Der Sunk-Cost-Effekt im Kapitalmarkt. Eine Metaanalyse


Bachelorarbeit, 2019

58 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problematik und Abgrenzung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2. Grundlagen
2.1 Neoklassische Kapitalmarkttheorie („Rationalität“)
2.1.1 Die Theorie des „Homo Oeconomicus“
2.1.2 Effizienzmarkthypothese
2.2 Behavioral Finance („Irrationalität“)
2.2.1 Rationalität vs. Irrationalität
2.2.2 Behavioral Finance
2.3 Prospect Theory
2.4 Sunk-Cost-Effekt

3. Entscheidungsfindung
3.1 Entscheidungs- und Informationsprozess
3.2 Heuristiken

4. Untersuchung des Sunk-Cost-Effektes
4.1 Hypothesen zur Metaanalyse
4.2 Methodik der Metaanalyse
4.3 Resultate der Metaanalyse
4.4 Systematische Literaturrecherche
4.5 Methodik der systematischen Literaturrecherche
4.6 Resultate der systematischen Literaturrecherche
4.7 Diskussion
4.8 Zusammenfassung

5. Anhang

6. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Psychologie Anzahl Masterabschlüsse

Abbildung 2: Psychologie Anzahl Promotionen

Abbildung 3: Erwerbstätige mit psychologischem Hochschulabschluss

Abbildung 4: Aktienkurs Bear Stearns Aktie

Abbildung 5: Aktienkurs Citigroup Aktie

Abbildung 6: Eigene Darstellung

Abbildung 7: Wertfunktion

Abbildung 8: Gewichtfunktion

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Hypothesen Metaanalyse

Tabelle 2: Resultate Metaanalyse

Tabelle 3: Resultate systematische Literaturrecherche

1. Einleitung

In dieser Arbeit wird durch eine metaanalytische Untersuchung das Auftreten des Sunk-CostEffektes bei finanziellen Investitionsentscheidungen belegt. Zusätzlich wird aus der bestehenden Sunk-Cost-Literatur ein Überblick über Lernkompetenzen und kollektive Auswirkungen dieses Effektes gegeben. In dem ersten Teil der Arbeit wird ein Vergleich zwischen der Kapitalmarkttheorie und der Behavioral Finance durchgeführt. Des Weiteren wird die Rolle und die Position des irrationalen Sunk-Cost-Effektes in der Behavioral Finance definiert. Aus diesen Untersuchengen werden Analogien mit dem Kapitalmarkt gebildet, um so ein besseres Verständnis des Sunk-Cost-Effektes zu bekommen. Dabei wird ein schwacher bis mittel-starker Sunk-Cost-Effekt analysiert, der durch sein statisches Szenario ungenügende Abgrenzungen erfährt.

Der Mensch trifft Entscheidungen rund um die Uhr, diese sollen das Leben vereinfachen. Vor allem in der Wirtschaft und unter dem Bezugspunkt der Digitalisierung sind schnelle und richtige Entscheidungen immer wichtiger geworden. Um eine richtige, schnelle und rationale Entscheidung zu treffen, braucht der Mensch alle möglichen Informationen, die für seine Entscheidung relevant sind. Zudem muss der Mensch am Ende dieses Prozesses, die Entscheidung treffen, die im wirtschaftlichen Bereich für ihn die rationalste ist. So lautet zu mindestens die Marktbeschreibung des „Homo Oeconomicus“, der aus der Kapitalmarkttheorie hervorgeht.

In Zeiten von Stuttgart 21, Flughafen Berlin-Brandenburg, Hamburger Elbphilharmonie und Wirtschaftskrisen ist der Gedanke an einen vollkommen rationalen Menschen schwer vorstellbar. Denn die Fragen stellen sich: „Ob es nicht besser gewesen wäre die Projekte frühzeitig zu beenden?“ oder „ob der Mensch Opfer von psychologischen Effekten ist?“. Deswegen hat die Psychologie nicht nur im Alltag an Akzeptanz gewonnen (Abbildung 1-3 Anhang 5.1), sondern ist auch in anderen Bereichen wie z.B. der Wirtschaftswissenschaft anerkannt (Daxhammer und Facsar 2018, Abb.:1 S. 20). Eine weitere Anerkennung waren die zwei Wirtschaftsnobelpreise für Daniel Kahneman (Amos Tversky†) und Richard H. Thaler, die Mitbegründer der Behavioral Finance (Kahneman und Tversky 1979, Thaler 1980). Die Behavioral Finance versucht die Inkonsistenzen der Marktteilnehmer durch das menschliche Verhalten, sowohl in der Gruppe als auch individuell zu erklären (Baker und Nofsinger 2010, S. 3). Damit stellt die Behavioral Finance mit der „Irrationalität“ einen Gegenentwurf zur „Rationalität“ des „Homo Oeconomicus“ dar.

Der Sunk-Cost-Effekt ist ein psychologischer Effekt, der sowohl in wirtschaftlichen Bereichen (Percival 2016, S. 52), als auch in gesellschaftlichen Bereichen (Rego, Arantes und Magalhães 2018, S. 518) einen Menschen in seinen Entscheidungen negativ beeinflussen kann. Deswegen untersucht die Behavioral Finance den Sunk-Cost-Effekt. Die häufig verwendeten Phrasen „to much invested to quit“ (Teger 1980) und „throwing good money after bad“ (Garland 1990) beschreiben den Sunk-Cost-Effekt sehr gut. Des Weiteren ist der Sunk-Cost-Effekt in der Wissenschaft auch unter den Namen „sunk-cost-bias“ (Hafenbrack, Kinias und Barsade 2014), „sunk-cost-fallacy“ (Friedman et al. 2007) und „concorde effect“ (Arkes und Ayton 1999) zu finden. Der Sunk-Cost-Effekt tritt in der Psyche des Menschen auf, wenn dieser auf Basis von bereits versunkenen Kosten eine Entscheidung trifft. Diese Entscheidung wäre ceteris paribus bei geringeren oder nicht vorhandenen versunkenen Kosten anders ausgefallen (Arkes und Blumer 1985, S. 129; Thaler 1980, S. 47). Sunk Costs zu Deutsch versunkene Kosten werden von Hummel und Männel so beschrieben:

„In der Vergangenheit bereits angefallene, zumindest aber schon vordisponierte Kosten, deren Höhe in Gegenwart und Zukunft nicht mehr beeinflusst werden kann, nennt man in der amerikanischen Fachliteratur sunk costs“ (Hummel und Männel 1993, S. 117).

Der Sunk-Cost-Effekt wird im Folgenden an einem kurzen Beispiel erklärt: Ein Student der Betriebswirtschaftslehre, ist in seinem zweiten Jahr im Bachelor und bekommt in einem Jahr seinen Abschluss. Seine Präferenz liegt in diesem Moment dennoch beim Studiengang Psychologie und er ist sich sicher, er wird später als Psychologe arbeiten. Er kann sich keine Credit Points anrechnen lassen und ist somit dem Sunk-Cost-Effekt verfallen, wenn er weiter den Studiengang der Betriebswirtschaftslehre durchführt.

1.1 Problematik und Abgrenzung

In dieser Arbeit soll der Sunk-Cost-Effekt im Bezug zum Kapitalmarkt untersucht werden. Die Kapitalmärkte verändern sich heutzutage in kürzester Zeit, dabei steigen bzw. fallen die Aktienkurse aufgrund von ökonomischen, sozialen und psychologischen Auswirkungen. Diese Auswirkungen sind besonders in Boom- und Rezessionsphasen zu erkennen. Die Behavioral Finance versucht die Kurse durch psychologische Erkenntnisse, wie z.B. den Sunk-Cost-Effekt, zu erklären. Allerdings ist der Sunk-Cost-Effekt hierbei nicht der einzige psychologische Effekt, der bei der Investitionsentscheidung eine Rolle spielen kann. Zudem kann der SunkCost-Effekt aus anderen psychologischen Effekten bzw. Heuristiken entstehen, die in der Informationswahrnehmung oder Informationsverarbeitung beheimatet sind. Des Weiteren gibt es benachbarte Bereiche wie „escalation of commitment“ oder „entrapment“, die in der Wissenschaft eng verwandt mit dem Sunk-Cost-Effekt sind (St. Schulz-Hardt und D. Frey 1999, S. 489). Im Falle des Bereiches „esclation of commitment“ ist es sogar die übergeordnete Kategorie des Sunk-Cost-Effektes für Fortschrittsentscheidungen (Sleesman et al. 2012, S. 543). Zudem ist der Sunk-Cost-Effekt einer der bekannteren Erklärungen warum „escalation of commitment“ hervorgerufen wird (Sleesman et al. 2012, S. 541). Dennoch soll in der Arbeit eine klare Abgrenzung geschehen, denn der Bereich „escalation of commitment“ oder „entrapment“ ist nicht der Forschungsbereich dieser Arbeit. Nichts desto trotz werden auch Informationen aus der Literatur des „escalation of commitment“ oder anderen Bereichen in diese Arbeit mit hineinfließen. Dies ist aufgrund der engen Verwandtschaft der beiden Forschungsbereiche und der nicht übermäßigen und nicht eindeutigen Literatur über den SunkCost-Effekt in der Finanzwirtschaft unvermeidlich. Denn in der Finanzwirtschaft wird der Sunk-Cost-Effekt oft nur beiläufig erwähnt (Baker und Nofsinger 2010). Die Frage ist, ob das dem Sunk-Cost-Effekt gerecht wird, wie relevant ist der Sunk-Cost-Effekt und welche Rolle nimmt er in der Behavioral Finance ein. Denn die klare Einordnung und Unterscheidung der eng verwandten Teilbereiche begann erst in den 2000er Jahren (St. Schulz-Hardt und D. Frey 1999, S. 488-489)1. Zudem gibt es nur wenige zusammenfassende (Robbert 2013) und eindeutige Literatur (Just und Wansink 2011) von dem Sunk-Cost-Effekt. Deswegen soll in dieser Arbeit grundsätzlich die Rolle und Relevanz des Sunk-Cost-Effektes in der Behavioral Finance untersucht werden. Dieses Ziel wird mit der Untersuchung der aktuellen Literatur durchgeführt und soll den aktuellen Stand der Forschung im Bereich des Sunk-Cost-Effekts (Behavioral Finance) aufzeigen.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Das Ziel der Arbeit ist den aktuellen Stand der Sunk-Cost-Effekt Literatur in Bezug zum Kapitalmarkt darzustellen. Dabei soll als erstes die Frage geklärt werden, ob der Sunk-CostEffekt bei finanziellen Investitionsentscheidungen vorhanden ist und welche Relevanz oder Rolle der Effekt bei der Investitionsentscheidung von Individuen einnimmt. Hierbei sollen auch weiterführende Auswirkungen des Sunk-Cost-Effektes wie z.B. Lerneffekte untersucht werden. Darüber hinaus soll festgestellt werden, inwieweit der Sunk-Cost-Effekt sich in einem Kollektiv verhält. Diese Fragen werden anhand der aktuellen Literatur analysiert und durch die Ergebnisse sollen Analogien mit der Finanzwirtschaft hergestellt werden.

Im ersten Teil der Arbeit sollen die theoretischen Grundlagen der Kapitalmarkttheorie und der Behavioral Finance dargelegt werden. Zudem wird in der Arbeit die Prospect Theory als Erklärungsmodell des Sunk-Cost-Effektes vorgestellt. Im darauffolgenden Abschnitt wird eine Spezifikation der Behavioral Finance in Bezug auf den Sunk-Cost-Effekt vorgenommen. Hierbei wird die Entscheidungsfindung in der Behavioral Finance und die verwandten Heuristiken2 und Biases3 des Sunk-Cost-Effektes erläutert. Im 3. Teil soll eine Metaanalyse zum Sunk-Cost-Effekt durchgeführt werden. Dabei soll sowohl der Haupteffekt untersucht werden als auch mehrere Nebenhypothesen. Bei einer positiven Effektstärke des Haupteffektes soll im letzten Teil der Sunk-Cost-Effekt in einem Kollektiv mithilfe der heutigen Literatur untersucht werden. Alle Ergebnisse sollen dabei in den Kontext der Finanzwirtschaft übertragen werden, sodass die Frage beantwortet werden kann, welche Rolle der Sunk-CostEffekt im Kapitalmarkt einnimmt.

2. Grundlagen

2.1 Neoklassische Kapitalmarkttheorie („Rationalität“)

Die neoklassische Kapitalmarkttheorie wird durch mehrere Modelle, Hypothesen und Theorien geprägt (Daxhammer und Facsar 2018, S. 26; Plöger 2014, S. 12). Dabei stehen in dieser Arbeit der rationale Marktteilnehmer und die vollkommenen Märkte im Vordergrund. Die Entwicklung der neoklassischen Kapitalmarkttheorie startete am Anfang des 20. Jahrhunderts (Daxhammer und Facsar 2018, Abb.: 1 S. 20) mit dem „Homo Oeconomicus“ nach Adam Smith (Adam Smith 1776) und wurde grundlegend von der Effizienzmarkthypothese von Eugene Fama (Fama 1970) beeinflusst. Diese beiden Theorien bzw. Hypothesen werden im Folgenden erläutert.

2.1.1 Die Theorie des „Homo Oeconomicus“

Der „Homo Oeconomicus“ impliziert ein konsequent rational denkendes und handelndes Menschenbild. Diese Rationalität hat die Finanzmärkte in Theorie und Praxis über viele Jahre begleitet, ungeachtet der Tatsache, dass der „Homo Oeconomicus“ kein Mensch aus Fleisch und Blut ist, sondern ein Computer. Dennoch kann die Theorie des „Homo Oeconomicus“ das ökonomische Verhalten des Menschen anhand grundlegender Prinzipien vereinfacht darstellen.

Die erste Bedingung für die absolute Rationalität des „Homo Oeconomicus“ ist das eigennützige Handeln des Marktteilnehmers. Kirchgässner nennt es das Eigennutzaxiom und beschreibt es wie folgt: „Das Individuum handelt (nur) entsprechend seinen eigenen Interessen und Präferenzen“ (Kirchgässner 1991, S. 16).

Eine weitere Bedingung ist die optimale und rationale Umsetzung der eigenen Präferenzen. Dafür besitzt jeder Marktteilnehmer seine eigene stabile Nutzenfunktion. Mit dieser er unter Berücksichtigung seiner Ziele entweder bei gegebenen Ressourcen das Maximum bzw. einen gegebenen Nutzen mit einem Minimum an eingesetzten Ressourcen erreicht. Die Nutzenmaximierung (bzw. 2. Fall) und die Rationalität sind miteinander verknüpft, weil ein Marktteilnehmer dann als rational angesehen wird, wenn er mit jeder Entscheidung den Erwartungswert seines persönlichen Nutzens maximiert (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 41). Das heißt, jede Nutzenmaximierung ist rational und jeder rationale Marktteilnehmer maximiert seinen Nutzen.

Die Stabilität der Nutzenfunktion ist die dritte Bedingung zur absoluten Rationalität. Das heißt die Präferenzen des „Homo Oeconomicus“ verändern sich nicht, auch wenn sich durch die Rationalität nicht immer ein Gewinn ergibt. Des Weiteren wird „der Homo Oeconomicus bei seiner ersten ökonomischen Entscheidung, seine Nutzenfunktion über ein so großes Intervall ermitteln, dass alle theoretisch erreichbaren, zukünftigen Vermögenspositionen enthalten sind“ (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 45). Dabei lässt er sich nicht von emotionalen Bewertungsverzerrungen beeinflussen.

Die letzte Bedingung ist die vollständige und ausgewogene Informiertheit der Marktteilnehmer und des Marktes an sich. Somit existieren auch keine Transaktionskosten oder Informationsasymmetrien, die eine Instabilität im Markt hervorrufen. Der „Homo Oeconomicus“ konzentriert sich ausschließlich auf die emotionslose Beschaffung und Bewertung relevanter Informationen, um seinen wirtschaftlichen Nutzen zu maximieren (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 43–44).

2.1.2 Effizienzmarkthypothese

In dem Jahre 1970 begründete Eugene F. Fama mit seinem Paper „Efficient Capital Markets“ die Effizienzmarkthypothese. Die Hypothese eines effizienten Marktes ist die Grundlage für die Kapitalmarkttheorie und war über viele Jahre ein Grundstein der Finanzwirtschaft (Shleifer 2000, S. 1). Zumal auch andere Wissenschaftler wie z.B. Michael Jensen die Effizienzmarkthypothese wie folgt verteidigten:

„I believe there is no other proposition in economics which has more solid empirical evidence supporting it than the Efficient Market Hypothesis“ (Jensen 1978, S. 95).

Dies ist eine starke Behauptung und wie wir heute wissen, wurde ein Jahr später die Prospect Theory von Kahnemann und Tversky entwickelt. Diese Theorie bildet den Grundstein der Behavioral Finance, dies ist genau der wissenschaftliche Bereich, der die Effizienzmarkthypothese widerlegen sollte. Nichts desto trotz hatte Eugene F. Fama 1970 einen Beleg für effiziente Märkte gegeben. Die effizienten Märkte in seiner Hypothese beschreibt er wie folgt:

„A market in which prices always "fully reflect" available information is called "efficient".“ (Fama 1970, S. 383).

Das heißt wiederum, dass Informationsvorsprünge den Marktteilnehmern keinen großen Gewinn bescheren und nur sehr kurzfristig von ihnen ausgenutzt werden können. Darum bestehen effiziente Märkte aus drei Grundlagen. Die Marktteilnehmer sind rational und bewerten die Wertpapiere rational unter vollkommenen Informationen. Die zweite Grundlage besagt zwar, dass es irrationale Marktteilnehmer gibt, diese sich im Markt aber gegenseitig ausgleichen. Die letzte Grundlage spricht von unbegrenzten Arbitrageuren. Diese Marktteilnehmer besitzen unbegrenzte Liquidität und gleichen Fehlbewertungen aus (Daxhammer und Facsar 2018, S. 39-40). Die drei Grundlagen zeigen auf, dass die Effizienzmarkthypothese stark auf dem Arbitrage-Verhalten der Marktteilnehmer beruht. Aber aufgrund dieses Arbitrage- und/oder rationale Verhalten der Marktteilnehmer werden irrationale Investoren aus dem Markt verdrängt. Friedman beschreibt diesen Vorgang wie folgt:

„They cannot lose money forever: They must become much less wealthy and eventually disappear from the market.“ (Shleifer 2000, S. 4 zitiert nach "the case for flexible exchange rates" Friedman 1953).

Dadurch werden langfristig immer nur rationale Marktteilnehmer im Markt verbleiben. Darüber hinaus gibt es nach Eugene F. Fama drei Formen der Effizienzmarkthypothese (Fama 1970). Diese entstehen aus seiner Annahme, dass es nur zwei Formen von Informationen gibt, veraltete Informationen und „Making Money“-Informationen. Wobei die veralteten Informationen die Hauptrolle spielen.

Die erste Form ist die schwache Form der Effizienz. Dort sind vergangene Preise und Renditen, die relevanten alten Informationen, mit denen aber keine übermäßigen Gewinne erwirtschaftet werden können (Fama 1965, S. 34). Bei der mittelstarken Markteffizienz werden alle öffentlich gemachten, verfügbaren Informationen unmittelbar in den Kursen der Wertpapiere wiedergespiegelt. Folglich kann kein Investor einen erhöhten Gewinn erzielen. Bei der starken dritten Form wird die Informationsmenge um die Insiderinformationen erweitert. Dennoch wird es eine Markteffizienz geben, da nach Eugene F. Fama andere Investoren die Aktionen des Insiders imitieren würden (Shleifer 2000, S. 4-6; Kiehling 2001, S. 3).

2.2 Behavioral Finance („Irrationalität“)

In diesem Abschnitt soll der wissenschaftliche Bereich der Behavioral Finance genauer erläutert werden. Dieser hat sich in den 1980er Jahren gegründet (Kahneman und Tversky 1979; Thaler 1980; Daxhammer und Facsar 2018, Abb.: 1 S. 20) und um die Jahrhundertwende in der Finanzwirtschaft etabliert (Blechschmidt 2007, S. 11). Hierbei sollen auch die Unterschiede zu den erläuterten Theorien und Hypothesen der Kapitalmarkttheorie dargestellt und erörtert werden. Bei der Erläuterung soll die Rationalität der Kapitalmarkttheorie auf der einen Seite stehen und die Behavioral Finance mit ihrer Irrationalität bzw. begrenzenten Rationalität als Gegenentwurf dienen.

2.2.1 Rationalität vs. Irrationalität

Wie bereits angedeutet, verfolgt die Behavioral Finance bei dem Verhalten der Marktteilnehmer einen Ansatz der Irrationalität bzw. eher begrenzenten Rationalität (Thaler 1994; Rapp 1997, S. 82; Statman 2014, S. 28; Williamson 1981, S. 553 nach Simon 1957) im Gegensatz zur neoklassischen Kapitalmarkttheorie. Die Frage stellt sich, ob begrenzte Rationalität überhaupt irrational oder nicht rational ist (St. Schulz-Hardt und D. Frey 1999, S. 492-493; Elger und Schwarz 2009, S. 49; Blechschmidt 2007, S. 13), aber soll in diesem Zusammenhang nicht genauer erwähnt werden. Zum Beispiel wurde herausgefunden, dass Menschen lieber weniger Geld haben, anstatt eine falsche Entscheidung zu tätigen (Kiehling 2001, S. 58). Ein Zitat von Luhmann zeigt die Problematik sehr gut auf:

„Ist es bei der Anlage von Kapital überhaupt rational, sich rational zu verhalten“? (Wahren 2009, Luhmann, zitiert nach Wahren 2009 S. 68)

Deswegen wird der Problematik der Begriffsdeutung aus dem Weg gegangen, indem im folgenden Text menschliches Verhalten als begrenzt rational bzw. irrational und das Verhalten des „Homo Oeconomicus“ als rational erklärt wird. Dennoch soll erwähnt werden, dass ein Mensch sich niemals so verhalten kann wie es in der Theorie des „Homo Oeconomicus“ beschrieben wird. Denn der „Homo Oeconomicus“ ist ein Computer und kein Mensch aus Fleisch und Blut (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 46-48). Zudem besitzt jeder Mensch in seiner Psyche ein Belohnungssystem. Dieses Belohnungssystem soll jeden Menschen dazu motivieren zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung oder Zuneigung zu geben und zu finden (Bauer 2010, S. 36). Dieses Bedürfnis steht im Widerspruch zur

Egoismus Annahme4 des „Homo Oeconomicus“. Der Homo sapiens hätte im Laufe der Evolution nicht überlebt, wenn er keine soziale Kultur und Kontakte entwickelt hätte. (Diener und Biswas-Diener 2008, S. 50). Nach diesen Annahmen würden die Menschen in der Welt des

„Homo Oeconomicus“ zwangsläufig depressiv, was wiederum zu nicht rationalen Entscheidungen bzw. Handlungen führt (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 48). Aber es gibt auch andere Gründe, warum ein Mensch nicht dem Menschenbild der neoklassischen Kapitalmarkttheorie entspricht. Der Mensch hat nur eine beschränkte Kapazität einströmende Information aufzunehmen und zu verarbeiten (Blechschmidt 2007, S. 16). Die Marktteilnehmer sind von ihrer natürlichen kognitiven Fähigkeit heraus nicht in der Lage alle Erwartungsnutzen von zukünftigen Alternativen zu berechnen (Tversky und Kahneman 1975, S. 144). Dementsprechend können die Marktteilnehmer nicht rational sein und ihren Nutzen nicht maximieren (Daxhammer und Facsar 2018, S. 86). Der Mensch kann nur ca. vier Informationseinheiten gleichzeitig bewältigen (Cowan 2001, S. 87-88; Miller 1956, S. 90-92 berechnete ca. 7 Informationseinheiten). Dennoch muss der Mensch, wie bereits in der Einleitung erwähnt, an jedem Tag Entscheidungen treffen, nicht nur in wirtschaftlicher oder finanzieller Hinsicht, sondern auch in anderen Bereichen. In Anbetracht der immer komplexeren Zusammenhänge nicht nur auf den Kapitalmärkten, sondern auch im gewöhnlichen Leben muss der Mensch auf sogenannte Anker (Heuser 2008, S. 108) bzw. Heuristiken zurückgreifen (Tversky und Kahneman 1975, S. 144). Darüber hinaus ist der Mensch ein Gewohnheitstier (Luhmann 2018, Lob der Routine S. 293-332; Kiehling 2001, S. 58) und ruft solche Heuristiken immer wieder aus dem tiefsten Bewusstsein und Unbewusstsein ab. Denn nicht alle Informationen für eine Entscheidung gelangen in unser Bewusstsein. Ein Grund dafür sind die Energie und die Zeit, die wir für bewusstes Denken im Vergleich zu unbewusstem Denken beanspruchen. Dieses Konzept schützt den Menschen vor Inaktivität und Informationsflut bei Entscheidungen, aber nicht vor der Inkorrektheit bei Entscheidungen ( Heuser 2008, S. 35 und S. 48-58; Schwarz 2010, S. 21-26 und S. 61-62; Luhmann 2018, Lob der Routine S. 293-332; Kiehling 2001, S. 33-37). Die Umgebung eines Menschen spielt bei seiner Entscheidungsfindung ebenfalls eine Rolle (Heuser 2008, S. 10).

Aufgrund dieser Problematiken ist die Effizienzmarkthypothese von Eugene F. Fama nicht vollkommen richtig. Aber auch nicht vollkommen falsch, denn die mittelstarke Markteffizienz wurde bereits von zahlreichen Studien belegt (Fama 1998, S. 284). Ein sehr guter Beweis für die Wahrhaftigkeit der mittelstarken Markteffizienz von Eugene F. Fama ist der Verlauf einer Aktie am Anfang einer Finanzkrise. Die Bear Stearns Aktie sank von ca. 57 Dollar pro Aktie am 14. März 2008 auf unter 5 Dollar pro Aktie am 17. März 2008 (Abb.: 4 Anhang 5.1). Am 14. März gab die Investmentbank Bear Sterns bekannt, Probleme mit der Liquidität zu haben, aufgrund von Spekulationen im US-Hypothekenmarkt (Spiegel Online 2008; NZZ Digital 2008). Ein gleiches Szenario ist bei der Citigroup zu erkennen, die Citigroup Aktie fällt ab Anfang Oktober (Abb.: 5 Anhang 5.1). Damit einhergehend sind öffentliche Meldungen von Abschreibungen in Milliardenhöhe. Dies meldet die Citigroup in den ersten zwei Oktoberwochen, sowie am 15. Oktober und auch einen Werteverlust eines Portfolios von ca. 811 Milliarden am 4. November (Romeike 2010, S. 32). Diese Beispiele veranschaulichen, dass es nicht möglich ist, eine Überrendite bzw. erhöhten Gewinn durch öffentliche Informationen zu erzielen, dies wäre nur durch das Benutzen von Insiderinformationen möglich gewesen. Zudem sind diese Beispiele und die mittelstarke Markteffizienz sehr gut vereinbar mit sogenannten „fire sales“ am Anfang einer Finanzkrise. Zwar können die ersten „fire sales“ noch zu einer guten Position veräußert werden, dies wird sich aber schlagartig ändern, da sich die

Bewegungen der „fire sales“ im Verlauf der Aktien wiederspiegeln werden (Shleifer und Vishny 2011, S. 29-33).

2.2.2 Behavioral Finance

Die Behavioral Finance ist ein Wissenschaftsbereich, der die Irrationalität bzw. das begrenzt rationale Verhalten des Menschen im Finanzmarkt erklärt (Baker und Nofsinger 2010, S. 3).

„Denn die Menschen unterscheiden sich nicht bloß in ihrem Geschmack für Schokolade und Bananen, sondern auch in einer fundamentaleren Dimension. Sie sind verschieden in Bezug auf ihre Neigung, sich selbstsüchtig oder reziprok zu verhalten, und das hat wichtige wirtschaftliche Folgen“, konstatiert der Wissenschaftler Ernst Fehr (Ernst Fehr and Urs Fischbacher 2002 zitiert nach Heuser 2008, S. 184) .

Im letzten Abschnitt wurde aufgezeigt, dass Menschen nicht rational sind und eine begrenzte Kapazität an Informationseinheiten haben. Die Behavioral Finance geht aber noch weiter und nimmt an, dass nicht jeder Mensch gleich ist, aber dabei eine gewisse Systematik zu erkennen ist (Blechschmidt 2007, S. 13-16).

„Die meisten Menschen haben lieber mehr Geld als weniger Geld, wollen fair behandelt werden und andere fair behandeln. In dem Maß indem sich diese Ziele widersprechen, wägen die Menschen zwischen ihnen ab“, so beschreibt Thaler die Motive des Menschen (Thaler 1994, S. 34).

Dennoch sind die Kapitalmarkttheorie und die Behavioral Finance gar nicht so verschieden, denn beide Wissenschaftsbereiche wollen den Kapitalmarkt erklären. Der Unterschied hierbei liegt in der Art und Weise, die Behavioral Finance versucht die Erklärung mittels der Psychologie und Heuristiken zu schaffen. Dies ist auch von Nöten, denn die Informationsbedingungen, als auch die natürliche kognitive Fähigkeit des Menschen steht im Widerspruch zur Kapitalmarkttheorie. Die sogenannten Anker bzw. Heuristiken sind die Grundlage der Behavioral Finance und können in einen kognitiven Bereich und einen emotionalen Bereich eingeordnet werden. Die Heuristiken des emotionalen Ursprungs sind von geringer Anzahl und auch stärker von der Umgebung des Menschen beeinflusst. Wobei Heuristiken des emotionalen Ursprungs für schnelle Entscheidungen/unbewusstes Denken verwendet werden und Heuristiken des kognitiven Ursprungs für Entscheidungsprozesse, wo der Aufwand ein größerer ist (Daxhammer und Facsar 2018, S. 90). Nichts desto trotz sind auch Emotionen sehr wichtig für die Entscheidungsfindung. Emotionen vereinfachen eine komplexe Entscheidungsstruktur, weil der Mensch seine Emotionen ersatzweise als Information wahrnimmt. Diese Emotion bzw. Stimmung gewinnt bei dem Menschen an Priorität, wenn die Entscheidung komplex ist und/oder Informationen nicht vorhanden sind (Elster 1998, S. 59 ;Kiehling 2001, S .38; Schwarz 1987, S. 157-158). Jedoch kann schlechte Stimmung auch Risikoscheue fördern und die Ablehnung von Heuristiken (Hertel und Hardin 1990). Aufgrund dieser Annahmen stellt die Behavioral Finance einen Marktteilnehmer dar, der Entscheidungen aufgrund von Emotionen und Heuristiken trifft. Statman fasst die Sichtweise der Behavioral Finance sehr gut zusammen:

„Behavioral Finance is finance with normal people, people like you and me. Normal people are not irrational. Indeed, we are mostly intelligent and usually normal-smart as we strive to reach what we want. But sometimes we are normal-stupid, swayed by cognitive errors and misleading emotions on our way to what we want.“ (Statman 2014, S. 28).

Die Annahmen der Behavioral Finance zeigen einen Kapitalmarkt, der nicht stabil und nur begrenzt rational ist. Sodass die Marktcharakteristika der Kapitalmarkttheorie, wie Arbitrageoptionen, Stabilität des Marktes und vollkommene Informationen am Markt widerlegt werden können. Die Basis Theorie der Behavioral Finance ist die Prospect Theory von Kahnemann und Tversky. Diese Theorie wird im nächsten Abschnitt näher erläutert und versucht, die Entscheidungsfindung unter Unsicherheit zu erklären (Kahneman und Tversky 1979, S. 263-267). Eine detaillierte Beschreibung der Heuristiken und der Entscheidungsfindung wird in Teil drei der Arbeit durchgeführt.

2.3 Prospect Theory

Einen nur rationalen Menschen gibt es nicht, weil die unumgängliche Disziplin und Selbstkontrolle bei den Marktteilnehmern nicht vorhanden sind. Die Selbstkontrolle bzw. Disziplin wird durch Gefühle von Emotionen und Heuristiken beeinflusst und überdeckt (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 27). Des Weiteren kann der Marktteilnehmer nur einen begrenzenten Teil seiner Alternativen berechnen (Blechschmidt 2007, 13–4). Sodass der begrenzt rationale Marktteilnehmer nur noch ein lokales Optima aus seinen Entscheidungsalternativen ermittelt (Blechschmidt 2007, S. 14; Daxhammer und Facsar 2018, S. 87-88). Die Prospect Theory kann die Handlungsentscheidungen der Marktteilnehmer analysieren und ist somit seit Ende der 90er Jahre ein wichtiger Grundstein für die ganze Finanzwirtschaft (Levy 1997, S. 7-8). Somit wurden auch die Bedingungen für die Kapitalmarkttheorie und deren Analyse für Entscheidungen widerlegt (Bondt und Thaler 2006, 1995, S. 388-391). Daxhammer und Facsar bezeichnen die Prospect Theory als „die bedeutendste deskriptive Entscheidungstheorie in der Behavioral-Finance-Forschung“ (Daxhammer und Facsar 2018, S. 80 wahrscheinlich zitiert nach Blechschmidt 2007, S. 32; Shiller 1999, S. 1308-1309)

Die Prospect Theory unterscheidet den Entscheidungsprozess in drei Phasen. Die erste und zweite Phase beinhalten die Wahrnehmung und Bearbeitung der angebotenen Alternativen (editing Abb.: 6) und die dritte Phase (Investitionsentscheidung/Evaluation) evaluiert die Alternativen, sodass die beste Alternative ausgewählt werden kann. In der Editing-Phase wird nochmal in zwei Bereiche untergliedert. Im ersten Bereich müssen alle Alternativen kodiert, kombiniert, segregiert und vereinfacht (coding, combination, segregation and simplification) werden. Im zweiten Bereich werden Alternativmengen im Gesamten untersucht (cancellation und detection of dominance).

Bei der Kodierung wird ein Referenzpunkt festgelegt, von diesem können Gewinne oder Verluste definiert werden. Der Referenzpunkt kann dabei von Alternativen und der Psyche des Marktteilnehmers beeinflusst werden. Die Kombination soll Alternativen mit dem gleichen Ausgang zusammenfassen. Bei der Segregation sollen Risiko-Komponenten und RisikoloseKomponenten voneinander entfernt werden, dadurch ist die Kodierung für diesen Punkt eine Voraussetzung. Die Vereinfachung soll zum Beispiel sehr unwahrscheinliche Alternativen ausschließen oder Alternativen runden. Im zweiten Teil werden dominierende Alternativmengen ausgeschlossen (Prüfung auf stochastische Dominanz, Schaub 1996, S. 151) und identische Wahrscheinlichkeiten der Alternativmengen verworfen (Kahneman und Tversky 1979, S. 274-275).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der Evaluationsphase werden die Alternativmengen bzw. Perspektiven anhand von zwei Funktionen bewertet. Die zwei Funktionen, einmal die Wertfunktion und die Gewichtfunktion werden im Folgenden näher erläutert.

Die Wertfunktion bemisst den psychologischen Wert der Veränderung von Vermögen eines Entscheiders zu einer berechneten Alternative (Schaub 1996, S. 152). Dabei wird der Wert als Freud und Leid angesehen. Zudem werden eher relative Veränderungen evaluiert, anstatt absolute Größen. Der Referenzpunkt liegt im Nullpunkt der Wertfunktion. Des Weiteren ist sie wie ein „S“ aufgebaut, dennoch gibt es einen Unterschied zwischen dem relativen Verlustbereich und dem relativen Gewinnbereich. Im Gewinnbereich ist die Wertfunktion konkav und im Verlustbereich konvex. Sodass die Funktion steiler für Verluste als für Gewinne ist. Der steilste Punkt in der Funktion ist der Referenzpunkt. Dieser hat eine starke Sensitivität, die abnimmt, wenn man sich weiter von dem Referenzpunkt entfernt. Sodass die abflachenden Enden der Wertefunktion mit abnehmender Bewertung und dem Weberschen Gesetzes der Psychologie5 erklärt werden können (Blechschmidt 2007, S. 33). Das Leid ist nach der Wertfunktion größer bei einem Verlust als die Freude bei einem betragsgleichen Gewinn. Dieses Phänomen wird von Kahnemann und Tversky als Loss Aversion (Verlustaversion) bezeichnet (Kahneman und Tversky 1979, S. 278-280). Aus der Wertfunktion haben sich mehrere Heuristiken gebildet (Thaler 1985; Arkes und Blumer 1985), einer davon ist der Dispositionseffekt (Shefrin und Statman 1985). Dieser wird zu einem späteren Zeitpunkt genauer erklärt (Kahneman und Tversky 1979, S. 277-280; Abb.: 7 Anhang 5.1; bessere Abb. der Wertfunktion: Schaub 1996, S. 152; Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 87; Blechschmidt 2007, S. 33).

Die Gewichtfunktion gibt an, wie Wahrscheinlichkeiten zu gewichten sind. Kahnemann und Tversky haben in ihren Aufsätzen herausgefunden, dass der Gewichtfunktion folgende Bedingungen unterstellt werden:

- Übergewichtung kleiner Wahrscheinlichkeiten
- Subadditivität kleiner Wahrscheinlichkeiten
- Unsicherheit der Wahrscheinlichkeiten und
- Subproportionalität

(Kahneman und Tversky 1979, S. 280-284; Abb.: 8 Anhang 5.1)

Damit wird der certainty-effect (Sicherheits-Effekt) durch die Gewichtfunktion dargestellt. Denn der Marktteilnehmer untergewichtet unsichere Ergebnisse mit mittleren und großen Wahrscheinlichkeiten im Vergleich zu sicheren Ergebnissen. Auf der anderen Seite übergewichtet der Marktteilnehmer kleine Wahrscheinlichkeiten von unsicheren Ergebnissen. Also hat eine Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer Auszahlung um einen konstanten Faktor mehr Einfluss, wenn die anfängliche Auszahlung sicher und nicht nur wahrscheinlich war (Tversky und Kahneman 1981, S. 455).

Der Entscheidungsprozess mit der Prospect Theory ist somit abgeschlossen. Trotzdem gibt es auch Kritik an der deskriptiven Entscheidungstheorie. Die Gewichtfunktion und Wertfunktion widersprechen sich. Sofern der Marktteilnehmer die objektive Wahrscheinlichkeitsverteilung nicht beachtet, überschätzt er geringe Wahrscheinlichkeiten und ist somit risikofreudiger im Gewinnbereich und risikoscheuer im Verlustbereich. Ein weiterer Kritikpunkt ist das Framing, denn normalerweise sollte die Art der Darstellung ein und desselben Problems keine Auswirkungen auf den Menschen haben (Beck 2014, S. 110). Dennoch haben Kahnemann und Tversky das Gegenteil herausgefunden (Tversky und Kahneman 1989, S. 31-34). Weitere Kritikpunkte, wie zum Beispiel das Allais-Paradoxon (Beck 2014, S. 107), werden bestens durch die deskriptive Entscheidungstheorie (hier Gewichtfunktion bzw. certainty-effect) erklärt.

Am Ende dieses Abschnitts soll der Sunk-Cost-Effekt mittels der Prospect Theory (Garland und Newport 1991, S. 57-60) und des Studenten-Beispiels erklärt werden. Dabei bestimmen die Verluste und Gewinne die bedingten Werte Leid und Freude in der Wertfunktion (Thaler 1980, S. 12). Der Student hat in seinem Bachelor Studium zwei Jahre Zeit und Arbeit investiert.

Dennoch droht aufgrund seiner Präferenzen eine Verringerung des zukünftigen Ergebnisses (outcome). Der Student muss sich jetzt entscheiden, ob er das Studium abbrechen oder weiter machen soll. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Student im Verlustbereich der Wertfunktion, weil bereits Anschaffungsausgaben in Form von Zeit und Arbeit (Sunk Costs) entstanden sind. Da die Wertfunktion im Verlustbereich einen konvexen Verlauf hat, würde eine weitere Investition nur relativ kleines Leid wiederspiegeln. Im Gegensatz dazu würden gleich große Ergebnisse viel größere Freude bewirken. Aufgrund dessen würde der Student geringes Leid in Kauf nehmen, um größere Freude zu erzielen (Abb. 76 ). Zudem ist dieses Beispiel äquivalent zur Wirtschaft zu sehen (Portfolio-Manager mit einer Aktie).

Zusammenfassend ist der Mensch im Verlustbereich der Wertfunktion risikofreudiger als im Referenzpunkt R. (Kahneman und Tversky 1979; Tversky und Kahneman 1981; Tversky und Kahneman 19927 )

2.4 Sunk-Cost-Effekt

Die Geschichte der Sunk-Cost-Effekt Wissenschaft beginnt mit den Aufsätzen von Thaler (Thaler 1980, S. 11-15) und Arkes & Blumer (Arkes und Blumer 1985). Im Folgenden wird der Sunk-Cost-Effekt durch zwei Phrasen beschrieben: „to much invested to quit“ (Teger 1980) und „throwing good money after bad“ (Garland 1990). Im Allgemeinen bedeutet der SunkCost-Effekt, dass ein Mensch durch den Effekt gewillt ist, ein Bestreben fortzusetzen oder sogar zu beenden, sobald Kosten in Form von Geld, Zeit und Anstrengung (Sunk Costs) investiert wurden. Obwohl die Kosten der vergangenen Investition keinen Einfluss auf die Entscheidung eines rationalen Menschen haben sollten, beschließen viele Menschen ihre Entscheidung über Fortführung des Bestrebens auf Grundlage dieser Kosten (Arkes und Blumer 1985, S. 124). Die Sunk-Costs werden von Arkes und Blumer nicht genau erklärt, obwohl die Sunk-Costs Voraussetzung für den Sunk-Cost-Effekt sind. Hummel und Männel beschreiben die SunkCosts für das Rechnungswesen, trotzdem werden die Eigenschaften der Kosten sehr gut beschrieben:

„In der Vergangenheit bereits angefallene, zumindest aber schon vordisponierte Kosten, deren Höhe in Gegenwart und Zukunft nicht mehr beeinflusst werden kann, nennt man in der amerikanischen Fachliteratur sunk costs“ (Hummel und Männel 1993, S. 117).

Also entscheiden sich Menschen auf Basis von nicht wiedereinholbaren Kosten, dies ist vollkommen irrational (Arkes und Blumer 1985, S. 124 und S. 126). Die Sunk-Costs und der Sunk-Cost-Effekt unterscheiden sich in der Hinsicht, dass der Effekt das Entscheidungsverhalten des Menschen bei Sunk-Costs erklärt. Dieser Effekt ist nicht nur in finanzwirtschaftlichen (Percival 2016, S. 52) oder allgemein ökonomischen Bereichen vorzufinden (Teger 1980, S. 12-13; Keil, Truex und Mixon 1995, S. 372; Karevold und Teigen 2010, S. 719), sondern kann auch mit dem Vietnam-Krieg (McAfee, Mialon und Mialon Sue H. 2010, S. 325), Projekten des Staates (Ross und Staw 1993, S. 701), menschlichen Beziehungen (Rego, Arantes und Magalhães 2018, S. 518), der NBA (Staw und Hoang 1995, S. 474) und vielen anderen Bereichen in Verbindung gebracht werden (Teger 1980, S. 1). Der Sunk-Cost-Effekt hat zudem einen benachbarten Wissenschaftsbereich, der sich „escalation of commitment8 “ nennt und als Oberkategorie der Sunk-Costs-(Effekts) in Fortschrittsentscheidungen fungiert (Sleesman et al. 2012, S. 543). Dennoch muss verdeutlicht werden, dass dies ein anderer wissenschaftlicher Bereich ist, da sich die ManagementWissenschaft damit beschäftigt (Sleesman et al. 2012, S. 541-545). Denn escalation of commitment wird in keinem Buch der Behavioral Finance benannt. Dieser Wissenschaftsbereich benutzt auch andere Theorien zur Erläuterung und benennt sowohl psychologische, betriebswirtschaftliche, als auch andere Determinanten zur Erklärung (Sleesman et al. 2012, S. 543). Nichts desto trotz ist es mit Hinblick auf die Metaanalyse wichtig, den Bereich des „escalation of commitment“ zu identifizieren. Des Weiteren ist der Sunk-Cost-Effekt in der Behavioral Finance nicht sehr relevant. Daxhammer und Facsar bewerten den Effekt in ihrem RRS-Index mit einer 3 von 10 (Daxhammer und Facsar 2018, S. 269). Einer der Gründe könnte seine Position in der Behavioral Finance sein. Der Sunk-CostEffekt ist in der dritten und letzten Entscheidungsprozessstufe, der Investitionsentscheidung beheimatet. (Daxhammer und Facsar 2018, S. 245). Zudem wird der Sunk-Cost-Effekt von nicht so vielen anderen Heuristiken gegründet und er besitzt keine Folgeheuristik (Daxhammer und Facsar 2018, S. 270). Den Beweis der geringen Relevanz dieses Effektes liefern Daxhammer und Facsar aber nicht, sodass die Idee dieser Arbeit entstanden ist. Im folgenden Abschnitt werden die Entscheidungsprozesse und die Heuristiken in unmittelbarer Nähe des Sunk-Cost-Effektes ausgearbeitet.

3. Entscheidungsfindung

Die Entscheidungsfindung besteht aus drei Prozessen. Diese wurden bereits im Abschnitt der Propsect Theory dargestellt. Als erstes muss die Informationswahrnehmung, dann die Informationsverarbeitung und als Abschluss die Investitionsentscheidung durchgeführt werden, damit am Ende der Marktteilnehmer sich für eine Alternative entscheidet. Dieser Weg soll im folgenden Abschnitt erklärt werden. Darüber hinaus sollen Sunk-Cost-Effekt nahe Heuristiken erörtert werden.

3.1 Entscheidungs- und Informationsprozess

Als erstes nimmt der Markteilnehmer eine Information wahr. Davor hat der Markteilnehmer ein Bild seiner Umwelt generiert und nimmt jedes Signal (Information) auf, dass eine Reduzierung der hohen Entscheidungskomplexität bedeutet. Im Abschnitt 2.2.1 wurde bereits bewusstes und unbewusstes Denken dargestellt. Das unbewusste Denken ist für die schnellen Entscheidungen verantwortlich (interne Informationen) und das bewusste Denken für komplexere Entscheidungen, wofür wir aktiv nach Informationen (externe Informationen) suchen müssen (Daxhammer und Facsar 2018, S. 171; Kiehling 2001, S. 33-37). Dennoch gibt es Probleme bei der Informationswahrnehmung. Der Mensch hat nur eine beschränkte Kapazität für die Aufnahme von Informationen (Selektive Wahrnehmung Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 47) und es ist ihm nicht möglich alle relevanten Informationen für einen Entscheidungsprozess aufzunehmen (information overload Manzeschke 2010, S. 32-33). Die Selektive Wahrnehmung kann auch unbewusst passieren, denn der Mensch neigt dazu, Informationen zu vernachlässigen, die er nicht mag oder erwartet (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 59; Aronson und Lilli 1994, S. 134-145). Deswegen sind Heuristiken wichtig, da sie ein Hilfsmittel des Menschen im Entscheidungsprozess sind (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 49-50).

Die zweite Phase ist die Informationsverarbeitungs/-bewertungs-phase. Im Abschnitt 2.2.1 wurde bereits dargelegt, dass ein Mensch nur ca. 4 Informationseinheiten bearbeiten kann (Cowan 2001, S. 87-88). Aus diesem Grund wird die Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung wechselseitig durchgeführt (Daxhammer und Facsar 2018, S. 175). Darüber hinaus hat sowohl jeder Mensch eine unterschiedliche Informationskapazität (zwei zu sechs Informationseinheiten), diese unterscheidet sich auch nach Komplexität der Aufgabe vor der ein Mensch steht (Cowan 2001, S. 114). Angenommen Emotionen, wie schlechte Stimmung oder Stress in Verbindung mit einem komplexen Sachverhalt üben Einfluss auf einen Menschen aus. Dieser Mensch kann sich nicht mehr rational verhalten und greift somit unbewusst auf Heuristiken zurück, um die beste Alternative aus der Situation herauszufinden. Die Analogie zu dem Finanzmarkt wäre ein Finanzmarkthändler, der unter hohem Zeitdruck komplexe Sachverhalte vereinfachen muss und sich dabei auf seine Erfahrungen (Heuristiken) bezieht (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 49-50). Trotzdem sind Heuristiken nicht richtig oder rational, sondern sind systematische Faustregeln in unserem Un-/Bewusstsein (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 47; Schwarz 2010, S. 22-23). Nach diesen Annahmen werden fünf Beeinträchtigungen nach Kohlert für die zweite Phase des Entscheidungsprozess dargestellt (Kohlert 2009, S. 81).

Die Informationsentscheidung ist der letzte Abschnitt im Entscheidungsprozess und führt eine aktive menschliche Handlung aus (Daxhammer und Facsar 2018, S. 177). Bei einer Entscheidung muss der Mensch sich zwischen zwei oder mehreren Alternativen entscheiden. Jede Alternative hat Vorteile und Nachteile, sodass für den Entscheidungsträger eine interne Spannung entsteht, wenn er die Vorteile der verworfenen Alternative und die Nachteile der angenommenen Alternative im Gedächtnis hat (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 118-120). Denn der Mensch hat erstens den Drang eher das Schlechte zu sehen und zweitens seine getätigte Entscheidung dadurch ins positive Licht zu rücken (Festinger 1957, S. 113-115). Diese interne Spannung nennt man kognitive Dissonanz, wobei kognitiv jegliche Form im Bewusstseinsprozess bezeichnet und Dissonanz die interne Spannung dieser Bewusstseinsprozesse (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 119). Die kognitive Dissonanz Theorie wurde vom Psychologen Festinger begründet und ist der Grundbaustein der Informationsentscheidung, indem auch der Sunk-Cost-Effekt beheimatet ist (Goldberg und von Nitzsch 1999, S. 128). Der Sunk-Cost-Effekt lässt sich bestens auf die kognitive Dissonanz projizieren und ist eine Folgeheuristik der kognitiven Dissonanz. Der Marktteilnehmer muss sich im Sunk-Cost-Effekt-Szenario zwischen Fortführung und Abbruch einer fallenden Aktie in einem Portfolio entscheiden. Der Marktteilnehmer wird sich für die Fortführung entscheiden, weil er seine getätigte Entscheidung im Referenzpunkt R aufgrund der Harmoniebedürftigkeit oder Selbstverpflichtung beibehalten muss (selektive Entscheidung).

[...]


1 Schulz-Hardt und Frey wollen die Forschung unter dem Begriff Entrapment vereinen, auch wenn dies die entscheidungstheoretische Seite ist, wird deutlich, dass eine Einordnung schwerfällt. Denn der Begriff Entrapment taucht in der heutigen Literatur auch unter dem Oberbegriff „escalation of commitment“ nicht mehr auf.

2 Faustregeln

3 Heuristiken können auch zu Verzerrungen (Biases) der Entscheidung führen

4 Bzw. Geld als oberster Nutzen

5 Das Webersche Gesetz der Psychologie besagt, dass jeder zusätzliche Reiz umso stärker ausfallen muss, je höher der Grundreiz ist.

6 Siehe Abschnitt Wertfunktion für bessere Abbildungen

7 Der Abschnitt der Propect Theory wurde hauptsächlich aus den drei Bezug gebenden Papers reproduziert

8 Untersucht die Tendenz von Individuen an eine Handlungsweise gebunden zu sein.

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
Der Sunk-Cost-Effekt im Kapitalmarkt. Eine Metaanalyse
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
58
Katalognummer
V1135109
ISBN (eBook)
9783346507532
ISBN (Buch)
9783346507549
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sunk-cost-effekt, kapitalmarkt, eine, metaanalyse
Arbeit zitieren
Philipp Wierzchowski (Autor:in), 2019, Der Sunk-Cost-Effekt im Kapitalmarkt. Eine Metaanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1135109

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