Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
1 ALLGEMEINES
1.1 Greta Thunberg
1.2 Kontext
1.3 Fakten zur Rede
2 REDEANALYSE
2.1 Inventio
2.1.1 Topoi
2.1.1.1 Topos der Folgen
2.1.1.2 Topos des Beispiels
2.1.1.3 Topos der Autorität
2.1.1.4 Topos des Vergleiches
2.1.2 Plausibilität
2.2 Dispositio
2.2.1 Einleitung
2.2.2 Problemdarstellung
2.2.3 Argumentation
2.2.4 Schluss
2.3 Elocutio
2.3.1 Ornatus
2.3.1.1 Wiederholungsfiguren
2.3.1.2 Auslassungsfiguren
2.3.1.3 Umstellungsfiguren
2.3.1.4 Ersetzungsfiguren
2.3.1.5 Textfiguren
2.3.2 Stil
2.4 Actio
3 FAZIT UND KRITISCHE PERSPEKTIVE
LITERATURVERZEICHNIS
Einleitung
In der vorliegenden Analyse der Rede von Greta Thunberg vor dem europäischen Parlament in Stockholm, die am 16. April 2019 präsentiert wurde, soll die Wirkung jenes Vortrages auf das Publikum sowie die Faktoren, welche die Rede zu einer gelungen machen, genauer beleuchtet werden.
Vorerst werden die allgemeinen Fakten dargelegt. Hierbei wird einerseits die Person Greta Thunberg vorgestellt und auf ihre Aktivitäten referiert, andererseits soll aber ebenfalls eine Kontextualisierung stattfinden. Der Anlass für die Rede wird folglich geschildert sowie auf die wichtigsten Eckdaten des Vortrages eingegangen wird.
Im Teil der Redeanalyse wird zunächst auf die verwendeten Topoi und deren Plausibilität Bezug genommen. Daraufhin folgt eine Analyse der Dispositio, also der Einteilung und Gliederung der Rede. Im Bereich der Elocutio werden die verwendeten Stilmittel sowie deren Wirkungen auf die Zuhörerschaft, aber auch der eingesetzte sprachliche Stil bewertet. Abschließend folgt eine Untersuchung der Vortragsweise Thunbergs, wobei der Fokus hierbei auf der Mimik und der Intonation liegen soll.
Im schließenden Teil der Redeanalyse wird eine kritische Perspektive geboten und ein Fazit, welches auf die Wirksamkeit und Beurteilung der Rede Thunbergs vom 16. April 2019 eingeht, vollzogen.
1 Allgemeines
In den folgenden Unterkapiteln wird die Persönlichkeit Greta Thunberg prägnant vorgestellt und ihre Kernpositionen erläutert.
Ebenfalls soll eine Kontextualisierung geschehen; die Ziele Thunbergs dementsprechend knapp präsentiert werden.
1.1 Greta Thunberg
Die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg wurde im Jahr 2003 in Stockholm geboren und gehört mit ihren 18 Jahren somit zu einer der jüngsten Redner*innen des 21. Jahrhunderts. Jene Tatsache wird oftmals als Kritikpunkt gegen Thunberg verwendet. Auch die bei Thunberg diagnostizierte Krankheit Asperger-Syndrom wird des Öfteren gegen die Rednerin eingesetzt (vgl. Antje 2020, 150f.).
Die Kernposition Thunbergs ist, dass der aktive Klimaschutz sowohl von der Politik sowie von der Gesellschaft weitläufig ignoriert wird, was in der Folge zu massiven und unaufhaltbaren Auswirkungen des Klimawandels führen wird (vgl. Camerini 2019, 41).
Die Aktivitäten Greta Thunbergs begannen im Sommer 2018, als Thunberg das erste Mal vor dem schwedischen Reichstagsgebäude in Stockholm für eine neue und aktivere Klimapolitik plädierte und drei Wochen lang die Schulpflicht verweigerte. Doch schon in den Jahren davor setzte sich die Klimaschützerin häufig für einen rücksichtsvolleren Umgang mit der Umwelt und dem Planeten Erde ein (vgl. ebd., 41f).
Internationale Bekanntheit erlangte Thunberg einerseits durch zahlreiche wirkungsvolle Reden und andererseits durch die Aktion ,Fridays for Future‘, wobei es sich hierbei um Massenstreiks und Demonstrationen von Schülerinnen handelt, welche jeweils freitags durchgeführt werden. Die Teilnehmerinnen gehen an jenen Freitagen also nicht wie gewohnt in die Schule, sondern treffen sich zu Versammlungen, bei welchen für eine Verbesserung des Klimas gefordert wird (vgl. ebd., 8ff). Jene Streiks umfassten im Jahr 2019 163 Länder und mehr als vier Millionen Menschen, welche an diesen Protesten teilnahmen (vgl. Antje 2020, 150).
Thunberg kann folglich nachgesagt werden, dass sie vor allem auf die jüngere Generation eine immense Wirkung hat. Dennoch sieht sich die Rednerin selbst nicht als Anführerin der Jugendlichen, sondern vielmehr als „Sprachrohr der Wissenschaft“ (ebd., 152).
In den Medien wird Thunberg meist als Heldin oder Ikone dargestellt. Dennoch erfährt die Klimaaktivistin auch einige harsche Kritik, da ihr von gegnerischen Positionen oftmals ihr junges Alter sowie ihre kämpferische und radikale Herangehensweise vorgeworfen wird (vgl. ebd., 153).
Greta Thunberg hält regelmäßig Reden bei internationalen Konferenzen, wie beispielsweise der UN-Klimakonferenz sowie bei Klimagipfeln, oder in Talkshows. Ihre Sprache wird hierbei meist als „[...] wütend, kämpferisch, idealistisch, beharrlich und emotional [...]“ (ebd., 154) beschrieben.
1.2 Kontext
Die Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg setzt sich bewusst für den Schutz der Umwelt ein. Grund hierfür ist der immer näher rückende Klimawandel, bei welchem sich der Planet Erde immer mehr erwärmen wird. Ab einer Erwärmung von zwei Grad kommt es zu unaufhaltsamen Naturkatastrophen, welche die Welt für immer verändern und zerstören werden. Hierunter fallen das Aussterben von etlichen Tierarten, die Ausrottung von Wäldern sowie Umweltzerstörungen wie Überflutungen und Dürren. Doch auch die Knappheit von Wasser und Lebensmitteln fällt unter die Auswirkungen des Klimawandels (vgl. Fopp 2021, 12).
Um dies zu verhindern, wurde im Jahr 2015 das Pariser Klimaabkommen beschlossen, wobei hier als Ziel festgelegt wurde, dass die globale Erwärmung in den kommenden Jahren auf deutlich unter zwei Grad gesenkt werden sollte (vgl. ebd., 17).
Thunberg möchte mit ihren Aktivitäten und Reden die Aufmerksamkeit auf das Versagen der Politikerinnen in Bezug auf das Pariser Klimaabkommen lenken. Denn gerade in der Politik wird laut der Klimaschutzaktivistin des Öfteren ein verzerrtes Bild des Zustandes der Erde transportiert, was in der Folge zu einer geringeren Rücksichtnahme der Bevölkerung führt. Etliche der teilnehmenden Länder haben laut der Klimaschutzaktivistin so bisher keine der beschlossenen Maßnahmen des Abkommens in die Tat umgesetzt und vernachlässigen somit eines der signifikantesten Themen des 21. Jahrhunderts. Der Ausdruck I want you to panic, welcher als Markenzeichen von Thunberg gewertet wird und zu einer ihrer legendärsten Aussagen wurde, soll ebene jene Problematik unterstreichen (vgl. Morgan 2019).
Das Ziel Thunbergs ist es folglich, den Wandel des Klimas als bestehende Krise zu erkennen und ihn dementsprechend zu behandeln, sprich die Bevölkerung ausreichend über das Ausmaß der Katastrophe zu informieren. Des Weiteren soll eine so genannte ,Null-Emission‘ von Treibhausgasen bis zum Jahr 2025 durch die Politik hervorgeführt werden, beziehungsweise mehr als die Hälfte der momentanen Emissionen reduziert werden, um dem kurz bevorstehenden Klimawandel zu entgehen (vgl. Fopp 2021, 62ff.).
1.3 Fakten zur Rede
Die vorliegende Rede wurde am 16. April im Jahr 2019, wenige Tage vor der bevorstehenden Europawahl, in Straßburg vor dem Umweltausschuss des Europaparlaments von Greta Thunberg vorgetragen und dauerte circa zehn Minuten (vgl. Rankin 2019). Das Publikum, welches der Rede folgte, bestand aus den Abgeordneten des Europa-Parlaments sowie aus mehreren Millionen Zuschauerinnen, welche die Rede weltweit über Youtube, beziehungsweise über Fernsehprogramme streamen konnten (vgl. Pyczak 2019).
Das Hauptthema der Rede kann als Appell an verschiedene Politikerinnen verstanden werden. So wiederholt Thunberg ihre bis dato bereits oftmals ausgesprochene Forderungen an die Politik, sich der Klimakrise zu stellen und durch ein schnelles und aktives Handeln den bevorstehenden Klimawandel zu verhindern. Ebenfalls zeigt sie anhand von demonstrativen Beispielen und drohenden Folgen die Wichtigkeit des Klimaschutzes auf (vgl. ebd.).
Des Weiteren spricht sich Thunberg in ihrer Rede aber auch für die Berücksichtigung der jüngeren Generation sowie deren Forderungen bei der Europawahl aus, wobei es sich hierbei um das Nebenthema der Rede handelt (vgl. Morgan 2019). So plädiert Greta Thunberg dafür, bei der Stimmabgabe für die Wahl den Klimaschutz im Hinterkopf zu behalten. Sie erinnert wahlberechtige Personen demnach daran, sich für die noch nicht wählende Generation einzusetzen, da eben jene massiv unter den Folgen des Klimawandels leiden wird (vgl. Ayoub 2019).
Somit kann festgehalten werden, dass Thunberg mit ihrer Rede vor dem Europaparlament in Straßburg einerseits einen erneuten Aufruf für die bedeutende Handlungsdringlichkeit ausübt, andererseits aber auch einen Appell direkt an die Wählerinnen richtet. Sie richtet sich demgemäß sowohl an einflussreiche Politikerinnen, aber auch an einzelne Bürgerinnen.
2 Redeanalyse
Der vorliegende Teil und die nachfolgenden Kapitel beschäftigen sich mit der Rede Thunbergs selbst. So soll der Inhalt, die verwendeten Argumente sowie deren Findung genaues- tens untersucht werden. Ebenso wird auf die Anordnung des Stoffes und die eingesetzten Stilmittel sowie die verwendete Sprache Bezug genommen. Auch die Vortragsweise Thunbergs wird behandelt.
Als Grundlage für diesen Teil sollen die in die Rhetorik einführenden Werke der Autoren1 Steinbrink, Kopperschmidt und Geißner genannt werden, auf welche mehrmals Bezug genommen wird.
2.1 Inventio
Unter dem Bereich des Inventio definiert Steinbrink das Finden des Stoffes, beziehungsweise das Auffinden von geeigneten Argumenten, welche die eigentliche These der vortragenden Person untermauern und bekräftigen sollen. Dies kann mittels des Einsatzes von sogenannten Topoi geschehen (vgl. Steinbrink 2011, 214f.).
In den nachkommenden Kapiteln sollen die angebrachten Argumente, welche in der Rede von Greta Thunberg verwendet werden, genauer untersucht werden. Hierbei erfolgt zunächst eine Untersuchung der verwendeten Topoi, woraufhin die Plausibilität jener Argumente näher beurteilt werden soll.
2.1.1 Topoi
Laut Kopperschmidt können Topoi für das gezielte Suchen von passenden Argumenten für, beziehungsweise gegen einen Standpunkt verwendet werden (vgl. Kopperschmidt 1976, 141). Ebenfalls dienen Topoi aber auch als Beweisformeln, die gewisse Aussagen belegen und bestätigen sollen (vgl. Steinbrink 2011, 240).
Thunberg verwendet ihre eingesetzten Topoi primär als Beweisformeln; sie will hiermit folglich Argumente anbringen, welche die Zuhörerschaft von den Gefahren des Klimawandels überzeugen und im Resultat zu dem benötigten Umdenken führen sollen.
Nach Aristoteles gibt es drei rhetorische Mittel, welche in einer gelungenen Rede eingesetzt werden müssen (vgl. Braet 1992, 309). Diese umfassen den Logos, Pathos und Ethos, wobei die letzteren zwei Mittel in den nachfolgenden Abschnitten der Redeanalyse noch genauer beschrieben werden sollen2.
Den Logos definiert Braet als einen logischen Beweis, beziehungswiese als Argument, welches in der Rede selbst von sich heraus besteht (vgl. ebd., 309f). Das Ziel eines Logos, beziehungsweise eines Arguments ist es, die Wahrheit durch gewisse Beweise vorzustellen und damit Gegner*innen zu überzeugen (vgl. Damer 2009, 13). Folglich können die von Thunberg eingesetzten Topoi unter das aristotelische Mittel des Logos gestellt werden.
2.1.1.1 Topos der Folgen
Vorerst verwendet Thunberg den Topos der Folgen, welcher die Auswirkungen, die der Wandel des Klimas verursacht, genauer darlegen soll. Thunberg verweist hier auf die Tatsache, dass im Jahr 2030 eine „[...] irreversible chain reaction beyond human control, that will [...] lead to the end of our civilization [...]” (Thunberg, 2019) stattfinden wird. Hierbei handelt es sich um ein kausales Schema mit pragmatischen Argumenten, da Thunberg von den negativen Folgen des Klimawandels auf die negative Bewertung dessen schließt (vgl. Kol- mer 2002, 182f.). Auffällig lässt sich die Tatsache bewerten, dass Thunberg lediglich negative Punkte anbringt, nicht jedoch auf die Vorteile, welche durch das Retten des Klimas geschehen würden, Bezug nimmt. Laut Pyczak weicht dies von der Norm ab, in der vor allem positive Bilder durch eine Rede transportiert werden sollen, um somit das Publikum in einen guten Gemütszustand zu versetzten (vgl. Pyczak 2019).
2.1.1.2 Topos des Beispiels
Als weitere Beweisformel bezieht sich die Klimaaktivistin auf alltägliche Beispiele, die durch Klimakatastrophen bestehen. Jene Beispiele setzt Thunberg bewusst ein, denn nach Steinbrink können durch den Einsatz von gängigen und verständlichen Beispielen unbekannte oder komplexe Sachverhalte vereinfacht sowie erklärt werden (vgl. Steinbrink 2011, 268). Geißner ergänzt, dass ebenfalls die Anschaulichkeit durch demonstrative Beispiele gefördert wird (vgl. Geißner 1974, 40). Bei den Topoi des Beispiels nennt Greta Thunberg einerseits die Abholzung der Wälder, andererseits giftige Luftverschmutzungen sowie die
Übersäuerung von Ozeanen. Auch auf das Aussterben von Insekten und Kleintieren geht Thunberg näher ein, wobei sie hier erläutert, „[...[ the extinction rate is [...] faster than what is considered normal, with up to 299 species becoming extinct every single day“ (Thunberg 2019).
2.1.1.3 Topos der Autorität
In der Rede von Thunberg lässt sich darüber hinaus auch ein Topos der Autorität finden, wobei es sich hierbei um ein deskriptives Autoritätsschema handelt. Das Bestehen der verwiesenen Autorität wird also als Beweis für das Argument verwendet (vgl. Kolmer 2002, 202). Thunberg bezieht sich in der Rede zum einen auf das ,IPCC‘, eine Organisation, welche gesicherte, wissenschaftliche Fakten verschiedenster Nationen rund um das Klima sammelt und diese geordnet publiziert. Außerdem verweist die Klimaschützerin auf die Wissenschaft an sich sowie auf wissenschaftliche Beiträge, die unbestreitbar sind (vgl. Drewes 2019). Dies geschieht durch den effektvollen Ausdruck „[...] you can not ignore the scientists. Or the science“ (Thunberg 2019).
2.1.1.4 Topos des Vergleiches
Die Beweisformel der Analogie kann in der Rede von Thunberg sehr häufig ausgemacht werden, so kommen unterschiedliche Vergleiche zwischen Sachverhalten in einigen Teilen der Rede vor. Dies fällt nach Steinbrink unter einen Topos des Vergleichs, bei welchem sich die Beweise aus einer Nähe zwischen zwei - meist ähnlichen - Sachverhalten herleiten (vgl. Kolmer 2002, 190f.).
Thunberg zieht zunächst eine Analogie zwischen einem brennenden Haus und der Welt: „ [.] when your house is on fire and you want to keep your house from burning [...], then that does require [...] panic“ (Thunberg 2019). Sie verweist hier auf die Tatsache, dass ein Brand nur schwer aufzuhalten ist und somit eine gewisse Panik von Nöten ist, um drastische Nachwehen zu verhindern. Denn nur durch ein schnelles und aktives Handeln kann das Feuer gelöscht werden, beziehungsweise eine Schadensbegrenzung erfolgen. Greta Thunberg zeichnet also ein auffällig dramatisches Bild der Zukunft, in welcher die Welt unaufhaltsam in Flammen stehen wird (vgl. Camerini 2019, 92). Dieser Vergleich zwischen einem brennenden Haus und der Klimasituation erfolgt im Laufe der Rede mehrere Male.
Des Weiteren stellt Thunberg einen Vergleich zwischen dem Brand der französischen Kirche ,Notre Dame‘ und der Umwelt her. Dies legt sie wie folgt dar: „[...] the Notre Dame will be rebuilt. I hope its foundations are strong. I hope our foundations are even stronger” (Thunberg 2019). Die Klimaaktivistin möchte hiermit aufzeigen, dass das Feuer der Kirche zu einem massiven medialen Trubel führte, wobei ,Notre Dame‘ deutlich leichter wiederhergestellt werden kann, als die durch den Klimawandel zerstörte Natur (vgl. Morgan 2019). Ebenfalls soll durch diese Analogie gezeigt werden, dass benötigtes Geld und Ressourcen äußerst schnell hergestellt werden können, wenn eine gewisse Dringlichkeit besteht, wobei dies im Falle der Rettung des Klimas nicht der Fall ist. Thunberg möchte mit jenem Vergleich demzufolge die Ironie der Situation bezeichnen (vgl. Ellsmoor 2019). Die Analogie zwischen ,Notre Dame‘ und dem Klima, stellt die Klimaaktivistin mehrere Minuten später erneut in dem Appell „[...] it will take cathedral thinking“ (Thunberg 2019) her.
Letztlich folgt eine Gegenüberstellung zwischen einer Sandburg und der Zivilisation, wobei Thunberg hiermit auf die Kurzlebigkeit der beiden Sachverhalte Bezug nimmt. Durch den Vergleich „Our civilization is so fragile, it is almost like a castle built in the sand“ (ebd.) wird klar gemacht, dass binnen Sekunden mühsam Errichtetes zerstört und verändert werden kann. Greta Thunberg demonstriert hierdurch, dass die Arbeit von mehreren Jahrhunderten durch die Rücksichtslosigkeit der Politikerinnen und der Gesellschaft mit einem Schlag vernichtet wird. Auch jene Metapher findet sich des Öfteren in der Rede Thunbergs wieder (vgl. Pyczak 2019).
2.1.2 Plausibilität
Damer erläutert, dass rhetorische Argumente bestimmte Kriterien erfüllen müssen, um überzeugend auf das Publikum zu wirken. Hierunter fallen beispielsweise eine klare und schlüssige Struktur der Argumente sowie der Einsatz von Sachverhalten, die mit der Thematik der Rede in Bezug stehen und die Kritik an dem Standpunkt widerlegen können (vgl. Damer 2009, 30).
Die in der vorliegenden Rede eingesetzten Topoi des Vergleiches erfüllen jene genannten Kriterien, da sie als treffend und passend gewählt beschrieben werden können. Die jeweiligen verglichenen Situationen stehen in einer entsprechenden Relation und bekräftigen in der Folge die dringende Handlungsnotwendigkeit. Außerdem vollziehen die gewählten Analogien eine eindringliche Wirkung (vgl. Drewes 2019).
Die verwendeten Topoi der Folgen und der Beispiele erfüllen ebenso die von Damer geforderten Kriterien. Denn auch diese Argumente sind klar aufgebaut und stehen mit der Klimasituation in einem unmittelbaren Verhältnis.
Auch die gewählten Autoritäten, auf denen etliche Argumente Thunbergs beruhen, können als verlässlich gewertet werden, da Thunberg sich auf Personen beruft, die mit dem Klimawandel und dessen Folgen in einer engen Beziehung stehen. So zitiert sie des Öfteren die Organisation ,IPCC sowie sie sich auf die Wissenschaft an sich stützt (vgl. Morgan 2019).
Die verwendeten Topoi in der Rede Thunbergs können zusammenfassend also allesamt als schlüssig und insgesamt als plausibel bewertet werden.
2.2 Dispositio
Unter der Dispositio kann die Anordnung der Rede definiert werden. Die gefundenen Argumente sollen hierdurch in eine gewisse Reihenfolge gebracht werden, welche folglich die Zuhörerschaft für sich gewinnen soll (vgl. Steinbrink 2011, 215).
In den nachfolgenden Unterkapiteln soll der Aufbau der Rede Thunbergs genauer analysiert werden, wobei hier auf die verschiedenen Teile und deren Effekte näher eingegangen wird.
2.2.1 Einleitung
Greta Thunberg steigt mit einem Ethos in die Rede ein; sie stellt die eigene Person dem Publikum mit den Worten „My name is Greta Thunberg. I am 16 years old“ (Thunberg 2019) prägnant vor und erzielt somit das Wohlwollen der Zuhörer*innen. Nach Geißner ist das Erreichen der Gunst der zuhörenden Personen eine der drei Grundanforderungen an die Einleitung, die in der Antike an die Rhetorik festgelegt wurden. Die weiteren Ansprüche an den Einstieg in die Thematik umfassen das Erreichen der Aufmerksamkeit und der Aufgeschlossenheit gegenüber der behandelten Thematik (vgl. Geißner 1974, 33).
Der Einstieg Thunbergs fällt unter den Punkt des Ethos, eines der drei aristotelischen Mittel, bei welchem laut Braet der Einsatz der Persönlichkeit der präsentierenden Person verstanden wird. Je mehr also der eigene Charakter des sprechenden Individuums in der Rede repräsentiert wird, desto glaubwürdiger erscheint das Gesagte in der Folge (vgl. Braet 1992, 311). Nach der Vorstellung der eigenen Person erfolgt in der behandelten Rede ein direkter Einstieg in die Materie: der Ausdruck „I want you to panic“ (Thunberg 2019), welcher in der Rede des Öfteren wiederholt wird, erweckt die Aufmerksamkeit des Publikums und zeigt die Wichtigkeit der Thematik der Rede auf (vgl. Pyczak 2019). Somit erzielt Greta Thunberg eine gewisse Spannung, welche laut Geißner notwendig ist, um eine „[...] Denkgemeinschaft zwischen Redner und Zuhörern [...]“ (Geißner 1974, 33) zu errichten. Steinbrink ergänzt hierzu, dass eine direkte Einleitung, welche auch als Principium bezeichnet werden kann, ebenfalls die Zuneigung des Publikums erzielt (vgl. Steinbrink 2011, 260). Der Appell Thunbergs, in Panik zu geraten, soll darüber hinaus auf die ihr entgegengebrachte Kritik, dass Angst zu keinen positiven Auswirkungen führt, Bezug nehmen. Sie erläutert hierzu, dass in bestimmten Situationen nur durch Panik eine Schadensbegrenzung erfolgen kann; ein bestimmtes Level an Furcht im Falle der Klimapolitik demnach unabdingbar ist.
Ebenso baut Thunberg in der Einleitung einen tua res agitur ein, welcher die Handlungsnotwendigkeit und die Betroffenheit aller Personen veranschaulichen soll und somit die von Geißner geforderte Aufmerksamkeit des Publikums erlangt (vgl. Pyczak 2019). Nach Steinbrink wird durch einen Einsatz des tua res agitur dargelegt, dass es sich bei dem Inhalt der Rede um die Interessen und Bedürfnisse der Zuhörenden handelt (vgl. Steinbrink 2011, 260). Jene Wirkung erzielt sie durch die bereits erwähnte Analogie eines brennenden Hauses mit der jetzigen Klimasituation, welche sie durch die Aussage „I want you to act as if your house was on fire“ (Thunberg 2019) zum Ausdruck bringt.
Darüber hinaus kann erwähnt werden, dass die Einleitung der behandelten Rede durch ihre Kürze glänzt und überzeugt. Denn durch die sogenannte Brevitas wird überflüssiger Wortballast vermieden und daher das Wichtigste rasch zum Ausdruck gebracht. Der Zuhörerschaft fällt es in der Folge leichter, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich den Inhalt der Rede zu merken (vgl. Steinbrink 2011, 285).
2.2.2 Problemdarstellung
In jenem Teil der Rede, dem Narratio, soll das grundlegende Problem und die daraus resultierende Zielsetzung der Rede definiert werden (vgl. ebd., 264).
Thunberg schildert in diesem Abschnitt ihrer Rede die Folgen des Klimawandels, wobei sich hier ein klarer und strukturierter Aufbau nachweisen lässt.
So beschreibt Thunberg zunächst die Aussgangssituation, die sie in der Berechnung „Around the year 2030, 10 years, 259 days and 10 hours away from now [...] we will [...] set off an irreversible chain reaction [.] that will [.] lead to the end of civilization [...]“ (Thunberg 2019) genauestens aufschlüsselt. Sie erwähnt darüber hinaus, dass es sich bei jener Rechnung lediglich um Schätzungen handelt; auch hier zeichnet Thunberg also kein hoffnungsvolles Bild der Zukunft, sondern will die Zuversicht, dass die Zeit ausreicht, um die Erde zu retten, vielmehr zerstören. Die Klimaaktivistin zeigt folglich die bestehende Ungewissheit auf, wobei sie trotzdem erklärt, dass diese Berechnungen keine „[...] opinions or wild guesses [...]“ (ebd.) sind.
[...]
1 vgl. Literaturverzeichnis
2 vgl. die Kapitel 2.2.1 und 2.2.3