Relevanztheorie und die Gesagt/Implikatiert Unterscheidung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

12 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entschlüsselung/Folgerung Explikatur/Implikatur

3. Pragmatische Aspekte von Explikaturen

4. Konversationelle Implikaturen

5. Explikatur oder generalisierte konversationelle Implikatur?

6. Skalare Folgerungen

7. Semantik, was gesagt ist und Explikatur

8. Fazit

Literatur

1. Einleitung

Die Relevanztheorie (RT) leitet sich aus dem Kooperationsprinzip und den Konversationsmaximen von Grice ab.

(1) Kooperationsprinzip (Grice, 1975): Die Beteiligten gestalten ihre Äußerung so, wie es zum Erreichen des Zwecks des Kommunikationsaktes erforderlich ist.

Demnach muss ein Sprecher darauf vertrauen können, dass sein Zuhörer die richtigen Schlussfolgerungen aus seiner Äußerung zieht. Durch die Maxime der Quantität (Sei so informativ wie nötig und möglich!), Qualität (Sage nichts Falsches!), Relevanz (Sei relevant!) und Modalität (Sei klar!) wird dies möglich. Sperber und Wilson haben Grice’ Theorie weiterentwickelt. Sie nehmen an, dass von den vier Konversationsmaximen nur die Maxime der Relevanz nötig sei, damit Sprecher und Hörer ihr gemeinsames Ziel in der Kommunikation erreichen. Ihr Relevanzprinzip besagt, dass sich jeder Akt der ostensiven Kommunikation mit der Annahme der eigenen optimalen Relevanz vollzieht. Anders als bei Grice werden Äußerungen nicht als Kode, sondern als ostensiver Stimulus gesehen, der beim Hörer einen pragmatischen Folgerungsprozess auslöst, der durch die Erwartung an die optimale Relevanz gesteuert wird. Die unterschiedlichen Annahmen von Grice und Sperber und Wilson führen auch zu unterschiedlichen Ansichten in Bezug auf den kommunikativen Gehalt von Äußerungen und auf das, was gesagt oder gemeint ist. In den folgenden Abschnitten werde ich in Anlehnung an den Text Relevance Theory and the Saying/Implicating Distinction von Robyn Carston auf diese Unterschiede näher eingehen.

2. Entschlüsselung/Folgerung Explikatur/Implikatur

Für die RT sind zwei Unterscheidungen wichtig. Zum einen der Unterschied zwischen der linguistisch entschlüsselten und der pragmatisch gefolgerten Bedeutung, der als Semantik/Pragmatik-Unterscheidung betrachtet werden kann. Die semantische Repräsentation dient als Input für den pragmatischen Prozessor, der durch ostensive Stimuli ausgelöst wird. Der linguistische Prozessor nutzt einen Kode in Form einer natürlichen Sprache, der pragmatische tut dies nicht. Die zweite Unterscheidung ist die zwischen Explikatur und Implikatur, welche nach Sperber und Wilson (1986) folgendermaßen definiert sind.

(2) Explikatur: Eine Annahme, die durch eine Äußerung U vermittelt wird, ist explizit (eine Explikatur), wenn und nur wenn sie eine Entwicklung einer logischen Form ist, die von der Äußerung U verschlüsselt ist.

(3) Implikatur: Eine Annahme, die durch eine Äußerung U vermittelt wird und die nicht explizit ist, ist implizit (eine Implikatur).

(4) X: How is Mary feeling after her first year at the university? Y: She didn’t get enough units and can’t continue.

a. Mary did not pass enough university course units to qualify for admission to second-year study and, as a result, Mary cannot continue with university.

b. Mary is not feeling very happy. (Carston 2006:635)

Gemäß den gegebenen Definitionen ist (4a) eine Explikatur und (4b) eine Implikatur von Ys Aussage. (4a) ist die entschlüsselte logische Form von Ys Äußerung, es wird als Vorlage für die Entwicklung einer propositionalen Form genommen. (4b) ist eine unabhängige Annahme und folgt aus (4a). Die Explikatur ist spezifischer und elaborierter als die verschlüsselte Bedeutung, die je nach Kontext auf unterschiedliche Weisen interpretiert werden kann. Im Kontext von (4) wurde dem Pronomen she der Referent Mary zugeteilt, get und units wurden näher spezifiziert und aus dem and wurde eine Cause-Konsequenz (as a result). Dies sind Ergebnisse von pragmatischen Prozessen, die durch die Relevanz dominiert werden und kontextabhängig sind. Der konzeptuelle Inhalt einer Implikatur entsteht aus einer pragmatischen Folgerung, der konzeptuelle Inhalt einer Explikatur ist eine Verschmelzung der entschlüsselten linguistischen und der pragmatisch gefolgerten Bedeutung. In der RT und in Bezug auf pragmatische Folgerungen ist ein linguistisch verschlüsseltes Element nicht immer so explizit wie möglich. Der pragmatische Prozessor sollte immer so mühelos wie möglich die intendierte Bedeutung des Sprechers erkennen können. Die Unterdeterminiertheit der linguistisch verschlüsselten Bedeutung in Bezug auf die Proposition, die explizit ausgedrückt wird, bringt einen Unterschied zwischen der RT und Grice´ Konzept von dem, was gesagt ist, mit sich.

Die verschlüsselte Bedeutung in linguistischen Ausdrücken liegt kurz unter dem, was gesagt ist, der Inhalt von Explikaturen geht etwas über das, was gesagt ist hinaus. ‚Was gesagt ist’ fällt also genau dazwischen. Ob so ein Zwischenlevel nötig ist, wird später diskutiert.

3. Pragmatische Aspekte von Explikaturen

Es gibt vier pragmatische Aspekte von Explikaturen (Disambiguierung, Sättigung, frei Anreicherung und die ad-hoc-Konzept Konstruktion). Disambiguierung und Sättigung spielen eine entscheidende Rolle in der Bestimmung des expliziten Inhalts einer Äußerung. Um festzustellen, was z.B. durch eine Redewendung wie Er hat Ecken und Kanten gesagt ist, muss nach Grice der Sinn (wörtlich oder idiomatisch) der Äußerung gewählt werden (Disambiguierung) und der Referent von er identifiziert werden (Sättigung). Im Falle der Disambiguierung werden die verschiedenen Kandidaten durch das linguistische System geliefert, bei der Sättigung nicht. Das linguistische Element/Pronomen zeigt an, dass eine Position in der logischen Form gesättigt werden muss. Sättigung ist aber mehr als Referenzzuweisung. In den folgenden Beispielen ist sie nötig, damit es eine propositionale Form und somit einen expliziten Inhalt gibt.

(5) Paracetamol is better. [than what?]
It’s the same. [as what?]
He is too young. [for what?]
(Carston 2006:637)

Um den expliziten Inhalt einer Äußerung abzuleiten, ist Sättigung notwendig. Darüber, ob bei diesem Prozess auch die Konversationsmaximen eine Rolle spielen, herrscht Uneinigkeit. Grice meint nicht, da die Maxime nicht bei der Derivation vom Gesagten, sondern erst bei dessen Bewertung eine Rolle spielen. Sie sind aber für die Derivation von konversationellen Implikaturen verantwortlich. Die Pragmatik scheint zur Proposition einer Äußerung oft explizit etwas beizutragen und in der Explikatur gibt es eine kontextabhängig geforderte Konstituente, obwohl es kein linguistisches Element gibt, was anzeigt, dass solch eine kontextabhängige Konstituente gefordert ist. Die Interpretation der folgenden Sätze beinhaltet oft die Klammern, die aus pragmatischen Gründen geliefert werden.

(6) a. She has a brain. (a high-functionaiting brain) Implikatur: Sie ist ein guter Kandidat für einen akademischen Job.
b. I’ve had a shower. (today) Implikatur: Der Sprecher muss zur Zeit nicht duschen. (Carston 2006:639)

In den meisten Kontexten würden die Propositionen ohne Klammern nicht ausdrücken, was der Sprecher meint. Die Implikaturen hängen von den durch die Klammern angereicherten Propositionen ab. Die angereicherte Proposition ist die Explikatur und dient als Prämisse für die Derivation der Implikatur. Dieser pragmatische Prozess wird als freie Anreicherung bezeichnet, er beinhaltet das Hinzufügen von konzeptuellem Material zur entschlüsselten logischen Form. Anders als die Sättigung ist es ein optionaler Prozess, da es Kontexte gibt, in denen er nicht stattfindet. Pragmatische Komponenten von Explikaturen, die durch die freie Anreicherung abgeleitet wurden, werden von einigen Neo-Gric’schen als konversationelle Implikaturen behandelt. Neben der freien Anreicherung ist es auch möglich, dass ein lexikalisches Konzept in der logischen Form pragmatisch erweitert wird. Ein verschlüsseltes Konzept kann eingeengt oder verstärkt, aber auch aufgelockert und erweitert werden, wie in den folgenden Beispielen.

(7) a. This steak is raw.
b. On Classic FM, we play continous classic.
c. Mary is a bulldozer. (Carston 2006:642)

In der RT wird angenommen, dass während des Verstehens einer Äußerung online Ad-hoc- Konzepte abgeleitet werden, die etwas zur Proposition, die explizit vermittelt wird, beitragen, so dass Äußerungen wie in (7) richtig verstanden werden. Das Steak ist nicht wirklich roh, sondern nur weniger durch als der Sprecher es gerne hätte, auf Classic FM wird nicht ununterbrochen Klassik gespielt, es gibt auch Nachrichten und Werbung, aber wohl e]her keine Popmusik, und Mary ist sicherlich keine Dampfwalze, dieser Ausdruck wird eher metaphorisch genutzt. Zwischen den lexikalisch verschlüsselten Konzepten und denen, die genutzt werden können, um auszudrücken, was gemeint ist, gibt es also keine Eins-zu-eins- Beziehung. Aus der RT-Sicht zur Kommunikation ist dies erwartet. Der pragmatische Prozessor ist im Stande anhand von kontextabhängigen Hinweisen reichhaltige Hypothesen über die Intention des Sprechers zu bilden, so dass dem Hörer ein skelettartiger Teil des linguistischen Ausdrucks genügt, um die Intention des Sprechers zu erfassen. Es bleibt zu klären, ob das, was gesagt ist, der explizit vermittelte Inhalt einer Äußerung und zugleich die Semantik eines Satzes einer natürlichen Sprache sein kann.

[...]

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Details

Titel
Relevanztheorie und die Gesagt/Implikatiert Unterscheidung
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Linguistik)
Veranstaltung
Sprachverarbeitung: Präsupposition, Implikaturen und Polarität
Note
1,3
Jahr
2006
Seiten
12
Katalognummer
V113121
ISBN (eBook)
9783640133260
Dateigröße
381 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
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Schlagworte
Relevanztheorie, Gesagt/Implikatiert, Unterscheidung, Sprachverarbeitung, Präsupposition, Implikaturen, Polarität
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Anonym, 2006, Relevanztheorie und die Gesagt/Implikatiert Unterscheidung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113121

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