Kinder lernen schreiben. Vergleich von (An-)Lauttabellen

Zebra vs. ABC der Tiere


Hausarbeit (Hauptseminar), 2020

26 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Schriftspracherwerb
1. Überblick
2. Silbenanalytische Methode
3. (An-)Lauttabellen
1 Kriterien für eine Anlauttabelle

3. Analyse
1. ABC der Tiere
2. Zebra

4. Auswertung und Vergleich

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anlagen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 - Arten von Silbenhäusschen nach Röber

Abbildung 2 - Reduzierte Lauttabelle aus dem "Zebra"-Lehrwerk..

Abbildung 3 - Lauttabelle aus dem "ABC der Tiere"-Lehrwerk...

1. Einleitung

Die Lernausgangslage von Schülern und SchülerinnenI und ihre Erfahrungen be­züglich Schrift- und Schreibfähigkeiten weisen im Anfangsunterricht eine starke Heterogenität auf. Während einige SuS bereits ihren eigenen Namen und einfa­che Wörter wie „Oma“ oder „Mama“ verschriftlichen können, finden sich fast in jeder ersten Klasse Kinder, die vor der Grundschule fast keine Möglichkeiten er­hielten, Schrifterfahrungen zu sammeln. Die Kinder mit wenigen Schriftspracher­fahrungen weisen ein geringes Vorstellungsvermögen hinsichtlich des Nutzens und der Vielfältigkeit von Sprache auf. Aus diesem Grund stehen die Lehrkräfte der ersten Klasse vor einer großen Herausforderung (vgl. Weinhold 2010: 10). Lehrkräfte müssen, unabhängig von der großen Heterogenität der Vorerfahrun­gen, allen SuS eine optimale Unterstützung beim Schreiben- und Lesen lernen bieten können. Zuzüglich der Problematik, den Bedürfnissen aller Kinder gerecht zu werden, zeigte die IGLU Studie 2016, dass trotz eines Platzes im Mittelfeld alles Länder, ungefähr ein Viertel aller Grundschulkinder in Deutschland am Ende der vierten Klasse keine ausreichenden Kompetenzen beim Lesen und Schreiben ausgebildet haben (vgl. Hußmann et. al 2017: 138-140). Daher wer­den Jahr für Jahr neue Lehrwerke mit unterschiedlichen didaktischen, methodi­schen und pädagogischen Konzepten publiziert, um den Schriftspracherwerb zu unterstützen (vgl. Weinhold 2010: 11). Hier stoßen hauptsächlich zwei unter­schiedliche Methoden aufeinander. Zum einen Reichens Methode „Lesen durch Schreiben“ und zum anderen die silbenanalytische Methode von Röber. Beide Methoden unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Grundvorstellung vom Schrift­spracherwerb. Dennoch wird bei beiden Methoden meistens auf (An-)Lauttabel- len zurückgegriffen. Es existiert eine Vielzahl von Anlauttabellen, sodass sich die Frage ergibt, ob sich die (An-)Lauttabellen in Merkmalen unterscheiden und in­wiefern didaktische Probleme auftauchen können.

In meiner Hausarbeit setze ich mich gezielt mit der Untersuchung von (An-)Laut- tabellen aus zwei Lehrwerken auseinander, welche der silbenanalytischen Me­thode zugrunde legen. Nach einer kurzen theoretischen Auseinandersetzung mit dem Gebiet des Schriftspracherwerbs und der silbenanalytischen Methode, ent­werfe ich einen Kriterienkatalog für die Analyse von (An-)Lauttabellen. Dabei stütze ich mich auf die Beurteilungskriterien von Riegler (2009) und erweitere ihren Kriterienkatalog mit weiteren Kriterien wie z.B. der Eindeutigkeit der Abbil­dung. Mit dem fertigen Beurteilungskatalog werde ich die beiden (An-)Lauttabel- len der Lehrwerke „ABC der Tiere“ und „Zebra“ kategorisch analysieren. Dabei werde ich auf Vorteile sowie Nachteile eingehen und die Tabellen unter dem di­daktischen Aspekt beurteilen. In meinem Fazit werde ich die Ergebnisse zusam­menfassen und weitere Forschungsfragen aufgreifen, die mir bei der Auseinan­dersetzung mit der Thematik eingefallen sind.

2. Schriftspracherwerb

2.1 Überblick

Im Allgemeinen lässt sich zum Schriftspracherwerb sagen, dass dieser ein Ent­wicklungsprozess ist, der sich in Stufen und in einer Abfolge vollzieht (vgl. Schründer & Lenzen 2009: 33). Dabei entwickelte Frith (1985) ein dreistufiges Model, „in dem der Lernprozess der Kinder in qualitativ unterschiedliche Zugriffs­weisen auf die Schriftsprache beschrieben wird.“ (Schründer & Lenzen 2009: 66). Dabei wird jede der drei Phasen beim Lesen und Schreiben durchlaufen. In der logographischen Phase sehen die SuS die Buchstaben in Form eines Signalcha­rakters für die Worterkennung. Dabei wird der Lautcharakter nicht entschlüsselt. In der zweiten Phase, der alphabetischen Phase, eignen sich die SuS die Pho­nem-Graphem-Korrespondenz an, sodass sie lautgetreue Wörter teils lesen und schreiben können. In der orthographischen Phase orientieren sich die SuS an Gliederungssegmenten in Form von Silben oder ähnlichem. Dabei lösen sich die SuS vom sequenziellen Vorgehen beim Lesen und greifen auf ihr inneres Lexikon zurück. Dies ermöglicht eine korrekte orthographische Schreibung (vgl. Schrün- der & Lenzen 2009: 66-73).

Allgemein sind für den Schriftspracherwerb eines Kindes folgende Prozesse von essentieller Bedeutung: die phonologische Bewusstheit, die Aufmerksamkeits­steuerung und das Arbeitsgedächtnis (vgl. Schründer-Lenzen 2013: 86 - 88). Kin­der sind schon kognitiv sehr früh in der Lage, unterschiedliche Wörter zu erfas­sen, klangliche Ähnlichkeiten und Unterschiede zu erkennen sowie Wörter in Sil­ben zu segmentieren. So lässt sich sagen, dass der Begriff des Schriftspracher­werbs einen weiten Bereich einer kindlichen Entwicklung in der Schule sowie in der Lebenswelt umfasst. Die Kinder müssen nicht nur den technischen Aspekt des Lesens und Schreibens und das Zeichensystem erwerben, sie müssen zu­dem besondere schriftliche Strukturmerkmale beherrschen. Dazu müssen sie graphemische Gesetzmäßigkeiten kennenlernen, sich mit text- und satzstruktu­rierten Merkmalen und Mitteln sowie einem schriftsprachlichen Stil vertraut ma­chen. Vor den 1980er Jahren lag das Hauptaugenmerkmal des Deutschunter­richts auf dem Schrifterwerb, unter dem das Schönschreiben und das Lesen von komplexen Texten fiel. Ab den 1980er Jahren fand eine Wandlung des Vermitt­lungsansatzes des Schriftspracherwerbs statt. Grundlegend betrachtet ist es ge­genwärtig wichtig, dass das Lesen und Schreiben stärker als ein aktiver Aneig­nungsprozess angesehen wird. Dabei soll das Individuum den Erwerbsprozess selbst steuern (vgl. Bredel, Fuhrhop & Noack 2017: 74 - 76). Somit lässt sich derzeit eine Brücke zu den Bildungsstandards aus dem Jahr 2004 schlagen, wel­che die zu erreichenden Kompetenzen, in den Bereichen Schreiben und Lesen - mit Texten und Medien umgehen, detailliert definieren (vgl. Kulturministerkon­ferenz 2004: 7). So sind viele Schriftspracherwerbsmethoden entstanden, die un­terschiedliche Vorgehensweisen enthalten. Die silbenanalytische Methode von Röber ist eine davon.

2.2 Silbenanalytische Methode

Auf der Basis eines kurzen theoretischen Inputs zum Schriftspracherwerb folgt nun eine genauere Auseinandersetzung mit der Silbenanalytischen Methode von Röber, welche die Grundlage der beiden Fibeln „ABC der Tiere“ und „Zebra“ bil­det. Bei der silbenanalytischen Methode stellt die Silbenstruktur und die Silbe, als isoliertes Element, den didaktischen Bezugspunkt des jeweiligen Lehrwerkskon­zepts. Röber vertritt die Meinung, dass die deutsche Sprache keine Buchstaben­schrift ist, da die Lautung der Buchstaben von ihrer Position abhängig ist. Sie führt den Begriff der „Koartikulation“ ein (vgl. Röber-Siekmeyer 1998: 142 - 143). Die „Koartikulation“ hat die Funktion, dass sie Laute in Bezug zu ihren Nachbar­lauten hinsichtlich ihrer Lautung bestimmt. Dabei kann es vorkommen, dass trotz gleicher Elemente, der Silbenaufbau Einfluss auf die Lautung von Phonemen hat (vgl. Röber-Siekmeyer, C., 1998, 143 - 144). Röber weist der deutschen Schrift den Begriff der „alphabetischen Silbenschrift“ zu und appelliert, dass Laute nicht mehr isoliert betrachtet werden sollen. Der Fokus bei dieser Methode liegt auf der Bewusstmachung der syllabierenden Sprache und nicht auf dem Lesen oder Schreiben. Deswegen findet man in Lehrwerken mit der silbenanalytischen Me­thode als Grundlage keine Wörter, sondern nur Silben, die nach und nach zu verschiedenen Wörtern zusammengesetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass die SuS die Silben als Ganzes erfassen und Buchstaben nicht synthetisch zu­sammensetzen. So soll die geschriebene Sprache durchgängig mit der gespro­chenen Sprache verknüpft werden. Die SuS erlernen dadurch von Anfang an im Unterricht lesetechnische Vorläuferfertigkeiten, wie z.B. das Silbenschwingen, das Klatschen und das synchrone Silbensprechen trainieren. Ein Wortrhythmus soll erlangt werden, der durch Musik und/oder Klangstäbe unterstützt wird (vgl. Schründer-Lenzen 2013: 252 - 254). Ziel ist es, dass die SuS mit einem silben­orientierten Lehrwerk die Wahrnehmu ng der Sprechsilbe und das Heraushören gleicher Anlaute trainieren. Diese beiden Fähigkeiten sind die Hauptbestandteile der phonologischen Bewusstheit, welche eine wichtige Vorstufe der Schreibent­wicklung und die Grundlage der Silbenmethode darstellt. SuS sollen das Schrift­sprachsystem durchschauen, implizit Regeln erarbeiten und somit eine Recht­schreibkompetenz erlangen. Das erlernte Wissen wird nicht angehäuft, da die SuS z.B. Schreibprobleme aktiv handelnd untersuchen können und nun tiefere Einsichten in den Sprachaufbau haben (vgl. Schründer-Lenzen 2007: 82). Den SuS wird bei der silbenanalytischen Methode von Beginn an ein strukturiertes Angebot gegeben, indem ihnen das „Häuschenmodell“ vorgestellt wird. Dabei bilden die Silben die Grundlage für das Häuschenmodell (vgl. Röber-Siekmeyer & Pfisterer 1998: 40 - 43). Aber inwiefern unterscheidet sich eine Silbe von einem Laut? Für Frick (2014) haben Silben die Funktion, „Gesprochenes in prosodisch- artikulatorische Einheiten zu gliedern“. Silben können gewisse Akzente tragen und betont oder unbetont sein. Sie bestehen aus den kleinsten bedeutungstra­genden Einheiten, den Lauten, die zu einer Einheit integriert und verschmolzen werden. Wie vorher erklärt, sind Laute in ihrer reinen Form nicht eindeutig be­stimmbar, weil ihre Position in einer Silbe ausschlaggebend für ihren Klang ist. So kann zum Beispiel ein <g> standardsprachlich auch als <k> im Wort „Berg“ gelesen werden. Schwieriger ist die Situation bei den Vokalen, da diese ungefähr 20 Phoneme umfassen, die auf ihre eigene Art verschriftlicht werden. Man spricht von gespannten und ungespannten Vokalen, die man besonders auffällig bei Mi­nimalpaaren unterscheiden kann (Beispiel: beten vs. Betten). Dabei ist zu beach­ten, dass nicht der Konsonant seine Eigenschaften verändert, sondern der Vokal davor. Dies wird durch die orthographische Markierung gezeigt (vgl. Frick 2004: 62 - 63).

Im „Häuschenmodell“ der silbenanalytischen Methode von Röber soll die Zwei- silbigkeit von verschiedenen Wörtern durch ein Haus und eine Garage deutlich gemacht werden. Man stützt sich auf die überwiegende Dominanz des Trochäus bei Wörtern in der deutschen Sprache. Dabei lässt sich die betonte Silbe immer im Haus und die unbetonte Silbe in der Garage wiederfinden. Durch eine „Zim­mereinteilung“ wird der Unterschied zwischen betonter und unbetonter erster Silbe symbolisiert. Es gibt insgesamt vier Häuschentypen, die wie folgt aussehen und immer vier silbische Varianten beschreiben (vgl. Röber-Siekmeyer & Pfiste­rer 1998: 42 - 43).:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 - Arten von Silbenhäusschen nach Röber (Röber-Siekmeyer & Pfisterer, 1998, S. 42)

In diesem Fall repräsentiert das erste Häuschen mit dem Wort „Hüte“ den Typ 1 (oben links), in der eine offene Silbe ohne einen Konsonanten dargestellt wird. Bei dem Typ 2 (Hüfte) liegt eine geschlossene Silbe mit einem Konsonanten vor. Typ 3 (Hütte) stellt eine offene Silbe ohne Konsonanten dar und Typ 4 (Hühn­chen) beinhaltet ebenfalls eine geschlossene Silbe mit einem Konsonanten. Um die Betrachtung von einzelnen Buchstaben nicht zu vernachlässigen, werden die Buchstaben über eine Gebärdensprache eingeführt, die obligatorisch im An­fangsunterricht des Faches Deutsch zu thematisieren sind. In diesem Fall sollen die SuS mit verschiedenen Übungen in Gebärden Wörter sprechen und diktieren (vgl. Röber-Siekmeyer & Pfisterer 1998: 42 ff.).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die silbenanalytische Methode ein strukturierter Ansatz ist, der es den Kindern ermöglicht, Regelmäßigkeiten der deutschen Sprache kennenzulernen. Außerdem knüpft dieser Ansatz gezielt an die Vorläuferfertigkeiten der SuS an und ermöglicht diesen, ihren individuellen Umgang mit der Sprache zu verbessern. Insbesondere die graphische Darstel­lung der Sprache anhand der Häuschen und der Garage ermöglicht ein entde­ckendes Lernen, welches wiederum das analytisches Denken anregt.

2.3 (An-)lauttabellen

Beim Verschriftlichungsprozess von Lauten bietet sich nun die Möglichkeit auf (An-)Lauttabellen zurückzugreifen. (An-)Lauttabellen sind im Allgemeinen Tabel­len, die auf einer Seite Grapheme beinhalten und auf der anderen Seite Abbil­dungen von Wörtern, die mit dem jeweiligen Laut anfangen, für welchen das Gra­phem steht (vgl. Bross 2016: 1). Da manche (An-)Lauttabellen nicht nur Anlaute darstellen, wird das Präfix (An-) in Klammern gesetzt. Dies ist damit zu begrün­den, dass manche Laute in der deutschen Sprache nur im In- und/oder Endlaut vorzufinden sind (vgl. Bredel/Fuhrhop/Noack 2017: 16-17). Die erste Tabelle hat ihren Ursprung in den Arbeiten des Reformpädagogen Jürgen Reichen. Er vertritt die Vorstellung, dass Kinder die Schriftsprache sowie den Spracherwerb auto­matisch und implizit durch die innere Regelbildung entwickeln. Er entwickelte auf dieser Grundlage das Programm des „Lesen durch Schreiben“, welches im Kon­trast zu der vorherigen dargestellten silbenanalytischen Methode steht (vgl. Rieg­ler 2016b: 18-19). Bei Reichens Methode lernen Kinder anhand einer Anlautta­belle das Schreiben auf der Basis des Gehörs. Dabei sprechen die Kinder ein Wort, suchen die entsprechenden Laute in der Tabelle und schreiben die Wörter Buchstabe für Buchstabe auf. Rechtschreibfehler werden im Anfangsunterricht ignoriert. Parallel dazu entwickelt sich die Fähigkeit des Lesens. Auffällig ist, dass die Methode von Reichen der silbenanalytischen Methode hinsichtlich vieler As­pekten widerspricht. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass bei Reichens Me­thode die Anlauttabelle dem Schreiben von Wörtern dient, während bei der sil­benanalytischen Methode mit der Tabelle Silben verschriftlicht werden sollen (vgl. Riegler 2016b: 19).

Die Benutzung von (An-)Lauttabellen bringt sehr viele Vorteile. Mit der (An-)Laut- tabelle wird das Prinzip der alphabetischen Strategie verfolgt. Damit ist gemeint, dass SuS die Fähigkeit aufweisen, „den Lautstrom der Wörter aufzuschließen“ (May 2018: 1) und anhand von Buchstaben bzw. Buchstabenkombinationen, Wörter aufzuschreiben zu können. Diese Strategie basiert somit auf der Ver­schriftlichung der eigenen Artikulation (vgl. May 2018: 1ff.) Die alphabetische Strategie stellt eine notwendige und natürliche Entwicklungsstufe im Schrift- spracherwerb dar. Weiterhin lässt sich sagen, dass (An-)Lauttabellen eine Indi­vidualisierung ermöglichen. SuS können durch das Graphemangebot ihre eige­nen individuellen Lernwege verfolgen. Außerdem bietet sich bei der Benutzung von Anlauttabellen die Möglichkeit, dass sich SuS mit dem Medium der Schrift auseinandersetzen. So entsteht die Chance, dass SuS in diesem Arbeitsprozess metasprachliche Fähigkeiten entwickeln können und beliebige Inhalte schon zu Beginn des Schriftspracherwerbs verschriftlichen können (vgl. Kruth & Thul 2003: 157 ff.).

2.3.1 Kriterien für eine (An-)Lauttabellen

In diesem Unterkapitel werden die Kriterien für (An-)Lauttabellen dargestellt und erläutert. Dabei stütze ich mich auf die Kriterien von Susanne Riegler und er­gänze diese durch weitere Kriterien. In Folge meiner Ausarbeitung werde ich den Begriff der Lauttabelle benutzen, da Riegler in ihrer Argumentation mit diesem Begriff arbeitet.

Das erste Kriterium von Riegler besagt, dass eine Lauttabelle den vollständigen Phonembestand des Deutschen abbilden muss. Sie muss abseits der Anfangs­laute auch die Laute aufgreifen, welche nur in In- und Auslauten vorkommen. Als Beispiel lässt sich hier der „ach-Laut“ /x/ wie im Wort „Buch“, der sich zugleich wie der „ich-Laut“ wie in Milch durch dasselbe Graphem <ch> darstellen lässt, nehmen. Deswegen muss auch eine Lauttabelle von Anfang an alle einfachen und häufigen Phoneme als Anlaute und In- bzw. Endlaute des Deutschen bein­halten. Im weiteren Verlauf der Entwicklung des Schriftspracherwerbs kann diese durch schwierige Laute ergänzt werden (vgl. Riegler 2009: 16).

Als zweites Kriterium für eine Lauttabelle muss jedem Phonem das Basisgra­phem zugeordnet werden. Man spricht hier von einer Phonem-Graphem Korres­pondenz, die jedoch in vielen Tabellen nicht umgesetzt ist. Dies ist darauf zu­rückzuführen, dass zum größten Teil Abbildungen gewählt werden, die nicht kor­rekt sind und andere Laute im Sinn haben. Diese Problematik wird anhand des „Igel-Syndroms“ verdeutlicht. Das Phonem /:i/, dass dem Wort <Igel> zugeordnet wird, ist irreführend, da das Phonem /:ie/ passender wäre. Bei der Entwicklung von Anlauttabellen sollte darauf geachtet werden, dass „für jedes durch ein An­lautbild repräsentiertes Phonem grundsätzlich das Basisgraphem angeführt wird.“ (vgl. Riegler 2009: 17).

Im dritten Kriterium argumentiert Riegler, dass sich Lauttabellen auf die Abbil­dung solcher Grapheme konzentrieren müssen, die im Deutschen als Basisgra­pheme vorkommen. Exoten wie <v>, <y> oder <c> sollen gar nicht aufgegriffen werden, da sie irreführend bei der Auswahl von Buchstaben sind (vgl. Riegler 2009: 17). Teilweise stimme ich hier Riegler zu, da ich der Ansicht bin, dass die Menge von Graphemen zu viel ist. Auf der anderen Seite widerspreche ich Rieg­ler, da ich die Ansicht vertrete, dass man eine einfache Tabelle mit Basisgraphe­men gestalten kann, welche wiederum erweitert werden kann, wenn ein SuS die Basisgrapheme gut beherrscht. Sonst kann der Fall auftreten, dass leistungs­starke SuS unterfordert werden. Des Weiteren finde ich es für die SuS irritierend, wenn sie die Exotenlaute gar nicht kennenlernen.

Als viertes Kriterium stellt Riegler dar, dass Lauttabellen eine systematische An­ordnung der Laute und eine entsprechende Abbildung bieten müssen. Die Ta­belle muss sich in ihrer internen Struktur an den jeweiligen Lauten orientieren. Dabei ist zu beachten, dass eine alphabetische Anordnung der Grapheme zu vermeiden ist. Dies ist darauf zurück zu führen, dass das Alphabet kein Abbild des gesamten Graphemsinventars des Deutschen darstellt. Als Lösung bietet es sich an, eine Systematik hinsichtlich der Charaktereigenschaften eines Lautes zu erstellen. Das bedeutet, dass Vokale, Diphtonge und Konsonanten nach artiku- latorischen Aspekten (Plosive, Frikative, Nasale ...) jeweils in einem Block ge­sammelt werden. Idealerweise sollten sich stimmlose und stimmhafte Laute ge­genüberstehen oder untereinander abgebildet werden (Beispiel: /t/ und /d/) (vgl. Riegler 2009: 18).

Nun möchte ich den vorliegenden Kriterienkatalog für die Anlaute durch folgende Kriterien ergänzen. Zunächst sehe ich es als wichtig an, dass die Bilder, die den Graphemen angehören, einen klaren Lebensweltbezug aufweisen. In diesem Kri­terium stütze ich mich auf Kruth & Thul (2003). Folglich sollten keine einseitigen kulturellen Aspekte in den Bildern widergespiegelt werden. Dies ermöglicht den Kindern einen einfacheren Zugang zum Laut. Bei einer Abbildung ohne kindli­chen Lebensweltbezug, kann die Problematik entstehen, dass SuS Schwierigkei­ten bei der Zuordnung des Lautes zum Graphem haben werden (vgl. Kruth & Thul 2003: 157). Zum anderen sollten die Bilder in dem Lehrwerk durchgängig vorzufinden sein, da die SuS sich somit an diesen Abbildungen durchgängig ori­entieren können. Die eben genannten Kriterien, finden sich auf der semantisch­lexikalischen Ebene. Auf der graphischen Ebene ist es sinnvoll, wenn an den Graphemen die Vorgehensweise zur Konstruktion des jeweiligen Graphems dar­gestellt wird. Dies würde eine Hilfe für lernschwache SuS, insbesondere im An­fangsunterricht, darstellen (vgl. Thome 2000b: 18). Als letztes ergänzendes Kri­terium für den Kriterienkatalog wäre es meines Erachtens nach sinnvoll, um sach- gemessende Erkundungen des Schriftsystems zu ermöglichen und den unter­schiedlichen Lernvorraussetzungen gerecht zu werden, das entsprechende Wort neben der Grafik abzubilden. Dabei stütze ich mich auf die Argumente von Hüttis- Graff & Schüler (2016), die folgende Vorteile dieser Ergänzung beschreiben. Zum einen liegt eine Transparenz zwischen Bild und Wort vor, wodurch eindeutig klar wird, auf welches Bild sich das Wort bezieht. Zum anderen bietet die Schrift den SuS eine neue Modalität des Ausdrucks auf dem Papier an, die Lese- und Schreibrichtung wird offenbart und es wird gezeigt, dass keine Eins zu Eins Be­ziehung zwischen Schriftzeichen und Sprachzeichen existiert. Am Beispiel des Wortes Ritter wird gezeigt, dass das /r/ am Anfang des Wortes anders klingt als am Ende des Wortes (vgl. Hüttis-Graff & Schüler 2016: 2ff.).

[...]


I Schüler und Schülerinnen werden im weiteren Verlauf dieser Hausarbeit mit dem Kürzel SuS abgekürzt

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Kinder lernen schreiben. Vergleich von (An-)Lauttabellen
Untertitel
Zebra vs. ABC der Tiere
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
2,0
Jahr
2020
Seiten
26
Katalognummer
V1133693
ISBN (eBook)
9783346507785
ISBN (Buch)
9783346507792
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kinder, vergleich, lauttabellen, zebra, tiere
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Kinder lernen schreiben. Vergleich von (An-)Lauttabellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1133693

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