Theaterideologische Ziele und Tendenzen im Dritten Reich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Gleichschaltung: Sicherung und Ausbau der Diktatur

3. Theaterideologische Ziele und Gruppierungen im Dritten Reich
3.1. Der Rosenberg-Kreis
3.2. Das Thingspiel: Versuch eines Theaters der „Hunderttausend“
3.3. Die KdF und die Entprivilegierung des Theaters (Das Theater als soziales Integrationsmittel)

4. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den theoretischen theaterideologischen Zielen der Regierung des Dritten Reiches und der Frage, inwieweit diese erreicht wurden. In ihrem Verlauf wird zunächst geklärt, wie die Machtergreifung der Nationalsozialisten sich auf die kulturelle Freiheit auswirkte und welche ideologischen Maximen das Regime vorgab. Danach beabsichtige ich die maßgebenden theaterpolitischen Organisationen des Dritten Reiches auf ihre Konzepte und deren Realisierung hin zu untersuchen. Bezugnehmend auf die Ergebnisse dieser Untersuchungen möchte ich im Anschluss daran versuchen die Frage zu beantworten, ob und inwiefern es den Nationalsozialisten gelungen ist, ihren theaterideologischen Ansprüchen gerecht zu werden.

Bei dieser Arbeit werde ich mich auf die Theorien von Konrad Dussel und Henning Rischbieter stützen.

2. Die Gleichschaltung: Sicherung und Ausbau der Diktatur

Der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 folgte schon bald der Ausbau einer Alleinherrschaft Hitlers. Nach dem Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 (, es ist noch immer ungewiss, ob die Nationalsozialisten für diesen Brand verantwortlich waren oder der holländische Kommunist van der Lubbe)[1], erließ Hitler noch am selben Tag die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ („Ermächtigungsgesetz“), wodurch die Grundrechte außer Kraft gesetzt und die Basis für die folgende Terrorherrschaft geschaffen wurden.

Zwischen dem 4. und 13. März 1933 fand die sogenannte Gleichschaltung der sich noch gegen die Nationalsozialisten widersetzenden Länder Sachsen, Baden, Württemberg, Bayern und den Hansestädten statt. Es wurden, meistens nach Gewaltakten, „Reichsstatthalter“ über die Landesregierungen gestellt, welche diese im nationalsozialistischen Sinne veränderten. Diese Entwicklung brachte eineVerfolgungswelle mit sich, der Nichtdeutsche und politisch Andersdenkende zum Opfer fielen.

Die Gleichschaltung machte auch vor dem Beamtentum und der Justiz nicht Halt. Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 bevollmächtigte die Regierung auch die bisher unkündbaren Beamten zu entlassen. Von den Folgen dieses Erlasses waren wiederum Nichtdeutsche und potentielle politische Freidenker betroffen.

Der Propagandaminister Joseph Goebbels war für den Prozess der Gleichschaltung in der Kultur und den Massenmedien zuständig. Die Reichskulturkammer des von ihm geleiteten „Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“ (RMVP) war in die Reichspresse-, Reichsrundfunk-, Reichsschrifttums-, Reichsmusik- und die Reichskammer für bildende Künste untergliedert. Wer in einem dieser Berufsfelder arbeiten wollte, musste der entsprechenden Kammer angehören. Die Auswahl der Mitglieder beschränkte sich auf Deutsche mit nationalsozialistischer Gesinnung.

Doch nicht nur im personellen Sektor wurde alles „undeutsche“ und der nationalsozialistischen Ideologie widerstrebende beseitigt. So begann man zum Beispiel im Mai 1933 damit, Tausende von Büchern mit der nationalsozialistischen Ideologie widerstrebenden Inhalten oder von nicht „reinrassigen“ Autoren zu verbrennen.

Auch der Theaterbereich wurde gleichgeschaltet. Ab 1933/ 34 wurden die Spielpläne umgestaltet und bestimmte Stücke daraus entfernt. Am 1. Juni 1933 wurde der „Preußische Theaterausschuss“ gegründet, um die Intendanten der preußischen Theater hinsichtlich ihrer Herkunft und politischen Gesinnung zu überprüfen und gegebenenfalls zu ersetzen. Im Oktober 1933 hatte der Ausschuss 44 von den 65 untersuchten preußischen Theaterleitern entlassen. Im gesamten Reich, einschließlich Preußen, wurden 75 von 122 Intendanten ersetzt.[2]

Das Ziel der Gleichschaltung war eine völlige Durchwirkung aller Bereiche mit nationalsozialistischem Gedankengut und die Vertreibung von aufgrund ihrer Herkunft oder politischen Gesinnung unerwünschten Personen. Zahlreiche Menschen mussten Deutschland verlassen. Unter den Flüchtlingen befanden sich auch so bekannte Personen wie Bertold Brecht, Albert Einstein und Thomas Mann. Durch die Beseitigung jeglichen potentiellen Widerstands gegen das Regime und die damit einhergehende Machtdemonstration wurde die darauf folgende Terrorherrschaft der Nationalsozialisten gesichert.

3. Theaterideologische Ziele und Gruppierungen im Dritten Reich

Nach der Machtergreifung 1933 wurde von den Nationalsozialisten bezüglich der anzustrebenden theaterideologischen Richtung vom deutschen „Nationaltheater“ gesprochen. Allerdings gab es sowohl Schwierigkeiten bei dessen Definition als auch bei dessen Realisierung. Es stand lediglich fest, dass diese Theaterform die „Volksgemeinschaft“ verkörpern und stärken sollte.[3]

Hitler selbst hatte eine Abneigung gegen moderne Theaterformen, er bevorzugte die deutschen Klassiker des 19. Jahrhunderts. In einer Kulturrede am 26. Januar 1928 forderte er: „Wir brauchen keine neue Kunst zu produzieren, wenn wir nichts besseres fertigbringen, konzentrieren wir uns auf das, was schon da ist, was unsterblich ist.“[4] In diesem Sinne wurden von allen nationalsozialistischen Theatergruppierungen jegliche Aspekte künstlerischer Moderne wie zum Beispiel das Sprechtheater und der Naturalismus als „tendenziöse Überwucherung des Spielplanes internationaler, pazifistischer und bolschewistischer Prägung [...] mit der Verniedlichung alles Heroischen und ihrer Umkehrung in das Psychoanalytische und Perverse“[5] abgelehnt. Die Psychoanalyse hatte zu dieser Zeit das Interesse der Öffentlichkeit geweckt und man begann innere Widersprüche und ihre Folgen im Theater zu thematisieren. Diese Tendenz wurde von den Nationalsozialisten als besonders „verwerflich“ empfunden, da sie in ihren Augen das verhasste Weimarer Theater kennzeichnete. Das Thema der Darstellung sollte die Zugehörigkeit des Individuums zur „Volksgemeinschaft“ sein, nicht das Individuum selbst. Selbstreflexion und Problembehandlung waren gänzlich unerwünscht, behinderten sie doch das reibungslose Funktionieren der Masse.

Goebbels hatte 1933 in seiner „Rede zur Eröffnung der Reichskulturkammer“ prophezeit: „Die deutsche Kunst des nächsten Jahrzehnts wird heroisch, sie wird stählern-romantisch, sie wird sentimentalitätslos-sachlich, sie wird national mit großem Pathos und sie wird gemeinsam verpflichtend und bindend sein, oder sie wird nicht sein.“[6] Inwieweit diese Ziele tatsächlich erreicht wurden, gilt es zu untersuchen. Es gab eine Vielzahl an Theatergruppierungen, die verschiedene Konzepte zur Realisierung dieser Idee erarbeiteten, doch nur wenige konnten sich durchsetzen. Einer näheren Betrachtung bedürfen der Rosenberg-Kreis, die Thingspiel-Organisation und der KdF, da sie mit ihren Konzepten theaterpolitische Bedeutung erlangten.

3.1. Der Rosenberg-Kreis

Alfred Rosenberg gründete 1928 den „Kampfbund für deutsche Kultur“ (KfdK), eine formal selbstständige Organisation, die sich für eine nationalsozialistische, rassistische Kulturpolitik einsetzte. Dr. Walter Stang leitete das „Dramaturgische Büro“ des KfdK. Die Organisation veröffentlichte regelmäßig die „Deutsche Bühnenkorrespondenz“ und die Zeitschrift „Bausteine zum Deutschen Nationaltheater“.[7]

Durch die „Gleichschaltung“ 1933 gewann die Gruppierung zahlreiche neue Mitglieder, da viele Menschen nicht sofort der NSDAP beitreten wollten oder es nach der Mitgliedersperre im Mai desselben Jahres nicht konnten. In dieser Situation bot der KfdK diesen Leuten, darunter auch viele Theaterangestellte, eine annehmbare Alternative.

Am 31. März 1933 gründete Rosenberg die „Deutsche Bühne“ als Nebenorganisation des KfdK. Rudolph Heß, Stellvertreter Hitlers, erklärte sie am 11. April zur einzigen Theaterbesucherorganisation „für die NSDAP“[8] und forderte die Eingliederung aller anderen Vereine.

Unter dem Vorwand der „Gleichschaltung“ vereinnahmte der KfdK 1933/34 auch die beiden größten und wichtigsten deutschen Theaterbesucherorganisationen: den „Verband der deutschen Volksbühnen“ und den „Bühnenvolksbund“.

Theaterideologisch wurden auch vom Rosenberg-Kreis jegliche Zeitbezogenheit und Problembehandlung abgelehnt. Stang, mittlerweile Reichsleiter des Reichsverbandes „Deutsche Bühne“, verhetzte diese Tendenzen als „orientalische, erotisierende Seelenzerfressung“[9]. Dass sie überhaupt existierten, interpretierten er und die anderen Anhänger Rosenbergs als Symptom der „Krankheit“ der „Volksgemeinschaft“. Sie waren der Ansicht, dass das Theater deren Werte und Wesen widerspiegelte und darstellte, so dass der „Theaterverfall“ als Symbol für den Zerfall der völkischen Gemeinschaft zu betrachten war. Man gelangte im Rosenberg-Kreis zu einer These, nach der die Theaterproblematik und zugleich ihre Lösung in drei Stufen unterteilt waren:

1.) In den „natürlichen“ Zustand, in der die Kultur Ausdruck einer „rassisch“ und ideologisch konformen „Volksgemeinschaft“ war.
2.) Eine Zeit, in der wegen verschiedener Ursachen Teile der Bevölkerung ihre Blutsverbundenheit zum Volkstum (deutlicher: ihre „Reinrassigkeit“) verloren. Da dies meistens in den Städten geschah, wurde geschlussfolgert, dass man in diesen Gebieten empfänglich für den Liberalismus, die Lehren des Judentums und des Marxismus war. Nach Meinung der Nationalsozialisten bewirkte dieser „Internationalismus“ die Zerstörung der „Volksseele“ und machte eine einheitliche völkische Kultur unmöglich. Dies führte, laut der Argumentation des Rosenberg-Kreises, dann unweigerlich zu der so oft kritisierten „Vereinzelung des Individuums“. Anzustreben sei nun

[...]


[1] Vgl. Geschichtliche Weltkunde. Hrsg. von Wolfgang Hug. Band III: Von der Zeit des Imperialismus bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main: Verlag Moritz Diesterweg 1979. S. 108.

[2] Vgl. Theater im „Dritten Reich“. Theaterpolitik, Spielplanstruktur, NS- Dramatik. Hrsg. von Henning Rischbieter. Leipzig: Kallmeyer 2000. S. 17.

[3] Vgl. Dussel, Konrad: Ein neues, ein heroisches Theater? Nationalsozialistische Theaterpolitik und ihre Auswirkungen in der Provinz. Bonn: Bouvier 1988. S. 107.

[4] Zitiert nach: Biccari, Gaetano: „Zuflucht des Geistes“? Konservativ-revolutionäre, faschistische und nationalsozialistische Theaterdiskurse in Deutschland und Italien 1900-1944. Tübingen: Narr 2001. (Forum Modernes Theater: Schriftenreihe; Bd. 28). S. 110.

[5] Zitiert nach: Dussel, K.: Ein neues, ein heroisches Theater? S. 113

[6] Zitiert nach: Biccari, G.: „Zuflucht des Geistes“? S. 118.

[7] Mit „Rosenberg-Kreis“ sind alle Organisationen (KfdK, NSKG, Deutsche Bühne, Amt Rosenberg) und Personen gemeint, die sich in ideologischem und aktivistischem Sinne Alfred Rosenberg anschlossen oder ihm unterstanden.

[8] Zitiert nach: Theater im „Dritten Reich“. Hrsg. von H. Rischbieter. S. 30.

[9] Zitiert nach: Dussel, K.: Ein neues, ein heroisches Theater? S. 113 f.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Theaterideologische Ziele und Tendenzen im Dritten Reich
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Deutsches Seminar)
Veranstaltung
Dramaeninterpretation und Theaterpraxis II
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V113420
ISBN (eBook)
9783640142293
ISBN (Buch)
9783640142347
Dateigröße
410 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theaterideologische, Ziele, Tendenzen, Dritten, Reich, Dramaeninterpretation, Theaterpraxis
Arbeit zitieren
Sara Anais Wrede (Autor:in), 2005, Theaterideologische Ziele und Tendenzen im Dritten Reich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113420

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