Leseprobe
GLIEDERUNG
Sparta, die Struktur des peloponnesischen Bundes und sein Niedergang ab 371 v. Chr
I. Sparta und seine Bedeutung zum Ende des peloponnesischen Krieges
1. Der Sieg Spartas im peloponnesischen Krieg
2. Die politische Stellung Spartas in der griechischen Staatenwelt nach dem Ende des peloponnesischen Krieges
2.1 Die Behandlung ehemaliger Gebiete des attischen Seebundes
2.2 Die Behandlung der Stadt Athen nach dem peloponnesischen Krieg
2.3 Wachsende Spannungen innerhalb des peloponnesischen Einflussraums
3. Die Expansion Spartas nach Kleinasien
4. Der korinthische Krieg
4.1 Kriegsursache und Ausbruch des Konfliktes
4.2 Kriegsverlauf
4.3 Die Bedeutung des Antalkidasfriedens
II. Die Machtpolitik des peloponnesischen Bundes
1. Wesentliche Strukturen der Gesellschaft von Sparta
1.1 Der wesentliche Aufbau der Regierung Spartas
1.2 Die Bedeutung der Vollbürger im System der Gesellschaft von Sparta
2. Die Helotengebiete und ihre Bedeutung für die spartanische Gesellschaft S. 17
3. Wesentliche Strukturen des peloponnesischen Bundes und seine Bedeutung als Machtinstrument
4. Schwachpunkte im System peloponnesischer Machtpolitik
III. Der Aufstieg Thebens
1. Die politische Verselbstständigung Thebens
2. Die Niederlage des peloponnesischen Bundes in der Schlacht bei Leuktra
IV. Strukturen des peloponesischen Militärs
1. Sparta als zentrale Kraft im peloponnesischen Militär
1.1 Verschiedene Truppengattungen
1.2 Die Bedeutung der lakedaimonischen Phalanx
2. Schwäche und Niedergang
V. Spartas außenpolitischer Bedeutungsverlust
VI. Gesamtergebnis
Anhang I
Anhang II
Anhang III
Anhang IV
Anhang V
Literaturverzeichnis
Quellen
Sekundärliteratur
Einleitung
Mit dem Krieg des peloponnesischen Bundes gegen den persischen Großkönig in Kleinasien 400 v. Chr. hatte der Einfluss des Bundes seine bis dahin größte Ausdehnung erreicht1 2 3. Da diverse griechische Staaten, so vor allem Korinth, Argos, Athen und Böotien nach wie vor große politische Freiräume besaßen, bildeten diese kurze Zeit später die sog. "korinthische Allianz", deren militärisches Ausgreifen in Griechenland die Pe- loponnesier zur Aufgabe ihrer kleinasiatischen Operationen zwang und nach längeren, ergebnislosen Stellungskämpfen im sog. Königsfrieden wieder eine autonome Stellung der meisten griechischen Staaten erreichen konnte .
In der folgenden Situation versuchten die Spartaner allerdings wieder ihren Einfluss durch die Unterstützung von Regimewechseln auszuweiten, so z.B. in Theben, wo das alte Regime angeblich durch die Ermordung von Regierungsmitgliedern mit spartani- scher Hilfe zum Einsturz gebracht wurde . Auch wird von politischen Verfolgungen berichtet4. Mit seiner im Folgenden, in einigen Zügen eher demokratischen Herrschaftsorganisation, entwickelte sich Theben allerdings nicht in eine von Sparta gewünschte Richtung5. In mehreren unter anderem auch militärischen Schritten begann Theben Anspruch auf die gesamte Region Böotien zu erheben6 7.
Hierdurch geriet es in einigen Fällen, so etwa durch eine Expedition zur spartanisch gesonnen Stadt Phocis in direkten Konflikt mit dem peloponnesischen Bund . Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Entscheidungsschlacht Thebens bei Leuktra 371 v. Chr. bei der einigen Schätzungen nach ca. 1000 lakedaimonische Soldaten und davon 400 elitäre Spartiaten getötet wurden . Infolge dieser Niederlage verlor der peloponnesische Bund mit großer Geschwindigkeit an Einfluss auf andere griechische Gebiete, während Theben als neue Macht diese Gebiete, die sogar pelopon- nesische Kernregionen, wie Arkadien oder Messenien beinhalteten, zu neuen, eigenen Staatsgebilden zusammenfasste8 9.
Aus diesen Gründen werde ich im Verlauf dieser Arbeit die Organisation des pelopon- nesischen Bundes, die Struktur seines Miltitärs, dessen Ruf und die Integration außerpe- loponnesischer Gebiete untersuchen und Schwachpunkte des Gesamtsystmes, welche zum schnellen Zusammenbruch nach der Schlacht bei Leutktra führten, herausarbeiten.
Sparta, die Struktur des peloponnesischen Bundes und sein Niedergang ab 371 v. Chr.
I. Sparta und seine Bedeutung zum Ende des peloponnesischen Krieges
Um ein korrektes Verständnis für die politische Entwicklungen in der griechischen Staatenwelt bis zum korinthischen Krieg zu besitzen, ist es zunächst erforderlich die Situation zum Ende des peloponnesischen Krieges zu betrachten, da sich weitere Entwicklungen nur im Zusammenhang mit der Endphase des peloponnesischen Krieges erklären lassen.
1. Der Sieg Spartas im peloponnesischen Krieg
Obwohl unter zeitgenössischen Historikern der peloponesische Krieg oft auf einen längeren Zeitraum veranschlagt wird, ist in der Seeschlacht bei Aigospotami 405 v. Chr., doch das letzte, bedeutende Ereignis des peloponnesischen Krieges zu sehen10. Dem peloponnesischen Befehlshaber Lysandros gelang es in dieser Schlacht durch ein Täuschungsmanöver die am Strand liegenden Schiffe des letzten bedeutenden Flottenaufgebotes Athens vollständig aufzureiben11 12 13. Zwar kapitulierte Athen nach der Schlacht von Aigospotami 405 v.Chr. nicht sofort, allerdings war eine Kapitulation nur noch eine Frage der Zeit, da die Kornversorgung der von Getreidelieferungen über das Meer ab- 12 hängigen Stadt Athen nicht mehr sichergestellt werden konnte . In der anschließenden Belagerung Athens versuchte dieses zunächst noch Widerstand zu leisten, da es nicht bedingungslos auf die harten Bedingungen der Abreißung aller Befestigungsanlagen sowie die Auflösung der Flotte und die Aufgabe jeglicher hegemonialer Ansprüche ein- gehen wollte, musste aber nach einiger Zeit der Belagerung kapitulieren . Obwohl inzwischen einige Mitglieder des peloponnesischen Bundes eine noch härtere Disziplinierung, etwa die vollständige Auflösung der Polis, verlangten, entschied man sich für die ursprünglichen Kapitulationsbedingungen und eine Anbindung Athens an den pelopon- nesischen Bund über ein Bundverhältnis zur militärischen Gefolgeschaft14. Denoch war Athen als eigenständige Kraft damit vorrübergehend vollständig von der politischen Landkarte Griechenlands verschwunden15.
Von wesentlicher Bedeutung für den Erfolg Spartas in den letzten Kriegsjahren war dessen positives Verhältnis zu Gebieten des Perserreiches, die an den Raum der Ägäis angrenzten16 17 18. Da sich im Zuge des Konfliktes zeigte, dass Athen und der attische Seebund ohne den Einsatz einer starken Flotte nur schwer zu besiegen war, hatte der pelo- ponnesische Bund selbst, entgegen bisheriger Praxis, eine große Flotte ausrüsten müs- sen, welche überwiegend durch Söldnerruderer besetzt wurde . Zeitgenössische Darstellungen zur genauen Art und Umfang der Unterstützung des kleinasiatischen Satrapen Kyros für den peloponnesischen Bund bleiben zwar fraglich, allerdings wird eine erhebliche Bedeutung persischer Geldmittel für Aufbau und Unterhalt der peloponensi schen Flotte in der Forschung nicht bestritten .
2. Die politische Stellung Spartas in der griechischen Staatenwelt nach dem Ende des peloponnesischen Krieges
Obwohl Details zum Umfang des Einflusses Spartas auf griechische Gebiete des Ägäisraums zur Zeit nach dem peloponnesischen Krieg unsicher sind, ist ein deutlich weitergehender Einfluss, so unter anderem in Nord- und Mittelgriechenland doch klar er- kennbar19 20. Eine gewisse Überwachungsfunktion scheint in diesem Zusammenhang zum Beispiel eine Garnison spartanischer Soldaten bei Pharsalus im südlichen Raum Thessa- liens besessen zu haben, da diese in folgenden Konflikten früh ausgeschaltet wurde . Eine vollständige Übernahme des vorherigen Einflussraumes des attischen Seebundes, so insbesondere an der kleinasiatischen Küste und im Ägäisraum bleibt aber bereits aufgrund der begrentzten Ressourcen Spartas auszuschließen.
2.1 Die Behandlung ehemaliger Gebiete des attischen Seebundes
Allerdings ist auch für diese Regionen ein starker Einfluss Spartas durch oligarchische Herrschaftssysteme sog. Dekarchien, welche von Lysandros in der Endphase des peloponnesischen Krieges in Schlüsselregionen eingerichtet wurden, sicher anzunehmen . Welche Städte im Einzelnen unter den Einfluss Spartas geraten waren, lässt sich aber mangels direkter Benennung in den Quellen nicht mehr rekonstruieren. Wie sich in den folgenden Jahren zeigte, hatte Sparta aber massive innere Schwierigkeiten aufgrund neuer Verpflichtungen durch seine neue Funktion in der griechischen Staatenwelt. Unter anderem bedeutete eine Anbindung an Sparta für diese neuen Gebiete über das System 23 der Dekarchien, zwangsweise eine oligarchisch orientierte Gesellschaftsordnung . Überwacht wurden sie je durch einen Sparta direkt unterstellten Harmosten, was eine erheblich engere Anbindung an Sparta bedeutete, als diese noch im delisch-attischen Seebund bestanden hatte . Auch erhielt das Verhältnis zu den persischen Nachbargebieten und damit die Möglichkeit auf persische Geldmittel zurückzugreifen, zunehmend zweifelhaften Charakter, da Artaxerxes und nicht dessen Bruder Kyros nach dem Tod des Großkönigs zum neuen Großkönig ernannt worden war . Dieser besaß allerdings ein negatives Verhältnis zu Kyros21 22 23 24 25 26 27. Auch die eventuell aus diesen Gründen erhobenen, massiven Tributforderungen Spartas müssen in einem Großteil der neuen Regionen verstärkt negativ aufgenommen worden sein.
2.2 Die Behandlung der Stadt Athen nach dem peloponnesischen Krieg
In Mittelgriechenland entstanden weitere Probleme aus dem Versuch die Geselleschaft Athens neu zu ordnen. Anders als in anderen Gebieten war in Athen auf Druck von Ly- sandros 404 v. Chr. ein Regierungssystem aus 30 Oligarchen einmalig gewählt wor- den . Der, über die inzwischen niedergerissene, lange Mauer, mit Athen verbundene Piräus-Hafen wurde hierbei als eigenständige Siedlung behandelt und musste sich nach dem üblichen System der Dekarchien selbst verwalten . Eine massive Ablehnung dieses Regimes und damit starkes Konfliktpotential durch die nach wie vor demokratisch gesonnene Bevölkerung Athens ist allerdings von Anfang an klar ersichtlich und spiegelt sich unter anderem in Berichten über politische Hinrichtungen, Vertreibungen und der dauerhaften Stationierung lakedaimonischer Besatzungstruppen wider . Genaue Gründe für diese riskante Lösung bleiben fraglich. Denkbar wäre etwa, dass es sich nur um einen vorläufigen Lösungsversuch handelte . Nahe liegend ist jedenfalls, dass man versuchte über Athen eine bessere direkte Kontrolle auf die Regionen nördlich der Pe loponnes auszuüben.
Ein Jahr später aber verlor Sparta bereits jegliche Möglichkeit direkt auf die innere Struktur der Gesellschaft Athens Einfluss zu nehmen, da das Regime der 30 Tyrannen nach einer kurzen Phase bürgerkriegsähnlicher Zustände in Attika nach Eleusis vertrieben wurde . Jedoch erwies sich das Mittel politischer Vertreibung als äußerst ineffizient, da politische Flüchtlinge in den, Athen umgebenden, Regionen, einigen Darstellungen zufolge insbesondere in Böotien, ausreichend Möglichkeiten fanden sich zu sammeln und zu reorganisieren . Eine Gefahr erneuter militärischer Auseinandersetzungen nach dem Umsturz ist aber vorerst nicht ersichtlich.
2.3 Wachsende Spannungen innerhalb des peloponnesischen Einflussraums
Mit der Haltung Böotiens, welches in der Vergangenheit ein bedeutender Verbündeter Spartas gewesen war, wird somit schließlich ein weiterer Problemfaktor erkennbar. Bereits in ihren Grundzügen stellt die grundsätzlich oligarchisch gesonnene, über Theben nach einer Mischverfassung mit demokratischen Elementen regierte, böotische Konföderation einen Sonderfall im Geflecht des peloponnesischen Bundes dar . Dennoch hatte es in ihr bereits seit längerer Zeit verstärkt demokratisch und damit athenfreundlich ausgerichtete und verstärkt oligarchisch und somit pro-lakedaimonisch gesonnene Gruppen gegeben28 29 30 31 32. Mit dem Ende des peloponnesischen Krieges und damit der vorrübergehenden politischen Ausschaltung Athens und der erheblich gewachsenen Macht Spartas in der griechischen Staatenwelt muss diese, insbesondere aber in Theben, zunehmend als Bedrohung wahrgenommen worden sein . Des Weiteren gibt es in mehreren Fällen Hinweise, dass neben Theben auch in anderen bedeutenden Regionen Griechenlands, so etwa Argos und Korinth, der innenpolitische Druck auf antilakedaimonische Kräfte zunahm . Weitere Tatsachen, wie etwa, dass Fraktionen wie Böotien, welches zur Zeit des Krieges noch ungehindert Attika plündern durfte, nach dem Krieg nicht in nennenswerter Weise an Kriegsbeute beteiligt wurden, müssen die Spannungen im Verhältnis zu Sparta noch zusätzlich verschärft haben.
Aus diesen Gründen verschlechterte sich die Haltung dieser Fraktionen gegenüber dem peloponnesischen Bund mit der Zeit massiv, bis schließlich keinerlei Kooperation mehr erfolgte33.
3. Die Expansion Spartas nach Kleinasien
Da also Spartas neu errungene Stellung in der griechischen Staatenwelt somit stark gefährdet war, insbesondere aufgrund des Mangels der zuvor aus persischen Gebieten erbrachten Geldmittel, eröffnete sich mit der Bitte des Kyros bei einer innerpersichen Revolte gegen seinen Bruder, den neuen Großkönig Artaxerxes, zu helfen, eine aussichtsreiche Möglichkeit die eigene Position in der griechischen Staatenwelt zu festigen34. Insgesamt muss vor allem die zeitweise günstige Situation der Lähmung des Perserreiches durch den Herrscherwechsel und der verhältnismäßig geringe Aufwand, den Sparta zu leisten hatte, dieses vom Nutzen einer Beteiligung überzeugt haben. In den Quellen werden vor allem beratende Funktionen der Lakedaimonier betont und der größte Teil griechischer Hilstruppen im Heer des Kyros wird als Söldner bezeichnet . Entgegen aller Hoffnungen wurde Kyros aber bei Cunaxa in der Nähe von Babylon besiegt und getötet35 36.
Die Lage an der Küste Kleinasiens verschärfte sich durch die antigriechische und vor allem antilakedaimonische Haltung von Artaxerxes, sowie die Entsendung des neuen, aggressiven Satrapen Tissaphernes in die ehemalige Satrapie des Kyros massiv37. Jegliche Aussichten auf Geldmittel aus dem Perserreich waren damit vorerst beseitigt. Lediglich über Ägypten, welches sich als Teil des Perserreiches im Aufstand befand, existierten kurzzeitig Aussichten auf zusätzliche materielle Unterstützung38.
Durch das gewaltsame Vorgehen des Tissaphernes gegen griechische Städte entlang der kleinasiatischen Küste im Folgenden und die, in mehreren Fällen belegte, einhellige Bitte dieser Regionen um Untersützung an Sparta, sah dieses sich aber genötigt in diese Auseinandersetzungen einzugreifen39. Eventuell hoffte man durch eine Selbstinszenierung als Schutzmacht aller Griechen interne Probleme zumindest vorrübergehend zu entschärfen40 41. In der folgenden, lakedaimonischen Kampagne in Kleinasien, an der später, ab 396 v.Chr., auch der spartanische König Agesilaos beteiligt war, sind aller Kenntnis nach aber höchstens kleinere Erfolge erzielt worden.
Durch die Beteiligung Spartas an interner persischer Politk, so vor allem durch eine Mitwirkung am Feldzug des Kyros, wurden die inzwischen weitläufigeren hegemonialen Interessen Spartas für andere griechische Staaten noch offensichtlicher42. Die, insbesondere im Verhältnis zu Böotien, verschärft angespannte Lage zeigte sich bereits bei der Abreise des Agesilaos nach Kleinasien, als diesem die Möglichkeit einer rituellen Opferung in Böotien zum Zwecke einer Selbstinszenierung als mytholigischer König Agamemmnon nicht gestattet wurde43. Ein derartiges Ritual hätte gesamtgriechische Ansprüche Spartas als Schutzmach gegen einen gemeinsamen Feind aus östlichen Regionen betont44 45 46.
Zusätzliche Schwierigkeiten entstanden schließlich durch eine, auf Wirken des, in persischen Diensten stehenden, athenischstämmigen Admirals Konon, begünstigte demokratische Revolution auf Rhodos . Nach einigen Ansichten wird diese als Wendepunkt der spartanischen Expansion erachtet . Neben der Tatsache, dass hierdurch die Verbindung zu Ägypten getrennt wurde, diente Rhodos auch als Ausgangsbasis für spätere persische Eingriffe in die griechische Staatenwelt zur weiteren Schwächung der Position Spartas47.
4. Der korinthische Krieg
Sowohl durch die Auseinandersetzungen Spartas mit dem Perserreich in Kleinasien, als auch aufgrund der zunehmenden Spannungen in Mittelgriechenland kam es in der griechischen Staatenwelt von 395-387 v. Chr. zum sog. korinthischen Krieg. In Folge von Entwicklungen aus dieser Auseinandersetzung veränderten sich Organisation und Bedeutung einzelner Gebiete sowie die Rolle Spartas und des peloponnesischen Bundes in der griechischen Staatenwelt erneut stark.
4.1 Kriegsursache und Ausbruch des Konfliktes
Die genauen Umstände zur Entstehung der sog. korinthischen Allianz mit den Hauptmitgliedern Böotien, Athen und später auch Argos und Korinth, welche im Folgenden einen Krieg gegen die spartanische Hegemonialstellung in den griechischen Kerngebieten vorantrieb, lassen sich nicht mehr im Detail rekonstruieren48. In einer Reihe von Quellen wird betont, dass persische Bestechungsgelder, welche über Rhodos zum Zweck der Förderung eines Krieges antilakedaimonischer Fraktionen gegen den pelo- ponnesischen Bund, gelangten, den Ausschlag für den Zusammenschluss dieser Fraktionen gaben49. Insgesamt erscheint es nahe liegender, dass auch weitere Faktoren von Bedeutung waren, so etwa Berichte über den Aufbau der persischen Flotte, die später unter dem Kommando Konons stand oder die gleichzeitige, verstärkt antilakedaimoni- sche Grundhaltung griechischer Gebiete . Berichte über Kontakte sowie Unterstürzung Athens zum Perserreich über Konon, noch vor Ausbruch des korinthischen Krieges, erscheinen in diesem Zusammenhang ebenfalls logisch50 51.
4.2 Kriegsverlauf
Auch die Zusammenhänge welche zum konkreten Ausbruch des korinthischen Krieges führten und im Kern auf einen regionalen Konflikt zwischen den Volksgruppen der Phoker und Lokrer an der nordwestlichen Grenze von Böotien zurückgehen, sind schwer nachzuvollziehen52. Ein Teil der Quellen berichtet, dass die Thebaner gezielt die Lokrer dazu ermutigten die Grenzen zu einem strittigen Stück Land zu übertreten, welches zwischen ihnen und den pro-lakedaimonischen Phokern umstritten war53. Bei der anschließenden Intervention Spartas konnten sie in Selbstverteidigung handelnd, zugunsten der mit ihnen verbündeten Lokrer auftreten54. In anderen Fällen wird berichtet, dass die Phoker eigenmächtig einen Konflikt begannen und Sparta durch eine miltäri- sche Intervention die Möglichkeit sah, das wachsende Konfliktpotential der Region Böotien zu beseitigen55. Glaubwürdig ist in jedem Fall, dass die anschließende Schlacht erster spartanischer Entsatztruppen gegen Böotier bei Haliartos, mit der Niederlage Spartas und dem Tod des Lysandros, welcher den Oberbefehl über sie hatte, einen für Sparta unerwarteten Ausgang nahm56. In allen Quellen wird betont, dass die anschließende Abberufung des Agesilaos aus Kleinasien diesen völlig überraschte und er noch bis kurz vor seinem Abmarsch agressisve Unternehmungen in persische Regionen geplant hatte57. Auch wird spätestens für die Zeit nach Haliartos von Verbindungen antila- kedaimonischer Kräfte aus Athen und Böotien und kurz danach auch Argos und Korinth, den späteren Hauptmitgliedern der korinthischen Allianz, ausgegangen58.
Auch weitere Entwicklungen, so vor allem die Niederlage Spartas in der Seeschlacht von Knidos gegen eine persische Flotte unter Konon, verliefen vollständig zu Ungunsten spartanischer Planungen, da Agesilaos, wie in einigen Quellen berichtet, sie sogar vor seinen eignen Truppen verheimlichen musste59. Hierdurch waren weitgehende Einflussmöglichkeiten der Spartaner auf den Ägäisraum, so etwa Inselregionen wie Pherai und Kythera, verloren gegangen60. Auch wurde hierdurch die Position Athens durch die Ankunft Konons in Athen und dem Wiederaufbau von Hafen und Befenstigungsanlagen 393 v.Chr. wieder massiv gestärkt61. Folgende siegreiche Landschlachten, so vor allem eine Schlacht beim Fluss Nemea oder die Schlacht von Koroneia, bei der Rückkehr des Agesilaos in Böotien, verliefen, wenn auch in den Quellen zeitweise übertrieben positiv dargestellt, eher im Sinne Spartas62 63 64 65 66. Insgesamt verfestigten sich hier aber nach kurzer Zeit die Auseinandersetzungen auf einen belagerungsartigen Zustand im Stadtgebiet um Korinth . Ein großer Teil der Kämpfe hat hierbei um den korinthischen Hafen Le- chaion am Golf von Korinth stattgefunden, welcher den Quellen zufolge, mehrfach wechselnd durch Sparta und durch Korinth kontrolliert wurde.
Lediglich durch das erfolgreiche Hinausgreifen Athens in den Ägäisraum, das über die nahe gelegene, lakedaimonisch gesonnene Insel Aigina nicht erfolgreich abgeriegelt werden konnte, fanden ab diesem Zeitpunkt noch nennenswerte Bewegungen im korin- thischen Krieg statt . Insbesondere konnte Athen hierdurch wichtige Regionen, wie Byzantium oder den Hellespont wieder unter seine Kontrolle bringen und damit, wie zuvor eine Kornversorgung seiner Gebiete über den Zugang zum Schwarzmeer sicher- stellen . Die Bedrohung, welche damit insgesamt von Athen und dessen augenscheinlichen Ambitionen seine vormalige Hegemonialstellung in der Ägäis zurückzuerlangen, ausging, wuchs damit allerdings wieder massiv67.
Insbesondere durch diese Gefahr müssen die frühen Bemühungen Spartas zur Aussöhnung mit dem Perserreich unter der Preisgabe jeglicher Ansprüche auf kleinasiatische Gebiete motiviert gewesen sein . Da auch auf persischer Seite Gefahren für die persischen Interessen im Ägäisraum durch eine Neuentstehung des athenischen Einflussraumes ersichtlich gewesen sein müssen, ist eine Zustimmung des Perserreiches zur Einstellung von Zahlungen an die korinthische Allianz und Zahlung von Geldern an Sparta, wie in den Quellen bezeugt, logisch68 69 70 71 72 73 74 75. Ein offener Kriegseintritt des Perserreiches auf der Seite Spartas ist aber nicht ersichtlich. Darlegungen in den Quellen implizieren lediglich, dass man in einem ersten Treffen um 392 v. Chr. vor allem um eine schnelle Beruhigung der Region bemüht war.
Mit Zahlung persischer Gelder an Sparta verschlechterte sich aber die allgemeine Kriegslage für Athen bis 387 v.Chr. vor allem durch Entwicklungen, wie etwa einem verstärkten Ausbau Aiginas und einer Bedrohung der attischen Küste sowie des Piräus- Hafens durch peloponnesische Streitkräfte, massiv.
Mit einer Erklärung des Perserreiches auf den Verhandlungen zum sog. Antalkidasfrie- den 387 v.Chr., dass es zusammen mit Sparta und allen anderen friedensbereiten Kriegsteilnehmern offen in einen Krieg mit jenen Fraktionen eintreten werde, die zu den von den Persern festgelegten Bedingungen nicht zum Frieden bereit seien, wurde die Lage für die Mitglieder der korinthischen Allianz dermaßen bedrohlich, dass sie sich den Friedensbedingung beugen mussten.
4.3 Die Bedeutung des Antalkidasfriedens
Entsprechend der Entwicklungen des korinthischen Krieges wurden im Antalkidasfrie- den vor allem die Interessen Spartas und des Perserreiches begünstigt. Kernstück des Antalkidasfriedens war eine Autonomieklausel, nach welcher alle griechischen Städte in den Zustand der Autonomie und Selbstverwaltung entlassen wurden . Ausnahmen waren die Inseln Lemnos, Imbros und Skyros, welche Athen als Außenbesitzungen zuge- schlagen wurden . Auch existierten keine Bestimmungen zur Auflösung des pelopon- nesischen Bundes, dessen Mitglieder prinzipiell ohnehin als autonom erachtet wurden . Alle Regionen der kleinasiatischen Küste, nicht jedoch die Inseln der Ägäis, wurden dem Perserreich zugeschlagen . Durch diese Maßnahmen musste das Perserreich vor- erst keinerlei zusätzlichen Kräfte zur Beruhigung griechischer Regionen mobilisieren . Des Weiteren hatte sich die Bedeutung Spartas durch seinen Sonderstatus, der es quasi in den Rang einer Schutzmacht in der griechischen Staatenwelt erhob, wieder erheblich verbessert76 77 78.
In dieser Funktion zeigten sich im Folgenden wesentliche Grundprinzipien peloponnesi- scher Außenpolitik in der griechischen Staaatenwelt besonders deutlich. Vor allem achtete man von spartanischer Seite noch bei Abschluss des Antalkidasfriedens, vor allem aufgrund der erzwungenen Auflösung des böotischen Staatsgebildes und damit der Loslösung Thebens von anderen böotischen Regionen, genau darauf, dass keine potentiell expansive Kraft mehr in den Kernregionen der griechischen Staatenwelt existierte79.
II. Die Machtpolitik des peloponnesischen Bundes
Obwohl Sparta also in einer relativ vorteilhaften Situation aus seiner problematischen Lage im korinthischen Krieg hervorgehen konnte, wurden hierdurch doch einige Schwachstellen des Systems des peloponnesischen Bundes verstärkt offensichtlich. Kernursache eines großen Teils der Verwicklungen des korinthischen Krieges bestand darin, dass Sparta offensichtlich nicht in der Lage war größere Mengen von Geld, wie insbesondere für die Versorgung einer größeren Flotte, welche Sparta nach dem pelo- ponnesischen Krieg besaß, aus dem Gebiet eigener Bündnismitglieder zu mobilisieren. Des Weiteren zeigten sich große Probleme neue und insbesondere entferntere Gebiete, wie in Kleinasien, sicher im Sinne des eigenen Systems zu ordnen und zu kontrollieren. Mit der schnellen Preisgabe kleinasiatischer Gebiete wird damit auch die eigentliche Interessenssphäre des peloponnesischen Bundes erkennbar. Schließlich zeitgten sich in der schrittweisen Auflehnung der Regionen Böotien und Korinth noch erhebliche, generelle Schwierigkeiten Einfluss auf die interne Politik griechischer Staaten im Sinne einer pro-lakedaimonischen, oligarchisch geprägten Gesinnung zu nehmen.
[...]
1 Gehrke, Hans-Joachim/ Schneider, Helmuth (Hrsg.): Geschichte der Antike, ein Studienbuch, Stuttgart/Weimar 2006, S. 158, (im Folgenden: Gehrke/Schneider 2006, S. 158)
2 Ebd. S. 159, 160
3 Xenophon: Hellenika 5.4.1, (im Folgenden: Xen. Hell. 5.4.1)
4 Plutarch: Pelopidas. 6.2, (im Folgenden: Plut. Pel 6.2)
5 Seager, Robin: The King's Peace and the second Athenian Confederacy, in: Lewis, D. M./Boardman, John. et. al. (Hrsg.): The fourth century B.C., The Cambridge Ancient History, Band 6, Cambridge University Press, Cambridge 1994, S. 164, 165 (im Folgenden: Seager 1994, The King's Peace and the second Athenian Confederacy , S. 164, 165)
6 Ebd. S. 165
7 Xen. Hel. 6.1.1
8 Seager, 1994 The King's Peace and the second Athenian Confederacy , S. 182-186
9 Gehrke/Schneider 2006, S. 162, 163
10 Hanson, Viktor Davis: A War like no other, How the Athenians and Spartans fought the Peloponnesian war, New York 2005, S. 291, (im Folgenden: Hanson, 2005, S. 291)
11 Plutarch: Lysandros 11 (im Folgenden: Plut. Lys. 11)
12 Cartledge, Paul: Agesilaos and the crisis of Sparta, London 1987, S. 348 (Im Folgenden: Cartledge 1987, S. 348)
13 Xen. Hell. 2.2.4
14 Hornblower, Simon: The Greek World 479-323 BC, London 2011, S. 195, (im Folgenden: Hornblower 2011, S. 195) vgl.: Plut. Lys. 14.2
15 Lewis, D. M.: Sparta as victor, in: Lewis, D. M./Boardman, John, et. al. (Hrsg.): The fourth century B.C., The Cambridge Ancient History, Band 6, Cambridge 1994, S. 24 (Im Folgenden: Lewis 1994, S. 24)
16 Ebd., S. 28
17 Cartledge 1987, S. 348
18 Lewis 1994, S. 28, vgl.: Plut. Lys. 9
19 Hornblower 2011, S. 182
20 Ebd., S. 187, vgl.: Diod. 14.82.5-6
21 Welwei, Karl-Wilhelm: Sparta, Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht, Stuttgar 2004, S. 270 (Im Folgenden: Welwei 2004, S. 270)
22 Ebd., S. 270, vgl.: Diod. 14.10.1
23 Forrest, William George: A history of Sparta, Bristol 1995, S. 122 (im Folgenden: Forrest 1995, S.122)
24 Ebd., vgl.: Plut. Lys. 13.3
25 Diod. 14 19.2-4
26 Welwei 2004, S. 269, vgl.: Plutarch Artaxerxes, 6.3 (im Folgenden: Plut, Art. 6.3)
27 Diod. 14.10.1 Hell. Oxy. 19.2-4)
28 Hanson 2005, S. 290, vgl.: Xen. Hell. 2.3.1
29 Hell. Oxy. 20.1
30 Cartledge 1987, S. 354
31 Hell. Oxy. 10.2-3
32 J.A.F. 1960, S. 77, 79, vgl.: Hell. Oxy. 20.4
33 Seager, Robin: The Corinthian War, in: Lewis, D. M./Boardman, John. et. al. (Hrsg.): The fourth century B.C., The Cambridge Ancient History, Band 6, Cambridge 1994, S. 97, (Im Folgenden: Seager 1994, The Corinthian War, S. 97)
34 Hanson 2005, S. 304, vgl.: Diod. 14.19.1-5
35 Hornblower, Simon: The Greek World 479-323 BC, London 1996, S. 181, (Im Folgenden: Hornblower 1996, S. 181) vgl.: Plut. Art. 6
36 Cartledge 1987, S. 353, vgl.: Diod. 14.23.5-7
37 Forrest, William George: A history of Sparta, New York 1969, S. 123, (Im Folgenden: Forrest 1969, S. 123) vgl.: Diod. 14.35.2
38 Hornblower, 2011, S. 190, vgl.: Diod. 14.79.4
39 Xen. Hell. 3.1.2, vgl.: Diod. 14.35.4 - 36.2
40 Thommen, Lukas: Sparta, Verfassungs- und Sozialgeschichte einer griechischen Polis, Stuttgart 2003, S. 169 (Im Folgenden: Thommen 2003, S. 169)
41 Cartledge, 1987, S. 357 vgl.: Plutarch Agesilaos 15.1 (Im Folgenden: Plut. Ages. 15.1)
42 Forrest 1995, S.123
43 Welwei 2004, S. 279, vgl.: Xen. Hell. 3.4.3
44 Forrest 1995, S. 125
45 Hell. Oxy. 18.1
46 Cartledge 1987, S. 358
47 Ebd., vgl.: Diod. 14.79.4-7
48 Hornblower 2011, S. 194
49 Seager 1994, The Corinthian War, S. 98, vgl.: Plut. Art. 20
50 Welwei 2004, S. 282
51 Seager 1994, The Corinthian War, S. 98, vgl.: Hell. Oxy. 9.1
52 Vgl.: Anhang II
53 Xen. Hell. 3.5.3, 2
54 Seager 1994, The Corinthein War, S. 99
55 J.A.F. 1960, S. 82, vgl.: Diod. 14.81
56 Cartledge 1987, S. 359, 360, vgl.: Plut. Lys. 28. 1-3
57 Hornblower 2011, S. 193, vgl.: Plut. Ages. 15.1,2
58 J.A.F. 1960, S. 84
59 Gehrke/Schneider 2006, S. 159, vgl.: Plut. Ages. 17.2
60 Forrest 1969, S. 126, vgl.: Xen. Hell. 4.8.3
61 Seager 1994, The Corinthian War, S. 101, vgl.: Xen. Hell. 4.8.3
62 Ebd. S. 102, 103, vgl.:Xen. Hell. 4.2.4-3.4
63 Gehrke/Schneider 2006, S. 159, vgl.: Xen. Hell. 4.4.1
64 Seager 1994, The Corinthian War, S. 106-109, vgl.: Plut. Ages. 21, 22
65 Cartledge 1987, S. 397, vgl.: Xen. Hell. 5.1.1-3
66 Demosthenes Orations , (Im Folgenden: Dem. Or. 20.60)
67 Cartledge 1987, S. 367
68 Xen. Hell 4.8.4
69 Cartledge 1987, S. 198, vgl.: Xen. Hell. 4.8.5
70 Gehrke/Schneider 2006, S. 159, vgl.: Xen. Hell. 4.8.14-16
71 Welwei 2004, S. 288, 289, vgl.: Xen. Hell. 5.1.21- 24
72 Seager 1994, The Corinthian War, S. 117, 118, vgl.: Xen. Hell. 5.1.9 - 10
73 Xen. Hell. 5.1.9-10
74 Gehrke/Schneider 2006, S. 160, vgl.: Xen. Hell. 5.1.9-10
75 Clauss, Manfred: Sparta, Eine Einführung in seine Geschichte und Zivillisation, München 1983, S. 66, (Im Folgenden: Clauss 1983, S. 66)
76 Hornblower 2011, S. 199, vgl.: Diod. 14.110.1-5
77 Ebd.
78 Welwei 2004, S. 292, vgl.: Xen. Hell. 5.1.13
79 Plut. Ages. 28.1