprochenes verschriftlicht werden kann, ist keine scharfe Trennung zwischen mündlicher und schriftlicher Konzeption zu vollziehen. Es existiert jedoch eine exakte Aufteilung zwischen phonischer und graphischer Realisierung.24 Eine weitere Änderung des Konzepts ergibt sich durch die permanente Präsenz von neuen Medien. Heutzutage bietet uns das Internet die Möglichkeit im Chat permanent miteinander zu kommunizieren und sich versetzt auszutauschen, Sprachnotizen aufzunehmen und via Skype oder Ähnlichem von den unterschiedlichsten Standorten aus zu videochatten. Durch die Nutzung von Neuen Medien, wie beispielsweise im Chat, entsteht eine Sprache, die sich an das jeweilige neue Medium anpasst. Sei es eine stark elliptische Schriftsprache oder eine Sprache fern von grammatischen Normen. Zwar lässt sich die geschriebene Sprache in einem Chat nahe der Mündlichkeit ansiedeln, jedoch können große Distanzen zwischen den kommunizierenden Personen liegen. Das Gespräch hat somit einen Dialogcharakter, findet jedoch auf graphischer Ebene statt. Die Romanistinnen Bollée und Neumann-Holzschuh forderten schon 2003 eine Reform der Definition von Nähe und Distanz in Bezug auf neue Medien.25
[...]
1 Bierbach, Mechthild (2004): Was ist eine Varietät? Empirische Evidenz, theoretische Problematik und linguistische Praxis. In: Peter Scherfer/Susanne Uhmann (Hrsg.), Wien. S. 144.
2 Klein, Martina/ Schubert, Klaus (2011): Das Politiklexikon. Bonn. Bundeszentrale für politische Bildung. S.1.
3 Bierbach, Mechthild (2000): Spanisch - eine Plurizentrische Sprache? A. Francke Verlag: Tübingen und Basel, S. 64.
4 Oesterreicher, Wulf (2000): Plurizentrische Sprachkultur - der Varietätenraum des Spanischen. Romanistisches Jahrbuch.
5 Bierbach (2004):144.
6 Torrent-Lenzen, Aina-Maria (2006): Unidad y pluricentrismo en la comunidad hispanohablante. Titz. Lenzen. S.173.
7 Glück, Michael (2000): Metzler, Lexikon, Sprache. Stuttgart/ Weimar. J. B. Metzler. S.688.
8 Kailuweit (2015): 99.
9 Torrent-Lenzen (2006): 173.
10 Torrent-Lenzen (2006):173.
11 Bierbach (2004):144.
12 Lebsanft (1998): 257.
13 Torrent-Lenzen (2006): 173.
14 Kailuweit (2015): 112.
15 Kailuweit (2015): 99.
16 Bello, Andrés (1918): Grammatica de la lengua castellana. Destinada al uso de los americanos. Paris. R. Roger Y. F. Cher- noviz. S.30.
17 Oesterreicher (2000): 281-311.
18 Kailuweit (2015): 99.
19 Lebsanft (1998): 257.
20 Kailuweit (2015): 99.
21 Kailuweit (2015): 100.
22 Oesterreicher (2000): 281-311.
23 Koch/ Oesterreicher (1994): 588.
24 Bollée, Annegret/ Neumann-Holzschuh, Ingrid (2003): Spanische Sprachgeschichte, Stuttgart, S. 10.
25 Hennig, Mathilde/ Agel, Vilmos (2001): Grammatik aus Nähe und Distanz, Tübingen, S: 32.
- Quote paper
- Caroline Cramer (Author), 2020, Das Konzept der plurizentrischen Sprache in Bezug auf das gegenwärtige Spanisch und seine Medienpräsenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1127742
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