„Die Türkei gehört nach Europa“1 lautete die eindeutige Forderung des Economist
im Dezember 2002. Ein EU-Beitritt der Türkei bedeute „das Ende der Europäischen
Union“2 äußerte dagegen der frühere französische Staatspräsident und damalige
Vorsitzende des Konvents über die Zukunft Europas Valéry Giscard d’Estaing.
Die Meinungen über einen EU-Beitritt der Türkei gehen offensichtlich weit auseinander.
Kaum ein anderes Thema wird im Zusammenhang mit der Europäischen
Integrationspolitik so kontrovers diskutiert wie die Frage, ob die Türkei in die Europäische
Union (EU) aufgenommen werden sollte.
Innerhalb der Gruppe der EU-Beitrittskandidaten nimmt die Türkei eine Sonderrolle
ein. Kein anderes Land hat sich dermaßen ausdauernd um eine EUMitgliedschaft
bemüht. Kein anderes Land ist dabei so oft enttäuscht worden. Ein
Wendepunkt der Beziehung zwischen der Türkei und der EU stellt der Gipfel von
Helsinki 1999 dar, auf dem der Türkei offiziell der Status eines Beitrittskandidaten
verliehen wurde. Durch die Eröffnung einer Beitrittsperspektive machte sich in
der Türkei eine EU-Euphorie breit, die sie ihre vormalige Blockadehaltung aufgeben
ließ. Unter dem innenpolitisch in Bedrängnis geratenen Präsidenten Ecevit wurden
Reformen durchgesetzt, die die Türkei der EU ein gutes Stück näherbrachten. Nach
demWahlsieg der islamisch geprägten Partei fürWohlstand und Gerechtigkeit (AKP)
im Jahr 2002 wurde der Reformkurs intensiviert, was dazu führte, dass die EU im
Jahr 2005 offiziell Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufnahm. Ein Eskalieren
des Kurdenkonflikts, anhaltende Probleme bei der praktischen Umsetzung der Reformen
sowie eine gewisse „Reformmüdigkeit“ trüben jedoch das ansonsten seit 1999
für viele überraschend positive Gesamtbild.
Die Dilalektik von Islam und Kemalismus ist für ein Verständnis der Türkei zentral.
Die unter Atatürk von oben durchgesetzte kemalistische Revolution sollte die
Rückständigkeit der Türkei beenden und sie auf das Entwicklungsniveau westeuropäischer
Nationen bringen. Als Ursache für die Rückständigkeit der Türkei machte
Atatürk den Islam aus, den er durch einen strengen Laizismus aus dem öffentlichen
Leben verbannte. Hätte die kemalistische Revolution nicht stattgefunden und wäre
der Laizismus somit niemals in die Türkei implementiert worden, bliebe ein Türkeibeitritt
zur EU vermutlich ausgeschlossen. Ein durch islamisches Recht geprägter
Gottesstaat wäre mit den Werten der EU wohl unvereinbar.
Inhaltsverzeichnis
- Europa und Türkei
- Bisherige EU-Erweiterungen
- Verhältnis der EU zur Türkei
- Türkei
- Rahmenbedingungen
- Republikwerdung und Kemalismus
- Islam
- Hindernisse auf dem Weg nach Europa
- Militär
- Die Kurdenfrage
- Nicht-muslimische Minderheiten
- Rahmenbedingungen
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Türkei und ihren Reformbestrebungen auf dem Weg nach Europa. Sie analysiert die Herausforderungen, die sich aus der Spannung zwischen Islam und Kemalismus ergeben, und untersucht die Hindernisse, die die Türkei auf ihrem Weg in die Europäische Union (EU) erlebt.
- Die Entwicklung der europäischen Einigung und das Verhältnis der EU zur Türkei
- Die Bedeutung von Kemalismus und Islam für die Türkei
- Die Rolle des Militärs und die Kurdenfrage
- Der Umgang mit nicht-muslimischen Minderheiten
- Die Herausforderungen der Reformpolitik in der Türkei
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Entwicklung der europäischen Einigung von der Montanunion bis zur EU. Es skizziert die wichtigsten Meilensteine der europäischen Integration und die Herausforderungen, die mit den Erweiterungen der EU verbunden waren. Im Anschluss wird das Verhältnis der EU zur Türkei beleuchtet, wobei die lange Geschichte der Beziehungen und die wechselnden Phasen der Annäherung und Distanzierung im Vordergrund stehen.
Das zweite Kapitel widmet sich der Türkei und ihren Rahmenbedingungen. Es analysiert die Republikwerdung und die Bedeutung des Kemalismus für die Türkei. Der Einfluss des Islams auf die türkische Gesellschaft und Politik wird ebenfalls beleuchtet. Im weiteren Verlauf des Kapitels werden die wichtigsten Hindernisse auf dem Weg der Türkei nach Europa untersucht. Dazu gehören die problematische Stellung des Militärs, die Kurdenfrage und der Umgang mit nicht-muslimischen Minderheiten.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Türkei, EU-Beitritt, Kemalismus, Islam, Militär, Kurdenfrage, Minderheiten, Reformpolitik, Europäische Integration.
- Arbeit zitieren
- Christoph Pfeiffer (Autor:in), 2008, Die Türkei auf dem Weg nach Europa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113316