Macht und Herrschaft zwischen der deutschen Barock- und Aufklärungszeit

Eine Gedichtanalyse von Andreas Gryphius und Barthold Heinrich Brockes


Hausarbeit, 2020

24 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition von Macht und Herrschaft
2.1 Macht
2.2 Herrschaft

3. Die Epochen des Barocks und der Aufklärung
3.1 Deutscher Barock
3.1.1 Leitmotive des Barock
3.1.2 Der Dreißigjährige Krieg
3.1.3 Macht und Herrschaft während des Barock
3.2 Deutsche Aufklärung
3.2.1 Definition der Literaturepoche
3.2.2 Die Französische Revolution
3.2.3 Philosophische Strömungen der Aufklärung
3.2.4 Macht und Herrschaft während der Aufklärung

4. Gedichtanalyse
4.1 Analyse vom Gryphius´ Gedicht „Es ist alles eitel“
4.2 Analyse von Brockes´ Gedicht „Kirschblühte bei der Nacht“

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Emmanuel Kants berühmtes Sprichwort „ Sapere Aude “ bedeutet in der europäischen, insbesondere der deutschen Geschichte nicht bloß „Wage es, weise zu sein“. Vielmehr wurde es als Motto in der Epoche der Aufklärung wahrgenommen und verweist zudem auf den Epochenwandel, vom Barock zur Aufklärung (vgl. Alt 2007). Dass der Mensch seine eigene Vernunft bedienen soll bzw. muss, klingt heutzutage selbstverständlich, war aber in der Barockzeit nicht der Fall; In der Zeit des Absolutismus entwickelte sich die Epoche des Barock, in dem die Herrschenden eine absolute Macht genossen, während das Volk unter der Angst und den Katastrophen des 30-jährigen Krieges litt. Daher widmeten sich die Menschen der Religion und konzentrierten sich auf das Leben im Jenseits, was zu einem großen Teil aus der falschen Ausnutzung der Religion seitens der Kirche folgte (vgl. Niefanger 2012). Da die Macht der Herrschenden bzw. der Kirche in einer gesellschaftlich illegitimen Form ausgeübt wurde, waren Macht und Gewalt in dieser Epoche eng miteinander verbunden, wobei Gewalt als willkürliche Machtausübung beschrieben werden kann (vgl. Faber, Ilting und Meier 1982). Nach Imbusch 1998) veränderten sich mit Hilfe der Aufklärungsphilosophie und des rationalen Naturrechts sowohl die Macht- als auch die Herrschaftsverhältnisse. Die zunehmende Entpersonalisierung und Formalisierung von Machtverhältnissen führte zu einer Bedeutungsverschiebung von Herrschaft hin zum Staat, der nun als übergreifende Ordnungsinstanz gesehen wurde. Zentral für die Epoche der Aufklärung war der Beginn des vernünftigen Denkens der Menschen, d.h. alle Fakten wurden überprüft und hinterfragt, auch die Herrschaft des Menschen über den Menschen wurde zunehmend in Frage gestellt. Es ging vor allem darum, sich von den alten Denkmustern zu befreien, die durch den Despotismus der Kirche bzw. der illegitimen Machtausübung der Herrengewalt in der Zeit des Absolutismus geprägt waren (vgl. Imbusch 1998: 19f.). In der Literaturforschung und in der Geschichtswissenschaft ist die Definition von Macht und Herrschaft mehrdeutig. Beide Begriffe trugen im Laufe der Geschichte mehrere Bedeutungen und werden in unterschiedlichen Formen verwendet. In diesem Zusammenhang ist es interessant, die Rolle von Macht und Herrschaft zwischen den beiden Epochen, nämlich dem Barock und der Aufklärung, anhand von Beispielen aus der Literatur zu vergleichen. Davon ausgehend sollen in dieser Seminararbeit folgende Fragen behandelt werden:

- Wie haben sich die Bedeutungen der Macht und der Herrschaft zwischen dem Barock und der Aufklärung verändert?
- Wie lässt sich der Unterschied zwischen den Macht- und Herrschaftsverhältnissen in der deutschen Literatur der beiden Epochen verdeutlichen?

Die vorliegende Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Das erste Kapitel ist der Definition der beiden Begriffe Macht und Herrschaft gewidmet, die im Laufe der Geschichte verschiedene Bedeutungen aufweisen. Darauf folgt im zweiten Kapitel ein Einblick in die beiden Epochen, nämlich den Barock und die Aufklärung, deren Besonderheiten und den Unterschied zwischen beiden. Im letzten Kapitel werden sowohl das Gedicht „Es ist alles eitel“ von Andres Gryphius aus der Barockzeit als auch „Kirschblüte bei der Nacht“ von Barthold Hinrich Brockes aus der Aufklärungszeit im Rahmen von Macht- und Herrschaftsverhältnissen analysiert und verglichen.

2. Definition von Macht und Herrschaft

Hört oder liest man die Begriffe Macht und Herrschaft, so kann man sie in der Realität meist deutlich wahrnehmen und auch als Synonyme verstehen. Wie bereits in der Einleitung angedeutet, trugen beide Begriffe im Laufe der Geschichte vielfältige Bedeutungen (vgl. Imbusch 1998: 9). Bei näherer Betrachtung zeigt sich nicht nur eine unendliche Vieldeutigkeit der mit Macht und Herrschaft bezeichneten Phänomene (z.B. Autorität, Einfluss, Zwang, Gewalt usw.) und eine teilweise synonyme, kaum differenzierte Verwendung der Begriffe. Vielmehr werden die Inhalte beider Begriffe von Autorinnen und Autoren sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlich oder sogar widersprüchlich eingeschätzt und bewertet (ebd.). Die Überlegungen, Machtverhältnisse präzise und möglichst eindeutig zu definieren, lassen sich bis in die griechische Polis und die chinesische Philosophie des 4. Jahrhunderts v. Chr. zurückverfolgen (vgl. Westendorf 2004: 1). Der vorliegende Teil der Arbeit behandelt die Annäherung an die Begriffsbestimmung von Macht und Herrschaft.

2.1 Macht

Der Begriff Macht trägt je nach Zeitraum, Epoche und Situation eine unterschiedliche Bedeutung. Klenner (1990), Faber et al. (1982) und Imbusch (1998) betonen die „Vielfältigkeit des Machtvokabulars“ (Faber et al. 1982: 822) anhand der folgenden umfassenden Definitionen:

a) was ein Mensch, eine Menschengruppe oder die Menschheit allgemein 'vermag' und hebt somit auf ihr physisches oder psychisches Leistungs-' Vermögen', ihre Kraft oder ihre körperliche und geistige Stärke ab; b) die jemandem zustehende und/oder ausgeübte Befugnis, über etwas oder andere zu bestimmen; c) die existente Staats- oder Regierungsgewalt, etwa im Sinne einer Macht im Staate; d) eine herrschende Klasse, Clique oder Elite; e) den Staat als Ganzes, etwa im Sinne von 'Supermacht', 'Großmacht' oder 'Kolonialmacht'; f) nicht zuletzt auch die Wirkung oder das Wirkungsvermögen von vorhandenen oder vorgestellten Verhältnissen, Eigenschaften oder Wesenheiten, etwa im Sinne einer 'Macht der Gewohnheit', 'der Liebe', 'der Vernunft', 'der Unterwelt', 'der Götter' etc. Eine Vielzahl von Komposita dient dabei der Spezifizierung einzelner Facetten des Machtbegriffs (vgl. Klenner 1990; Faber et al. 1982, zitiert nach Imbusch 1998: 10).

Die zitierten Definitionen von a) bis f) geben eine Vorstellung davon, dass Macht nicht einfach zu definieren ist: Die Definition kann variieren, je nachdem, welche Person, welche Gruppe oder welcher Staat über die Macht verfügt und aus welchen Gründen die Macht ausgeübt wird, ob es sich um religiöse oder Liebesgründe usw. handelt. Diese Begriffsbeschreibung kann als Referenz dienen, um herauszufinden, welche Definition in jeder Epoche oder Situation gelten kann. Darüber hinaus wird der Begriff der Macht in diesen Formulierungen sachlich erläutert, was im Gegensatz zu mehreren anderen negativen Definitionen steht, die Macht als ´böse´ oder ´satanisch´ kategorisieren, wie etwa in Jacob Burckhardts Formel, „daß die Macht absolut böse ist“ (Burckhardt 1970: 61), oder in dem Diktum Lord Actons zum Ausdruck kommt: „Power tends to corrupt and absolute power corrupts absolutely“ (Acton 1972: 335). Ball (1993: 554) weist ebenfalls darauf hin, dass die Definition von Macht auf verschiedene Weise verstanden werden kann und dass Macht ein ´essentially contested concept' ist, „characterized by unresolved - and indeed unresolvable - disputes over its meanings and proper application“, was bedeutet, dass eine Konformität des begrifflichen Verständnisses von Macht nicht erreicht wurde und nicht erreicht wird (vgl. Imbusch 1998: 10). Dies führte dazu, dass die Autorinnen und Autoren zwar denselben Begriff erwähnen, aber auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Bedeutungen. Die am häufigsten verwendete Definition, die in diesem Zusammenhang hervorzuheben ist, geht von Max Weber aus:

Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht […]. Alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen (Weber 1972: 28 f.).

Webers vorliegende Definition von Macht entspricht dem traditionellen Alltagsverständnis des Begriffs und wird daher in der späteren Literatur am häufigsten verwendet. Macht wird auf andere ausgeübt, mit oder auch gegen deren Willen, durch sichtbare Fälle von Entscheidungen und deren Umsetzung in der betroffenen Gruppe bzw. in der betroffenen Gesellschaft. Dies kann sowohl positive als auch negative Folgen haben (vgl. Imbusch 1998: 11). Es gibt durchaus Alternativen zu der von Weber genannten Bedeutung von Macht: Beispielsweise beruht Macht nach Hannah Arendt auf der menschlichen Fähigkeit zur Gemeinschaft und Kommunikation, was das genaue Gegenteil von dem ist, was Weber meinte, Sie erwähnt in „ Vita activa “ (1967), dass Macht der Gegenbegriff zur Gewalt ist und damit gerade nicht die Durchsetzung des Willens gegen den Widerstand anderer, sondern das gemeinsame Reden und Handeln (Arendt, 1967). Ein weiteres Beispiel ist das von Michel Foucault (1978), er beschreibt Macht als omnipräsent und betont, dass Machtverhältnisse Gesellschaften in ihrer Heterogenität zusammenhalten. Die gesellschaftliche Konstitution beruht nicht auf einer sinnvollen Ordnung, sondern ist das Ergebnis von ständigen Machtkämpfen. Die bisher erwähnten Definitionen sehen sehr unterschiedlich aus, scheinen zueinander inkompatibel, zeigen aber eigentlich nur, dass es in diesen Auffassungen um unterschiedliche Formen von der Machtausübung, also vier unterschiedliche Kategorien geht (vgl. Westendorf 2004: 4): Zwang, Einfluss, Autorität und Attraktion (vgl. Olsen/Marger 1993: 3 f.):

- Zwang: Er erfolgt, wenn ein Machthaber Druck ausübt oder einen potenziellen Rezipienten bedroht, indem er ihm bestimmte Ressourcen gewährt oder zurückhält. Zwang lässt sich in drei Formen ausüben: Erstens kann er auf Nützlichkeitserwägungen beruhen, dem Rezipienten können bei erwünschter Verhaltensweise angestrebte Vorteile gewährt oder versprochen werden. Zweitens kann die machthabende Person oder Institution mit Gewalt oder Strafe drohen und somit Macht durchsetzen. Schließlich kann Zwang in Form von Überzeugung eingesetzt werden: Mit Hilfe von Kommunikation können Werte, Motivationen und Einstellungen einer Person verändert werden (vgl. Imbusch 1998: 12).
- Einfluss: Ein Akteur beeinflusst die Rezipienten bzw. übt auf der Grundlage allgemein akzeptierter Regeln Einfluss auf sie aus. Die Fähigkeit zur Einflussausübung ist insbesondere von einer Machtposition in einem Netzwerk oder einer Organisation abhängig, welche in der Regel die Verfügung über bestimmte Ressourcen bedingt: Einfluss wird effektiver, wenn er von einer Person mit einer höheren Position in der Sozialstruktur ausgeübt wird (Ebd.).
- Autorität (im Sinne von Amts- und Befehlsgewalt): Autorität bedeutet, dass ein Akteur bevollmächtigt ist, spezielle Entscheidungen zu treffen, die auf rationalem Wissen, gesetzlichen Rechten, traditionellen Überzeugungen bzw. Werten oder Charisma beruhen können. Autorität entsteht demnach durch die vorgängige Gewährung von Legitimität seitens der Machtunterworfenen (Ebd.).
- Attraktion: Das Ziel der Attraktion ist die diffuse Anziehung, die eine Person oder Organisation hat, die dazu dient, die Rezipienten entsprechend zu beeinflussen. Ob die Rezipienten dem Willen der machthabenden oder der ´attraktiven´ Person folgen, ist in diesem Zusammenhang freiwillig und kann entweder auf kognitiver Identifikation mit der machthabenden Person oder Institutionen, positiven Einstellungen und Gefühlen gegenüber dieser Person und Institutionen oder der Zuschreibung von Charisma zu dieser Person beruhen. Attraktion ist als eine transitorische, flüchtige Form der Machtausübung zu betrachten, während Autorität stabil und dauerhaft ist (Ebd.).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Begriff der Macht von Epoche zu Epoche unterschiedlich verstanden, gesehen und bewertet wird, was zu einem amorphen Charakter und verschiedenen Definitionen desselben Begriffs geführt hat. Ebenso verhält es sich mit dem Begriff der Herrschaft: Herrschaft kann nicht nur mitunter als Synonym für Macht angesehen werden, sondern es ist auch nicht genau geklärt, was unter Herrschaft zu verstehen ist, worauf sie beruht und was Menschen dazu veranlasst, sich der Herrschaft zu unterwerfen (Ebd.: 19). Das nächste Kapitel 2.2 befasst sich mit einer genaueren Bestimmung des Begriffs Herrschaft.

2.2 Herrschaft

Herrschaft ist im Laufe der Geschichte in sehr unterschiedlichen Formen aufgetreten und zu sehr unterschiedlichen Zwecken ausgeübt worden (vgl. Imbusch 1998: 22), weshalb der Begriff in der Literatur unterschiedlich betrachtet wird. Zunächst ist bei der Unterscheidung zwischen Macht und Herrschaft die Definition von Max Weber relevant: Er geht davon aus, dass Herrschaft „die Chance [ist], für eine Ordnung bestimmten Inhalts bei bestimmbaren Personen Gehorsam zu finden“ (Weber 1972). Das bedeutet, dass sich Herrschaft im Gegensatz zu Macht nicht nur auf die Durchsetzung des eigenen Willens gegen den Willen anderer bezieht (siehe Kapitel 2.1), sondern auch die Anerkennung seitens der Rezipienten voraussetzt, das heißt, der Machthabende verlangt den Willen der Rezipienten, ihm zu gehorchen (vgl. Westendorf 2004: 2). Dass die befehlende Person, der Verwaltungsstab oder ein (Herrschafts-)Verband erfolgreich ist, ist nach Weber entscheidend für die Herrschaft. Denn Herrschaft ist ein Beziehungsgefüge, das nicht durch rein materielle oder bloß affektive oder wertrationale Motive gerechtfertigt ist, sondern wesentlich durch Legitimität bzw. 'Legitimitätsglauben'. Im Weiteren hebt Weber hervor, dass es sinnvoll ist, die Herrschaftstypen nach dem ihnen eigenen "Legitimitätsanspruch" zu unterscheiden, denn jede Herrschaft bildet einen Glauben an ihre Legitimität aus (Weber 1972). Er unterscheidet demnach drei Typen legitimer Herrschaft (vgl. Imbusch 1998: 22):

a) die rationale Herrschaft, die legale Herrschaft mit bürokratischem Verwaltungsstab ist, b) die traditionale Herrschaft, die sich auf die 'Heiligkeit der geltenden Traditionen' berufen kann, und c) die charismatische Herrschaft, die auf den außeralitäglichen Qualitäten einer Persönlichkeit ruht (Imbusch 1998: 22, Weber 1972).

Da er Herrschaft an Legitimität zurückbindet und von Macht als soziologisch amorpher Kategorie abgrenzt, bildet Webers Definition eine Gegenposition zu den herrschaftskritischen Sichtweisen. Imbusch 1998 stellt dagegen fest, dass der Herrschaftsbegriff durch die Geschichte hindurch als negativ zu bewerten ist. Die Ambivalenz und Mehrdeutigkeit von Herrschaft ergab sich aus der mittelalterlichen Bedeutungsvielfalt des Begriffs, „der sowohl die 'Herrengewalt' über Haus und Gefolgschaft wie auch die Herrschaft über Sachen (Eigentum) und Personen (Gewalt) umfaßte“ (Imbusch 1998: 19), d.h. Herrschaft impliziert also ein personales, an Recht gebundenes Verhältnis. Erst im Zeitalter der Aufklärung verschob sich die Bedeutung von Herrschaft auf den Staat, der nun als übergreifende Ordnungsinstanz angesehen wurde, wie in Kapitel 3.2 näher erläutert wird. Kritisch wurde nicht nur die willkürliche - in der Literatur als negativ bezeichnete - Herrschaft von ´Menschen über Menschen´. Vielmehr wird jede Art von Despotismus und Ausbeutung der Rezipienten dieser Herrschaft kritisiert und abgelehnt. Die Rezipienten stützten alles auf ihre eigene Vernunft und ihren Verstand und kamen zu der Interpretation, dass Herrschaft nur unter Abwesenheit von "Herren" ausgeübt werden sollte, erst als 'Herrschaft der Gesetze', später als 'verfassungsmäßige Regierung', dann als 'gesetzmäßige Verwaltung' bzw. in moderner Form als 'bürokratische Herrschaft' (vgl. Imbusch 1998: 19f.).

Zusammenfassend ergeben sich herrschaftskritische Perspektiven in der Tat aus den sozialen Folgen von Herrschaft: Große soziale Ungleichheiten, Einkommens-, Eigentums- und Vermögensdisparitäten usw. werden als kausale Folgen ungerechter Macht- und autoritärer Herrschaftsverhältnisse begriffen. Macht und Herrschaft über die Masse der Beherrschten werden daher in der Geschichte im Wesentlichen als Formen von Gewalt und Zwang gesehen und in der Literatur oft als solche beschrieben (Ebd.: 21).

3. Die Epochen des Barocks und der Aufklärung

Vor der Darstellung der Barock- und Aufklärungsepoche ist die Literaturgeschichte der „Frühen Neuzeit“ für die Abgrenzung zwischen beiden Epochen wesentlich. Die „Frühe Neuzeit“ ist ein Begriff aus der allgemeinen Geschichte, der mehrere Literaturepochen umspannt und die Dichtung von etwa dem 16. bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts umfasst (vgl. Jaumann 1997: 632, zitiert nach Niefanger 2012: 14). Niefanger vertrat ein dreiteiliges Einteilungsschema zur Klassifizierung der Epochen, Renaissance/Humanismus, Barock und Aufklärung, die in Abbildung 1 dargestellt sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Klassifizierung der Epochen der Literaturgeschichte zwischen dem 16. Und 18. Jahrhundert nach Niefanger (2012: 14)

Wie bereits im vorangegangenen Kapitel 2. deutlich gemacht wurde, trugen die Begriffe Macht und Herrschaft im Laufe der Geschichte bzw. der Epochen mehrere Bedeutungen. Im folgenden Teil der Arbeit werden die Epochen Barock und Aufklärung vorgestellt, sowie die Faktoren, die zum Epochenwechsel führten. Nach der Beschreibung der literaturgeschichtlichen Epochen widmet sich die Arbeit der Darstellung der Situation der Macht- und Herrschaftsverhältnisse in den jeweiligen Epochen.

3.1 Deutscher Barock

Der Begriff „Barock“ leitet sich vom portugiesischen barocco ab und bedeutet schräg, unregelmäßig. Er verwies ursprünglich auf die teilweise schräge Beschaffenheit von Perlen. Seit dem 18. Jahrhundert wurde Barock oder barockisch von den Deutschen als Bezeichnung für einen skurrilen und seltsamen Geschmack, eine schwüle Formenwelt jenseits von Rationalismus und Aufklärung verwendet (vgl. Niefanger 2012: 11). In der deutschen Literaturwissenschaft erhielt der Begriff eine genauere Definition, als er zur Beschreibung der literarischen Epoche in Deutschland verwendet wurde, nämlich der deutschen Literatur zwischen etwa 1600 und 1720, die sich während und nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) entfaltete (ebd.: 13).

3.1.1 Leitmotive des Barock

Die Barockliteratur zeichnet sich insbesondere durch drei Leitmotive aus, nämlich Vanitas, memento mori und carpe diem, die das Lebensgefühl der Menschen beschreiben und die Angst und Bedrohung vor und durch Krieg thematisieren (vgl. Weber 2019a):

- Das Vanitas-Motiv: Der Begriff Vanitas kommt aus dem Lateinischen und bedeutet ´Nichtigkeit´, ´Eitelkeit´ oder ´Vergänglichkeit´. Das Motiv wird verwendet, um die Vergänglichkeit des Lebens und den unausweichlichen Verfall des Menschen in den Tod zu betonen, was besonders in der Barockdichtung einflussreich war. Nach dem Konzept der Vanitas ist das Leben nur die Vorstufe zum ewigen Tod, das als eine Art Zwischenstation betrachtet wird. Gemeint ist damit nicht nur das Leben des Menschen, sondern auch die völlige Vergänglichkeit von allem, was existiert (vgl. Gebauer 2019). Mit anderen Worten: Das Vanitas-Motiv betont die Bedeutung des Jenseits und die Nichtigkeit des Diesseits, das als ´eitel´ und ´vergänglich´ dargestellt wird.
- Memento mori: Das Motiv memento mori kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: ´bedenke, dass du sterben musst´. Es stellt eine Mahnung an die Menschen dar, dass sie sich an den allgegenwärtigen Tod erinnern müssen. Im Mittelpunkt dieses Motivs steht auch das Thema des Jenseits und der Vergänglichkeit des Diesseits. In der Barockdichtung gibt es zwei Strukturelemente, die in jeder Memento-mori-Dichtung anzutreffen sind: das kurze, vergängliche Leben sowie das Verfallen des Menschen in den Tod und die Ungewissheit der Todesstunde (ebd.), was der Idee des Motivs Carpe diem entgegensteht.
- Carpe diem: Das Motiv bedeutet im Lateinischen ´den Tag nutzen´ bzw. ´den Tag genießen´. Es soll dazu ermutigen, den Tag bewusst zu genießen, bzw. das vergängliche Leben zu nutzen. Im Gegensatz zu den anderen genannten barocken Motiven liegt der Fokus auf dem Diesseits, d.h. man soll die Gegenwart genießen, den Tag bewusst leben und den Gedanken an die eigene Vergänglichkeit nicht zu schwernehmen (vgl. Weber 2019a).

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Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Macht und Herrschaft zwischen der deutschen Barock- und Aufklärungszeit
Untertitel
Eine Gedichtanalyse von Andreas Gryphius und Barthold Heinrich Brockes
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1.3
Autor
Jahr
2020
Seiten
24
Katalognummer
V1129217
ISBN (eBook)
9783346495617
ISBN (Buch)
9783346495624
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aufklärung, Barock, Macht, Herrschaft, Brockes, Gryphius, Gedichtsanalyse
Arbeit zitieren
Nahed Ben Achour (Autor:in), 2020, Macht und Herrschaft zwischen der deutschen Barock- und Aufklärungszeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1129217

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