Der figürliche Körper auf Social Media und Instagram. Eine (Inhalts-)Analyse der Körperpräsentation von Fitnessinfluencer*innen


Masterarbeit, 2021

140 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einführung – Körperinszenierungen auf Instagram
1.1. Worum geht es? – Begriffsklärung & Problemstellung
1.2. Wozu? – Forschungsfrage & Zielsetzung
1.3. Wie? – Methodik & Vorgehensweise

2. Körper – Repräsentant & Existenz
2.1. Ideale (und) Körperfiguren
2.2. Mit Leib & Körper zum eigenen Ich
2.3. Vergesellschaftete Identitäten als Gerüst der Gesellschaft

3. Gesellschaft – Grenzenlosigkeit & Lebenskunst
3.1. Körperkult in der Optimierungskultur
3.2. Fitness als Anpassungsform der Postmoderne
3.3. Sexualität, Schönheit, Selbstsorge
3.4. Digitale Welten, gesellschaftlicher Wandel

4. Medialer Körperkult – Authentizität & Selbstinszenierung
4.1. Instagram, die visuelle Interaktions-Plattform
4.2. Phänomen Influencer
4.3. Durch die Inszenierung der eigenen Identität zum Instagram-Influencer

5. Vorbereitung – Hypothesenentwicklung & aktueller Forschungsstand
5.1. Aktueller Forschungsstand
5.2. Hypothesen

6. Inhaltsanalyse – Methodendesign & Untersuchungsablauf
6.1. Methodisches Vorgehen
6.2. Untersuchungsgegenstand
6.3. Kodierschemata
6.4. Pretest

7. Ergebnisanalyse – Datenverarbeitung & Interpretation
7.1. Durchführung der Datenanalyse
7.2. Ergebnisdiskussion
7.3. Limitierende Faktoren

8. Fazit & Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang – Übersicht

Abbildungen

Tabellen

Abkürzungsverzeichnis

Abb. – Abbildung

EW – erwartete Anzahl / Häufigkeiten

FK – Kathrin Kunze alias fitness_kaykay

IZI – Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen

JL – Joe Lindner alias joesthetics

Kap. – Kapitel

M – Mittelwert

Mio. – Million

MM – Leon Staege alias moving.monkey

n – Menge

PR – Pamela Reif alias pamela_rf

PStG – Personenstandgesetz

S. – Seite

s. – siehe

SD – Standardabweichung

SG – Benjamin Burkhardt alias smartgains

Tab. – Tabelle

USP – Unique Seeling Point

v. – von

VH – Veronika Haberl alias veronika.haberl

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1

Abbildung 2

Abbildung 3

Abbildung 4

Abbildung 5

Abbildung 6

Abbildung 7

Abbildung 8

Abbildung 9

Abbildung 10

Abbildung 11

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kodierschema 1

Tabelle 2: Kodierschema 2

Tabelle 3: Instagram-Posts

Tabellen zur Prüfung von H1:

Tabelle 4

Tabelle 5

Tabelle 6

Tabelle 7

Tabellen zur Prüfung von H2:

Tabelle 8

Tabelle 9

Tabelle 10

Tabelle 11

Tabelle 12

Tabellen zur Prüfung von H3:

Tabelle 13

Tabelle 14

Tabelle 15

Tabelle 16

Tabellen zur Prüfung von H4:

Tabelle 17

Tabelle 18

Tabelle 19

Tabelle 20

Tabellen zur Prüfung von H5:

Tabelle 21

Tabelle 22

Tabelle 23

Tabelle 24

Tabelle 25

Tabelle 26

Zusammenfassung

Der Körper spielt als Repräsentant der eigenen Identität auf Social Media-Kanälen eine bedeutende Rolle. Hier eignet sich die App Instagram insbesondere durch ihren Fokus auf visuelle Reize zum Transport von Emotionalität: Der permanente Kontakt über die interaktive Plattform schafft eine intensive Beziehung zwischen Influencer und Follower.

Gerade das im Fitnessbereich etablierte Schönheitsideal eines trainierten Körpers ist auf Instagram weit verbreitet und spiegelt die gesellschaftliche Optimierungs­kultur im digitalen Zeitalter wider. In dieser Kultur wird der Mensch als selbst­bestimmtes Individuum begriffen, das eigenverantwortlich die Kontrolle über das eigene Leben – und die Optik sowie Leistungsfähigkeit – übernimmt. Das soziale Netzwerk bietet dabei eine Fläche zur Selbstdarstellung.

Diese Arbeit untersucht in einer Inhaltsanalyse Muster körperlicher Selbst­inszenierung von Fitnessinfluencern auf Instagram. Zentrales Auswertungs­instrument stellt dabei der Kodierleitfaden dar, anhand dessen 72 Beiträge von insgesamt sechs Influencern analysiert werden. Dabei werden unter anderem die Einflussfaktoren Geschlecht und Reichweite untersucht.

Die Ergebnisse zeigen, dass auch in der derzeitigen aufgeklärten, emanzipierten Gesellschaft geschlechtsspezifische Unterschiede in der körperlichen Selbst­darstellung existieren. Das geht aus der unterschiedlichen Inszenierungsweise des Sportbezugs sowie der generellen Außenwirkung der Instagram-Posts von weiblichen und männlichen Influencern hervor: Während sich Frauen verstärkt auf erotische oder aber unschuldige Weise inszenieren, versuchen Männer, ihre sportliche Leistung und Stärke in den Vordergrund zu stellen. Vor allem die populären Influencer fügen sich in derartige ‚geschlechtertypischen‘ Rollenbilder ein. Trotz dieser auffälligen Inszenierungsmuster im Fitnessbereich kristallisiert sich aus der Inhaltsanalyse bei jedem Fitnessinfluencer ein Alleinstellungsmerkmal in dem individuellen Darstellungsstil heraus. Diese Beobachtungen unterstützen die These einer Optimierungsgesellschaft, die sich durch das Streben nach ähnlichen Idealen und der gleichzeitigen Individualisierung auszeichnet.

Die Forschungsergebnisse dieser inhaltsanalytischen Bestandsaufnahme bieten einen Ansatz für weiterführende Untersuchungen, die sich auf soziologische Thematiken wie den Bestand traditioneller Geschlechterrollen in der Selbst­darstellung sowie der Rezipierendenebene im Rahmen der Medienwirkungs­forschung konzentrieren.

Abstract

The human body plays an important role as a representative of one's own identity on social media channels. Due to its focus on visual stimuli the app Instagram is suitable for transporting emotions: The permanent interaction via this social media channel creates a special and intense relationship between influencer and follower.

Especially the beauty ideal of a trained body established in the sports sector is widespread on Instagram and reflects the upgrade culture in the digital age. Within this culture, people are defined as self-determined individuals who take control over their own lives – as well as over their optimal shaping and performance. In this context, social networks such as Instagram provide a stage for self-presentation.

With a content analysis, this paper examines patterns of physical self-staging by fitness influencers on Instagram. A coding guide is designated as central evaluation tool, which is used to analyze 72 posts by a total of six influencers. Primary focus will be on gender and reach as influencing factors.

The results show that even in the emancipated society there are gender-specific differences as to physical self-presentation. This is evident from the different ways in which sports-related content is staged, as well as from the general outward appearance of Instagram posts by female and male influencers: while women rather represent themselves either in an erotic or in an innocent manner, men try to emphasize their athletic performance and strength. The most popular influencers fit in such ‚gender-typical‘ role models. Despite these ‚general‘ staging patterns in the fitness sector, there is an unique selling point in the individual self-staging style of each fitness influencer. These findings support the thesis of an upgrade culture, characterized by both striving for similar ideals and simultaneous individualization.

The investigation results of this content-analysis are bases for further studies that focus on sociological topics such as the existence of traditional gender roles in self-representation as well as the recipient level in the context of media effects research.

1. Einführung – Körperinszenierungen auf Instagram

#fitness #lifestyle #instafit1

Fit statt fett “ (Shape 07/2017), „ Straff & Sexy. In nur 10 Minuten “ (Women´s Health 05/2019), „ Last Minute zur Strandfigur “ (Men´s Health 07/2010), „ Iss dich stark “ (Fit For Fun 10/2017), „ Harte Bauchmuskeln & Top-Arme “ (Men´s Fitness Nr. 5/2012)2 – ‚Fit’ ist das postmoderne3 ‚sexy’! Das propagieren zumindest zahlreiche Medien, von Zeitschriften über Fernsehshows bis hin zu Social Media4 -Plattformen wie Instagram (vgl. Gugutzer, 2015, S. 40 ff.).

1.1. Worum geht es? – Begriffsklärung & Problemstellung

Der menschliche Körper ist nicht nur funktionelles Instrument, sondern auch der Repräsentant eines Menschen (vgl. Gugutzer, 2006, S. 30 f.): Er stellt etwas nach Außen dar und sorgt zum großen Teil für den ersten Eindruck einer Person (vgl. Gugutzer, 2015, S. 108 ff.). Daher besitzt Schönheit, die Pflege und Formung des eigenen Körpers, schon immer eine gesellschaftliche Relevanz (vgl. Posch, 2009, S. 35):

Was einst in Gemälden und Skulpturen als Körperideal abgebildet wurde (vgl. Dutton, 1995, S. 31), übernehmen heutzutage mediale Darstellungen (vgl. Ebd., S. 158 ff., Gugutzer, 2012, S. 208 f.): Anstelle der muskulösen Götterstatuen werden nun die Ablichtungen trainierter Fitnessmodels auf Werbeplakaten, Titelseiten, sozialen Platt­formen oder in Fernsehspots bestaunt (vgl. Posch, 2009, S. 19). Zwar wandelten sich die Vorstellung der ‚idealen‘ weiblichen und männlichen Körperform im Laufe der Jahrhunderte (Bayerischer Rundfunk, 2018, 09:16-09.40) – das kurvige Figur-Idol der Nachkriegszeit Marylin Monroe wurde bspw. in den 1960er Jahren von dem zierlichen Erscheinungsbild á la Twiggy abgelöst, worauf die weibliche, aber schlanke Figur zahlreicher Topmodels wie Heidi Klum oder Cindy Crawford in den Fokus der Aufmerk­samkeit rückte (vgl. Posch, 2009, S. 172 f.) –, doch ein gesellschaftlicher Trend der vermeintlich ‚perfekten‘ Figur war immer vorhanden (vgl. Ebach, 2019, S. 93 f.).

Das Bestreben nach Perfektion liegt im menschlichen Wesen und trägt zur Entwicklung der Menschheit bei (vgl. Freyermuth, 2007, S. 18). Durch die stetige Progression, Innovationen und Erweiterung technischer Möglichkeiten, besteht eine digitalisierte Gesellschaft (vgl. Spreen, 2015, S. 117 f.): Digitale Medien sind mittler­weile insbesondere bei den jüngeren Generationen5 ein Hauptbestandteil des all­täglichen Lebens (vgl. Rabe, 2020a). Der Begriff Social Media 6 beschreibt über digitale Medien publizierte Beiträge jeglicher Art „sowie zugrunde liegende und unter­stützende Dienste und Werkzeuge des Web 2.0“ (Hettler, 2010, S. 14). Web 2.0 beschreibt dabei die hochgradig vernetzte und damit in der Postmoderne stark inter­aktive virtuelle Welt des Internets, des World Wide Web (vgl. Ebd., S. 4 ff.). Social Media verbinden folglich „technologische, inhaltliche und gestalterische Perspektiven zur Erzielung kommunikativer Austauschprozesse in virtuellen Gemeinschaften.“ (Ebd., S. 14) Darunter fallen auch Apps, elektronische Applikationen, die vor allem auf mobilen Endgeräten heruntergeladen werden (vgl. Duden, o.D. a). Die Anwender­programme ermöglichen spezielle Funktionen wie den interaktiven Austausch der Nutzer, organisatorische Funktionen oder Unterhaltungsprogramme (vgl. Ebd.).

Zu den populärsten Apps zählt in Deutschland derzeit Instagram (vgl. Rabe, 2020b). Fotos und Ästhetik stehen hier im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit (vgl. Faßmann & Moss, 2016, S. 36) und prägen demnach auch die optischen Idealvorstellungen der User7 (vgl. Kilian, 2017, S. 64 f.). Vor allem Influencer8 aus dem Sportbereich nehmen häufig eine Vorbildfunktion ein und beeinflussen mit ihren präsentierten Inhalten eine große Community9 (vgl. Ebd.). Ihr Körper bildet dabei ihr Kapital als Aushängeschild ihres dargestellten Fitness-Lifestyles (vgl. Dimitriou & Ring-Dimitriou, 2019, S. 81 ff.).

Die gesellschaftliche Optimierungskultur und die Formung des eigenen Körpers stehen in einem reziproken Verhältnis, welches in der vorliegenden Masterarbeit im Kontext der sozialen Plattform Instagram analysiert wird. Dabei thematisiert sie so­wohl die gesellschaftliche Relevanz von Selbstoptimierung und Digitalisierung im Generellen als auch die spezifische Inszenierungsweise der Körperdarstellung auf Instagram.

1.2. Wozu? – Forschungsfrage & Zielsetzung

Der Körper als Teil der Person stellt, in der Funktion eines instrumentellen Bewegungs­apparats aber auch als individuelles Ausdrucksmittel, einen zentralen Schnittpunkt zwischen Gesellschaft und Individuum dar und ist daher ein un­erlässlicher Bestandteil sämtlicher Kommunikationsprozesse (vgl. Gugutzer, 2006, S. 13). Da im postmodernen Zeitalter vor allem digitalisierten Kommunikationswegen eine hohe Bedeutung zukommt (vgl. Faßmann & Moss, 2016, VII) und Social Media zunehmend zur Kontaktaufnahme, Beziehungspflege und der Inspiration eigener Wertvorstellungen genutzt werden (vgl. Schreiber & Götzenbrucker, 2018, S. 33), beschäftigt sich auch die vorliegende Arbeit mit der digitalen Plattform Instagram. Der Einfluss von Influencern ist aktuell enorm, wie zahlreiche Marketingstrategien belegen (vgl. Kilian, 2016, S.78).

Ziel dieser Arbeit ist daher eine Bestandsaufnahme der Präsentation von Körpern inner­halb des sozialen Netzwerks Instagram. Der Fokus wird dabei auf die Figur, also die Form des Körpers und deren Inszenierung gelegt. Im Fitnessbereich besitzt die körperliche Figur eine besondere Relevanz: In kaum einem anderen Bereich ist der Körper ein so prägnanter Ausdruck des eigenen Lebensstils (vgl. Schreiber, 2019, S. 117 ff.). Die Konzentration der vorliegenden Untersuchung auf den Fitnesssport, impliziert auch die beschränkte Sichtweise auf die in diesem Bereich vorherrschenden Ideale und Werte. Mit dem Fitnessbereich wird hier vorwiegend das Training im Fitness­studio betitelt. Hierzu zählen also jegliche Arten von Kraftsportlern: vom klassischen Bodybuilding, Powerlifting bis hin zum funktionalen Training mit eigenem Körpergewicht, das überwiegend den Kraftausdauerbereich abdeckt.

Um den Rahmen nicht zu sprengen, wird sich die Analyse auf die Inhalte sogenannter Fitnessinfluencer im deutschsprachigen Raum konzentrieren. Zudem wird durch diese örtliche Beschränkung eine bessere Vergleichbarkeit hergestellt, wodurch Zusammen­hänge zwischen der individuellen Inszenierungsweise und Faktoren wie dem Geschlecht oder der Follower-Zahl10 der jeweiligen Influencer untersucht werden können.

Die Arbeit stellt die Inszenierung der körperlichen Figur in den Mittelpunkt der Arbeit. Die Forschungsfrage lautet demnach: Auf welche Art und Weise wird der Körper von Influencern der Fitnessszene auf Instagram präsentiert?

Die Arbeit ist folglich im Bereich der Medieninhaltsforschung anzusiedeln (vgl. Mayring & Fenzl, 2019, S. 544). Theoretische Basis bilden dabei überwiegend (sport-)soziologische Körper- und Gesellschaftskonzepte, die auf die kommunikations­theoretischen Inhalte dieser Arbeit und die aktuelle gesellschaftliche Situation angewandt werden.11 Ziel der Arbeit ist es, einen Eindruck der bestehenden Inszenierungsweise des eigenen Körpers auf Instagram und möglicher korrelierender Einflussfaktoren sowie die Wirkungen bestimmter Präsentationsarten zu liefern. Daher spielen neben den Fitnessinfluencern als Selbstdarstellende auch die Rezipierenden als interagierende Community sowie deren Verhältnis eine tragende Rolle in der Untersuchung. Auch das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Körper wird ein wesentlicher Bestandteil der theoretischen Aufarbeitung, um die Materie des Untersuchungsfelds zu erkunden.

1.3. Wie? – Methodik & Vorgehensweise

Die Bestandsaufnahme der körperlichen Darstellungen auf Instagram wird anhand einer Inhaltsanalyse ausgeführt. Dazu werden vergleichbare Accounts einiger Influencer des Fitnessbereichs in die Stichprobe aufgenommen und eine Auswahl ihrer Fotobeiträge im Feed12 betrachtet. Auf diese Weise können auch Zusammenhänge zwischen der Selbstdarstellung der Fitnessinfluencer und der Reaktion der interaktiven Community analysiert werden.

Um einen umfassenden Überblick des ohnehin selektierten Inhalts zu erlangen, werden sowohl qualitative als auch quantitative Daten erhoben und ausgewertet (vgl. Walf & Nachtwei, 2016, S. 2, S. 17). Die Kategorien werden deduktiv aus den in der Arbeit behandelten Theorien entwickelt und gegebenenfalls induktiv bei der Sichtung des Materials ergänzt (vgl. Ebd., S. 6).13 Ausgehend von der leitenden Zielfrage werden auf Basis der theoretischen Grundlage konkrete Hypothesen entwickelt, die es mittels der Inhaltsanalyse zu prüfen gilt.

Die theoretische Grundlage bilden überwiegend soziologische Konzepte, die auf unsere derzeitige Gesellschaft, das postmoderne Körperverständnis und kommunikations­wissenschaftliche Überlegungen bezogen werden.

Das Fundament bildet die Erörterung des Begriffs Körper. Daher wird nach einer kurzen Einführung in die breite Thematik Ideale (und) Körperfiguren im zweiten Schritt die Dualität des Körpers mithilfe des anthropologischen Ansatzes von Helmuth Plessner sowie des phänomenologischen Körperkonzepts nach Maurice Merleau-Ponty (vgl. Gugutzer, 2002, S. 59) aufgegriffen, um im Anschluss die Identität eines Individuums und dessen gesellschaftliche Einbettung zu erfassen. Dabei kommt Erving Goffmans Interaktionstheorie (vgl. Hettlage, 1999, S. 189) zum Einsatz, die die Funktion des Körpers in der Gesellschaft als Kommunikationsträger verdeutlicht.

Ausgehend von dieser mikrosoziologischen Betrachtungsweise wird im dritten Kapitel die makrosoziologische Ebene in den Fokus gerückt, um die Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Individuum nachzuvollziehen. Dazu wird zunächst die gesellschaftliche Kultur der Postmoderne auf Grundlage des Optimierungsansatzes des Soziologen Dierk Spreen (vgl. Spreen, 2015, S. 106 ff.) erörtert, um diese Überlegungen nachfolgend auf den Fitnesssport zu übertragen und zu erweitern. Auch Pierre Bourdieus Kulturtheorie (vgl. Bohn & Hahn, 1999, S. 257 ff.) wird in die Aus­führungen zu gesellschaftlichen Strukturen und Interaktionen einbezogen. Aufbauend auf die beschriebenen gesellschaftlichen Dispositionen thematisiert Kapitel 3.3. geschlechts­spezifische Unterschiede, die besonders in der digitalen Selbstdarstellung deutlich werden, und schlägt damit die Brücke zum Einfluss postmoderner Technologien auf das gesellschaftliche und demnach individuelle Leben.

Im Anschluss an diese theoretischen Überlegungen kann eine Annäherung an das Untersuchungs­material stattfinden: Die Besonderheiten des sozialen Netzwerks Instagram und das dadurch geprägte Phänomen Influencer werden aus medien­theoretischer Sicht beleuchtet, um die Relevanz der im praktischen Teil analysierten Bildbeiträge zu verdeutlichen. Ausführungen zur Selbstinszenierung auf Instagram leiten über zum Praxisteil der vorliegenden Arbeit, der Inhaltsanalyse. Auf Basis der theoretischen Grundlage werden fünf Hypothesen hergeleitet. Diese gilt es nach­folgend mittels der kombinierten Methodik aus qualitativer und quantitativer Inhalts­analyse zu überprüfen. In Kapitel 7.2 erfolgt eine anschauliche Zusammenfassung der aus der Datenauswertung gewonnenen Ergebnisse. Abschließend wird, nach einer kritischen Reflektion der vorliegenden Untersuchung, ein Fazit gezogen und ein Ausblick auf mögliche weitere Forschung gegeben.

2. Körper – Repräsentant & Existenz

#healthy #happy #workout

Es geht nicht darum, fit zu sein, sondern fit auszusehen “ (Roshani, 2018, S. 5). „ Fitness meint […] letztlich die ganz durchgesetzte Selbstbeherrschung und Selbst­gestaltung des Körpers. […] Derjenige, dem dieser Körper gehört oder diejenige, der dieser Körper gehört, die kümmert sich dauernd darum, dass dieser Körper genau das richtige Maß findet […] “ (Bayerischer Rundfunk, 2018, 08:43-09:11). Doch was bedeutet das ‚richtige Maß’? Wie manifestiert sich Körperkult in der heutigen Gesellschaft?

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit einem essenziellen Teil des Menschseins, dem Körper. Bewegungsapparat, Kommunikationsmittel und Repräsentant – unser Körper erfüllt viele Funktionen: nicht nur als physische Existenz, sondern auch als gesellschaft­liche Präsenz (vgl. Bette, 2005, S. 13 f.).

2.1. Ideale (und) Körperfiguren

Innerhalb von Sekunden urteilt das menschliche Gehirn über die wahrgenommenen Reize – und das völlig unbewusst (vgl. Scheier & Held, 2008, S. 47 f.). So bestimmt oftmals das äußere Erscheinungsbild eines Individuums über dessen ersten Eindruck (vgl. Goffman, 1994, S. 58 ff.). Auch wenn dieser Mechanismus mitunter ober­flächlich erscheinen mag, ist er in der unbewussten Reizverarbeitung des Menschen verankert (vgl. Scheier & Held, 2008, S. 15 f.). Jeder Mensch ist Teil der Gesellschaft und somit selbst ein Kommunikator verschiedenster Sinnesreize (Vgl. Ebd., S. 32 ff.). Dieser netzwerkartige Kommunikationsprozess führt dazu, dass bestimmte Wahrnehmungs­reize in gesellschaftlichen Strukturen mit bestimmten Assoziationen behaftet werden: So sind Muskeln ein Zeichen von (meist männlicher) Stärke (vgl. Posch, 2009, S. 162), ‚weibliche Rundungen’ wie volle Brüste und ausladende Hüften stehen für Fruchtbarkeit (vgl. Daszkowski, 2003, S. 60 f.); auch Kleidung oder die Körperhaltung lassen Rückschlüsse auf das Wesen des Menschen ‚hinter dem Körper’ zu (vgl. Goffman, 1994, S. 78). Ob diese Assoziationen schlussendlich zutreffen, ist zunächst irrelevant; es geht darum, dass die Optik eine hohe Relevanz in unserer Gesellschaft besitzt (vgl. Posch, 2009, S. 19 f.).

Attraktivität als menschliche Anziehungskraft ist ein subjektives Bewertungs­kriterium, doch im Wandel der Zeit kristallisierten sich stets wechselnde typische Schönheitsideale innerhalb einer Gesellschaftskultur heraus (vgl. Daszkowski, 2003, S. 57). Diese wurden insbesondere im letzten Jahrhundert durch mediale Darstellungen, bspw. in Werbung oder auch Unterhaltungsangeboten wie Spielfilmen oder Gemälden beeinflusst (vgl. Ebd., S. 67 f.).

Ideale werden in dieser Arbeit als innerhalb einer Kultur durchschnittliche Vorstellung eines erstrebenswerten Aspekts begriffen (vgl. Dutton, 1995, S. 285; Posch, 2009, S. 170 f.). Dieser Aspekt kann sich auf die Lebensweise, äußerliche oder innerliche Merkmale oder auch (Wert-)Vorstellungen beziehen. Ideale sind nicht allgemein für alle Mitglieder einer Gesellschaftskultur gültig, schließlich entwickelt jedes Individuum seinen eigenen Geschmack und eigene Ansichten (vgl. Bette, 2005, S. 113).14 Doch bei Betrachtung der historischen Chronik zeichnen sich stets Trends einer bestimmten ‚Anforderung’ an weibliche sowie männliche Körperfiguren inner­halb der Gesellschaft ab (vgl. Posch, 2001, S. 86 ff.). „Ideale sind per Definitionem etwas Exklusives, schwer Erreichbares, Überdurchschnittliches, Herausragendes, nicht für jeden Menschen Zugängliches.“ (Ebd., S. 24)

Dementsprechend herrscht in der aktuellen Konsumgesellschaft des 21. Jahrhunderts das Ideal der Jugendlichkeit und der Fitness (vgl. Bette, 2005, S. 118 f.). Einst künstlerisch an Götterskulpturen zur Darstellung der für Menschen unerreichbaren Perfektion eingesetzt (vgl. Dutton, 1995, S. 24), ist das Formen des eigenen Körpers heute sogar eine eigene Sportdisziplin15 (vgl. Ebd., S. 147). Die Ideale gehen mit der Zeit: Waren füllige Form bspw. im 17. Jahrhundert ein Zeichen von Wohlstand, lebt Deutschland16 heutzutage in einer Überflussgesellschaft, in der kalorienreiches Essen in der Regel schnell verfügbar und preiswert ist (vgl. Posch, 2009, S. 102). Je jugend­licher, sportlicher und fitter eine erwachsene Person in dieser Gesellschaft aussieht, desto mehr Bewunderung wird ihr zuteil (vgl. Spreen, 2015, S. 113). Sie ist diszipliniert und sorgt sich um ihre Gesundheit, sie ‚gestaltet’ und ‚formt’ ihren Körper, hat ihre Gelüste nach Fast Food und folglich ihr Leben unter Kontrolle (vgl. Bayerischer Rundfunk, 2018, 07:53-08:42). Dabei ist vor allem die optische Außen­wirkung entscheidend, wie die Psychoanalytikerin Ada Borkenhagen in einem Interview mit dem Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung FLUTER zu bedenken gibt: „Das Entscheidende heute ist nicht, dass man fit ist, sondern fit aussieht.“ (Roshani, 2018, S. 7) Die Gesellschaft spielt eine maßgebliche Rolle bei dem Entstehen von Körperidealen, gleichzeitig prägen Schönheitsideale ihrerseits die Gesellschaft als solche in ihren Strukturen und Vorstellungen (vgl. Posch, 2009, S. 34).

In der vorliegenden Inhaltsanalyse wird vor allem diese Reziprozität und das Streben nach Perfektion thematisiert. Bevor die Inszenierungsweise der eigenen Körperlichkeit eine Rolle spielt, wird sich im folgenden Kapitel anhand verschiedener Körpertheorien mit der Identitätsstiftung durch den eigenen Körper befasst.

2.2. Mit Leib & Körper zum eigenen Ich

Spüren und Handeln, Erfahren und Kommunizieren – der Körper (und damit die gesamte Existenz) jedes Individuums ist zweidimensional (vgl. Plessner, 1975, S. 80 f.): eine Parallelität zwischen dem persönlichen Erleben der eigenen Gefühls­welt, der eigenen Körperlichkeit, einerseits und der aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Dasein in Form von Sozialität andererseits (vgl. Gugutzer, 2006, S. 30). Der Körper bildet den Schnittpunkt zwischen individuellem und sozialem Sein (vgl. Ebd., S. 75).

Nicht zuletzt aufgrund dieses Umstandes rückte der Körper im Laufe des letzten Jahr­hunderts vermehrt in den Fokus transdisziplinärer Forschungskonzepte, insbesondere im Bereich der Soziologie (vgl. Antoni-Komar, 2001, S. 10; Dimitriou & Ring-Dimitriou, 2019, S. 1 f.). Um die wechselseitige Beziehung zwischen Körper und gesell­schaftlichen Konstrukten zu erörtern und digitale Kommunikationswege auch in diesem Kontext zu analysieren, entsteht die Relevanz, sich zunächst dem Körper­begriff anzunähern (vgl. Ebd., S. 16 f.).

Basis vieler weiterführender Forschungsansätze bilden sowohl auf Makro- als auch auf Mikro-Ebene Maurice Merleau-Pontys phänomenologisches Körperkonzept17 sowie die philosophische Anthropologie18 Helmuth Plessners (vgl. Gugutzer, 2006, S. 23), die sich in der Auffassung des dualistischen Körpers ähneln. Der Ausgangs­punkt Merleau-Pontys Wahrnehmungstheorie ist das ‚leibliche Zur-Welt-Sein‘ des Menschen: „Die Existenz des Menschen ist durch das leibliche Verankertsein in der Welt charakterisiert“ (Gugutzer, 2002, S.76). Neben diesem leiblichen, ursprünglichen ‚Körper-Sein‘, in dem der Mensch erst Mensch ‚ist‘, ‚hat‘ er diesen Körper zugleich als Kommunikationsmittel für den Kontakt zur Außenwelt (vgl. Gugutzer, 2017, S. 386 f.). Der Leib, das Körper-Sein, ermöglicht das subjektive Befinden und Erleben; der Körper bzw. das Körper-Haben ist für die Umwelt objektiv wahrnehmbar (vgl. Gugutzer, 2012, S. 48). Plessner begreift den Leib als „organisches Wesen“, während Körper auch anorganische Existenzen einschließt (vgl. Gugutzer, 2002, S. 67). Der leibliche Körper selbst differenziert das Individuum von der Außenwelt, gleichzeitig ist er Teil dieser (vgl. Ebd., S. 62).19

Die dualen Positionen von Körper-Sein und Körper-Haben bestehen stets zeitgleich, ohne sich gegenseitig aufzuheben, wie die Janusköpfigkeit einer Medaille (vgl. Plessner, 1975, S. 237): zwei Aspekte, die sich gegenseitig bedingen und daher untrennbar miteinander verbunden sind (vgl. Gugutzer, 2012, S. 42). Außerdem befähigt diese Dualität den Menschen zu einer, wie Plessner es ausdrückt, ‚exzentrischen Position’ (vgl. Plessner, 1975, S. 325): Er ist in der Lage, sich selbst zu reflektieren, d. h., Distanz zu seiner eigenen Leiblichkeit aufzubauen (vgl. Ebd., S. 328). „In anderen Worten ausgedrückt, verfügen Menschen über die Fähigkeiten, sich selbst körperlich zu objektivieren.“ (Wolff, 2019, S. 181)

Das bedeutet allerdings auch, dass der Mensch zwar von Geburt an ein ‚Leib ist‘; die Kontrolle über diesen Körper, dessen individuelle, aktive Formung, das ‚Körper-Haben‘, aber erst erlernen muss (vgl. Gugutzer, 2012, S. 43). „Diese Körperaneignung wiederum ist kultur- und gesellschaftsspezifisch geprägt.“ (Ebd., S. 44) Plessner sieht in dem Doppelaspekt des menschlichen Daseins die ständige Verknüpfung zwischen Natur- (Körper-Sein) und Kulturwesen (Körper-Haben) (vgl. Plessner, 1975, S. 310 f.). Der Mensch befindet sich in einem dauernden Changieren zwischen diesen Seiten seiner Existenz (vgl. Antoni-Komar, 2001, S. 11). Eine immerwährende Aufgabe jedes menschlichen Wesens ist daher, eine Balance zwischen Leib-Sein und Körper-Haben herzustellen (vgl. Gugutzer, 2012, S. 187), um auf diese Weise eine individuelle Identität zu bilden (vgl. Gugutzer, 2002, S. 295). Die Person setzt sich demnach aus drei ‚Positionalitäten’ zusammen: das organische, erfahrbare Leibsein, das interagierende, objektivierbare Körper-Haben und schlussendlich die Einheit dieses Doppelaspekts: die Personalität, die eigene Identität (vgl. Ebd., S. 67).

2.3. Vergesellschaftete Identitäten als Gerüst der Gesellschaft

Die Suche nach dem eigenen Ich lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen (vgl. Franke, 2006, S. 188), denn der Blick von außen auf das Selbst spielt eine wichtige Rolle im menschlichen Sein: Im Vergleich zu anderen organischen Lebewesen hat der Mensch die einzigartige Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren, zu hinterfragen und sich auch in Mitmenschen hineinzuversetzen (vgl. Gugutzer, 2002, S. 65, S. 87). So ent­steht eine interaktive Gesellschaft aus wahrnehmenden und wahrgenommenen Individuen (vgl. Plessner, 1975, S. 300 ff.) – ein Zyklus aus der Beobachtung anderer und dem Bewusstsein, selbst beobachtet zu werden (vgl. Crossley, 2017, S. 327 f.).

Der individuelle Körper verkörpert die Gesellschaft, er ist die notwendige Voraussetzung für die Entwicklung kultureller Strukturen und Wertvorstellungen (vgl. Bublitz, 2006, S. 342 ff.). Gleichermaßen wirkt die aus Individuen bestehende Gesell­schaft auf diese einzelnen Personen ein und beeinflusst sie in ihrem Tun (vgl. Ebd., S. 345 f.). Durch die Gesellschaft ist der individuelle, nie endende Prozess der Selbst­suche erst möglich (vgl. Gugutzer, 2002, S. 70).

Die Gesellschaft dient dem Individuum als Orientierungspunkt inmitten der viel­fältigen Möglichkeiten der Postmoderne (vgl. Hitzler & Honer, 1994, S. 308 f.). Konventionen geben den Rahmen für individuelle Verhaltensweisen vor, sie strukturieren die Gesellschaft, bspw. durch Optionen zur Freizeitgestaltung, speziellen Ernährungsformen oder Schönheitsidealen, und haben damit einen direkten Einfluss auf die Formung des Körpers jeder Einzelperson (vgl. Bette, 2005, S. 16). Gleichzeitig dient der Körper als Projektionsfläche kultureller Trends und individueller Ausdrucks­weisen (vgl. Posch, 2009, S. 37), sodass die Sorge um den eigenen Körper in der post­modernen Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt (vgl. Bublitz, 2006, S. 342).

Der Körper stellt also nicht nur per se eine Dualität dar, auch die Identitätsfindung unterliegt einem ambigen Prozess (vgl. Liebsch, 2017, S. 40), der in Wechselseitigkeit mit der Gesellschaft, der, mit Merleau-Ponty ausgedrückt, ‚Sozial- und Kulturwelt’, geschieht (vgl. Gugutzer, 2002, S. 85): „Körper sind immer […] soziale Körper“ (Haller, 2017, S. 46), d. h. sie sind maßgeblich an der Konstruktion der sozialen Umgebung, in der sie sich befinden, beteiligt (vgl. Gugutzer, 2012, S. 40).

Mit der leiblichen Existenz des sozial eingebetteten Menschen geht folglich zwingend eine Darstellung seiner selbst einher (vgl. Scheffer, 2017, S. 488): Durch den Körper – Sprache, Schrift, Gestik, Mimik, Haltung oder Handlung – können sowohl Informationen weitergegeben als auch Eindrücke erzeugt werden (vgl. Goffman, 1969, S. 7). Dabei bemüht sich der Mensch als soziales Wesen zu gefallen und den gesell­schaftlichen Werten und Normvorstellungen20 zu entsprechen (vgl. Ebd., S. 27). Folglich ist die individuelle Identität direkt an gesellschaftliche Bedingungen – der sozialen Nische, gegenwärtigen Situation und Mitmenschen – geknüpft (vgl. Hettlage, 1999, S. 196 f.).

Daher setzt der Soziologe Erving Goffman zur Erforschung der Identität eines Individuums21 in seinen Überlegungen auch ausschließlich an einer externen Perspektive an (vgl. Gugutzer, 2002, S. 38). Identität wird dabei erst in sozialen Inter­aktionen generiert bzw. zugeschrieben (vgl. Ebd., S. 39 ff.). Goffmans Beschränkung auf eine Außenperspektive zur Analyse mikrosoziologischer Aspekte wie der eigenen Identitätsfindung stand in weiterführenden soziologischen Theorien zwar oft in der Kritik (vgl. Ebd., S. 38), für die hier vorliegende Arbeit eignet sie sich jedoch gerade aus diesem Grund, da die körperliche Selbstdarstellung auf der sozialen medialen Plattform Instagram zwangsläufig an zwischenmenschliche Interaktionen geknüpft ist.22

Im dualistischen Körperkonzept löst sich die Grenze zwischen Innen- Außenwelt des Körpers und dessen Wahrnehmung auf (vgl. Plessner, 1975, S. 58 f.). Daher wird sich in diesem Kapitel um die ganzheitliche Erfassung einer individuellen Existenz – körperlich, leiblich und gesellschaftlich – bemüht (vgl. Gugutzer, 2002, S. 62 f.). Gerade aufgrund dieser Mehrdimensionalität gibt es nicht die Identität eines Menschen, vielmehr geschieht die Identitätsfindung immer wieder aufs Neue, in Interaktion mit dem Umfeld und Rollenzuschreibungen (vgl. Hettlage, 1999, S. 196 f.). Goffman unterscheidet in seinem symbolisch-interaktionistischen Ansatz23 personale und soziale Identität, die das Individuum letztlich in einer Ich-Identität ausbalancieren muss (vgl. Gugutzer, 2002, S. 33 f.). Die personale Identität bezieht sich dabei auf die individuellen Merkmale der Einzelperson. Die soziale Identität bezeichnet Stigmatisierungen, die einer bestimmten Personengruppe auch unbekannterweise gesellschaftlich zugeschrieben werden, bspw. allein aufgrund des sozialen Status oder äußerlichen Merkmalen (vgl. Ebd., S. 38 f.).

Die Voraussetzung der Identität, des Individuums an sich, stellt der ambig begriffene leibliche Körper dar (vgl. Plessner, 1975, S. 134 ff.). Doch nach welchen Kriterien ‚gestaltet’ sich die Einzelperson? (vgl. Hitzler & Honer, 1994, S. 309 f.) Die eigene Identität entsteht „in der dialektischen Verschränkung von natürlichem Leibsein und kulturellem Körperhaben“ (Gugutzer, 2002, S. 281). Das bedeutet, dass auf die Auseinander­setzung mit dem Körper- und Identitätsbegriff nun eine gesellschaftliche Einordnung folgen muss, um zu begreifen, nach welchen Kriterien das Thema dieser Arbeit, die Selbstdarstellung in sozialen Medien, funktioniert bzw. welche Rolle der sportliche Körper in unserer Gesellschaft spielt und welchen Teil einer Identität er einnimmt.

3. Gesellschaft – Grenzenlosigkeit & Lebenskunst

#fitnessmotivation #progress #bodygoals

Identität ist nichts Selbstverständliches weil gesellschaftlich Vorgegebenes mehr, sondern etwas, womit sich das Individuum auseinandersetzen muss.“ (Gugutzer, 2002, S. 281) „ Die Spuren, die [der Körper] in der Kommunikationssphäre der Gesellschaft hinterläßt, schaffen wiederum Bedingungen der Möglichkeit, daß Spuren am Körper gesetzt werden – und umgekehrt.“ (Bette, 2015, S. 16) „ Der Körper […] ist die Verkörperung und Materialisierung des Sozialen.“ (Bublitz, 2006, S. 344)

So argumentiert auch der Soziologe Bourdieu in seiner Klassentheorie 24: Der Habitus – die Handhabung des eigenen Körpers mittels Bewegung, Haltung, Gestik oder auch Handlungsweisen – jedes Menschen sei gesellschaftlich geprägt und ließe auf die Herkunft und das soziale Umfeld der Person schließen (vgl. Meuser, 2017, S. 251 f.; Villa, 2007). Gleichzeitig sei der Habitus an der Entstehung sozialer Strukturen beteiligt (vgl. Weiß, 2009, S. 32). Durch den Körper sind wir (aktiver und passiver) Teil des gesellschaftlichen Geschehens (vgl. Meuser, 2017, S. 251).

Nachdem sich das letzte Kapitel mit dem Körperbegriff befasst hat, geht es im Folgenden darum, die Ambiguität des Körpers im Verhältnis zur Gesellschaft zu begreifen. Wie entstehen gesellschaftliche Trends und Ideale und wie drücken sie sich in der Postmoderne im Habitus des Individuums aus?

3.1. Körperkult in der Optimierungskultur

Wer bin ich eigentlich? Wer will ich sein? Wie sehen meine Wertvorstellungen aus, welche Ansichten und Handlungsweisen repräsentieren mich als Person? Wie kann mein Körper meine Identität ausdrücken, wie können mein Leib, Körper und mein Ich zu einer Einheit werden (vgl. Plessner, 1975, S. 298)? Durch die bereits thematisierte mehrdimensionale Existenz des menschlichen Daseins muss der postmoderne Mensch das eigene Leben selbst ‚führen‘ (vgl. Ebd., S. 310).

Im Laufe der Zeit haben sich nicht nur die gesellschaftlichen Ideale, sondern auch das Körperverständnis gewandelt: Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte Deutschland einen wirtschaftlichen Aufschwung, sodass die postmodernen Bürger in einer entwickelten Wohlstandgesellschaft in einem Industrieland leben (vgl. Spreen, 2015, S. 109). Die technologischen Fortschritte der letzten Jahrhunderte beeinflussten nicht nur die Wirt­schaft, auch die Position des Individuums in der Gesellschaft veränderte sich von Grund auf (vgl. Freyermuth, 2007, S. 13 ff.): Mit der Industrialisierung ersetzten Maschinen zunehmend die Arbeit des Menschen und übertrafen diese sogar mit ihrer weiterentwickelten Leistung (vgl. Ebd., S. 17). „Maschinen machen keine Fehler“ (Kling, 2017, Kapitel 16) – dieser Anspruch zur stetigen Optimierung wird auch zum Vorbild für das menschliche ‚Ideal’ (vgl. Freyermuth, 2007, S. 18): So treiben Techno­logisierung und Digitalisierung den Körper von seiner Funktion als maschinelles Arbeits­instrument zum individuellen Gestaltungsprojekt (vgl. Ebd., S. 16 f.). Die körper­orientierte Lebensführung im 21. Jahrhundert ist ein Ausdruck der Selbst­verwirklichung und der Selbstsorge in einer „Zeit des Überflusses“ (Posch, 2009, S. 102).

Mittlerweile bietet die global vernetzte Welt eine Vielfalt an Entscheidungs­möglichkeiten (vgl. Freyermuth, 2007, S. 27). Jeder Mensch darf und kann sein Leben frei gestalten (vgl. Hitzler & Honer, 1994, S. 307). Familie, Job, Bildung, Interessen und Äußeres – (fast) alles ist möglich, (fast) alles erlaubt (vgl. Posch, 2009, S. 54 ff.). Diese absolute Freiheit stellt allerdings auch eine Herausforderung für die Identitäts­findung dar (vgl. Hitzler & Honer, 1994, S. 307). Zur gesellschaftlich anerkannten Selbstverwirklichung gehört meist auch Selbstdisziplin: Der Mensch trägt die alleinige Verantwortung für sein eigenes Leben und steht zugleich unter dem Druck, die Optimierungs­anforderungen der postmodernen „Upgradekultur“ (Spreen, 2015, S. 106), wie der Soziologe Dierk Spreen die derzeitige Gesellschaftsform bezeichnet, zu erfüllen (vgl. Ebd., S. 106 f.): „Individualisierung ist kein Wunschkonzert, sondern ein [gesellschaftliches] Kontrollprogramm, das mittels institutioneller Abhängig­keiten25 Steuerungsimpulse in Selbstführung übersetzt.“ (Ebd., S. 110) Durch die Teil­nahme an gesellschaftlichen Interessensgruppen – bspw. in einem Sportverein, einer bestimmten Moderichtung oder Berufsgruppe (vgl. Hitzler & Honer, 1994, S. 308) – „bastelt“ (Ebd., S. 311) der Einzelne sein individuelles Ich zusammen. Orientierung bieten dabei die ‚Bastelexistenzen’ anderer Individuen (vgl. Spreen, 2015, S. 112). Es ist ein postmodernes Bestreben, sich von der Masse abzuheben (vgl. Posch, 2009, S. 48); nicht nur sich selbst zu ‚verbessern‘, sondern ‚das Beste‘ aus sich herauszuholen (vgl. Spreen, 2015, S. 114 ff.). Diese „Optimierungsimperative beziehen sich nicht auf Äußerlichkeiten, […] sie zielen auf das Sein – und damit auf den Leib, d. h. auf das, was man ist und nicht einfach nur hat.“ (Ebd., S. 107)

Der Körper ist nach Bourdieu „das sichtbarste Zeichen des Klassengeschmacks“ (Wustmann & Pfadenhauer, 2017, S. 152), d. h. das sichtbarste Darstellungsmittel des Selbst. Er repräsentiert (gesellschaftlich bzw. „klassenspezifisch“ (Ebd.) geformte) Wertvorstellungen, Ideale und Verhaltensweisen (vgl. Gugutzer, 2015, S. 74 f.). Sich um sein Äußeres zu kümmern postuliert, gemäß dem Optimierungsparadigma zu leben – Kontrolle über den eigenen Körper postuliert die Kontrolle über das eigene Leben (vgl. Ebach, 2019, S. 103). „In der [Postmoderne] ist der Körper nicht länger etwas vom Schicksal Gegebenes, sondern wird als ‚Gegenstand der Gestaltung’ (Hitzler 2002) und somit als Ergebnis individueller Lebensführung definiert.“ (Zillien, Fröhlich & Dötsch, 2015, S. 82)

3.2. Fitness als Anpassungsform der Postmoderne

Im historischen Zeitverlauf betrachtet, lassen sich anhand medialer Darstellungen stets gewisse Schönheitsideale feststellen, auch bezogen auf die körperliche Figur (vgl. Dimitriou, 2019, S. 66 ff.). Der Körper kann „als Bildfläche des sozialen Wandels betrachtet werden.“ (Ebd., S. 70)

Als Gegenbewegung zur digitalisierten und bürokratisierten (und dadurch sitzenden (vgl. Gugutzer, 2015, S. 40) Welt, bietet Sport zum einen die Möglichkeit, den eigenen Körper und dessen Grenzen zu ‚erleben‘ (vgl. Bette, 2005, S. 37 f.) und so wieder eine Balance zwischen Geist und körperlicher Motorik herzustellen (vgl. Klein, 2017, S. 12). Zum anderen ist Training der Inbegriff der postmodernen Optimierungskultur: Als Orientierungspunkt im Zeitalter der vollständigen Individualisierung verleiht Sport dem Lebensentwurf des Individuums Sinnhaftigkeit, indem er die permanente Selbstarbeit im wahrsten Sinne des Wortes ‚verkörpert‘ (vgl. Bette, 2005, S. 249 f.).

Das postmoderne figürliche Ideal ist ein trainierter Körper (vgl. Pawlik, 2020 ; Posch, 2001, S. 82 f.): Das männliche Ideal fordert dabei sichtbare Muskeln, bei Frauen gilt ein straffer Körper mit ausgeprägten weiblichen Rundungen – Brust und Hintern – als schön (vgl. Roshani, 2018, S. 8). Dementsprechend haben sich die Mitgliederzahlen in Fitnessstudios in den letzten 16 Jahren nahezu verdreifacht (vgl. Zeppenfeld, 2020). Besonders die Generation der 20- bis 30-Jährigen (vgl. Ebd.) nutzt den postmodernen Sporttrend zur Formung und gleichzeitig zur Inszenierung des eigenen Körpers (vgl. Bette, 2005, S. 262). Die sportliche Orientierung des postmodernen Individuums ist charakteristischerweise wie die Person selbst eine Stückelung aus verschiedensten Teilbereichen – der individuelle Interessensmix hebt den einzelnen Sportler von der breiten Masse ab (vgl. Ebd., S. 260 f.).

Durch die zahllosen Konsumangebote in der Postmoderne gilt Übergewicht heut­zutage als Disziplinlosigkeit, schließlich meint Individualisierung auch eine gesteigerte Verantwortung für das eigene Leben (vgl. Hepp, 2010, S. 11): Übergewichtige Menschen haben ihr Gewicht – ihren Körper – nicht unter Kontrolle und handeln dementsprechend entgegen dem Optimierungsbestreben der post­modernen Erfolgs- und Fortschrittskultur (vgl. Dimitriou, 2019, S. 67).

Das Ziel ist meist eine ‚ganzheitliche Fitness‘: Fitness wird dabei als lebenslanger Prozess begriffen; zum einen als Sorge um sich selbst und die eigene Gesundheit (vgl. Dimitriou, 2019, S. 71 ff.), zum anderen als die Präsentation dieser Praktik nach Außen, um sich in den postmodernen Geist der Gesellschaft einzufügen und dafür Anerkennung zu erlangen (vgl. Posch, 2009, S. 125 f.). Der Körper wird also den eigenen und gesellschaftlichen Anforderungen ‚angepasst’ (vgl. Bette, 2005, S. 260). Fitness bis ins hohe Alter ist heutzutage Ausdruck der Selbstsorge – der Sorge um die eigene Gesundheit – und führt zur negativen sozialgesellschaftlichen Bewertung aller, die von diesem ‚gesunden’ Körperbild abweichen (vgl. Dimitriou, 2019, S. 67 f.). In diesem Kontext wird die phänomenologische Körpertheorie von Merleau-Ponty in der Ebene des individuellen Körper-Habens, der Kontrolle über den eigenen Körper, durch gesellschaftliche Rahmungen eingeschränkt (vgl. Crossley, 2017, S. 331). Ziel des „[…] Schönheitsspiel[s] [ist] die Herstellung von Unverwechselbarkeit und die Steigerung des sexuellen Kapitals […]. Die sexuelle Selbstoptimierung dient dabei dem Zweck, im Konkurrenzkampf um Aufmerk­samkeit und soziale Wertschätzung Erfolge einzufahren.“ (Penz, 2013, S. 58)

„Die Anerkennung unserer selbst ist damit generell an die soziale Struktur geknüpft, ohne dass es explizite positive oder negative Sanktionierungen des Umfeldes gibt. […] Es ist nicht entscheidend, dass man tatsächlich (hier: wertend) beobachtet wird, sondern dass man beobachtet werden könnte.“ (Beier, 2006, S. 179) So befindet sich der Mensch in einem ständigen Changieren seiner ambigen Körperlichkeit und vergleicht sein Erscheinungsbild unter den ebenfalls permanent wechselnden Umwelt­konstitutionen im Hinblick auf das vorherrschende Ideal (vgl. Bublitz, 2006, S. 351 f.).

‚Schönsein‘ und ‚sich schön fühlen‘ funktioniert nur durch die Reaktion des Umfeldes, durch externe (bspw. mediale26 ) Orientierungsvorgaben von Schönheitsidealen und dem Vergleich mit anderen (vgl. Posch, 2009, S. 34 ff.). Dabei gibt es wie bereits erwähnt unterschiedliche Ansprüche an weibliche und männliche Schönheitsideale (vgl. Gieske, 2001, S. 39). Dieser geschlechtlichen Differenzierung widmet sich das nächste Kapitel.

3.3. Sexualität, Schönheit, Selbstsorge

Die Darstellung des eigenen Körpers impliziert die Darstellung der eigenen Geschlechtsklasse (vgl. Villa, 2007). Goffman definiert unter diesem Begriff, ähnlich dem Habitus-Konzept Bourdieus, eine soziologische Kategorisierung der Person, durch die sie von Geburt an gesellschaftlich geprägt wird (vgl. Goffman, 1994, S. 108 f.): „Von Anfang an werden die der männlichen und die der weiblichen Klasse zugeordneten Personen unterschiedlich behandelt, sie machen verschiedene Erfahrungen, dürfen andere Erwartungen stellen und müssen andere erfüllen.“ (Ebd., S. 109). Beleg für diese in der Gesellschaft angelegte Differenzierung sind nicht zuletzt sämtliche räumlichen Trennungen in der Öffentlichkeit, bspw. durch Männer- und Frauen-Toiletten oder Modeabteilungen (vgl. Ebd., S. 166 ff.).

Wie der Körper und die Identität trägt auch das eigene Geschlecht einen ambivalenten, Charakter: Das biologische, ‚naturgegebene’ (d. h. Geschlechtsmerkmale) sowie das eben beschriebene ‚sozial geprägte’ Geschlecht greifen ineinander über (vgl. Villa, 2007). Da das Geschlecht Teil des leiblich-körperlichen Individuums ist, ist auch die Sexualität ein Teil der Identitätsbildung (vgl. Duttweiler, 2017, S. 240).

Obwohl die postmoderne Frau gemäß der Optimierungskultur emanzipiert ihr Leben selbst in die Hand nimmt, existieren auch im 21. Jahrhundert noch geschlechter­spezifische Stereotype (vgl. Penz, 2013, S. 55 f.): Seit der Antike wird die Frau gemeinhin als das „schöne Geschlecht“ (Posch, 2001, S. 70) begriffen, während Männer mit Stärke und Leistungskraft in Verbindung gebracht werden (vgl. Posch, 2009, S. 160 ff.).

Insbesondere in der medialen Darstellung werden diese Auffassungen deutlich präsentiert: Frauen werden häufig verführerisch, knapp bekleidet und betont feminin dargestellt – quasi als ‚passives Objekt der Begierde’ –, während bei männlichen Protagonisten deren Stärke, Leistungsfähigkeit und Abenteuerlust – ihr Aktivismus – zur Schau gestellt wird (vgl. Gieske, 2001, S. 40). Auch in anderen öffentlichen Bereichen wie der Politik (vgl. Posch, 2009, 79 ff.) oder dem Leistungssport (vgl. Dimitriou, 2019, S. 78 f.) wird dem Aussehen von Frauen im Gegensatz zu den männlichen Akteuren in der Gesellschaft eine höhere Relevanz zugeschrieben (vgl. Posch, 2001, S. 70 f.). Während Frauen ihre Attraktivität, ihre Schönheit, im wahrsten Sinne des Wortes ‚verkörpern’, ‚versinnbildlichen‘ Männer ihre Attraktivität durch traditionell männliche Attribute wie den Erfolg im Job (vgl. Ebd., S. 79).

Schönheit ist im postmodernen Zeitalter Teil der Identität, ein Projekt, das jedes Individuum bestmöglich umsetzen möchte, um sein Optimierungsbestreben und seine Selbstdisziplin nach außen zu repräsentieren (vgl. Degele, 2017, S. 118). Tatsächlich beeinflusst das äußere Erscheinungsbild maßgeblich die Einschätzung der Fähigkeiten und Kompetenzen einer Person (vgl. Penz, 2013, S. 55). Das wiederum stützt die Auffassung Bourdieus von der Schönheit als „kulturelle[m] Kapital“ (Degele, 2017, S. 116), das ihm in der Gesellschaft zu einem höheren Ansehen verhilft: „Die Elite des beginnenden 21. Jahrhunderts oder wer zu ihr gehören will, ist tendenziell schön.“ (Posch, 2009, S. 67)

Dabei tritt das bereits erläuterte geschlechtsunabhängige Prinzip der Anpassung an kulturelle Normen wie Mode oder körperliche Idealfiguren zu Tage (vgl. Degele, 2017, S. 115 f.). „Wir haben momentan ein Schönheitsideal, das sehr stark an Fitness orientiert ist, “ (Bayerischer Rundfunk, 2018, 08:32-08:37) erklärt die Soziologin Prof. Dr. Villa. Im Gegensatz zu Zeiten wie dem Barock, in denen ein hoher Körperfettanteil als Zeichen für Wohlstand als ‚schön‘ galt, ist es heute Ausdruck der Selbstdisziplin, möglichst wenig Fett und dafür einen jugendlichen, durchtrainierten Körper vorzuweisen (vgl. Posch, 2001, S. 86 f.). Selbst Frauen praktizieren Kraftsport, um Muskeln aufzubauen. Mit der Emanzipation der Frau wandelte sich auch das Verständnis des weiblichen Schönheitsideals (vgl. Posch, 2001, S. 129 f.). Trotz der öffentlichen Thematisierung geschlechtlicher Gleichstellung und verstärkter Gender­debatten existieren auch in der aufgeklärten, postmodernen Gesellschaft noch häufig veraltete Rollenbilder und geschlechterspezifische Unterschiede, wie z.B. die Gender Pay Gap und andere gesellschaftliche Gender-Debatten zeigen (vgl. ifo-Institut, o.D.). Die fortschreitende Digitalisierung trägt durch erotische Körperdarstellungen und Rollenbilder häufig zu einer verstärkten Sexualisierung bei (vgl. Gugutzer, 2015, S. 41).

3.4. Digitale Welten, gesellschaftlicher Wandel

Die vorausgehenden Kapitel behandelten die vorherrschenden gesellschaftlichen Körper­ideale in der bestehenden Optimierungskultur. Die folgenden Absätze werden sich daher auf die Vermittlung dieser Ideale konzentrieren.

Nie war die (mediale) Darstellung von Körperidealen höher frequentiert als im heutigen, digitalisierten Alltag: Neben ‚traditionellen’ Fotobeiträgen in Magazinen, Plakat- oder Fernsehwerbung sind im postmodernen Zeitalter Werbeanzeigen im World Wide Web und auf Social Media-Plattformen omnipräsent (vgl. Grittmann, Lobinger, Neverla & Pater, 2018, S. 10 f.). Wie die Entscheidungsmöglichkeiten zur individuellen Identitätsentfaltung, sind auch die Optionen zur Kommunikation in der Postmoderne vielfältig (vgl. Klemm, Staples & Wolter, 2018, S. VIII f.): Globalisierung und fortschreitende Technik ermöglichen inzwischen eine Vernetzung sämtlicher Individuen, Gruppen oder Unternehmen unabhängig von Ort und Zeit (vgl. Hepp, 2010, S. 8 f.). Dabei entsteht ein wechselseitiger Austausch der User unter­einander (vgl. Hoffmann, 2017, S. 164). In Abgrenzung zu ‚klassischen’ Massen­medien wie dem Fernsehen, ist die interaktive Kommunikationsform das Kennzeichen von Social Media und postmoderner Kommunikation (vgl. Hettler, 2010, S. 16 ff.): Die Konsumenten können direkt auf medialen Inhalt reagieren, ihn mit anderen Nutzern oder der gesamten digitalen Öffentlichkeit teilen, kommentieren oder sogar selbst zum Produzierenden medialer Beiträge jeglicher Form werden (vgl. Ebd., S. 18). Sich den digitalen Kommunikationsnetzen gänzlich zu entziehen ist in der aktuellen Gesellschaft nahezu unmöglich (vgl. Hepp, 2010, S. 9). Die ‚Offline’- und ‚Online’-Welt haben sich längst27 in sämtlichen Lebensbereichen vermischt (vgl. Klemm et al., 2018, S. VII).

Medien sind Teil der postmodernen Kulturpraxis (vgl. Hipeli & Süss, 2013, S. 194; Hoffmann, 2017, S. 162 f.). In der praxistheoretischen Sichtweise Bourdieus28 fokussiert sich der Kulturbegriff dabei auf die „wechselseitig orientierten [sozialen] Praktiken“ (Hörning & Reuter, 2008, S. 115), die alltäglichen Interaktionen mit Anderen (vgl. Ebd., S. 113 ff.). Diese Praktiken stehen wiederum in Wechselwirkung mit der gesellschaftlichen Realität. Sowohl der Habitus des Menschen als auch der gesellschaftliche Handlungsraum, die soziale Realität, unterliegen aufgrund der post­modernen Multioptionalität und Individualisierung von Lebensstilen einer stetigen Veränderung (vgl. Ebd., S. 114).

„Medien(r)evolution und sozialer Wandel bedingen einander. [...] Was [Medien] im Einzelnen für die Individuen moderner Gesellschaften sind und bedeuten, in welcher Abhängigkeit man sich mit ihnen befindet oder wie entbehrlich sie sind, wird nicht nur situativ autonom entschieden, sondern in sozialen Situationen immer wieder ausgehandelt.“ (Hoffmann, 2017, S. 162 f.)

Bourdieus Annahmen von einem vorherbestimmten Habitus müssen daher ebenfalls dynamischer begriffen werden (vgl. Ebd); vielmehr beeinflussen sich Umwelt und Individuum gegenseitig und formen so Identität und Kultur in einem fortlaufenden Prozess neu (vgl. Mikos, 2008, S. 188).

„Medien definieren zwar die Umwelt, in der Identitäten in einem Wechsel­spiel von Kultur und Medien geformt werden […], doch ist die Realitäts­konstruktion der Medien kein abstrakter Vorgang, sondern muss als von Individuen mitbestimmt gedacht werden, deren individuelle Wahl­möglichkeiten ihr Begehren widerspiegeln […]“ (Marschik, 2008, S. 302)

Wie in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben, entwickeln sich Körperideale als Spiegel der bestehenden gesellschaftlichen Situation (vgl. Freyermuth, 2007, S. 27). Der Körper wird zur öffentlichen Projektionsfläche des eigenen Optimierungs­prozesses (vgl. Gugutzer, 2007).

Durch die mediale Verbreitung werden zeitliche, räumliche und soziale Grenzen auf­gebrochen (vgl. Hepp, 2010, S. 22 f.). Das bedeutet, dass die ‚breite Masse’, von der es sich positiv abzuheben gilt, größer wird (vgl. Bourdieu, 2014, S. 389 ff.) – ein einziger digitaler Post29 kann globale Reichweite besitzen und somit unterschiedliche Kulturen adressieren. Insofern trägt auch diese ‚Mediatisierung’ der Gesellschaft zu einem Kulturwandel im Sinne einer verstärkten Individualisierung des einzelnen Konsumenten bei (vgl. Hepp, 2010, S. 10 f.): Die Mitglieder der postmodernen Gesell­schaft als Konsumenten von Medien jeglicher Art30 sind in dieser Epoche permanent und mehr denn je Orientierungsvorgaben in Form von Modetrends, Schönheits- und Körperidealen, Wertvorstellungen sowie Lebensentwürfen ausgesetzt (vgl. Zhao, 2015, S. 207; Große-Loheide, 2007, S. 74).

Beim Medienkonsum spielen vor allem Bilder eine tragende Rolle, da sie die Alltags­welt in Form von visuellen Eindrücken sowie Metaphern begreifbar machen (vgl. Luca, 2007, S. 41). Ein Medium zur reinen Selbstinszenierung stellt aufgrund ihres visuellen Fokus die App Instagram dar. Im folgenden Kapitel werden die Funktions­weisen und Besonderheiten der erfolgreichen, digitalen Bild-Plattform erläutert.

4. Medialer Körperkult – Authentizität & Selbstinszenierung

#fitnessaddict #training #inspiration

Die Mediengesellschaft produziert einen Körper, dessen Physis vor allem zur öffentlichen Inszenierung und sozialen Positionierung des Subjektes dient und dessen Äußeres entsprechend gepflegt und gestylt werden muss.“ (Klein, 2008, S. 212) „ Schönheit verlangt nach dem Blick Anderer, ist damit keine Privatsache, sondern Kommunikation und Interaktion.“ (Degele, 2017, S. 115) „ Der Ort des Anderen wird zum primären Medium, über das sich das Subjekt seiner – körperlichen – Existenz versichert. Die primäre Erfahrung des Subjekts erfolgt also durch ein Außen […].“ (Bublitz, 2006, 350 f.)

Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung der Körperdarstellung von Fitnessinfluencern auf der Social Media-Plattform Instagram. Nach der Einbettung des Körper- und Identitäts­begriffs in die postmoderne Gesellschaft, setzt das folgende Kapitel die bisherigen theoretischen Überlegungen in den Kontext der digitalen Selbst­inszenierung auf dieser App.

4.1. Instagram, die visuelle Interaktions-Plattform

Soziale Kontakte aufrechterhalten, neue Kontakte knüpfen, Informationsquelle, Orientierungs­leitfaden und Unterhaltungsmedium (vgl. Winkler, Ide-Schöning & Herczeg, 2007, S. 211) – das Smartphone hat sich zum alltäglichen Begleiter des Bürgers in der postmodernen Mediengesellschaft entwickelt (vgl. Klemm et al., 2018, S. VIII). Nach Merleau-Pontys bereits beschriebenen Leibestheorie sind sämtliche Medien als Ausweitung des menschlichen Körpers zu verstehen (vgl. Winkler et al., 2007, S. 210). Das technologische Medium steht in einer reziproken Beziehung zum ambigen menschlichen Leibeskörper: Die sinnlichen Wahrnehmungsbereiche Haptik, Visualität und Akustik werden dabei in die direkte Handhabung des Smartphones verlagert (Leib-Sein), welches wiederum eine Bedienung, eine Führung durch den Menschen verlangt (Körper-Haben) (vgl. Hoffmann, 2017, S. 165 f.). Gleichzeitig passt sich der Mensch in seiner Lebensführung und den körperlichen Praktiken an die digitalen Errungenschaften an (vgl. Schmidl, 2018, S. 102 ff.).

Ein Kennzeichen der postmodernen Gesellschaft ist das starke Vertrauen in die Medien, da sich digitalisierte Kommunikationsmöglichkeiten fest in der Alltagswelt etabliert haben (vgl. Schmidl, 2018, S. 103). Das gilt auch für medial präsentierte Inhalte, die Einfluss auf gesellschaftliche sowie individuelle Ideale und das Konsum­verhalten nehmen (vgl. Dimitriou, 2019, S. 4). Die individuelle Identitätssuche geschieht in der heutigen Zeit im Kontext der stark visuell geprägten Social Media, wodurch die dargestellten Körperbilder und Lebensausschnitte eine Orientierung zur eigenen Körperformung und Lebensgestaltung bieten (vgl. Bayerischer Rundfunk, 2018, 03:06-03:37).

Besonders Instagram hebt sich von anderen Social Media-Plattformen durch ihre starke Bildhaftigkeit ab (vgl. Russmann & Svensson, 2016). Der Fokus liegt dabei hauptsächlich auf dem Teilen von Fotos und Videos (vgl. Faßmann & Moss, 2016, S. 13). Schätzungen auf Basis der bisherigen Entwicklungen und Wachstumsraten zufolge nutzt inzwischen rund ein Viertel der deutschen Bevölkerung die App (vgl. Firsching, 2020; Brien, 2019). Dabei bilden junge Erwachsene, die in der postmodernen Medienkultur herangewachsen sind, die aktivste Nutzergruppe (vgl. Brien, 2019), was die Altersspanne der in dieser Analyse untersuchten Fitnessinfluencer von 22-32 Jahren (s. Anhang, Tab. 1) erklärt.

„Näher an den Menschen und Dingen, die du liebst“ (Instagram, o.D.a) – so beschreibt Instagram das eigene Unternehmen auf der Startseite. Vermutlich ist genau das das Erfolgs­rezept und Alleinstellungsmerkmal der 2010 ins Leben gerufenen Social Media-Plattform (vgl. Faßmann & Moss, 2016, S. 13). Menschen sind visuelle und soziale Wesen (vgl. Gobé, 2009, S. 79; Scheier & Held, 2008, S. 28 f.). Durch Bilder lassen sich Botschaften simpel und einprägsam übermitteln – die Vorstellungskraft wird stärker aktiviert (vgl. Faßmann & Moss, 2016, S. 13). Emotionen werden vor allem durch Inhalte generiert, die in irgendeiner Form aus dem restlichen medialen Angebot herausstechen (vgl. Dohle & Bernhard, 2013, S. 254 f.). Die Intensität und Wirkungsrichtung unterscheiden sich dabei je nach Rezipierenden und Rezeptionssituation individuell (vgl. Ebd., S. 254). So kann derselbe Instagram-Post von verschiedenen Nutzern vollkommen unterschiedlich bewertet werden – je nach den persönlichen Werten, Erfahrungen und Verknüpfungen mit den dargebotenen visuellen Sinnesreizen in Form von Text und Foto. Instagram fokussiert sich auf das Teilen ansprechender Inhalte: Größtenteils werden Beiträge aus Lifestyle-Themen­bereichen wie Ernährung, Fotografie, Sport oder Fitness präsentiert (vgl. Faßmann & Moss, 2016, S. 27 f.).

Beim Öffnen der seit 2012 kostenlos verfügbaren App (vgl. Ebd., S. 13) erscheinen auf der Startseite alle aktuellen Beiträge der abonnierten Kanäle, durch die sich der Nutzer swipen31 kann. Unter der Suchleiste werden dem Nutzer außerdem, ausgehend von seinen bisherigen Abonnements und Aktivitäten, Beiträge angezeigt, die ihm gefallen könnten. Dadurch besteht die Möglichkeit, das virtuelle Bildernetzwerk als Inspiration zur Gestaltung der eigenen Identität zu nutzen (vgl. Hitzler & Honer, 1995, S. 307 ff.); sei es für neue Trainingsübungen, körperliche Wunschfiguren, Urlaubsziele oder bestimmte Fähigkeiten oder Routinen, die der User ebenfalls erlernen bzw. in das eigene Leben integrieren möchte. Ein Instagram-Beitrag besteht aus einem Bild oder Video und einer optionalen, auf 2.200 Zeichen begrenzten Beschreibung (vgl. Faßmann & Moss, 2016, S. 14). Auf diese Weise benötigt der Nutzer keine volle Konzentration bei der Rezeption der Inhalte; wenn ein Bild seine Aufmerksamkeit erlangt, kann er den Beschreibungstext lesen und bei Interesse Verlinkungen zu Websites, Unternehmen oder Blogs folgen.

Verschiedenste Umweltreize – nicht zuletzt Social Media – strömen als permanente Informationsflut auf die menschlichen Sinne ein. Nur ein verschwindend geringer Bruchteil der zahlreichen Gerüche, Geräusche, Geschmäcker, Formen, Worte, Texte und Bilder werden bewusst verarbeitet (vgl. Scheier & Held, 2008, S. 48 f.). Fast 100 Prozent der Sinneseindrücke werden lediglich unbewusst wahrgenommen und manifestieren sich in routinierten oder aber impulsiven Handlungs- und Gedanken­vorgängen (vgl. Ebd., S. 55 ff.). Die Wirkung eines Beitrags ist daher individuell verschieden und abhängig von kulturellen, situativen und persönlichen Faktoren, jedoch immer eine Kommunikation, die auf den Konsumenten – wenn auch unbewusst – einwirkt (vgl. Ebd., S. 84 ff.).

In sozialen Netzwerken können User sowohl die Rolle des Konsumenten als auch des Produzenten digitaler Inhalte einnehmen (vgl. Bruns, 2010, S. 191): In der post­modernen Mediennutzung „agieren [Individuen] als Knotenpunkte eines potenziell globalen Netzes Gleicher.“ (Freyermuth, 2007, S. 27) Diese selbstbestimmte – im Sinne einer interaktiven – Nutzung sowie die emotional ansprechenden Inhalte und impulsive Handhabung, machen Instagram zum Unterhaltungsmedium für den post­modernen, reizüberfluteten Menschen (vgl. Dohle & Bernhard, 2013, S. 249 ff.). Gleichzeitig dient der soziale Austausch der Identitätsfindung (vgl. Zhao, 2015, S. 221 f.).

Im Zeitalter von Social Media bedeutet soziale Interaktion die Kommunikation mit anderen – meist fremden – Personen in einem orts- und zeitungebundenen Raum (vgl. Gugutzer, 2012, S. 91). Die Interaktionspartner sind – anders als beim persönlichen face-to-face-Kontakt – durch ihre virtuelle Darstellung permanent präsent und erreichbar (vgl. Stempfhuber, 2015, S. 138 ff.), wodurch ebenfalls eine enge Beziehung aufgebaut werden kann. Den besten Beweis hierfür liefern sogenannte Influencer, mit welchen sich das nächste Kapitel beschäftigt.

4.2. Phänomen Influencer

Die Merkmale postmoderner Kommunikation sind Flexibilität und Interaktivität (vgl. Hörning & Reuter, 2008, S. 118): In sozialen Netzwerken kann jeder User Inhalte generieren, kommentieren und konsumieren (vgl. Bruns, 2010, S. 191 f.). Was unterscheidet Influencer von den restlichen Nutzern? Influencer fokussieren sich vermehrt auf die Produktion von digitalen Inhalten sowie den Aufbau einer starken Community (vgl. Freese, 2020; Instagram, o.D.c).

Häufig werden Instagram-Influencer anhand ihrer Abonnierendenzahl kategorisiert, die auch vom Themenbereich des Accounts abhängt. Eine weit verbreitete These ist dabei: „Je höher die Reichweite, desto geringer der Einfluss [des Influencers auf die Abonnierenden].“ (Freese, 2020) Begründet wird diese Aussage mit der Exklusivität, die einer kleinen Zielgruppe zuteilwird: So bleibt dem Influencer mehr Zeit für das Interagieren mit den Followern, z.B. durch den Austausch privater Nachrichten oder dem Reagieren auf Kommentare. Je mehr Follower, desto mehr Aufwand und weniger persönliche Zuwendung kann ein Influencer aufbringen (vgl. Ebd.). Die laut der gängigen Kategorisierung als ‚Mega-Influencerin’ (Follower-Zahl > 1.000.000) geltende Pamela Reif weist jedoch mit über sechs Millionen Followern32 trotz ihres Promi-Status eine enge Bindung zu ihrer Community auf und der Absatz ihrer vermarkteten Produkte spricht für das Vertrauen ihrer Follower in ihre Empfehlungen (vgl. Malzer, 2020). Genau wie die Unterteilung nach absteigender Follower-Zahl in Mega-, Makro‑, Mikro- und Nano-Influencer sind derartige Faustregeln lediglich zur Orientierung geeignet und die individuellen Accounts für eine Einschätzung einzeln zu analysieren (vgl. Ebd.).

Die meisten Influencer posten regelmäßige Bildbeiträge im Feed und täglich eine Viel­zahl an Stories, um den Kontakt zu ihren Abonnierenden aufrechtzuerhalten. Instagram-Stories abonnierter Kanäle werden über dem Feed auf der individuellen Nutzerstartseite angezeigt. Eine Story ist ein zeitlich begrenzter Videoausschnitt und bietet die Möglichkeit, den ‚persönlichen Alltag’ mit der Community zu teilen (vgl. Instagram, o.D.d). Nach 24 Stunden werden Stories gelöscht; es sei denn der Urheber speichert die Stories auf seinem Account, damit sie den anderen Nutzern unbegrenzt zugänglich sind (vgl. Ebd.). Das geschieht z.B. bei Rezepten, speziellen Trainingstipps und auch Vermarktungsposts wie Informationen zum käuflichen Fitnessprogramm. Durch die hohe Frequenz von Beiträgen und Stories sowie private Einblicke wird eine intime Beziehung zu den Followern aufgebaut (vgl. Instagram, o.D.c.; Döring, 2013, S. 295 f.). Wie auf Beiträge können Nutzer auch auf Stories reagieren. Der Kommentar wird dem Urheber dabei direkt als private Nachricht im Instagram-Messenger33 über­mittelt. Tools wie die Umfrage-Funktion34 in Stories steigern die Interaktivität zusätzlich.

Die (Para-)Sozialität der auf Instagram geknüpften Beziehungen zwischen Follower und Influencer kann dabei diskutiert werden: Parasoziale Beziehungen sind ein­dimensionale Beziehungen, die Medienkonsumierende zu Medienfiguren, etwa Serien­figuren aus dem Fernsehen oder prominenten Stars, auf emotionaler, kognitiver sowie behavioristischer Ebene aufbauen und die nicht auf Gegenseitigkeit beruhen (vgl. Döring, 2013, S. 302 f.). Die Interaktion zwischen Influencer und Follower ist zwar virtuell, aber nicht-fiktiv (vgl. Ebd., S. 303). Die Beziehung kann demnach nicht als ‚parasozial’ bezeichnet werden. Die Nahbarkeit und permanente mediale Präsenz der Influencer führt jedoch zu einem hohen Identifikationspotenzial: So sehen manche Follower Vorbilder, vielleicht sogar Freunde in den Influencern, weil sie glauben, diese durch ihr authentisches Auftreten zu ‚kennen‘ (vgl. Ebd., S. 307; Hipeli & Süss, 2013, S. 198 ff.). Authentizität meint dabei die ‚natürliche’, nicht inszenierte Außen­wirkung einer Person (vgl. Penz, 2013, S. 58). Die Fitnessinfluencer beginnen meist selbst als unbekannte Bürger, die ihren Alltag und ihr Hobby, den Sport, teilen. Sie selbst sorgen dafür, aus der Masse herauszustechen und arbeiten für ihren Körper und ihre Popularität (vgl. Spreen, 2015, S. 109).

„In der Beziehung zwischen Influencer und Follower geht es um gemeinsame Interessen. Dabei begegnen die Influencer den Followern als Fachmann auf ihrem Gebiet, werden jedoch gleichzeitig auch als ‚reale Menschen’ mit Wünschen, Träumen, und Krisen wahrgenommen. Follower können sich so mit dem jeweiligen Influencer identifizieren.“ (von Rotz & Tokarski, 2019, S. 412)

Diese unvergleichliche Bindung zwischen Follower und Influencer wissen auch Unter­nehmen für ihr eigenes Marketing zu schätzen (vgl. Scheier & Held, 2008, S. 39), denn Influencer können sämtliche Ansprüche der Werbung erfüllen: Sie informieren über das Produkt, bieten durch eine ansprechende Inszenierung Unterhaltung und motivieren durch ihre starke emotionale (Follower- bzw. in diesem Falle Kunden‑) Bindung zum Kauf (vgl. Weber & Fahr, 2013, S. 334 f.).

Nicht nur eine hohe Reichweite ist für Influencer erstrebenswert, auch die Interaktions­rate35 spielt besonders für Marketingzwecke eine große Rolle, denn so lässt sich nicht nur die Anzahl der Zielpersonen, sondern auch das Interesse dieser an den Beiträgen ableiten (vgl. absatzwirtschaft, 2016). Je mehr Abonnierende ein Nutzer aufweisen kann, je höher seine Interaktionsrate oder je passender seine Zielgruppe, desto interessanter wird er für Firmen, die ihre Marke und Produkte bewerben möchten (vgl. Kilian, 2017, S. 61 f.). Die Unternehmen erhoffen sich dabei, von der intensiven Beziehung zwischen Influencer und Follower zu profitieren und die Kunden so emotional an ihre Marke zu binden bzw. ihren Bekanntheitsgrad noch zu erhöhen (vgl. Faßmann & Moss, 2016, S. 36 ff.).

„Erfolgreiche Beeinflusser verfügen über soziale Autorität und Vertrauenswürdigkeit. Sie zeigen Hingabe, verhalten sich konsistent, sind engagiert und fachlich kompetent. Sie […] gelten in ihrer Community als […] Vorbilder, deren Meinungen und Empfehlungen man Beachtung schenkt“ (Kilian, 2017, S. 64).

Influencer genießen häufig ungeachtet ihrer fachlichen Qualifikationen36 Experten­status (vgl. Weber & Fahr, 2013, S. 348). Verantwortlich ist der bereits angesprochene visuelle Fokus auf Instagram (vgl. Faßmann & Moss, 2016, S. 13 f.). „Grundsätzlich gilt, dass Attraktivität gleichgesetzt wird mit Erfolg und Zufriedenheit.“ (Luca, 2007, S. 43) Hierfür sind insbesondere mediale Inhalte verantwortlich, in denen Gesundheit, Optik und Selbstwert gleichgestellt werden und die die gesellschaftliche Definition eines ‚attraktiven Körpers’ maßgeblich beeinflussen (vgl. Ebd.).

Wie bereits beschrieben, motiviert die vorherrschende Upgradekultur in der Post­moderne den autarken Menschen dahingehend, stets aktiv das Optimum aus sich, seinen Fähigkeiten und seinem Körper, zu holen (vgl. Spreen, 2015, S. 108 f.). Dabei spielt der Blick anderer eine große Rolle: Die Gesellschaft bietet die Orientierung an einem Ideal, von dem es sich zwar einerseits im Sinne der individualisierten Identitäts­findung abzugrenzen gilt, andererseits will sich der Mensch als soziales Wesen aber stets in die Gesellschaft integrieren, sich sozialisieren, also gefallen (vgl. Grosse-Loheide, 2007, S. 68; Gugutzer, 2002, S. 134 f.). Nun kann gegenargumentiert werden, dass gewiss nicht ‚jeder’ Mensch ‚allen’ Mitmenschen gefallen möchte, was aufgrund der individuellen Vielfalt auch gar nicht möglich ist. Doch die reziproke Verknüpfung zwischen dem Individuum und der Gesellschaft macht eine von letzterer völlig los­gelöste Identitäts- bzw. Körperarbeit unmöglich (vgl. Grosse-Loheide, 2007, S. 69 f.; Villa, 2007). „Die soziale Welt kann [nach Goffman] mit einer Bühne verglichen werden, auf der es Darsteller gibt, die vor einem Publikum ihre Rolle spielen, primär darauf bedacht, den zum Stück passenden richtigen Eindruck zu vermitteln.“ (Gugutzer, 2002, S. 132 f.) Jeder Mensch ‚verkörpert’ also je nach Situation – in der Familie, bei der Arbeit, im Sportverein oder Freundeskreis – eine andere Rolle (vgl. Goffman, 1969, S. 69 f.). Übertragen auf Instagram lässt sich die dramaturgische Inszenierung des Körpers hier durch Filter, Photoshop oder bestimmte Posen37 beobachten (vgl. Gugutzer, 2002, S. 133). In diesem Kontext wirkt der Anspruch auf Authentizität an die Influencer paradox (vgl. Degele, 2017, S. 115).

4.3. Durch die Inszenierung der eigenen Identität zum Instagram-Influencer

„Permanente Identitätssuche und Schaffung eines persönlichen Profils ist Teil des Lebens […] in Gesellschaften [der Postmoderne].“ (Posch, 2009, S. 49) Dieses ‚persönliche Profil’, die eigene Identität, lässt sich am besten auf visueller Ebene durch den Körper vermitteln (vgl. Hahn & Stempfhuber, 2015, S. 8). Die Überlegungen des Soziologen Goffman gehen bereits vor der Zeit sozialer Netzwerke „von einem ausgeprägten Individualismus aus [, in dem] das Individuum als strategisch sich inszenierender Spieler auf[tritt.]“ (Knoblauch, 1994, S. 15) Um die eigene Präsenz zu erweitern, sich Feedback und Bestätigung zur eigenen Person (und der in diesem Rahmen geleisteten Optimierungsarbeit) zu holen, ist es – besonders für jüngere Generationen – nahezu unerlässlich, sich auch in der digitalen Welt ein ‚Profil’ zuzulegen (vgl. Marschik, 2008, S. 300 f.).

Instagram als digitales Medium bietet die Möglichkeit, das permanent im Schaffungs­prozess stehende ‚Ich’ mittels der eigens geschaffenen visuell-materialisierten Körper­lich­keit zu ‚teilen’ (vgl. Ebd., S. 299; Schreiber & Götzenbrucker, 2018, S. 29 f.). Eine öffentliche Darstellung der eigenen Person impliziert zwangsläufig eine (je nach Person und Beitrag mehr oder weniger bewusste) Selbstinszenierung (vgl. Schreiber & Götzenbrucker, 2018, S. 32): Die ‚Abbildung’ eines Moments blendet die natürliche Atmosphäre bestehend aus der Geräuschkulisse, Gerüchen, Emotionen – die ganzheit­liche Situation vor und nach der Fotografie – aus (vgl. Goffman, 1969, S. 40 ff.). Meist werden die Fotos bewusst geschossen, um bestimmte Effekte zu erzielen, die zu genau diesem Zeitpunkt extra in Szene gesetzt werden (vgl. Ebd., S. 42).

Goffman verweist in seinem Werk ‚ Wir spielen alle nur Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag’ auf die ursprüngliche Wortbedeutung der Person: Er bezeichnet die Person, die in den vorausgegangenen Kapiteln als umfassende, prozessierende Identität bzw. Individuum herausgearbeitet wurde, dabei als ‚Maske’ (vgl. Ebd., S. 17): „Ich habe den Begriff ‚Darstellung’ zur Bezeichnung des Gesamtverhaltens eines Einzelnen verwendet, das er in Gegenwart einer bestimmten Gruppe von Zuschauern zeigt.“ (Ebd., S. 19) In dieser Arbeit als Selbstinszenierung bezeichnet, betitelt Goffman die Summe an Mimik, Gestik, Bekleidung, Körperhaltung und ‑position38 im Weiteren als ‚Fassade’ und damit ‚Teil der Darstellung’ (vgl. Ebd., S. 19 ff.). Der Körper ist bereits in seiner Existenz eine Kommunikation mit der Umwelt (vgl. Loenhoff, 2017, S. 51 ff.). Selbst in der digitalen Kommunikation ist der Körper eine zwingende Voraussetzung, was im direkten Anschluss bei Betrachtung der Erfolgskriterien von Influencern deutlich wird (vgl. Ebd., S. 54).

Auf der sozialen Plattform Instagram sind, unabhängig der zielgruppenspezifischen Nische, vier Bereiche im Zusammenspiel entscheidende Faktoren für den Erfolg eines Influencers: Optik, Content 39, Persönlichkeit und Kontinuität (vgl. von Rotz & Tokarski, 2019, S. 412 f.).

Optik: Gerade im Fitnessbereich wird der Körper zum Aushängeschild des eigenen Lebensstils: Eine sportliche Figur gilt gemeinhin als attraktiv40 und spielt auch in der Selbstdarstellung auf der Bilderplattform eine große Rolle (vgl. Dimitriou, 2019, S. 78 ff.; Penz, 2013, S. 56 f).

Content: Dabei kommt es auch auf die Präsentationsweise (vgl. Scheier & Held, 2008, S. 32) und den restlichen Content des Instagram-Profils an – den individuellen Stil des Influencers (vgl. Goffman, 1994, S. 58 ff.). „Während einige Influencer mittlerweile als Schönheitsbild fungieren, verschaffen sich andere Influencer auf anderem Weg Wiedererkennungswert.“ (von Rotz & Tokarski, 2019, S. 413) Das kann durch die Vermittlung von Wissen, humoristische Beiträge oder weitere individuelle Merkmale geschehen, die den Account interessant für potenzielle Follower machen (vgl. Götz & Becker, 2019, S. 23 ff.).

Persönlichkeit: Das Interesse an dem Influencer als Person ist ebenso bedeutend (vgl. Ebd., S. 412). Wie im vorherigen Kapitel erläutert, bieten soziale Netz­werke wie Instagram die Möglichkeit, eine unvergleichliche Bindung zu dem im realen Leben unbekannten Influencer aufzubauen (vgl. Döring, 2013, S. 304). Durch eine authentische, also glaubwürdige, Selbstdarstellung hat der Follower das Gefühl, den Influencer zu ‚kennen’, auch wenn die Rolle als Influencer lediglich eine von vielen ist, die die gesamte ‚reale’ Person hinter dem virtuellen Profil ausmachen (vgl. Goffman, 1969, S. 33 f.; S. 81).

Kontinuität: Neben dem Aufbau einer eigenen Community und einer starken Bindung zu den Followern, ist auch die Pflege dieser intensiven Beziehung wichtig (vgl. von Rotz & Tokarski, 2019, S. 411 f.). Das gelingt nicht nur durch eine authentische Selbstdarstellung, sondern vor allem durch Präsenz, sprich regelmäßige Interaktion mit der Community, z.B. durch Likes, Kommentare, Umfragen oder Privatnachtrichten (vgl. Stempfhuber & Wagner, 2018, S. 123 ff.). Kontinuierlicher Content ist ebenfalls Bestandteil der Präsenz, um die – aufgrund der Vielfalt des globalen Internetnetzwerks flüchtigen – Aufmerksamkeit der digitalen User auf dem Account zu behalten bzw. sogar zu verstärken (vgl. Hahn & Stempfhuber, 2015, S. 12). Permanente Präsenz zu zeigen, setzt in der digital vernetzten Gesellschaft nicht mehr zwangsläufig die notwendige physische Anwesenheit von Personen im selben Raum und zur selben Zeit voraus; Interaktionen und Beziehungen werden im Social Media-Zeitalter oft virtuell ausgetragen (vgl. Stempfhuber, 2015, S. 137 ff.; S. 147). Die mediale Präsenz auf Instagram gewährleistet eine permanente Verfügbarkeit der eigenen Person (vgl. Hahn, 2015, S. 24).

Durch den Austausch mit anderen Usern auf der einen und den Vergleich mit diesen auf der anderen Seite wird eine individuelle Identität konstituiert (vgl. Luca, 2007, S. 42 f.). Digitale Netzwerke und Plattformen sind in diesem reziproken Konstrukt aus Gesellschaft und Individuum „Ressource[n] im Entwicklungsprozess der Identität“ (Ebd., S. 43).

Zwar gehen Goffmans identitätstheoretische Ansätze hauptsächlich von einer körper­lichen Kopräsenz aller Anwesenden aus, doch sind die Grundzüge auch auf Individuen in der postmodernen Gesellschaft übertragbar (vgl. Hettlage, 1999, S. 201; Houben, 2018, S. 5). Anders als in der in Goffmans Ausführungen thematisierten Bühnen­situation, in der durch moderne (massen-) mediale Möglichkeiten wie Fernseh­übertragung bereits größere Publiken adressiert werden können (vgl. Goffman, 1994, S. 70), zeichnet sich die Kommunikation in sozialen Netzwerken wie Instagram durch einen wechselseitigen Austausch aller registrierter User aus (vgl. Hoffmann, 2017, S. 168 ff.). Zudem ist das Smartphone als Mittelinstanz zwischengeschaltet, wodurch die körperliche Darstellung erst das eigene physische Handeln bedarf (vgl. Houben, 2018, S. 4 f.): Durch das Hochladen des Bildmaterials auf die soziale Plattform wird die körperliche Darstellung zum ubiquitären, zeitlosen Kommunikationsinhalt (vgl. Hoffmann, 2017, S. 164 f.). Anders als bei einer face-to-face- Situation mit physischer Kopräsenz oder einem Theaterstück, ist die Kontrolle der eigenen Selbstdarstellung im ‚Rahmen’41 Instagram um einiges leichter (vgl. Grosse-Loheide, 2007, S. 72 f.; Hettlage, 1999, S. 194 f.). Allerdings besteht durch zu viel Inszenierung und Nachbearbeitung die Gefahr des Authentizitätsverlusts, wodurch die Außenwirkung geschädigt wird (vgl. Goffman, 1969, S. 147 f.).

[...]


1 Ein Hashtag markiert ein Thema und erleichtert so in digitalen Texten die Suche nach den entsprechenden Überbegriffen (vgl. Duden, o.D. b). Hashtags werden auf Social Media-Kanälen wie Twitter oder Instagram als Schlagworte verwendet, um einen Beitrag einem Motto oder Thema unterzuordnen. Auch Beiträge auf Instagram werden daher häufig mit schlagwortgebenden Hashtags versehen.

2 Die an dieser Stelle aufgeführten Zitate geben Titel verschiedener Fitnesszeitschriften der letzten 10 Jahre wieder.

3 Unsere aktuelle, digitalisierte und mediatisierte Gesellschaft wird im Folgenden in Anlehnung diverser Quellen stets als Postmoderne bezeichnet (vgl. Bette, 2005, S. 29; Dimitriou, 2012, S. 3 ff.; Gugutzer, 2006, S. 44).

4 Mit dem Begriff Social Media wird in dieser Arbeit die Gesamtheit sozialer Netzwerke im digitalen Bereich erfasst. Hierzu zählen sämtliche Plattformen zum interaktiven Austausch der Mitglieder wie bspw. Facebook oder TikTok. Die vorliegende Untersuchung fokussiert die Plattform Instagram.

5 Sogenannte Digital Natives sind mit den neuen postmodernen Technologien herangewachsen. Für sie ist die Handhabung der meisten technischen Alltagsbegleiter wie Smartphones intuitiv (vgl. Kertamutki, 2019).

6 Sämtliche hier verwendete Begriffe sind mittlerweile im Jargon der Social Media-Präsenz etabliert und in den aufgeführten Quellen ebenfalls gebräuchlich. Dennoch werden alle Fachbegriffe bei erstmaliger Nennung im Fließtext oder aber einem Verweis erläutert.

7 Als User werden gemeinhin und im Verlauf dieser Arbeit sämtliche Konsumenten bzw. Nutzer eines im Kontext beschriebenen digitalen Mediums bezeichnet. Das impliziert die mehrdeutige Auffassung des postmodernen Nutzer-Begriffs als aktiver Produzent, reaktiver Ko-Produzent sowie passiver Konsument medialer Inhalte. Kapitel 4 geht näher auf die Rolle des mehrdimensionalen Nutzers ein.

8 Die Bezeichnung Influencer stammt wie der Begriff User aus dem englischen Wortgebrauch und bedeutet grob übersetzt ‚Einflussnehmende‘. Influencer erlangen durch die Produktion von digitalen Inhalten auf sozialen Netzwerken Bekanntheit (vgl. Faßmann & Moss, 2016, S. 17). Meist spezialisiert sich ein Influencer auf eine bestimmte Themensparte, z.B. Mode, Fitness oder Rezepttipps.

9 Community bezeichnet die Gemeinschaft aller Nutzer einer Social Media-Plattform wie bspw. Instagram (vgl. Instagram, o.D.b). Viele Influencer nutzen den Begriff allerdings auch für die Abonnierenden ihres eigenen Accounts.

10 Als Follower werden die Abonnierenden eines Instagram-Accounts bezeichnet. Sie unterstützen den jeweiligen Influencer durch Interaktion und Reaktion auf seine medialen Beiträge.

11 Detaillierte Ausführungen zu der Vorgehensweise und den in dieser Arbeit angewandten Methoden liefert das anschließende Unterkapitel 1.3.

12 Der Instagram-Feed ist im Gegensatz zu den Instagram-Stories im Account des Nutzers zur öffentlichen Ansicht für die Follower gespeichert (vgl. Instagram, o.D.e.). Der User kann den Feed aber jederzeit nachträglich ändern oder bestimmte Posts löschen.

13 Die exakte Vorgehensweise wird ebenfalls im Untersuchungsteil in Kapitel 6.1. aufgegriffen.

14 Auf die Bedeutung der Gesellschaft bei der Entwicklung der eigenen Identität und persönlichen Wertvorstellungen geht das Unterkapitel 2.3 ein.

15 Bodybuilding bezeichnet das Formen des eigenen Körpers durch Kraftsport mit dem Ziel des proportionalen Muskelaufbaus. Eugen Sandow gilt Anfang des 20. Jahrhunderts als Begründer des zunächst ausschließlich männlichen Sports (vgl. Dutton, S. 123 f.). Zu den wohl bekanntesten und erfolgreichsten Bodybuildern zählt der Österreicher Arnold Schwarzenegger in den 1970er Jahren (vgl. Ebd., S. 144 f.). Zu dieser Zeit etablierte sich das Bodybuilding im Zuge der Frauenbewegung auch bei Sportlerinnen und zählt seither zu einer populären Sportart im Fitnessbereich (vgl. Ebd., S. 147). Auch Influencer der vorliegenden Inhaltsanalyse betreiben Bodybuilding und nehmen auch an Wettkämpfen teil. Jedoch trifft dies nicht auf die gesamte Stichprobenauswahl zu.

16 Diese Arbeit bezieht sich durchgehend auf die derzeitige deutsche Gesellschaftssituation. Als Industrieland differenziert sich Deutschland in seiner Wirtschaft und den gesellschaftlichen (Wert-) Vorstellungen von anderen Gebieten. Auch die Lebensweise und Mentalität beeinflusst die Landeskultur. Daher wird sich auch die anschließende Untersuchung in Form einer Inhaltsanalyse auf in Deutschland aktive Instagram-Influencer beziehen.

17 Phänomenologie bezeichnet eine, Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem durch Edmund Husserl geprägte, Erkenntnistheorie (vgl. Gugutzer, 2012, S. 22). Maurice Merleau-Ponty, als Hauptvertreter der Wahrnehmungsphänomenologie, legte seinen Fokus insbesondere auf die Leiblichkeit und die Überwindung der Trennung von Gegensätzen wie Leib und Seele, Physis und Psyche (vgl. Ebd., S. 29), um die Verknüpfung des Menschen und dessen Körper mit den weltlichen Strukturen und Beziehungen offenzulegen (vgl. Crossley, 2017, S. 318).

18 Die philosophische Anthropologie beschäftigt sich mit dem Wesen des Menschen und dessen Stellung in der Gesellschaft bzw. den weltlichen Strukturen. Sie entstand ebenfalls im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in der Auseinandersetzung mit der Phänomenologie.

19 Auch unbewusste körperliche Aspekte – wie Körperhaltung, Gestik oder Mimik – sind bereits voller symbolischem Gehalt für die Umwelt. Die bloße Präsenz eines Körpers stellt bereits Kommunikation, ein ‚Statement’ an die und eine Interaktion mit der Umwelt dar (vgl. Scheffer, 2017, S. 488).

20 Die vorherrschenden (Wert-)Vorstellungen der aktuellen Gesellschaft greift das folgende dritte Kapitel auf.

21 Der Begriff Individuum schließt zwangsläufig den menschlichen Körper in seiner ambigen Bedeutung (s. Kap. 2.2.) ein, da nur durch Körper-Handeln und -Erleben ein Prozess des eigenen Identitätsaufbaus möglich ist.

22 Auf Goffmans Interaktionstheorie geht Kapitel 4.3. im Kontext von Instagram und der Beziehung zwischen Influencer und Follower ein. In dieser exemplarischen Erläuterung Goffmans Überlegungen wird dessen Relevanz in der vorliegenden Arbeit deutlich.

23 Der symbolische Interaktionismus beschreibt eine mikrosoziologische Identitätsforschung, die sich auf die Wechselwirkungen zwischen Individuum und Umwelt konzentriert (vgl. Joas, 1999, S. 186). Vorreiter dieser Forschungstradition war Georg H. Mead, an dessen handlungstheoretischen Überlegungen Goffman aus einer neuen Perspektive – dem Körper in sozialen Interaktionen – anknüpft (vgl. Gugutzer, 2002, S. 38).

24 Pierre Bourdieu stellte bei seinen Überlegungen zur Klassenstruktur der französischen Gesellschaft in den 1960er und 1970er Jahren den Körper in den Fokus (vgl. Gugutzer, 2015, S. 70). In seinem Hauptwerk Die feinen Unterschiede ordnet er unterschiedlichen Gesellschaftsschichten aufgrund der Prägung durch das soziale Umfeld unterschiedliche Körperpraktiken – Habiten – zu (vgl. Ebd., S. 71).

25 Spreen führt hier eine Reihe von Abhängigkeiten des individualisierten Menschen in der postmodernen Gesellschaftsstruktur auf; z.B. Mode- oder Food-Trends, rechtliche Grundlagen sowie sämtliche Konsumangebote (vgl. Spreen, 2015, S. 309 f.).

26 Auf die Bedeutung der Medien innerhalb der bestehenden Optimierungskultur und deren Anteil an der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schönheitsidealen geht das letzte Unterkapitel 3.4. ein.

27 Diese Entwicklung ist nicht erst seit der aktuell herrschenden Corona-Pandemie zu beobachten, sondern ein Digitalisierungsprozess in der postmodernen Gesellschaft (vgl. Houben, 2018, S. 4). Die Beschränkungen aufgrund des Corona-Virus verstärken jedoch die Nutzung und den Ausbau digitaler Kommunikation im privaten als auch beruflichen Kontext.

28 Praxis meint hier nach Bourdieu das gesamte Auftreten und Verhalten einer Person und impliziert auch ihre – aufgrund ihrer Klassenherkunft determinierten – Grundeinstellungen und Orientierungen (vgl. Bourdieu, 2014, S. 277 ff.).

29 Ein Post ist ein Beitrag auf einer sozialen Plattform, der anschließend von anderen Usern kommentiert oder geliked werden kann.

30 Hier sind sämtliche bereits erwähnte visuelle Medienformate inbegriffen: Print, Fernsehen sowie digitale Medieninhalte.

31 Swipen bezeichnet das Wischen mit dem Finger auf dem Touchscreen des Smartphones.

32 Zum Vergleich: Das internationale Topmodel Heidi Klum hat als ‚Prominente durch die Massenmedien’ rund 7,5 Millionen Follower. (Stand 20.08.2020)

33 Der Messenger ist ein privater Chatbereich, in dem sich die einzelnen User untereinander Nachrichten, Bilder und Videos schicken können (vgl. Instagram, o.D.d). Mit Blick auf die Follower-Influencer-Beziehung schafft diese Art der Kommunikation eine zusätzliche Intimität (vgl. Klemm & Staples, 2015, S. 30 f.).

34 Der User kann beim Erstellen seiner Story eine Umfrage zu dieser hinzufügen, bei der die Follower für eine der zwei Auswahlmöglichkeiten abstimmen können. Die Prozentzahl verrät nach jedem Vote den Anteil der Teilnehmenden für die jeweilige Option.

35 Mit der Interaktionsrate wird die Beteiligung der Community auf die geposteten Beiträge, bspw. in Form von Likes oder Kommentaren, bezeichnet.

36 Fachliche Qualifikationen im Fitness-Bereich wären bspw. Lizenzen zum Personal Trainer oder sogar ein abgeschlossenes Sport-Studium o. Ä. Ausbildungen dieser Art können aber nicht alle Influencer vorweisen; der Großteil betreibt sowohl den Sport als auch Instagram als Hobby in der eigenen Freizeit.

37 Die Bilder auf der Plattform Instagram werden meist vor der Veröffentlichung bearbeitet. Mit verschiedenen Filtern oder anderen Tools können ‚Makel’ wie Rötungen, Unreinheiten oder Fettpolster retuschiert werden.

38 Diese Einzelkomponenten sind bewusst auf eine fotografische Abbildung anwendbar, daher wurde bei der Aufzählung das persönliche Verhalten und andere im persönlichen Kontakt relevante Faktoren wie die Sprache, der Geruch oder Bewegungsmuster ausgelassen.

39 Content bezeichnet den bereitgestellten Inhalt auf digitalen Kanälen. Im Kontext dieser Inhaltsanalyse ist hier meist von den Instagram-Posts der Influencer die Rede.

40 Die in dieser Arbeit beschriebenen Idealvorstellungen bieten eine Orientierung des überwiegenden Geschmacks – der Werte und Trends – der Gesellschaft, insbesondere im Fitnessbereich.

41 Goffman setzt jede Handlung in einen ‚Rahmungskontext’: Je nach ‚Wirklichkeitsbereich’ gelten bestimmte Regelungen zur Kommunikation, die ein Interpretationsmuster festlegen und denselben Ausdruck (z.B. eine Geste) in unterschiedlichen Situationen völlig unterschiedlich bewerten (vgl. Hettlage, 1999, S. 194 ff.).

Ende der Leseprobe aus 140 Seiten

Details

Titel
Der figürliche Körper auf Social Media und Instagram. Eine (Inhalts-)Analyse der Körperpräsentation von Fitnessinfluencer*innen
Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln  (Kommunikations- und Medienforschung)
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
140
Katalognummer
V1131821
ISBN (eBook)
9783346500304
ISBN (Buch)
9783346500311
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Instagram, Inhaltsanalyse, Fitness, Influencer, Körper, Ideale, Optimierungskultur, Social Media
Arbeit zitieren
Laura Kerling (Autor:in), 2021, Der figürliche Körper auf Social Media und Instagram. Eine (Inhalts-)Analyse der Körperpräsentation von Fitnessinfluencer*innen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1131821

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der figürliche Körper auf Social Media und Instagram. Eine (Inhalts-)Analyse der Körperpräsentation von Fitnessinfluencer*innen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden