Schicksal oder Bestimmung des Hauptcharakters in "Don Álvaro o la fuerza del sino" von Ángel de Saavedra y Ramirez de Baquedano


Hausarbeit, 2021

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Contenido

1. Einleitung
1.2. Literaturrecherche

2. Die sozial-geschichtliche Situation während des Entstehungsprozesses des Werkes
2.1. Historisch - gesellschaftlicher Hintergrund
2.2 Historisch - literarischer Hintergrund
2.3. Autorenvorstellung und Handlungsskizzierung

3. Die Figurenanalyse der wichtigsten Personen in „Don Âlvaro o la fuerza del sino“
3.1. Don Âlvaro - die tragische Hauptfigur des Werkes
3.2. Dona Leonor - die machtlose Geliebte Don Âlvaros
3.3. Marqués de Calatrava
3.4. Don Carlos und Don Alonso de Vargas - die Erben des Marques de Calatrava

4. Das Schicksal und die Bestimmung im Werk von Duque de Rivas
4.1. Das fatalistische Schicksal erklärt - eine Kurzerklärung des gottähnlichen Begriffs
4.2. Der Versuch des Unmöglichen? - Die Flucht vor dem Schicksal des Don Âlvaro

5. Persönliches Fazit

Quellen

1. Einleitung

Zu Beginn dieser Arbeit sollen die Hintergründe dieses Dokuments zusammengeführt werden und die Absicht bzw. der Zweck verdeutlicht werden. Ebenfalls soll ein kurzes Resümee über die Literaturrecherche gezogen werden.

1.1. Einführende Worte

Bereits der Titel „Don Alvaro o la fuerza del sino” deutet an, dass das Werk des spanischen Autors Angel de Saavedra y Ramirez de Baquedano, besser bekannt als Duque de Rivas, das Thema des Schicksals bzw. der Vorbestimmung behandelt. Dieses Gründungswerk des romantischen Theaters, veröffentlicht 22.03.1835, erscheint in der Zeit der Carlistenkriege, durch welche sich Isabella gegen ihren Widersacher Ferdinand IV durchsetzte. Dieser hatte 1814 nach der napoleonischen Besatzung und dem darauffolgenden Unabhängigkeitskrieg eine ultrakonservative Regentschaft errichtet - im Gegensatz zu der aufklärerischen Stimmung zu jener Zeit und so viele bekannte Persönlichkeiten, darunter auch den Autor, zur Flucht ins Exil gezwungen.

Die melancholische und pessimistische Stimmung des Stückes ist typisch für das spanische Theater, welches sich um diese Zeit erhebt. Don Alvaro, die Hauptperson des Werkes, verliebt sich in Dona Leonor und möchte sie heiraten. Deren Vater allerdings, der Marqués de Calatrava lehnt dies ab, auf Grund der ungeklärten Familienherkunft des Don Alvaros. Dieser schmiedet einen Fluchtplan, bei dessen Ausführung das Liebespaar jedoch auf den Marqués trifft. Im Zuge dieser Begegnung tötet Don Alvaro aus Versehen eben jenen, was ihn zur Flucht nach Italien bewegt, um in der italienischen Armee den tot zu suchen. Durch mehr oder weniger unglückliche Zufälle trifft er auf die beiden Brüder der Dona Leonor, Don Carlos und Don Alonso, welche ihn beide zum Duell herausfordern und beide verlieren. Letzterer ersticht im Glauben, dass seine Schwester und Don Alvaro zusammen leben noch seine Schwester. Dies wiederrum veranlasst deren Verehrer zum Selbstmord.

Die Frage, die diese Arbeit nachgeht ist, ob Don Alvaro ein vom Schicksal verfolgter Mensch ist, der ohne Schuld von Unglück zu Unglück getrieben wird. Nutzt man Pike‘s Erklärung des Fatalismus, welche sagt, dass ein Akteur a, eine Handlung h ausführt und er zu jenem Zeitpunkt t gar keine andere Möglichkeit hat, als h auszuführen, dann wäre dies schicksalsbestimmt (vgl. Pike 1998:S.129-133).Dadurch lässt sich feststellen, dass eben genau Don Alvaro den großen Konflikt startet, indem er die Entscheidung des Marqués de Calatrava nicht akzeptiert und die Flucht plant. Er hatte definitiv die Möglichkeit, Dona Leonor nicht zu heiraten, die Entscheidung also zu akzeptieren und den Markt der heiratswilligen Frauen weiter zu besuchen. Spricht man ihm diese Möglichkeit ab, spricht man dem Begriff der Liebe einen so hohen Einflussfaktor zu, nach dem sich kein Mensch frei entscheiden kann, der sich einmal so stark verliebt, wie Don Alvaro. Im heutigen Sinne ist diese eine definitive Überhöhung des Liebesbegriffs, doch zu jener Zeit erscheint er durchaus möglich. Dass sich aber auch Don Alvaro auch danach nicht dem Schicksal ergibt und kleine Kämpfe gegen dies führt, was zu weiterem Unheil führt, zeigt diese Arbeit.

1.2. Literaturrecherche

Hauptbestandteil dieser Arbeit ist natürlich das Werk von Angel des Saavedra, zu welchem es natürlich auch einige Rezensionen gibt, allerdings umfassen diese nicht das Thema dieses Werkes. Die geschichtlichen und sozialen Hintergründe während der Entstehungszeit konnte man durch die Werke zur spanischen Literaturgeschichte von Rivero Iglesias und Neuschäfer nachvollziehen. Zur Figurenanalyse beschränkte ich mich größtenteils auf meine Aufzeichnungen aus der Seminarstunde, wo das Werk analysiert wurde. Außerdem flossen eigene Beobachtungen sowie das Werk von Staiger zur Thematik des Tragischen mit hinein. Der vielleicht schwierigste Teil dieser Arbeit bestand darin, das Schicksal und den Fatalismus zu beschreiben. Natürlich gibt es sehr viel Literatur zu diesen Themen, doch die meisten Autoren reden sich um eine klare Definition herum und sind meines Erachtens nach sehr oberflächlich bzw. es wiederholt sich sehr viel. Umso glücklicher war ich, als ich das Werk von Rehlinghaus untersuchte, die dahingehend sehr gute Einblicke gab. Zur Analyse des Schicksals im Werk von Duque de Rivas gibt es meiner Recherche nach sehr wenig zufriedenstellende Literatur, so dass ich hier größtenteils auf eigene Überlegungenzurückgreifen musste.

2. Die sozial-geschichtliche Situation während des Entstehungsprozesses des Werkes

In diesem Kapitel wird die Entstehungszeit des Werkes charakterisiert und gleichzeitig soll auf literarische Tendenzen zu dieser Zeit eingegangen werden. Ebenfalls wird eine Kurzbiografie des Autos Angel de Saavedra y Ramirez de Baquedano geliefert und die Handlung kurz beschrieben.

2.1. Historisch - gesellschaftlicher Hintergrund

Durch die 1789 beginne französische Revolution geriet Spanien, wie der Rest des Landes in einen Prozess tiefgreifender Veränderungen. 1795 ging Spanien eine politische und militärische Koalition ein, was eine aufklärerische Stimmung verursachte. Im Zuge seines Feldzuges gegen Europa, erklärte Napoleon jedoch seinem ehemaligen Bündnispartner 1805 den Krieg und eroberte weite Teile des Landes. Trotz des großen Widerstandes des spanischen Volkes konnte Napoleon Karl IV dazu drängen, abzudanken und Napoleons Bruder Joseph, alias José I Bonaparte als neuen König zu ernennen. Der Will zur Befreiung Spaniens war allerdings bei der Bevölkerung ungebrochen und so kam 1808-1814 zu dem Guerrilla - ähnlichen Guerra de la Independencia. Im Zuge dessen schaffte es der Empereur weder die Kontrolle über das Land zu gewinnen, noch seine Reformen durchzusetzen, was ihn veranlasste, weite Teile Spaniens zu verlassen und seinen Bruder veranlassen musste, Ferdinand VII als neuen König einzusetzen, welcher, ganz im Gegenteil zu der 1813 in Cadiz aufgesetzten liberal - aufgeklärte Verfassung, ein „ultrakonservatives Regime aufbaute“ (vgl. Rivero Iglesias 2014: S.110). Während seiner strengen Regentschaft löste sich eine Massenauswanderung in das Exil los und erst nachdem Ferdinand IV 1833 durch Isabella II im Zuge der Carlistenkriege abgelöst wurde, kamen viele zurück nach Spanien.

2.2 Historisch - literarischer Hintergrund

Die spanische Romantik begann, ausgelöst durch die antiaufklärerische Regentschaft von Ferdinand VII recht spät. Viele bekannten Schriftsteller verließen Spanien, so dass der typische Übergang von Aufklärung zur Romantik im iberomanischen Land nur sehr schwach zu erkennen ist. Das siglo de los luces begann in Spanien zwar ebenfalls circa 1700 und es gab auch sehr bedeutende Schriftsteller, wie José Cadalso oder auch Benitio Jeronimo Feijoo, der besonders durch seinem Teatro critical universal auf sich aufmerksam machte. Jedoch entwickelte sich in Spanien auch der Neoklassizismus, welcher sich an den Idealen der französischen Klassik orientierte. Die Romantik setzte sich in Spanien erst durch die Massenrückkehr der Exilanten ab 1833 durch, welche die Romantik aus Frankreich, England oder auch Deutschland mit in ihr Heimatland brachten. Böhl von Faber war ein deutscher Konsul in Cadiz, welcher sich besonders für die romantischeLiteratur einsetzte und so ab 1814 durch verschiedene Veröffentlichungen seiner erworbenen Texte spanischer Künstler einen großen Anteil an der Verbreitung hatte. Generell ist in Spanien zu unterscheiden zwischen einem konservativen Strom der Romantik, der sich mit der nationalen Vergangenheit und deren Aufwertung auseinandersetzte, sowie einem eher liberalen, revolutionären Strom, bei der die typischen Inhalte der europäischen Romantik auftraten.

Die spanische Romantik zeichnet sowohl durch neue Gattungen, als auch durch neue Stilmittel aus. Typische Themen sind in dieser Periode der „Subjektivismus, der Konflikt zwischen dem Ich und dem Nicht - Ich [...] die Bewunderung für Figuren, die am Rand stehen, eine Eingliederung in die Gesellschaft verweigern [...].“ (vgl. Rivero Iglesias 2014: S.160). Neben dem einsetzenden Custumbrismo entsteht auch die Gattung des romantischen Theaters, welches durch „Don Alvaro o la fuerza del sino“ ihren Durchbruch erlangte. Diese Form des Theaters bricht mit vielen Regeln des klassischen Theaters. So zum Beispiel wird mit dem Grundsatz gebrochen, dass die Handlung auf einen Ort und auf die Zeitspanne von 24 Stunden beschränkt ist. Bei Don Alvaro vergehen zwischen den einzelnen Handlungen viele Jahre und zwischenzeitlich findet das Geschehen auch in Italien statt. Die Einheit als solche wird allerdings nicht angegriffen, da die einzelnen Handlungsstränge mit einander verknüpft sind und so die Zukunft der einzelnen Figuren stark beschränkt. Das romantische Theater bevorzugt die Themen der nationalen Vergangenheit, geht also oft zurück in der Geschichte. Hier ist Don Alvaro eine Ausnahme, spielt es doch im 18. Jahrhundert.

2.3. Autorenvorstellung und Handlungsskizzierung

„Don Alvaro o la fuerza del sino“ des spanischen Autors Angel de Saavedra y Ramirez de Baquedano, besser bekannt als Duque de Rivas (10.03.1791 - 22.06.1865) erschien am 22.03.1835 in Madrid. Der Autor gilt als Begründer des spanischen romantischen Theaters und damit auch des modernen Theaters. Saavedra selbst kämpfte sowohl beim Unabhängigkeitskrieg gegen den Franzosen, als auch gegen den Absolutismus des Fernandos dem VII, da er politisch gesehen dem liberalen Lager zuzurechnen war. Der Druck der Verfolgung war hier aber so groß, dass er in das Exil fliehen musste. Während seiner Jahre in Frankreich erschien 1835 sein bekanntes Werk, um das sich diese Arbeit dreht. Nach dem Tod von Fernando VII 1833 kehre Saavedra zurück und begleitete verschiedene politische Ämter, wie Innenminister des Kabinetts von Francesco de Isturiz oder auch das des Senatoren der Provinz Cordoba. Saavedra schrieb während seines Lebens 14 Theaterstücke und zahlreiche romantische und Legenden. Seine bekanntesten Werke sind die des Don Alvaro und die Romances historicas.

Ersteres ist für die Literaturgeschichte von enormer Bedeutung, da es als das Begründungswerk des spanischen Theaters gilt. Das Drama, bestehend aus fünf Akten, weißt typische romantische Eigenschaften, wie eine pessimistische und melancholische Grundstimmung, die Machtlosigkeit vor dem Schicksal oder auch die tragische Liebe. Don Alvaro möchte Dona Leonor, die Tochter des Marqués de Calatrava heiraten, was diese sich ebenfalls sehnlichst wünscht. Ihr Vater jedoch lehnt eine Heirat ab, da der soziale Status und seine Familienhistorie unbekannt sind. Das Liebespaar jedoch ist fest entschlossen und entschließt sich zu fliehen. Dabei werden sie jedoch von dem Marqués überrascht. Versehentlich löst sich ein Schuss und der Vater der Dona Leonor wird tödlich verwundet. Seine Söhne, Don Alfonso und Don Carlos schwören daraufhin Rache. In dem Durcheinander verlieren sich Dona Leonor und Don Alvaro aus den Augen, was ihn veranlasst zu denken, dass seine Geliebte tot ist, obwohl diese sich in ein Kloster begibt, um dort den Rest ihres Lebens zu verbringen. Von seinem Irrglauben geleitet, geht Don Alvaro nach Italien, um dort den Tod als Söldner der italienischen Armee zu finden. Unwissend freundet er sich mit Don Carlos an, der bald die wahre Identität seines neuen Bekannten herausfindet und ihn anschließend zum Duell herausfordert, was zum Tod des ersten Bruders der Dona Leonor führt. Daraufhin geht der Sieger des Duells in ein Kloster, um Frieden und Ruhe als Mönch zu finden. Doch der andere Bruder, Don Alfonso, findet ihn dort und wird beim anschließenden Duell schwer verletzt. Sein Kontrahent ruft daraufhin verzweifelt nach Hilfe und diese kommt in Form von Dona Leonor, die im gleichen Kloster gelebt hat, ohne dass es irgendeiner der Protagonisten gewusst hat. Don Alfonso jedoch denkt, dass die beiden heimlich zusammenleben und in seinen letzten Lebenszügen ersticht er seine Schwester, um die Familienehre zu retten. Don Alvaro ist daraufhin ohne weiteren Lebenssinn und stürzt sich in den Abgrund.

3. Die Figurenanalyse der wichtigsten Personen in „Don Alvaro o la fuerza del sino“

Folgend sollen die Hauptcharaktere des spanischen Theaters von Duque de Rivas analysiert werden. Dabei soll besonders auf die Handlungsinitiative geachtet werden, also wer eigentlich die Handlung im Buch aktiv voranbringt. Ebenfalls sollen wichtige Charaktereigenschaften aufgezeigt werden sowohl von Don Alvaro und seiner Geliebten, als auch von dem Marqués de Calatrava und seinen Söhnen.

3.1. Don Alvaro - die tragische Hauptfigur des Werkes

Don Alvaro, der dem Buch seinen gibt und gleichzeitig die Hauptfigur des Werkes darstellt, ist eine Figur, die fortwährend im Buch mit Schicksalsschlägen konfrontiert wird. Damit kristallisiert sich nach und nach die Tragik dieser Person heraus, die für den Leser zunächst recht undeutlich erscheint, da sie an sich kaum beschrieben wird. Durch Gespräche einiger Sevillanos werden Gerüchte geschürt, Don Alvaro sei ein Mestize, ein unehelicher Sohn eines reichen spanischen Adligen und einer maurischen Königin. Weiterhin durch Fremdcharakerisierungen beschrieben, erfährt man, dass er ein gutaussehender, junger und ein Mann mit Ehre ist, der die nötigen Charaktereigenschaften mitbringt um Dona Leonor zu heiraten. Dies sind aber wie bereits geschrieben, Worte anderer Figuren des Werkes, eine Beschreibung durch beispielsweise Regieanweisungen oder möglicherweise Monologe Don Alvaros. Über sein Äußeres findet man dagegen häufig Bemerkungen durch Kommentare wie z.B: „Don Alvaro sale embozado en una capa de seda, con un gran sombrero blanco, botines y espuelas [...] mirando con dignidad y melancoHa” (vgl. Duque de Rivas 1994: S. 57), oder auch “Don Alvaro, vestido de fraile franciscano, aparece de rodillas en profunda oracion mental” (vgl. Duque de Rivas 1994: S.154).

Sein Handeln ist durch und durch geprägt von seiner fast schon abgöttischen Liebe zu Dona Leonor. Nichts Sehnlicheres wünscht er sich, als sie zu heiraten, was er durch kleine Monologe auch stark verdeutlicht: „jOh, loco estoy de amor y de alegria! [...] yo tu esposo seré; tu, esposa m^a“ (vgl. Duque de Rivas 1994: S.69). Seine Liebe und Hingabe ist so stark, dass er bereit ist, seine Geliebte durch alle Gefahren zu bringen und sie jederzeit mit seinem Leben zu verteidigen: „Defenderte y salvarte es mi obligacion.“ (vgl. Duque de Rivas 1994: S.72). Damit wird bereits am Anfang des Dramas eine eindeutige Richtung zu der tragischen Figur und dem tragischen Handeln des Don Alvaros vorgegeben.

Für Emil Staiger, einem renommierten schweizerischen Literaturwissenschaftler, ist Tragik der Verlauf einer Zeitspanne, bei der einer oder mehreren Personen die Basis ihrer menschlichen Existenzen grundlegend entzogen wird, womit die Person jegliche Lebensmotivation verliert. (vgl. Staiger 1946: S. 183). Bei Don Alvaro ist dies eindeutig erkennbar, weil er durch den vermeintlichen Tod von Dona Leonor direkt beschließt seinem Leben ein Ende zu setzen, indem er nach Italien reißt, um als Soldat zu arbeiten und zu sterben. Ein weiteres tragisches Element bei der Figur ist, dass Don Alvaro immer wie versucht, dieser Bestimmung zu entfliehen. Er versucht aktiv Konflikte aus dem Weg zu gehen und geht neue Wege, er verlässt das Land sogar. Dort wird er von Don Carlos aufgespürt und tötet diesen ihn in einem Duell. Auch hier zeigt sich die Tragik; Don Alvaro will dieses Duell nicht, doch Don Carlos ist so versessen darauf, dass es keinen anderen Weg gibt. Danach entsagt sich in einem weiteren Versuch alles zu vergessen und hinter sich zu lassen allem Weltlichen, indem er in ein Kloster geht, was an sich ja bereits ein gewaltfreier Ort per Definition ist, abgeschottet von jeder Umwelt. Doch all diese Bemühungen führen nur dazu, dass er neue Streitigkeiten verursacht und alte wieder aufflammen. Wieder ist es ein Bruder von Dona Leonor, diesesMal ist es Don Alfonso, der ihn aufspürt. Als er seine Schwester im gleichen Kloster antrifft, ersticht er sie, in dem Glauben, das Liebespaar würde heimlich zusammenleben. Danach verstirbt er an seinen Verletzungen, die ihn Don Alvaro während des Duells zugefügt hat. Damit verliert Don Alvaro nun endgültig jede verbliebene Hoffnung. Für ihn gibt es nur noch die letzte Option des Freitods, welcher ihn von allen Schmerzen und Verletzungen befreit. Er sagt: „Yo soy un enivado del infierno, soy el demonio exterminador”(vgl. Duque de Rivas 1994: S.182) und stürzt sich in einen Abgrund. Die Hauptfigur des Buches bezeichnet sich selbst als Teufel. Staiger bezeichnet dies als „Mut zur Schuld“ (vgl. Staiger 1946: S. 187). Nur einem charakterbewussten Menschen wie es Don Alvaro ist, kann für Staiger das Tragische passieren, wobei der Unterhang stets unabdingbar ist. Dies macht Don Alvaro zu einer sehr klassischen tragischen Figur.

3.2. Dona Leonor - die machtlose Geliebte Don Alvaros

Dona Leonor ist die Dame des Begehrens von Don Alvaro und gleichzeitig die Tochter des Marques de Calatrava, einer angesehenen Familie von Sevilla. Sie stellt ebenfalls eine tragische Figur im Werk dar, wenn gleich die Situation anders ist. Dadurch dass ihr Vater besteht, sie mit einem Partner seiner Wahl zu vermählen, hat Dona Leonor diesbezüglich keine Entscheidungsgewalt. Jedoch hat sie sich unwiderruflich in Don Alvaro verliebt; er ist ihr Lebensmittelpunkt. Als der Marques von Calatrava eine Heirat ablehnt, bricht für sie alles zusammen, da sie in der Liebe einen Grund zum Leben gefunden hat. Dona Leonor ist bereit für dafür nicht nur ihre Familie zu verlassen, was bereits ein großes Opfer darstellt, sondern sie ist auch bereit dafür zu sterben: por él, mi casa y me familia, mis hermanos y mi padre voy a abandonar“ (vgl. Duque de Rivas 1994: S.64). Gleichzeitig steht sie immer noch zwischen den beiden Parteien, sie ist die Person, um die sich der ganze Streit dreht. Trotzdem ist Dona Leonor machtlos, denn ihr Wort hat eigentlich kein Gewicht, nur für Don Alvaro ein wenig. Sie ist aber auch hin -und hergerissen und agiert unentschlossen bei der geplanten Flucht: „Es tan tarde... jDon Alvaro! Dejadlo os ruego para manana (vgl. Duque de Rivas 1994: S.72). Den Tod ihres Vaters muss sie mit ansehen und beschließt deshalb ins Kloster zu gehen. Dort erhofft sich die Dona Geborgenheit, aber auch Schutz, da sie weiß, dass ihre Brüder sich rächen wollen: „Mi muerte solo anhelan, vengativos” (vgl. Duque de Rivas 1994: S.92)“Por eso aqu busco ansiosa Dulce consuelo y auxilio“ (vgl. Duque de Rivas 1994: S.91).Dona Leonor stellt eine ähnliche Figur wie ihr Geliebter, da sie eigentlich Konflikte und Unglücke vermeiden möchte und doch immer wieder solche erleben muss. Trotz dessen, dass sie in das Kloster geht, erlebt sie dort nicht nur das Duell ihres Bruders und ihres Geliebten, sondern auch ihren Tod.

3.3. Marqués de Calatrava

Der Marqués ist der Vater von Dona Leonor und Don Alfonso bzw. Don Carlos, mit denen er wichtige Merkmale teilt. Das Wichtigste ist sicherlich sein Fanatismus über die Familienehre, welches ganzen Handlungsverlauf sichtbar ist und für den tragischen Verlauf eminent wichtig ist.

Diese Ehre und deren Wahrung ist es, die für ihn über allem steht. Jeder Mann, der nicht ehrwürdig erscheint, ist für den Marqués kein geeigneter Vermählungskandidat für seine Tochter. Dadurch, dass der soziale Status von Don Alvaro ihm unbekannt ist, lehnt er deshalb auch eine Heirat ab, da diese ihm und seiner ganzen Familie von großer Bedeutung sind. Der Marqués wird von einem anderen Sevillano auch als recht eitel diesbezüglich beschrieben: „el senor marqués de Calatrava tiene mucho copete y sobrada vanidad para permitir que un advenedizo sea su yerno” (vgl. Duque de Rivas 1994: S.54). Der Canonigo gibt ihm aber recht und teilt seinen Blick diesbezüglich: „Los padres tienen derecho de casar a sus hijas con quien les convenga.” (vgl. Duque de Rivas 1994: S.55).

Die Beziehung zu seiner Tochter Dona Leonor ist stark von dem Wunsch, ja vielleicht auch gar der Sucht, nach Ehrerhaltung geprägt und führt zu drastischen Handlungen. Zum einen zeigt er zu Beginn des Werkes die Liebe des Vaters: „Buenas noches, hija m^a [...] mi amor, mi consuelo, mi esperanza, mi alegria” (vgl. Duque de Rivas 1994: S.12). Als er sie jedoch auf der Flucht mit Don Alvaro erwischt, glaubt er die Familienehre sei zerstört und verstößt sie direkt, ohne weitere Fragen der Familie: „Hija infame! [...] No soy tu padre [...] jYo te maldigo!” (vgl. Duque de Rivas 1994: S.72).Dieses Verhalten ist die Ursache aller Konflikte im Buch. Der Marques ist eine extrem statische Figur, die nicht bereit ist, ihre Handlungen zu hinterfragen bzw. gar zu ändern. Er hält so starr an dem Ehrbegriff fest, dass er außer Stande erscheint, rational zu agieren, was die Grundlage für den dramatischen Verlauf und den eigenen Tod darstellt.

3.4. Don Carlos und Don Alonso de Vargas - die Erben des Marques de Calatrava

Die Söhne des Marques und Brüder der Dona Leonor sind ihrem Vater sehr ähnlich und zeigen starre Verhaltensmuster, welche ebenfalls geprägt sind von der Familienehre. Ohne die genauen Hintergründe des versehentlichen Todes des Vaters zu kennen, schwören sie Rache und sehnen sich nach dem Tod ihrer Schwester und deren Liebhaber. Ehemalige freundschaftliche bzw. familiäre Gefühle werden dabei komplett außer Acht gelassen; die beiden Brüder leben nur noch für die Rache.

Als beispielsweise Don Carlos die wahre Identität des Don Alvaro erfährt, fordert er ihn direkt zum Duell heraus. Die vormalige Freundschaft der beiden in Italien scheint nicht existiert zu haben: „Yo al matador de mi padre y de mi honor puderia hermano llamar? jOh afrenta! Aunque fuerais rey. Ni la infame ha de vivir. No, tras de vos va a morir, que es de mi venganza ley. (vgl. Duque de Rivas 1994: S.121). Don Carlos verachtet seinen Duellierpartner gerade zu und beschimpft ihn mit erniedrigen Ausdrücken: „jNobleza un aventurero! jHonor un desconocido! jSin padre, sin apellido, advenedizo, altanero!” (vgl. Duque de Rivas 1994: S.129).

Don Carlos verliert das Duell und stirbt. Als Don Alvaro nun dessen Bruder Don Alonso antrifft, welcher in dem Glauben ist, dass das Liebespaar heimlich zusammenlebt, ist der gleiche Fanatismus zu erkennen: „Y porque sea mas completa, te digo que no te jactes de noble... Eres un mestizo, fruto de traiciones” (vgl. Duque de Rivas 1994: S.131).

Als Don Alonso das Duell schon verloren hat und sich in den letzten Zügen seines Lebens befindet, ersticht er seine Schwester und verwünscht sie mit den Worten: „Toma, causa de tantos desastres, recibe el premio de tu deshonra... Muero vengado.“ ((vgl. Duque de Rivas 1994: S.169). Nicht einmal die eigene Schwester ist sicher vor den übertriebenen Rachegelüsten und dem übermächtigen Ehrverständnis des Don Alonso. Er tötet Dona Leonor nicht nur, er gibt ihr auch die Schuld an all dem Unglück. Reue, Einsicht oder zumindest ein hinterfragender Ansatz ist bei beiden Brüdern genau so wenig erkennbar, wie bei ihrem Vater.

4. Das Schicksal und die Bestimmung im Werk von Duque de Rivas

Im vierten und letzten Abschnitt wird zunächst erst einmal das Schicksal erläutert und dem fatalistischen Weltbild untergeordnet, welches ebenfalls erklärt wird. Anschließend soll das Verhältnis von Don Alvaro und dem Schicksal untersucht werden. Ordnet er sich der Unausweichlichkeit unter oder kämpft er dagegen? Kann er vielleicht sogar selbst als Bestimmer seines eigenen Schicksals bezeichnet werden?

4.1. Das fatalistische Schicksal erklärt - eine Kurzerklärung des gottähnlichen Begriffs

Das Schicksal ist der Weltanschauung des Fatalismus zu zuschreiben. Doch bevor diese Glaubensrichtung dargestellt wird, soll zunächst erst einmal der Begriff des Schicksals beschrieben werden.

Der Duden beschreibt das Schicksal als „von einer höheren Macht über jemanden Verhängtes, ohne sichtliches menschliches Zutun sich Ereignendes, was jemandes Leben entscheidend bestimmt“ (vgl. https://www.duden.de/node/127371/revision/127407, zuletzt am 01.07.2021 13:12 Uhr aufgerufen). Interessant ist der Fakt, dass die etymologische Herkunft des Wortes vom niederländischen schicksel kommt, was tatsächlich mit Fakt übersetzt werden kann. In vielen antiken Kulturen spielte das Schicksal eine große Rolle und nicht selten gab es einen eigenen Schicksalsgott bzw. eine eigene Schicksalsgöttin. In der antiken Mythologie waren es beispielsweise die drei Moiren Klotho, Lachesis und Atropos, welche drei Lebensstufen und somit den Weg des menschlichen Lebens an einem roten Faden entlangziehen. In der nordischen Mythologie existieren die drei Nornen Urd, Verdandi und Skulk, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft repräsentierten (vgl. Rehlinghaus, 2015, S.35).Die antike Gottheit Fatum, welche die unerforschbare, allumfassende Macht des Schicksals meint, bewegte sich sehr lang im Grenzbereich zwischen konkreter Gottheit und ferner Idee. Der Begriff des Fatums, von dem sich auch der des Fatalismus ableitet, wurde bis in das 17. Jahrhunderts vorwiegend genutzt, bevor er durch den Begriff des Schicksals nach und nach an Bedeutung verlor. Besonders interessant wurde der Schicksalsbegriff gegen Ende des 18. Jahrhundert, als die griechische Antike von den Literaten wieder entdeckt wurde. Das griechische Drama nutzte das Schicksal in doppelter Funktion; zum einen löste es Mitleid bei den Zuschauer*innen aus, weil es die Hauptperson in ein, von der Natur festgeschriebenes Ende leitete. Zum anderen diente das Schicksal und damit einhergehend der Tod auch immer als eine Art verdiente Strafe. Besonders gut lässt sich dies bei Ödipus beobachten, welchemein unglückliches Schicksal widerfuhr, was allerdings in gewisser Weise auch nicht unverdient war. Eine wichtige Unterscheidung, die noch getroffen werden muss, ist die zwischen Zufall und Schicksal. Während beide Begriffe etwas nicht Vorhersehbares meinen, ist dies bei der Bedeutung des Schicksals immer als geplant zu sehen und nicht, wie beim Zufall, als ungeplant zu verstehen. Eine höhere Macht kennt in der Regel den Verlauf einer Person bis hin zu dem endgültigen des Schicksals. Wichtig zu verstehen ist außerdem, dass das Schicksal sowohl als Begriff für das ganze Leben einer Person benutzt wird, wiezum Beispiel: es war das Schicksal von Stephen Hawking ein führender Astrophysiker zu werden, als auch für kleinere Ereignisse in dem Leben einer Person, wie beispielsweise, dass es das Schicksal von Zinedine Zidane war, mit einer roten Karte im WM-Finale von der aktiven Fußballbühne abzutreten. Viele kleinere Schicksale bilden dann das große Schicksal einer Person. Um einen genaueren Blick auf das Schicksal zu werfen, soll nun noch der Fatalismus kurz erläutert werden, denn das Schicksal ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Glaubens.

Dieser Begriff ist Gegenstand eines breiten Feldes weiterer Interpretationsmöglichkeiten, sodass dieser Abschnitt der Hausarbeit gar nicht die umfassende Diskussion um diesen Begriff darstellen kann. Stattdessen wird versucht eine Kurzerläuterung zu geben. Fatalismus kann als eine religionsähnliche Bewegung bezeichnet werden, die an das Unverfügbare glaubt. Kennzeichnend für den Fatalismus ist, dass es irgendeine Art von Vorbestimmtheit gibt, die das menschliche Leben beeinflusst und lenkt. Diese Vorbestimmtheit kann beispielsweise durch eine Gottheit entstehen oder durch aufgrund logischer Notwendigkeiten. Nicht alle Fatalisten sind dem zur Folge religiös. Innerhalb des Fatalismus lassen sich zwei wichtige Strömungen unterscheiden: der logische Fatalismus und der religiöse Fatalismus. Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Arten ist die Verneinung bzw. die Bejahung von kontingenten Ereignissen, also Ereignisse, welche nicht unbedingt eintreten müssen. Der logische Fatalismus bestreitet die Existenz und sagt, dass es von vorneherein immer nur eine mögliche Handlung passieren kann, eben jene, die geschieht. Der religiöse Fatalismus schließt kontingente Ereignisse nicht von vorneherein aus. Warum ist dies wichtig? Während beide Anschauungen schlussendlich auf das gleiche Resultat hinauslaufen, ist der Glaube anden Weg zu diesem unterschiedlich.

Für Personen, die nicht an den Fatalismus glauben, mag diese Unterscheidung nicht von großer Bedeutung sein, doch für den gläubigen Fatalisten ist diese Frage von entscheidender Bedeutung. Durch die Vorbestimmtheit und die Verneinung von kontingenten Ereignissen ergibt sich für den logischen Fatalismus eine Art totale Bestimmtheit, welche damit einhergeht, dass das Individuum Mensch an sich gar keine Wahl hat - der freie Wille existiert hier nicht. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass es ihn beim religiösen Fatalismus gibt und diese seinen Anhängern, wie zum Beispiel gläubigen Christen das Recht auf eine freie Wahl und somit das scheinbare Einfluss nehmen auf das eigene Leben gewährt wird. Doch wie wichtig ist diese freieWahl, wenn das Ergebnis doch vorherbestimmt ist?

4.2. Der Versuch des Unmöglichen? - Die Flucht vor dem Schicksal des Don Alvaro

Bereits am Titel „Don Alvaro o la fuerza del sino” lässt sich erkennen, dass es sich um ein Werk handelt, wo Schicksal und Bestimmung eine wichtige Rolle spielen, denn übersetzt heißt der Titel bekanntermaßen Don Alvaro oder die Kraft des Schicksals, was einen gewissen Interpretationsspielraum lässt. Die erste Deutungsweise ist, dass Don Alvaro mit der Kraft des Schicksals gewissermaßen gleichgesetzt ist; diese unbeugsame Kraft eben durch die Hauptfigur dargestellt wird. Die zweite Sichtweise des Titels ist, dass es eine Art Kampf ist zwischen Don Alvaro und der Kraft des Schicksals und nur eine Partei gewinnen kann. Beide Optionen sind natürlich nicht untrennbar voneinander zu sehen, da die Urgewallt des Schicksals auch durch Don Alvaros Kampf gegen jene dargestellt wird. Schlussendlich kann niemand dem Schicksal entrinnen und so stirbt und verliert die Hauptfigur auch den Kampf. Die prinzipielle Frage, die sich erst einmal stellt ist, was denn das Schicksal Don Alvaros überhaupt ist. Wie bereits festgestellt wurde, ist das Schicksal sehr interpretationsoffen. Sicherlich könnte man sagen, dass es das Schicksal von Don Alvaro ist Dona Leonor zu treffen und sich unwiderruflich in sie zu verlieben. Auch könnte man sagen, dass es das Schicksal der Hauptperson ist, den Marques de Calatrava zu töten. Betrachtet man den ganzen Handlungsverlauf ist das große Schicksal Don Alvaros Unglück über sich und die Familie Calatrava zu bringen. Auf dieses wird sich auch im Folgenden bezogen, da mehr nicht über die Hauptperson erfahren werden kann, beispielsweise seine Kindheit. Außerdem umfasst das große Schicksal auch die kleineren Ereignisse, wie die Morde anden beiden Brüdern der Dona Leonor. Prinzipiell muss man aber zu Beginn der Schicksalsanalyse Don Alvaros auch sagen, dass jener selbst erkennen sollte, dass er eben diese Vorherbestimmtheit bewusst angreift, da er ganz genau weiß, dass in der Gesellschaft, in welcher er lebt, der soziale Stand und die Familienehre eine allumfassende Rolle spielen. Deshalb sollte er zumindest etwas damit rechnen, dass sein Begehren Dona Leonor zu heiraten, abgelehnt wird, da er um seinen Stand weiß. Er ist ein Bastard und dazu ein Mestize und ebenfalls kennt er den Marqués de Calatrava und weiß dementsprechend auch, wie wichtig ihm das ist. Trotz all diesen negativen Ausgangspunkten greift er das Schicksal an, weil er Dona Leonor liebtund sich nicht von ihr lösen kann bzw. möchte. Dies lässt ihn zu einer Art romantischen Rebellen aufsteigen, der gegen die soziale Ordnung kämpft. Nach dem tragischen Tod des Marqués de Calatrava, dessen Schuld Don Alvaro trägt, obwohl er es nicht wollte, geht der Mörder ins Exil, um fortan den seinen eigenen Tod zu suchen. Dies wird allerdings auch von dem Glaube Don Alvaros gestärkt, dass seine Geliebte ebenfalls tot ist, obwohl diese nur in Ohnmacht nach dem Tod ihres Vaters gefallen war. Sein Kampf gegen die soziale Ordnung endet also nach dem Todschlag und er versucht fortan Leid und jeglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen und nicht zu verursachen. Hier erkennt man einen Wandel im Verhalten der Hauptperson. Hat er sich vorher noch aktiv gegen die Situation gewehrt, indem er mit Dona Leonor die Flucht besprochen und dann auch begonnen hat, beschließt Don Alvaro direkt ein Leben außerhalb Sevillas in Italien zu beginnen. Doch selbst in dem Nachbarland Spaniens, wird er scheinbar von der Familie Calatrava verfolgt und trifft auf Don Carlos. Bevor dieser die wahre Identität von Don Alvaro erfährt, werden sie sogar gute Freunde, weil Don Alvaro Don Carlo rettet: „Mil gracies os doy, senor; sin vuestro heroico valor de cierto estaba perdido” (vgl. Duque de Rivas 1994: S.86). Doch jegliches positive Gefühl, was der Bruder der Dona gehabt hatte, erlischt in dem Moment, als er das wahre Gesicht seines Gegenübers bemerkt. Er fordert den Mörder seines Vaters zum Duell auf, was Don Alvaro mit dem Wissen annimmt, dass Duelle in Italien mit dem Tod bestraft werden. Was sagt dieser Umstand über den Kampf des Don Alvaro mit dem Schicksal aus? Zum einen holt ihn genau jenes wieder ein, nachdem er über eintausend Kilometer vor ihm geflohen ist. Zum anderen kann man das Gefühl bekommen, dass Don Alvaro sich gar nicht mehr richtig gegen das Schicksal zur Wehr setzt. Die Vermutung liegt nahe, dass er sich diesem schon ergeben hat, sonst würde er das Duell gar nicht erst annehmen. Andererseits kann man sich auch fragen, ob Don Alvaro schon ganz genau weiß, wie stur und ehrversessen Don Carlos ist und dass eine Ablehnung auf taube Ohren stoßen würde. Don Alvaro gewinnt dieses Duell und tötet somit den zweiten der Familie der Calatrava. Dies bestärkt die These, dass das Schicksal des Don Alvaro darin besteht, Unglück über die jene Familie zu bringen. Dieser verlässt dann Italien, um der voraussichtlichen Todesstrafe zu entkommen. An dieser Stelle kann durchaus die Frage nach ambivalenten Verhalten des Don Alvaro gestellt werden. Er geht nach Italien um in der italienischen Armee den Tod zu suchen, als dieser ihm dann jedoch droht, flieht er wieder. Er hätte ebenfalls mit Absicht das Duell verlieren können, denn damit wäre auch ein Stück weit die Ehre der Calatravas wiederhergestellt. Sicherlich ist der Tod durch den Strang unehrenhaft, doch kann Don Alvaro nach zwei Tötungen selbst kaum noch hoffen, von Gott positiv gerichtet zu werden. DieFlucht bringt ihn in ein Kloster, wo er versucht eine komplett neue Identität aufzunehmen. Das Kloster ist hier ein deutliches Symbolbild, kann man es doch als einen der friedlichsten und sichersten Orte identifizieren, welches ein Leben frei von Sünden ermöglicht. Don Alvaros Wille, vielleicht sogar der verzweifelte Wunsch, mit seinem bisherigen Leben abzuschließen und Unglück von anderen fernzuhalten, kann durch diesen neuen Ort nicht besser inszeniert werden. Doch stattdessen passiert das Gegenteil, DonAlonso erkennt ihn und verliert das geforderte Duell. Als auf Don Alvaros Hilfeschreie seine tot geglaubte geliebte Dona Leonor kommt, wird diese von Don Alonso erstochen. Daraufhin stürzt sich Don Alvaro in den Tod. Auch hier hätte die Hauptperson das Duell mit Absicht verlieren können, doch er entscheidet sich dagegen. Erst als Dona Leonor stirbt, entscheidet er sich für den Freitod. Dies lässt die Vermutung nah, dass er während seiner ganzen Flucht immer noch einen Restfunken an Hoffnung mit sich trug, der ihn beide Duelle gewinnen lies und beide Fluchten gelingen lassen konnte. Eine andere Erklärung für den Suizid ist in der außergewöhnlichen Situation zu finden. Es ist offensichtlich das Don Alvaro ein sehr emotionaler, vielleicht sogar ein emotional instabiler Mensch ist. Diese Situation, des Auftauchens seiner wahren Liebe mit dem darauffolgenden Tod, ist eine Extremsituation, mit der Don Alvaro nicht umgehen kann und sich für den Tod entscheidet. Wie ist nun Don Alvaros gesamtes Verhalten gegenüber seinem Schicksal zu sehen? Nach dieser Analyse kämpft Don Alvaro einmal aktiv gegen sein Schicksal; und zwar direkt am Beginn der Geschichte, bei dem Versuch mit Dona Leonor zu fliehen. Er akzeptiert sein Schicksal nicht und versucht mit der Flucht seinen Willen durchzusetzen. Die darauffolgenden tragischen Ereignisse sind hier nicht als aktiver Kampf zu sehen. Don Alvaro hat danach keine aktive Entscheidungsgewalt mehr, denn jedes Mal, wenn er sich dem Schicksal widersetzen würde, stünde als Folge sein eigener Tod. Sei es bei den Duellen oder bei den Fluchten. Polemisch ausgedrückt, sind alle Todesopfer der Geschichte die Bestrafung gegen das Aufbegehren des Don Alvaros. Nun ist noch zu klären, ob dieser vielleicht sogar dieses Schicksal selbst verursacht hat. Die Grundfrage die sich hierstellt ist folgende: Hat Don Alvaro eine andere Wahl, als nicht mit Dona Leonor zu fliehen? Aus der heutigen, modernen Sicht lässt sich diese Frage ganz klar mit ja beantworten, doch dies wäre keine adäquate Antwort, denn sie beachtet nicht die zeitliche Situation. Die Aussage des Don Alvaro über seine Geliebte: „jOh, loco estoy de amor y de alegria“ (vgl. Duque de Rivas 1994: S.69) zeigt die abgöttische Liebe. Ist die Liebe also so mächtig, dass man keine anderen Entscheidungen fällen kann. Selbst heute kann man diese Aussage bestätigt sehen, wenn man gewisse Geschichten liest, beispielsweise über Gewaltverbrechen in der Familie. Zu der damaligen Zeit war die Liebe und das damit einhergehende Ehrgefühl noch viel stärker ausgeprägt in derGesellschaft. Persönlich gesehen, denke ich, dass Don Alvaro auch hier keine freie Entscheidungsgewalt hatte und von seiner Liebe gedrängt wurde. Rational mag diese Aussage falsch sein, doch Don Alvaro ist ein zutiefst emotionaler Mensch, der nicht häufig nach rationalem Verhalten agiert. Don Alvaro ist in meinen Augen ein Opfer des Schicksals.

5. Persönliches Fazit

Don Alvaro konnte seinem Schicksal nicht entkommen. Er versucht seinem es, indem er das Land verlässt, indem er als Soldat arbeitet und schlussendlich sogar in ein Kloster geht, um jeglicher Weltlichkeit abzusagen. Doch nichts davon führt zum Erfolg. Die unbeugsame Kraft des Schicksals wird hier sehr eindrucksvoll dargestellt, sodass, würde man hinter dem Titel ein ? setzen, man diese Frage ganz klar mit der Kraft des Schicksals beantworten müsste. Diese Vorbestimmtheit ist das zentrale Thema dieses spanischen Theaters und somit ein typisches Werk dieser, zu dieser Zeit aufkommenden Literaturgattung ist. Don Alvaro kann zudem ebenfalls ein romantischer Held betrachtet werden oder auch als Außenseiter, da er als Mestize versucht eine Edeldame zu heiraten und keinerlei Unterstützung erfährt.

Die spanische Custombrismo wird im ersten Kapitel sehr gut verdeutlicht, was dafür sorgt, dass man die Tragik der Geschichte zum Ende hin sehr gut verstehen kann. Auch dies ist eine typische Eigenschaft des spanischen Theaters.

Persönlich kann ich dem Motiv des Schicksals viel abgewinnen, da es in viele literarischen Werken eine treibende Kraft ist. Für mein eigene Leben finde ich diesen Begriff eher hinderlich, da er meiner Meinung nach den Menschen zu sehr einschränkt. Außerdem gefällt mir der Gedanke nicht, von irgendeiner höheren Gewalt bestimmt zu sein.

Quellen

Carmen Rivero Iglesias (2014): Spanische Literaturgeschichte: Eine kommentierte Anthologie. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag

Duque de Rivas (1994): Don Alvaro o la fuerza del sino. Barcelona: Barcelona Critica

Emil Staiger ( 1 951 ) : Grundbegriffe der Poetik. 2.Auflage. Zürich: Atlantis-Verlag

Franziska Rehlinghaus (20 1 5) : Die Semantik des Schicksals: Zur Relevanz des Unverfügbaren zwischen Aufklärung und Erstem Weltkrieg. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht

Hans-Jörg Neuschäfer (2006): Spanische Literaturgeschichte. 2. Auflage. Stuttgart: Metzler

Juana Danis, Erwin Möde(1982): Schicksal und Mythos. Edition Psychosomatik, München

Klaus P. Fischer (2008): Schicksal in Theologie und Philosophie. WBG Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt

Nelson Pike(1998):„Göttliche Allwissenheit und freies Handeln“ in: H. Jäger Hrsg .: Analytische Religionsphilosophie. Paderborn: Ferdinand Schöningh

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Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Schicksal oder Bestimmung des Hauptcharakters in "Don Álvaro o la fuerza del sino" von Ángel de Saavedra y Ramirez de Baquedano
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
18
Katalognummer
V1128931
ISBN (eBook)
9783346493170
ISBN (Buch)
9783346493187
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schicksal, bestimmung, hauptcharakters, saavedra, ramirez, baquedano
Arbeit zitieren
Erik Wießner (Autor:in), 2021, Schicksal oder Bestimmung des Hauptcharakters in "Don Álvaro o la fuerza del sino" von Ángel de Saavedra y Ramirez de Baquedano, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1128931

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