Der antike Roman als Quelle. Realität und Fiktion anhand des Motives der Kindesaussetzung bei Longos "Daphnis und Chloe"


Seminararbeit, 2018

15 Seiten, Note: 2,3

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Der Roman des Longos

3. Betrachtung des Motivs der Kindesaussetzung anhand von Textbelegen
3.1 Daphnis
3.2 Chloe

4. Schlussteil

5. Literaturverzeichnis
5.1 Primärliteratur:
5.2 Sekundärliteratur:

1. Einleitung

Die Auseinandersetzung mit dem antiken Roman wird durch die Assoziationen, welche durch den Namen der Gattung hervorgerufen werden, erschwert .1 Denn der antike Roman hat kaum Bezug zu dem, was wir heutzutage im Allgemeinen unter einem Roman verstehen.2 Unter dem Begriff des antiken Romans lässt sich ein bestimmter Typ von meist fiktionaler Prosaerzählung fassen, welcher vermutlich in den ersten Jahrzehnten nach Christi Geburt entstand und bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts seine Blütezeit erlebte.3 Dementsprechend wurde ausschließlich in diesem Zeitraum eine Anzahl von Texten produziert, die teilweise vollständig oder fragmentarisch überliefert wurden und teils verloren gegangen sind.4 Diese Romane sind untereinander thematisch so ähnlich, dass von einem stereotypen Handlungsschema gesprochen werden kann.5 Es kann davon ausgegangen werden, dass sowohl bei den Lesern als auch den Autoren eine gewisse Vorstellung des stofflichen Rahmens und der verschiedenen Mittel zu Ihrer Darstellung herrschte. Das aus dieser Vorstellung resultierende immer wieder kehrende Handlungsschema ist selbst in den Romanen zumindest ansatzweise präsent, in denen Autoren „auf irgendeiner Weise davon abweichen oder ihr literarisches Spiel damit treiben.“6 Bis heute lassen alle Bemühungen eine Ursprungserklärung herzuleiten, nur den Schluss zu, dass die Beziehung des antiken Romans zu anderen Gattungen nicht in einem Verhältnis der genetischen Verknüpfung steht.7 Es kann von einer Adaption bereits vorhandener Gattungselemente ausgegangen werden. Niklas Holzberg definiert den antiken Roman in der antike Roman- eine Einführung als eine frei erfundene Prosaerzählung bei der die Protagonisten in einer real existierend dargestellten Welt agieren, die im Wesentlichen die Erfahrungswelt der frühkaiserzeitlichen Gesellschaft des Mittelmeerraumes aufzeigt.8 Deshalb sollte sich auch in fiktionalen Texten ein gewisser Realitätsbezug beobachten lassen.

Die Seminararbeit setzt sich zum Ziel den Realitätsgehalt im antiken Roman anhand von Longos Daphnis und Chloe zu prüfen und herauszuarbeiten inwieweit der antike Roman Quellencharakter besitzt. Auf Grund der umfangreichen Motive des gesamten Romans, wird sich diese Seminararbeit schwerpunktmäßig mit dem Motiv der Kindesaussetzung auseinandersetzen. Da die Motivik der Kindesaussetzung die Handlung wie eine Klammer umschließt, eignet sich nahezu kein anderes Thema so gut wie dieses, um das Verhältnis zwischen Fiktion und Realität am Beispiel des Romans Daphnis und Chloe zu erörtern. Dafür werden zunächst einige Informationen zu dem Roman des Longos geliefert. Im weiteren Verlauf wird das Motiv der Kindesaussetzung anhand von Textbelegen aus der Sekundärliteratur beleuchtet, damit dann im Schlussteil festgestellt werden kann, ob Longos die gesellschaftlichen Normen seiner Zeit darstellt oder die Schilderung doch rein auf fiktionalen Elementen basiert.

Es haben sich bereits einige Geschichtswissenschaftler mit der Thematik des antiken Romans beschäftigt. Auch wenn dort noch einige Fragen, wie die nach dem Ursprung des Antiken Romans offen sind, gibt es insgesamt eine solide Anzahl an Abhandlungen über den antiken Roman.9 Komplexer wird es, wenn man sich mit dem Motiv der Kindesaussetzung in der Antike beschäftigt. Die Kindesaussetzung bei den Römern und Griechen wurde seit geraumer Zeit in vielen wissenschaftlichen Erörterungen thematisiert, jedoch ohne zu einem befriedigenden und einheitlichen Ergebnis zu kommen. Außerdem ist es problematisch aufschlussreiche Sekundärliteratur zu der, für die Seminararbeit relevante Zeitspanne und die geographische Lage zu finden. Des Weiteren ist es wichtig zu beachten, dass viele der älteren monographischen Spezialabhandlungen durch christlichen Einfluss geprägt sind und den Brauch der Kindesaussetzung unter Umständen nicht unvoreingenommen gegenüberstehen.10

2. Der Roman des Longos

„Verstand, Kunst und Geschmack auf ihrem höchsten Gipfel erscheinen.“ 11

So schwärmte schon Goethe damals von Longos Werk und förderte damit seine Beliebtheit.12

Der Roman Daphnis und Chloe ist ein antiker bukolischer Liebesroman, welcher vermutlich Endes des 2. Jahrhunderts von dem griechischen Autor Longos verfasst wurde. Über die Person des Longos und die genaue Datierung des Werkes besitzen wir keine hinreichenden Informationen.13 In der Forschung14 wird angenommen, dass es sich bei dem Lesepublikum um die obere gebildete Schicht handelt, denn es wird ein gewisser Bildungsstand zum Verständnis des Werkes mit seinen Anspielungen vorausgesetzt.15 Der Roman teilt sich in vier Bücher, welche die vier Jahreszeiten wiederspiegeln. Schauplatz der Geschichte ist die griechische Insel Lesbos, welche in der nordöstlichen Ägais liegt und agiert in der Gegend der Ortschaft Mytilini. Der gesamte Roman spielt im Sklavenmilieu, denn die Handlungsträger sind unfreie Hirten, die im Dienst eines städtischen Großgrundbesitzers stehen. Da für diese Untersuchung nicht die gesamte Handlung des Romans von Relevanz ist, wird hier nur kurz der Inhalt angerissen. Primär geht es um die Daphnis und Chloe, die beide als Kleinkinder von ihren leiblichen Eltern an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten ausgesetzt worden sind. Den Kindern sind wertvolle Erkennungszeichen beigelegt worden, die auf eine vornehme Herkunft schließen lassen. Daphnis und Chloe wachsen beide bei Hirtenfamilien auf und entwickeln Gefühle füreinander. Im Verlauf des Romans findet eine Wiedererkennung und Begründung der Aussetzung durch ihre leiblichen Eltern statt.16 Nachdem die Beiden, wie für den antiken Roman üblich, einige Abenteuer und Schwierigkeiten überwunden haben, entschließen sie sich zu heiraten.

3. Betrachtung des Motivs der Kindesaussetzung anhand von Textbelegen

Im Roman Daphnis und Chloe ist das Motiv der Aussetzung ein fundamentales Element der gesamten Handlung. Beide Protagonisten werden zunächst ausgesetzt und erleben im Verlauf der Handlung eine Anagnorisis. Als Anagnorisis wird ein dramatisches Handlungselement bezeichnet bei der eine Wiedererkennung zwischen zwei Personen stattfindet.17 Das Motiv der Aussetzung wird bereits im ersten Buch eingeführt und im vierten Buch wiederaufgenommen. Aus diesem Grund sind für den Fortgang der Handlung und vor allem für die Auseinandersetzung mit der Thematik der Kindesaussetzung besonders diese beiden Bücher relevant.

[...]


1 Vgl. Picone, Michelangelo: Der antike Roman und seine mittelalterliche Rezeption, Basel, 1997, S. 9.

2 Vgl. Ebd.

3 Vgl. Holzberg, Niklas: Der antike Roman- eine Einführung, Darmstadt, 2006, S. 10.

4 Vgl. Ebd.

5 Vgl. Ebd., S.12.

6 Vgl. Ebd.

7 Vgl. Ebd.

8 Vgl. Ebd., S.39.

9 Müller, Carl Werner : Legende, Novelle, Roman dreizehn Kapitel zur erzählenden Prosaliteratur der Antike, Göttingen, 2006, S.398.

10 Beispielsweise: Tuor-Kurth, Christina: Kindesaussetzung und Moral in der Antike: Jüdische und christliche Kritik am Nichtaufziehen und Töten neugeborener Kinder, Göttingen, 2010.

11 Eckermann, Johann Peter : Gespräche mit Goethe. Band 2, Leipzig, 1836, S.94.

12 Vgl. Gärtner, Hans: Der Kleiner Pauly, „ Longos“, Bd. 3, München, 1979, Sp.735.

13 Vgl. Ebd.

14 Vgl. Wesseling, B ., The Audience of the Ancient Novels, Groningen Colloquia on the Novel 1, 1988, S.67-79; K. Treu , Der antike Roman und sein Publikum, in: Kuch: Roman, S.178-197.

15 Vgl. Schönberger, Otto: Hirtengeschichten von Daphnis und Chloe Griechisch – Deutsch, in: Einführung, Sammlung Tusculum, 2014, S.244.

16 Vgl. Longos: Daphnis und Chloe (neu bearbeitet von Hans Floerke), München, 1945, Buch 1-4.

17 Vgl. Von Wilpert, Gero: Sachwörterbuch der Literatur 8., 2. Auflage, Stuttgart, 2001, S.34.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der antike Roman als Quelle. Realität und Fiktion anhand des Motives der Kindesaussetzung bei Longos "Daphnis und Chloe"
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Alte Geschichte)
Veranstaltung
Übung
Note
2,3
Jahr
2018
Seiten
15
Katalognummer
V1133517
ISBN (eBook)
9783346507099
ISBN (Buch)
9783346507105
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Daphnis und Chloe, Antiker Roman, Kindessaussetzung, Antike, Longos, Fiktion, Realität, Geschichte, Griechische Antike
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Der antike Roman als Quelle. Realität und Fiktion anhand des Motives der Kindesaussetzung bei Longos "Daphnis und Chloe", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1133517

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