„Der große Umfang der objektiven Wirklichkeit, der dem literarischen Roman offen
steht, steht auch ganz dem Film offen.“
Vor nunmehr 80 Jahren schrieb W.I. Pudowkin diese Feststellung nieder und beteiligte sich
energisch an der damals geführten Debatte, die versuchte das Phänomen Film und cinéma
greifbar zu machen und es im Rahmen seiner Eigenheiten in Reflexion auf andere Künste zu
positionieren. Pudowkins Offensive geht soweit, dass er den Film als die allumfassende Generalkunst
bezeichnet, die „alle bisher geschaffenen Künste in sich [faßt]“. So leitet der Filmemacher,
unterstützt von weiteren Filmtheoretikern des russischen Formalismus, her, wie Musik
durch die Bewegung und Entwicklung in der Zeit, Theater durch lebendige Sprache sowie
natürlich Malerei und Fotografie durch die unmittelbare Entwicklung eines Sehbildes in das
filmische übergehen. Für Diskussionen, die bis heute allerdings die größte Nachhaltigkeit haben,
sorgte die Gegenüberstellung von Film und Literatur. Obwohl beide medialen Formen in
ihrem buchstäblich objektiven Vorkommen zunächst plakativ betrachtet vollkommen verschiedenen
scheinen, ist die beidseitige Kopplung doch immens. Gerade weil die immanenten
Möglichkeiten beider Medienformen ähnlichen scheinen, hatte man in der medienhistorischen
Betrachtung nicht selten das Gefühl als würden beide Formen geradezu oppositionell gegeneinander
gestellt.
„Bis zur Erfindung des Films und bis zur Bewußtwerdung der Montage war als einzige
Kunst die Literatur in der Lage, komplexe Sujetkonstruktionen zu entfalten, Fabel-
Parallelen zu entwickeln, den Handlungsort beliebig zu wechseln, Details zur Geltung
zu bringen usw.“ Trotzdem wurde in der Filmgeschichte recht zügig deutlich, wie eng Literatur und Film zusammengehören.
Rasant etablierten sich filmische Umsetzungen bestehender literarischer
Werke. Den Anfang nahm es mit einer Umsetzung von Goethes Faust im Jahre 1896 von
Louise Lumière, desselben Medienpioniers der gesagt haben soll, dass der Film eine Erfindung
ohne Zukunft sei. Doch allein 230 deutsche Werke wurden in den siebzehn Jahren zwischen
1912 bis 1929 verfilmt. Mit Ende der Naziherrschaft 1945 waren es hunderte Literaturverfilmungen
mehr, die natürlich konform der ‚Sieben Filmthesen’ Joseph Goebbels gedreht
wurden sind.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- 1.1 Vorüberlegung
- 1.2 Einteilung der Arbeit
- 1.3 Abgrenzung
- DER NEUE DEUTSCHE FILM
- 2.1 Ausgangssituation nach 1945
- 2.2 Das Autorenkino
- 2.3 Rainer Werner Fassbinder
- LITERATUR IM FILM
- 3.1 Literaturverfilmung
- 3.2 Der literarische Film
- 3.2.1 Zeit, Tempo & Rhythmus
- 3.2.2 Leerstellen
- 3.2.3 Sprache
- FONTANE EFFI BRIEST
- 4.1 Einordnung des Films und Verhältnis zum Roman
- 4.2 Titel, Farbe und Licht
- 4.3 Blenden und Texttafeln
- 4.4 Romantext, Darsteller und Sprache
- 4.5 Kamera und Schnitt
- 4.6 Literarisches Motiv - der Spiegel
- FAZIT
- QUELLEN
- 6.1 Literatur
- 6.2 Internetlinks
- 6.3 Audiovisuelle Medien
- 6.4 Abbildungsverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht das Phänomen des „literarischen Films" in Deutschland, wobei der Fokus auf die Entwicklung des Neuen Deutschen Films in den 1960er und 1970er Jahren und insbesondere auf Rainer Werner Fassbinders Verfilmung von Fontanes „Effi Briest“ liegt. Ziel ist es, die Frage nach der literarischen Qualität von Filmen zu beleuchten und zu erörtern, inwiefern Fassbinders Adaption von Fontanes Roman als Beispiel für einen „literarischen Film" gelten kann.
- Das Neue Deutsche Kino und seine Abgrenzung vom „Papas Kino" der 1950er Jahre
- Das Autorenkino als filmische Stilrichtung und seine Bedeutung für die Entwicklung des „literarischen Films"
- Die literarische Sprache im Film: Zeit, Tempo & Rhythmus, Leerstellen, Sprache
- Die Analyse von Fassbinders „Fontane Effi Briest" hinsichtlich seiner literarischen Elemente
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, in der der Begriff „literarischer Film“ eingeführt und seine Bedeutung im Kontext der deutschen Filmlandschaft der 1960er und 1970er Jahre erläutert wird. Die zweite Sektion widmet sich dem Neuen Deutschen Film und beleuchtet dessen Entstehung und Entwicklung, wobei der Schwerpunkt auf dem Einfluss des Autorenkinos und der Figur Rainer Werner Fassbinders liegt.
Im dritten Kapitel wird die Frage nach der literarischen Qualität von Filmen vertieft und es wird diskutiert, inwiefern ein Film überhaupt literarisch sein kann. Die anschließende Analyse von Fassbinders „Fontane Effi Briest" soll anhand einzelner filmischer Elemente (z. B. Titel, Farbe, Kamera, Schnitt) zeigen, wie die literarischen Elemente des Romans in die filmische Form übertragen wurden.
Schlüsselwörter
Der Essay beschäftigt sich mit zentralen Themen wie dem Neuen Deutschen Kino, dem Autorenkino, Rainer Werner Fassbinder, der Literaturverfilmung, dem „literarischen Film" und der Analyse filmischer Mittel zur Darstellung literarischer Elemente. Die Arbeit fokussiert auf die Frage nach der literarischen Qualität von Filmen und erörtert die Verzahnung von Literatur und Film am Beispiel von Fassbinders „Fontane Effi Briest".
- Quote paper
- Martin Thiele (Author), 2008, Literaturverfilmung und literarischer Film, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113211