Die vorliegende Hausarbeit widmet sich dem Thema, welche Tools einer pflegerischen Führungskraft zur Verfügung stehen, um pflegewissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu implementieren. Der Autor dieser Hausarbeit erarbeitet im Verlauf zunächst die Wichtigkeit pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse, führt Gründe an, die zum Scheitern der Implementierung führen, und erarbeitet danach theoretische Modelle zur Implementierung. Dabei bezieht sich der Autor dieser Hausarbeit besonders auf das Iowa Model of Nursing und in diesem Zusammenhang natürlich auch auf die Theorie der Diffusion von Innovationen nach Everett M. Rogers. Dabei werden immer wieder praktische Bezüge hergestellt, mit dem Ziel, dass die lesende Person selbst Ideen für reale Situationen entwickeln kann.
Ziel dieser Hausarbeit soll es sein, dass zukünftige Lesende einen kurzen theoretischen Leitfaden mit Praxisbezug für die Implementierung von Innovationen in der Pflegepraxis – unter Einbezug der genannten Theorien - erhalten. Wie die Recherchearbeit zeigt, bedarf es großen Handlungsbedarf für die Sensibilisierung von Führungskräften im Bezug auf Implementierungswissenschaften. Des Weiteren hat der Autor dieser Hausarbeit jedoch auch noch einen persönlichen Bezug zu diesem Thema, denn er wollte herausfinden, welche Tools ihm in der Rolle einer Führungskraft zur Verfügung stehen können.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wichtigkeit der Pflegewissenschaft im pflegerischen Alltag und der Patientenversorgung
2.1 Gründe für das Scheitern der Implementierung von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen
2.2 Charakteristika der Pflegekräfte
2.3 Charakteristika der Organisation
2.4 Charakteristika der Forschungsarbeiten und dem Zugang zu Forschungsergebnissen
3. Das Iowa Model of Nursing
4. Diffusionstheorie nach Everett M. Rogers
5. Die Beschlussfassung zur Innovation nach Everett M. Rogers
5.1 Knowledge-Phase
5.2 Persuasion-Phase
5.3 Decision-Phase
5.4 Implementation-Phase
5.5 Confirmation-Phase
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit widmet sich dem Thema, welche Tools einer pflegerischen Führungskraft zur Verfügung stehen, um pflegewissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu implementieren. Der Autor dieser Hausarbeit erarbeitet im Verlauf zunächst die Wichtigkeit pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse, führt Gründe an, die zum Scheitern der Implementierung führen, und erarbeitet danach theoretische Modelle zur Implementierung. Dabei bezieht sich der Autor dieser Hausarbeit besonders auf das Iowa Model of Nursing und in diesem Zusammenhang natürlich auch auf die Theorie der Diffusion von Innovationen nach Everett M. Rogers. Dabei werden immer wieder praktische Bezüge hergestellt, mit dem Ziel, dass die lesende Person selbst Ideen für reale Situationen entwickeln kann. Ziel dieser Hausarbeit soll es sein, dass zukünftige Lesende einen kurzen theoretischen Leitfaden mit Praxisbezug für die Implementierung von Innovationen in der Pflegepraxis - unter Einbezug der genannten Theorien - erhalten. Wie die Recherchearbeit zeigt, bedarf es großen Handlungsbedarf für die Sensibilisierung von Führungskräften im Bezug auf Implementierungswissenschaften. Des Weiteren hat der Autor dieser Hausarbeit jedoch auch noch einen persönlichen Bezug zu diesem Thema, denn er wollte herausfinden, welche Tools ihm in der Rolle einer Führungskraft zur Verfügung stehen können. Der Autor dieser Hausarbeit ist davon überzeugt, dass die schnellere und konstantere Diffusion von pflegewissenschaftlichen Innovationen zu einer erhöhten Patientensicherheit, gesteigerten Pflegequalität, niedrigeren Pflegefehlern, höherer Mitarbeiterzufriedenheit und einer höheren Wirtschaftlichkeit führt. Beispielsweise war auch die heute überall im Pflegealltag gängige „Braden-Skala“ zur Ermittlung von Dekubiti Risiken eine pflegewissenschaftliche Innovation, eine Neuheit.
Der momentane Forschungsstand zu diesem Thema scheint nicht ganz ausreichend zu sein. Zwar gibt es im englischsprachigen Raum viele, gerade speziell pflegewissenschaftliche Quellen zu Implementierungswissenschaften, so ist die Anzahl der Quellen für dieses Thema im deutschsprachigen Raum jedoch deutlich geringer. Gerade weil es in Deutschland keine einheitlichen Regelungen und Fortbildungen für Führungskräfte gibt, muss man davon ausgehen, dass jede Führungskraft auf einem anderen Stand ist, was Implementierungswissenschaften betrifft. Wie die Recherchearbeit des Autors dieser Facharbeit zeigt, ist jedoch das Erkennen von bestimmten Phasen und dem adäquaten Reagieren im Diffusionsprozess von äußerster Wichtigkeit zur erfolgreichen Diffusion einer Innovation.
Diese Hausarbeit soll zeigen, dass jede in der Pflege tätige Führungskraft sich dem Thema Implementierungswissenschaften, dem Iowa Model of Nursing und der Diffusionstheorie nach Everett M. Rogers zumindest mal annähern sollte.
2. Wichtigkeit der Pflegewissenschaft im pflegerischen Alltag und der Patientenversorgung
Obwohl es in dieser Hausarbeit primär nicht um das allgemeine Thema „Pflegewissenschaft“ gehen soll, lohnt sich eine kleine argumentative Wiederholung um die Bedeutsamkeit von Pflegewissenschaft in unserem pflegerischen Alltag nochmals hervorzuheben. Wie Haber und Wood sagen, können wir uns darauf einigen, dass die klassische Pflege ein praktisches Berufsfeld und das der Dienstleistungsbereich, in dem die Pflege sich befindet, ein rasant wachsender und dynamischer Bereich ist (vgl. LoBiondo-Wood und Haber 2005, S.6). Die Pflegewissenschaft und -forschung dient „in erster Linie der Entwicklung und Verbesserung des Wissens, das zur Verbesserung der klinischen Praxis genutzt werden kann.“ (Burns und Grove 2005, S. 2) Pflegende nutzen also Pflegewissenschaft und -forschung, um mehr Wissen zu erlangen, bereits implizites Wissen zu unterstützen und auszubilden, um ihre Arbeit qualitativer zu gestalten und im Endeffekt auch eine bessere Patientenversorgung sicherzustellen, um effektiv auf ständig wandelnde Herausforderungen reagieren zu können. Ein Beispiel wäre die anhaltende Corona Pandemie als offensichtliche Herausforderung. Ohne Pflegewissenschaft stünde die Praxis still, es gäbe keine Dynamik, es gäbe nur anekdotische Beispiele anstatt empirischer Beweise, es gäbe keine einheitlichen Dienstvorschriften.
Jedoch ist die Pflegewissenschaft und -forschung nicht nur in der Praxis nützlich, sie schafft auch theoretisches Wissen, welches dann in allen Bereichen der Pflege, wie der Ausbildung der generalistischen Pflege, Studiengänge wie Pflegemanagement, Pflegepädagogik, Rollenbilder oder sonstigen Bereiche der Pflege angewandt wird (vgl. Burns und Grove 2005, S. 3). Die Pflegenden sind stets angehalten, sich weiterzubilden, so verlangt der deutsche Gesetzgeber von Pflegenden mit Staatsexamen, dass sie immer nach dem aktuellsten Stand der Forschung agieren. Eine gesetzliche Pflicht zur Weiterbildung gibt es jedoch nicht, eine Notwendigkeit für eine solche besteht, nach aktuellem Stand der Forschung, jedoch sehr wohl (vgl. Timmreck et al. 2017, S.34-35).
Aber was ist das angestrebte Ziel der Pflegewissenschaft und -forschung?
Für Burns & Grove ist das „Ziel der Forschungsanwendung die Nutzung von Forschungswissen in der Praxis, um eine qualitativ hochwertige, kosteneffiziente Patientenpflege zu bieten, die die positiven Auswirkungen auf Patienten und Angehörige fördern sollen. Forschungswissen ist für eine Verbesserung der Beurteilungs-, Diagnose- und Interventionskompetenz von praktizierenden Pflegenden unverzichtbar.“ (Burns und Grove 2005, S. 511). Ein Beispiel dafür wäre die Braden-Skala. Sie wurde durch Pflegeforschung mit dem Ziel entwickelt, das Risiko für die Entstehung von Dekubiti bei Patienten vorhersagen zu können (vgl. Burns und Grove 2005, S.511). Die Braden-Skala ist spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts fester Bestandteil jeder Ersteinschätzung eines stationär behandelten Patienten (vgl. Klugkist 2015). Anhand der Braden-Skala können jene Patienten identifiziert werden, bei denen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Dekubiti besteht, wo dann Interventionen geplant und durchgeführt werden. Die Prävention von Druckulzera fördert die positiven Pflegeresultate und reduziert deutlich die Kosten im Gesundheitswesen (vgl. Burns und Grove 2005, S. 511).
Das Arbeiten auf pflegewissenschaftlicher Grundlage führt automatisch zur Durchführung der „evidence based nursing (EBN)“ bzw. „Evidenzbasierte Pflege“. Dabei handelt es sich um eine Bezeichnung, für evidenzbasierte Verfahren zur objektiven Beurteilung krankenpflegerischer Maßnahmen (vgl. bionity.com/ 2017). Gabriele Schlömer meint dazu: „Das vorrangige Ziel evidenzbasierter Pflege ist es, eine Grundlage zu schaffen, um Pflegebedürftigen die beste und wirksamste Pflege zukommen zu lassen. Die pflegerische Handlung soll nicht allein auf Traditionen, Überlieferungen oder auf Erfahrung, sondern auch auf pflegewissenschaftlichen Belegen beruhen.“ (Schlömer 2000, S. 37).
Die Implementierung dieser evidenzbasierten Forschungsergebnisse in die Pflegepraxis ist zumeist Aufgabe der Führungskräfte. So ist die Pflege aber kein klassisches theoretisches Berufsfeld, das streng festgelegten, historisch gewachsenen Hierarchien (wie beispielsweise Mitarbeitende im Steuerrecht) folgt, sondern, wie bereits beschrieben, ein praktisches Berufsfeld, dessen akademische Wissenschaft immer noch recht neuartig daherkommt, da sie in Deutschland erst seit Mitte der 1980er Jahre gelehrt und angewandt wird (vgl. Robert Bosch Stiftung 1996; Borutta et al. 2018, S.100).
2.1 Gründe für das Scheitern der Implementierung von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen
Nachdem der Autor dieser Hausarbeit sich im vorherigen Kapitel mit den Vorzügen von EBN und Pflegewissenschaft beschäftigt hat, soll an dieser Stelle über Gründe für das Scheitern der Implementierung von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen gesprochen werden. Borutta et al attestieren der Pflegepraxis ein „unausgereiftes Verhältnis zwischen Pflegepraxis und Pflegewissenschaft“. So seien in Deutschland lediglich 0,5% aller Pflegenden akademisiert und damit weit unter der von der Politik geforderten 10%. Die Personalverantwortlichen scheinen also mit der Pflegewissenschaft zu fremdeln. Warum sollten auch Führungskräfte „die lebensweltliche Gewissheit, auf die die (häufig intuitive) Handlungs- und Verhaltenssicherheit der im Handlungsfeld Pflege Tätigen basiert, mit den nicht selten selbstbezüglichen (pflege-)wissenschaftlichen Konstrukten irritieren oder auch überfrachten?“ (vgl. Borutta et al. 2018, S.100). Es gibt offensichtlich nicht nur eine gewisse Grundskepsis seitens der Entscheidungsträger, sondern eine offengelebte Ablehnung oder gar Ignoranz gegenüber der Pflegewissenschaft, da ja auch akademisierte Pflegende nur wenig Bemühen daran zeigen, Pflegewissenschaft auch in die Praxis zu integrieren, indem sie ihre generierten Erkenntnisse eben nicht kommunizierbar und anschlussfähig in der Pflegepraxis präsentieren, da die Pflegewissenschaft auch „ein Wissen eines relativ esoterischen Typs“ erzeugt (Vogd 2011, S.81). Gerade deshalb ist es wichtig, dass nicht nur Entscheidungsträger über Implementierungsmöglichkeiten von sogenannten Innovationen (mehr dazu in Kapitel 3f.) wissen, sondern auch die eigentlich handelnden Personen der Pflegewissenschaft, also der „scientific community“. Denn auch 2006 stellte Schaefer fest: „Landauf und landab (ist) die Klage zu hören dass neues Wissen an der Pflegepraxis abprallt und ergo nicht aufgegriffen wird. (.) Seit vor ungefähr einem Jahrzehnt begonnen wurde, mit großer zeitlicher Verzögerung auch in Deutschland Pflegewissenschaft zu etablieren, wurde in kürzester Zeit eine Fülle neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuer Konzepte erarbeitet, die jedoch keineswegs so ihren Weg in die Praxis finden, wie einst erhofft.“ (Schaeffer 2006, S.3).
Brandenburg findet mehrere Gründe, weshalb die Pflegepraxis nicht auf Pflegewissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreift (Brandenburg 2005):
1.) Pflegekräfte wissen nichts darüber
2.) Pflegekräfte verstehen pflegewissenschaftliche Studien nicht
3.) Pflegekräfte misstrauen wissenschaftlichen Erkenntnissen
4.) Pflegekräfte wissen pflegewissenschaftliche Erkenntnisse nicht anzuwenden
5.) Pflegekräfte dürfen pflegewissenschaftliche Erkenntnisse nicht anwenden
Diese Gründe sind jedoch im Zusammenhang zusehen. Nach Borutta et al handelt es sich „um ein multikausales und interdependentes Problemsyndrom.“ (Borutta et al. 2018, S. 102). Brandenburg teilt dieses multikausale Problem mit Bezug auf Dufault et al (1995) in drei „Charakteristika“ auf, die in den nachfolgenden Kapiteln behandelt werden.
2.2 Charakteristika der Pflegekräfte
Dufault et al stellen fest, dass selbst wenn Pflegekräften Ergebnisse der Pflegeforschung vorliegen, haben diese nur selten Interesse daran, diese Erkenntnisse auch in die Pflegepraxis einzuführen. So ist von „mangelnder Kompetenz [...] Pflegeforschungsergebnisse überhaupt zu lesen“ (Dufault et al. 1995, S.35) die Rede. Dufault et al vermuten dahinter Defizite bei der Ausbildung der Pflegekräfte, in welcher „Fragen der Pflegeforschung bzw. deren Anwendung nur geringe Aufmerksamkeit gewidmet wird“ (Dufault et al. 1995, S. 35). Dufault et al stellen zudem eine zentrale Frage: Warum sollten Pflegekräfte vertraute Routinen, Abläufe und Anwendungen (ver-)ändern, wenn sich diese doch bisher als funktional erwiesen haben? Der bekannte angelsächsische Ausspruch „Never change a running system“ käme da in den Sinn. Aber selbst wenn sich bekannte Abläufe als dysfunktional erweisen, „führt dies nicht unmittelbar zur Suche und zur Nutzung wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse.“ (Borutta et al. 2018, S.102). Der Grund für dieses Verhalten liefern Dufault et al und Borutta et al: „Die Übertragung auf alltägliche und organisationale Kontexte (der Lebenswelt der Pflegepraxis) erhebliche Schwierigkeiten bereitet“ (Borutta et al. 2018, S.102), welches Dufault, wie oben benannt, auf Defizite bezüglich der Annäherung zu pflegewissenschaftlichen Themen in der Ausbildung zurückführt. Somatisch arbeitende Pflegende würden es als schwierig empfinden, sich auf nach wissenschaftlichen Standards erarbeiteten Ergebnissen auf individuelle Praxissituationen zu übertragen.
Zusammenfassend lässt sich also herausarbeiten, dass Pflegekräfte, die nicht besonders in Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten geschult oder ausgebildet wurden, deutliche Probleme mit dem Verständnis, geschweige denn der Anwendung von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis haben. Dazu sei aber erwähnt, dass die Texte von Dufault et al sich primär auf das amerikanische Pflegeausbildungssystem beziehen. Trotzdem ist das von großer Relevanz für die deutschen Pflegekräfte. Denn während in Amerika der Anteil an langjährig studierten „Nurses“ bei über 65% aller an der Pflege beteiligten Personen beträgt, ist der Anteil an studierten Pflegekräften in der Praxis in Deutschland - wie bereits vorher erwähnt - bei nur 0,5% (vgl. Berger et al. 1993, S. 136).
Es könnte an dieser Stelle jedoch der Eindruck entstehen, dass nur studierte Pflegekräfte pflegewissenschaftliche Erkenntnisse anwenden könnten. Das ist aber selbstverständlich nicht der Fall, so wäre auch eine innerbetriebliche Fortbildung der Mitarbeiter zur Sensibilisierung des Themas denkbar.
2.3 Charakteristika der Organisation
Dufault et al beschreiben auch für die Organisation, in der die pflegewissenschaftliche Anwendung stattfinden soll, Charakteristika. Sie sind überzeugt, dass Organisationen und deren Strukturen direkten Einfluss auf die Annahme oder Ablehnung von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen haben, indem sie entweder ein positives Forschungsklima oder ein negatives Forschungsklima besitzen. Organisationen müssten es erlauben, dass „Dingen auf den Grund gegangen wird“ und „neue Formen der Praxis zugelassen und ermutigt“ werden müssen (Dufault et al. 1995, S.36). Dufault führt weiter aus, „dass soziale Strukturen das Ausmaß bedingen, in dem Innovationen angenommen werden“. Die soziale Struktur die in der Pflege in Frage kommt ist natürlich das Krankenhaus, bzw. die Station. Dafür muss diese soziale Struktur systemische Effekte hervorbringen, welche die individuelle Pflegekraft beeinflussen (vgl. Dufault et al. 1995, S.36). Das könnten beispielsweise Fortbildungen oder ganz simple Merkblätter, die aufgehangen werden, sein. Nach Dufault et al weisen Organisationen, die ein positives Forschungsklima besitzen vor allem drei Merkmale auf:
1. Systeme, die Innovationen positiv gegenüberstehen (Beispielsweise gewisse Stationen in Krankenhäusern, bei denen darauf hoher Wert gelegt wird)
2. Enge Kommunikation der Mitglieder
3. Einbeziehung der Mitglieder in die Entscheidung, Innovationen einzuführen
Für Führungspersonen bedeutet dies vor allem, dass diese keinen Alleingang bei der Einführung von Innovationen versuchen sollten, egal wie sinnig diese auch sein mögen. In der Erfahrung des Autors dieser Hausarbeit konnte dieser feststellen, dass wenn Innovationen ohne Einbezug der Mitglieder bzw. der Pflegekräfte auf einer Station eingeführt worden, ohne dass diese mitentscheiden durften, diese Innovationen eigentlich immer gescheitert sind und nicht erfolgreich eingeführt worden ist. Es bildeten sich Grüppchen, manche Pflegekräfte arbeiteten nach der neuen Innovation, andere nicht. Es erfolgte keine einheitliche Diffusion der Innovation. Die eigentliche Definition der „Diffusion der Innovation“ sowie zugehörige Erklärungen erfolgen in einem späteren Kapitel.
2.4 Charakteristika der Forschungsarbeiten und dem Zugang zu Forschungsergebnissen
Nachdem in den vorangegangen Kapitel 2.2 und 2.3 über Charakteristika der individuellen Person (Pflegekraft) sowie die der Organisation gesprochen wurde, muss an dieser Stelle auch über die Charakteristika der eigentlichen zu implementierenden Forschungsabreiten und derer Zugang sprechen. Borutta et al beschreibt dazu, dass „wissenschaftliche Fachliteratur und Recherchemöglichkeiten zur Gewährleistung einer evidenzbasierten Pflege für Pflegekräfte in der Praxis leicht zugänglich gemacht werden müssen“ (Borutta et al. 2018, S.102). Die Form der Bereitstellung ist dabei zweitrangig.
3. Das Iowa Model of Nursing
In der freien Wirtschaft wird selten investiert, ohne über die Erfolgsaussichten genaustens Bescheid zu wissen. Ähnlich sieht es auch mit Krankenhäusern oder der Politik aus, wenn es um den Themenbereich der Pflegewissenschaft geht. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von pflegewissenschaftlichen Themen spielt eine große Rolle; Kann Pflegewissenschaft überhaupt die Praxis bewältigen und zu einer Besserung beitragen? Nachdem der Autor dieser Hausarbeit in den vorangegangenen Kapiteln vor allem über die Gründe des Scheiterns berichtete, so scheint die lesende Person bisher zu dem Schluss zu kommen, dass ein TheoriePraxis Bezug kaum möglich ist. Im Folgenden sollen nun unterstützende Modelle zur Einführung pflegewissenschaftlicher Themen in die Praxis erläutert werden. Das hier vorliegende theoretische und empirisch begründete Modell wurde 1994 von einer Forschergruppe der Universität Iowa (College of Nursing) entwickelt, mit der Fragestellung, wie Forschungsbefunde in die Praxis umgesetzt werden können (vgl. Brandenburg et al. 2013 S. 260). Hermann Brandenburg beschreibt das Modell: „Es geht um ein konkretes Ablaufschema, welches bei der Übertragung und Nutzung von Forschungsbefunden und neuem Wissen zu beachten ist“ (Brandenburg et al. 2013, S.260). Konkret wurde das Modell in einem privaten Krankenhaus in Hong-Kong getestet, das Thema umfasste die Absaugung von Patienten, im „Ergebnis konnte ein Rückgang nosokomialer Infektionen, eine Steigerung des Patientenwohlbefindens, die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der Innovation sowie eine Reduktion von Kosten festgestellt“ werden (Brandenburg et al. 2013, S.260).
In der folgenden Darstellung ist das Model of Iowa zu sehen. Eine Erklärung zu einzelnen Wörtern, die im Iowa Model benutzt werden, liefert ebenfalls Herman Brandenburg und sind durch den Autor dieser Hausarbeit ergänzt. Das Model of Iowa ist im Endeffekt eine ausgearbeitete Version für die Pflege und das Gesundheitssystem auf der Grundlage von Rogers „Diffusion of Innovations“, über welches in Kapitel 4 und 5 ausführlich gesprochen wird.
Trigger: Das Model geht von einem „Trigger“ (zu Deutsch: „ Auslöser“) aus (vgl. Titler et al. 2001, S.500). Dieser Auslöser entsteht aus zwei verschiedenen Gründen heraus. Entweder ist der Auslöser „problem focused “ (zu Deutsch: „Problem basierend“) und wird durch Daten vom Risk Management, „process improvment Data“ (zu Deutsch: „Qualitätsmanagement“), Benchmarking oder „identification of clinical problems“ („der individuellen Identifikation von klinischen Problemen“) ausgelöst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auf der anderen Seite der Auslöser stehen die „knowledge focused trigger“ (zu Deutsch: „Wissen basierend“), die durch „new research or other literatur“ (zu Deutsch: „neue Studien oder Literatur), „national agencies or organicational standards or guidelines“ (zu Deutsch: „Standards oder Vorgaben von Behörden auf nationaler Ebene oder organisationsintern), „philosophies of care“ (zu Deutsch: „Ethiken und Philosophien der Pflege“) oder „questions from Instituional Standards Committee“ (zu Deutsch: „Forschungsaufträge durch Ausschüsse von Instituten“) ausgelöst werden. Das bedeutet also, dass es eine Art Katalysator geben muss, die zur „kritischen Reflexion von Effektivität und Effizienz [der in Frage kommenden] pflegerischen Maßnahmen anregen“ (Brandenburg et al. 2013, S.260). Dabei können sowohl wirtschaftliche Konkurrenzsituationen („Benchmarking “), politische Entscheidungen oder das Aufdecken von Missständen durch Individuen, seien es Pflegekräfte oder durch Beschwerden, zu dieser katalysatorischen Reaktion führen, die dann im Modell weiter behandelt werden. So ist die nächste Frage, die sich nach Herausstellen von Problemlagen, auftut, die nach „is this topic a priority for the organisation? “, ist das Thema für die Einrichtung oder Station überhaupt eine Sache von Wichtigkeit? Nicht jede neue Erkenntnis bedarf Implementierung. Falls bejaht, dann wird im nächsten Schritt „form a team “, also ein Team gegründet, welches sich mit dem Thema befasst. Dabei ist laut Brandenburg die Zusammenstellung des Teams abhängig von dem Thema, es muss bei Bedarf auch interdisziplinär gearbeitet werden. Die nächsten beiden Schritte, „assemble relevant research and related literature “& „critique and synthesize research for use in practice “, lassen sich recht gut zusammenfassen: Literatur zusammenbringen und aussortieren. Dabei stellt sich unweigerlich die kritische Frage: „is there a sufficient research base? “, gibt es eine ausreichende Forschungsbasis? Zur Beantwortung dieser Fragestellung stellt Brandenburg et al einige Kriterien auf, die bereits durchgeführte Forschungen besitzen sollten: Konsistenz der Erkenntnisse über einzelne Studienergebnisse hinweg, Art und Qualität der Studie, klinische Relevanz der Ergebnisse und die Übertragbarkeit der vorliegenden Befunde (vgl. Brandenburg et al. 2013, S. 262). Falls es keine ausreichende Forschungsbasis gibt, gibt es nach dem Iowa Model zwei Möglichkeiten weiter vorzugehen: Es werden andere Erkenntnisquellen als Studien genutzt - dazu zählen nach Hao und Titler et al:
1. „Case Reports“ (Zu Deutsch: „Fallberichten“),
2. „Expert Opinion“ (Zu Deutsch: „Expertenstellungsnahmen),
3. „Scientific Principels“ (Zu Deutsch: „Wissenschaftliche Grundlagen“),
4. „Theories“ (Zu Deutsch: „Studien“) (vgl. Hao 2016, S.1).
Brandenburg et al fügt weitere mögliche, alternative Quellen hinzu: „Journal Clubs, Zusammenarbeit mit [...] einem pflegewissenschaftlichen Institut, Interpretation von Literatur etc.“ - Die Alternative zu einer schwachen Forschungsgrundlage: „Conduct Research“ - selber Forschung betreiben- welche dann wiederum beurteilt werden muss. Wenn nun eine ausreichende Forschungsbasis zusammengetragen werden konnte, muss die Veränderung in der Praxis getestet werden. Titler et al nennt dies „Pilot the change in practice“ (Titler et al. 2001, S.501) und nennt wieder ein Stufensystem:
1. Select outcomes to be achieved (Gewünschtes Ergebnis formulieren)
2. Collect Baseline Data (Sammeln von Grundlagedaten)
3. Design evidence-based practice (EBP) guidelines (Entwurf evidenzbasierter Praxisleitlinien)
4. Implement EBP on pilot units (Evidenzbasierte Praxisleitlinien auf Versuchsstationen implementieren)
5. Evaluate Process and Outcome (Prozess- und Ergebnisauswertung)
6. Modify the practice guideline (Anpassung der praktischen Richtlinien)
Nachdem die Innovation in der Praxis getestet und ausgewertet worden ist, folgt die Frage: „Is change appropriate for adoption in practice?“, ist die bevorstehende Veränderung für die Übernahme in die Praxis geeignet? Die Lösung auf diese Fragen sollten durch das 6-stufige System leicht zu beantworten sein. Falls zu einer negativen Prognose bezüglich der Eignung der Implementierung gekommen wird, fängt man nach dem Iowa Model wieder bei den Triggern an und sucht weiter nach Verbesserungen. Das heißt jedoch nicht, dass das bisher Erforschte und Zusammengetragene verworfen werden muss, denn eine spätere Implementierung der Forschungsergebnisse unter anderen Gesichtspunkten ist trotzdem möglich.
Falls die Veränderung geeignet ist, muss die Veränderung institutionell eingeführt werden, das beinhaltet das Aufmerksam machen, Einweisung, Erklärung und Sensibilisierung für das Thema bei den Mitarbeitern und interdisziplinären Kollegen. Dazu wird organisatorische Unterstützung notwendig, für die Bereitstellung von Räumlichkeiten für Schulungen beispielsweise. Danach wird der Prozess überwacht und der Erfolg evaluiert.
Zusammenfassen lässt sich das Iowa Model wie folgt: Probleme durch verschiedene Analysen ausmachen, Team zusammenstellen, Recherche betrieben und Literatur evaluieren, bei Bedarf selbst forschen und dann imBestfall erfolgreich implementieren. Was sich nach einer leichten Aufgabe für ein paar Stunden anhört, ist in Wahrheit ein gigantischer innerorganisatorischer Prozess, der vermehrt interdisziplinäre Zusammenarbeit verlangt und ein hohes Maß an kommunikativer Disziplin erfordert. Ein enges Zusammenspiel zwischen Pflegemanagement, -pädagogik und -wissenschaft ist dabei entscheidend. Ebenfalls entscheidend ist, dass alle am Prozess Teilnehmenden nach dem Iowa Model arbeiten.
4. Diffusionstheorie nach Everett M. Rogers
Gleich vorweg: Die ganzheitliche Betrachtung der Diffusionstheorie nach Everett M. Rogers wäre im Rahmen einer Hausarbeit viel zu umfangreich. Deshalb fokussiert sich der Autor dieser Hausarbeit in diesem Kapitel auf die für die Beantwortung der Eingangsfrage nützlichen Aspekte und versucht so auch das Iowa Model für den Leser verständlicher zu machen, da dieses auf Grundlage von Rogers Arbeit entwickelt wurde (vgl. Brandenburg et al. 2013, S. 260).
Zunächst sollte die Begrifflichkeit der „communication“ nach Rogers geklärt werden, da jeder Kommunikationswissenschaftler eine andere Theorie entwickelt, was Kommunikation eigentlich ist. Rogers bezeichnet Kommunikation als „process in which participants create and share information with one another in order to reach a mutual understanding” (Rogers 1995, S. 5). Rogers sieht Kommunikation zunächst als Werkzeug zum gegenseitigen Verständnis und als Mittel zum Austausch und Ersc haffung von Information. Diese Definition impliziert, dass Kommunikation ein Prozess der Konvergenz ist, bei dem zwei oder mehr Personen Informationen austauschen, um sich in der gemeinsamen Interpretation Dieser aufeinander zu zubewegen (vgl. Rogers 1995, S. 5).
Das kann auch schief gehen, denn genauso kann Kommunikation für eine Divergenz sorgen, wenn Kommunikation eben nicht für ein Zubewegen sorgt, sondern vielmehr für ein Wegbewegen.
Nachdem nun der Begriff der Kommunikation nach Rogers kurz umrissen ist, drängt die Frage auf: Was ist eigentlich Diffusion? Nach Rogers ist Diffusion “the process by which an innovation is communicated through certain channels over time among the members of a social system. It is a special type of communication, in that the messages are concerned with new ideas.” (Rogers 1995, S.5). Rogers stellt also die Behauptung auf, dass Diffusion im Grunde ein Prozess ist, bei dem eine Innovation im Laufe der Zeit durch bestimmte Kommunikationssysteme innerhalb von Mitgliedern eines sozialen Systems verbreitet wird. Ebenfalls ist nach Rogers Diffusion eine besondere Art der Kommunikation, da die Nachrichten sich mit neuen Ideen befassen. Es sei die Neuigkeit der Idee, welche die Besonderheit der Kommunikation ausmacht (Rogers 1995, S.6). Die grundlegenden Elemente der Diffusion sind also: “(1) an innovation, (2) which is communicated through certain channels, (3) over time, (4) among the members of a social system (Rogers 1995, S.35)”. Hier stellt Rogers also „new ideas“ mit Innovationengleich. Im pflegewissenschaftlichen Kontext, gerade was Implementierungswissenschaften betrifft, z.B nach Bruns und Grove werden immer wieder Begriffe nach Rogers benutzt. Burn und Grove interpretieren „Innovation“ in diesem Zusammenhang beispielsweise als „Idee oder Pflegemaßnahme, die von einer Pflegekraft oder einer Gruppe von Pflegenden, die sie in ihre Praxis übernehmen, als neu angesehen wird (obwohl sie es nicht unbedingt ist)“ (Burns und Grove 2005, S.99).
5. Die Beschlussfassung zur Innovation nach Everett M. Rogers
Die Beschlussfassung eine Innovation anzunehmen oder abzulehnen ist nach Rogers kein spontaner Prozess, sondern vielmehr ein zeitlicher Prozess, der aufgeteilt werden kann. Dabei müssen die am Prozess Teilnehmenden nicht einmal Individuen sein, denn auch Organisationen können eine Innovation durchlaufen. Erfahrene Führungskräfte können in diese Prozesse eingreifen und so Individuen und Organisationen an den für sie passenden Stelle leiten und das gewünschte Ergebnis erzielen. Die folgenden Phasen sind Bestandteil des Diffusionsprozesses. Die untenstehenden Begriffe wurden vom Autor dieser Facharbeit ins Deutsche übersetzt. Die ursprünglichen Beschreibungen können in dem Originaltext nach Everett M. Rogers nachgelesen werden (Rogers 1995, S. 164-180).
5.1 Knowledge-Phase
Diese tritt auf, wenn ein Individuum oder eine Organisation von der Existenz einer Innovation erfährt und die Funktion und den Nutzen dieser zu verstehen beginnt. Häufige Nachfragen von Individuen sind beispielsweise „Was bringt mir das?“, „Wofür ist das gut?“ oder „Wie funktioniert das?“ (vgl. Rogers 1995, S.167). Führungskräfte sind in dieser Phase am besten beraten, frühzeitig Informationen bereitzustellen und Fragen zu klären. Denn, so Rogers, je komplexer eine Innovation ist, desto mehr Wert legen Individuen auf eine umfassende Aufklärungsarbeit, wie und warumdiese Innovation funktioniert. Ähnlich verhält es sich mit der persönlichen Motivation von Individuen und auch Organisationen. Rogers nimmt diesbezüglich die Position von Edward Hassinger ein, der die These vertritt, dass Individuen eine Innovation nicht wahrnehmen, bis nicht zwingend ein Bedarf für diese besteht. Erst wenn die eigenen Interessensvorstellungen und persönliche Neigungen mit der Innovation übereinstimmen, würde das Individuum diese wahrnehmen (vgl. Hassinger 1959, S.52f.). Rogers beschreibt innerhalb der Knowledge-Phase noch drei eventuelle Wissensarten des Individuums in Bezug auf die Innovation, die hier relevant sind, gewissermaßen Phasen innerhalb der Knowledge-Phase. Ein Individuum befindet sich immer innerhalb einer dieser Wissensarten (vgl. Rogers 1995, S.167-168).
1. Awareness-knowledge: Bezeichnet lediglich, dass das Individuum von dem Vorhandensein der Innovation weiß. Die awarness-knowledge ist jedoch der Grundstein für die weiteren Wissensarten.
2. How-to-knowledge: Hier weiß das Individuum bereits, wie und warum eine Innovation funktioniert.
3. Principles-Knowledge: Hier besitzt das Individuum bereits tiefe Einblicke in die Theorie der Innovation und versteht diese. Die meisten Individuen treten nicht in diese Wissensart ein.
5.2 Persuasion-Phase
In dieser Phase entscheidet das Individuum oder eine Organisation, welche Haltung es gegenüber der Innovation annimmt. Nach Rogers kann sie eine positive oder eine negative Haltung einnehmen (vgl. Rogers 1995, S.170). Dabei steht hier eher der „affektive“ Gedankengang im Vordergrund und dieser als Gegensatz im Vergleich mit den eher kognitiven Gedankengängen in der „Knowledge-Phase“. Für das Individuum stellt sich hier die Frage nach Vor- und Nachteilen (vgl. Rogers 1995, S. 171). Das Individuum stellt dabei für sich persönliche Vor- und Nachteile, beispielsweise im Verhältnis zu Machtstrukturen mit denen der Innovation gleich. „Here the important behaviors are where he or she seeks information, what messages he or she receives, and how he or she interprets the information that is received” (Rogers 1995, S. 170). Rogers vertritt die Ansicht, dass die wichtigen Verhaltensweisen der Individuen in dieser Phase die Art der Informationsbeschaffung, die Rückmeldungen die es erhält und die Art und Weise, wie es diese interpretiert. Der Autor dieser Facharbeit geht davon aus, dass zumindest die ersten beiden Verhaltensweisen steuerbar und für eine Führungskraft von großer Bedeutung sind, wenn sie denn in den Innovationsprozess eingreifen will. Vorstellbar wäre beispielsweise die gezielte Anregung zur Selbstrecherche für die Mitarbeitenden. Will eine Führungskraft eine Innovation zur Einführung bringen, muss sie für eine geeignete Grundposition dieser sorgen. Eine positive Einstellung gegenüber einer Innovation garantiert jedoch noch keinen Erfolg einer tatsächlichen Implementierung (vgl. Rogers 1995, S. 170f)
5.3 Decision-Phase
In dieser Phase entscheidet das Individuum oder die Organisation, ob die Innovation eingeführt oder abgelehnt wird. Dabei steht laut Rogers vor allem die Unsicherheit ob der Konsequenzen der Innovation einer Einführung in die Praxis im Wege (Rogers 1995, S. 172). Diese können, laut Rogers, jedoch mit Test in der Praxis meist überwunden werden. So würden die meisten Individuen Innovationen ablehnen, bis diese in der Praxis getestet wurden. Ein erfolgreicher Test hingegen, steigere die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung für eine Innovation um ein Vielfaches, dabei muss die Innovation aber Tests zulassen können: „Innovations that can be divided for trial use are generally adopted more rapidly“ (Rogers 1995, S. 172). Der Autor dieser Facharbeit stellte bei seinen eigenen Praxisversuchen ähnliches fest: Es sollten zum Zwecke der erhöhten Mitarbeiterzufriedenheit und Flexibilität andere Dienstzeiten und somit andere Tage-Wochen in allen Stationen eines 750-Planbetten Akutkrankenhauses implementiert werden. Auf drei von 25 Stationen wurden vorher verschiedene Dienstzeiten getestet. Nach einer Testzeit von rund 9 Monaten wurde auf jeder Station separat abgestimmt, welche Dienstzeit diese haben wollen. Das Ergebnis: alle Stationen, bis auf die drei, die getestet haben, blieben beim vorher geltenden 5,5 Tage Modell.
Es gibt nach Rogers zwei Arten der Ablehnung: Active rejection, “which consists of considering adoption of the innovation (including even its trial) but then deciding not to adopt it” und Passive rejection (auch: nonadaptation), “which consists of never really considering use of the innovation” (Rogers 1995, S.173).
5.4 Implementation-Phase
Diese Phase beginnt erst mit der tatsächlichen Anwendung der Innovation in der Praxis. Dabei ist auch der Leistungstransfer der Teilnehmenden von Bedeutung: War die bisherige Beschäftigung mit der Innovation fast ausschließlich mentaler Natur, muss ab hier von den Individuen auch praktische Verhaltensänderungen verlangt werden (vgl. Rogers 1995, S. 174). Nur weil eine Innovation implementiert wurde, heißt das nicht, dass sie sich auch auf Dauer halten kann. Nach Rogers gibt es häufig Re-Innovationen, nach denen Innovationen nicht 1:1 übernommen werden, sondern Anpassungen an individuelle Bedürfnisse stattfinden. Als Führungskraft muss an dieser Stelle eine Balance erreicht werden: Die Innovation darf nicht zu sehr verändert werden, weil sie sonst nicht mehr als solche zu erkennen ist, aber es muss aber auch genug Raum für die Bedürfnisse gelassen werden, da sonst wie bereits beschrieben, die Mitarbeitenden die Innovation langfristig ablehnen und die Implementierung ablehnen. Die Implementationsphase endet erst nachdem die Innovation “becomes an institutionalized and regularized part of the adopter's ongoing operations” (Rogers 1995, S.175), also ein fundamentaler Teil des Systems geworden ist.
5.5 Confirmation-Phase
Empirische Studien implizieren, dass eine Entscheidung zur Einführung oder Ablehnung einer Innovation im „innovation-decision“- Prozess nicht definitiv ist. Von der Innovation Betroffene suchen weiter nach Informationen, die ihre vorausgegangene Meinung bestätigen. Finden sie der Innovation widersprüchliche Informationen, kann es zu einer nachträglichen Ablehnung der Innovation kommen, gerade wenn Alternativen zur Verfügung stehen (vgl. Sower, Coleman et al. 1967, S. 30). Die Gründe für die nachträgliche Ablehnung einer Innovation sind trotzdem vielfältig. So haben von der Innovation Betroffene, die später doch ablehnen, sehr viel häufiger gewisse Eigenschaften: „less education, lower socioeconomic status, less change agent contact, and the like, which are the opposites of the characteristics of innovators” (Rogers 1995, S. 188). Hier sind die innovationsbetreibenden Führungskräfte wieder im Fokus: Sie müssen diese Eigenschaften bei ihren Mitarbeitenden erkennen und frühzeitig für Aufklärung sorgen. Dies setzt natürlich voraus, dass die Führungskraft ihre Mitarbeitenden kennt. Neben der individuellen Haltung gegenüber der Innovation stehen noch andere Möglichkeiten, warum es zum Abbruch bzw. „discontinuance“ kommt. So beschreibt Rogers die „replacment discontinuance“, also den Abbruch durch Ersatz, da Mitarbeitende mit einer ähnlichen Innovation besser zurechtkommen (vgl. Rogers 1995, S. 186). Ein gutes Beispiel dafür wäre wieder die Situation des Autors dieser Hausarbeit mit den unterschiedlichen Dienstzeiten auf den Stationen. Die ursprünglich angedachte 4,8 Tagewoche wird beispielsweise durch eine 5,0 Tagewoche ersetzt, im Endeffekt wird trotzdem eine Innovation erreicht, da die Mitarbeitenden die ursprüngliche 5,5 Woche abgeschafft haben. Des Weiteren beschreibt Rogers auch die „disenchantment discontinuance“, den Abbruch durch (wörtlich) Entzauberung. Dieser tritt auf, wenn Mitarbeitende nicht mit der Leistung der Innovation in der Praxis zufrieden sind. Die Unzufriedenheit rührt nach Rogers beispielsweise aufgrund individueller Gründe oder weil die Innovation sich einfach nicht als so vorteilhaft erwiesen hat, als erhofft. Es gibt also eine Art Enttäuschung. Diese Art des Abbruchs scheint häufiger bei den Mitarbeitenden mit den oben beschriebenen Eigenschaften aufzutreten. (vgl. Rogers 1995, S.188).
Generell beschreibt Rogers verschiedene Typen von „adopters“ der Innovationen. So ist er der Meinung, dass „early adopters“, also Menschen, die eine Innovation früh annehmen und sich mit ihr beschäftigen, weniger häufig eine Innovation nach der Implementierung ablehnen und sie seien auch besser ausgebildet und haben einen höheren sozialeren Status (Rogers 1995, S.189). Im Gegensatz dazu stehen die „late adopters“, also Menschen, die bis zur Implementierung (und danach) an der Innovation zweifeln, welche meist einen niedrigeren Bildungsgrad und einen niedrigeren sozialen Status haben.
6. Fazit
Der Autor dieser Hausarbeit stellte eingangs die Frage nach einem oder mehrerer Tools, die die Implementierung von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis erleichtert und unterstützt. Während der Recherche stieß der Autor dieser Hausarbeit unter anderen auf das bewährte Iowa Model of Nursing, welches auf der Diffusionstheorie nach Everett M. Rogers aufbaut. Beide Theorien wurden ausgearbeitet und auf Nützlichkeit mit Praxisverweisen untersucht. Des Weiteren konnte der Autor dieser Hausarbeit Gründe für das Scheitern der Implementierung von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen herausarbeiten und die lesende Person darauf aufmerksam machen. Dazu lädt die Analyse dieser sog. „Charakteristika“ auch zur kritischen Selbstreflexion ein, da nicht nur das Verhalten von Pflegekräften analysiert wurde, sondern auch das der teilhabenden Organisation. Für den Autor dieser Hausarbeit ließ sich nach der Recherche wieder einmal festhalten: Wir bedürfen in der Pflege eine bundesweite, einheitliche Regelung, was - in diesem Fall - Führungskräfte für Fähigkeiten besitzen müssen und dabei müssen auch Implementierungswissenschaften vertreten sein.
Aber nicht nur Führungskräften müssen verstärkt sensibilisiert werden. Wie die Recherche zeigt, müssen sich auch tatsächlich Pflegeausübende mit pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen beschäftigen, Studien lesen und verstehen. Der Autor dieser Hausarbeit würde verstärkt mehr Zeit für pflegewissenschaftlichen Themen in der Ausbildung von Pflegekräften und stärkere Anreize für Studiengänge in der Pflege seitens der Arbeitgebenden fordern.
7. Literaturverzeichnis
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