Israel, dessen Existenz in dieser Form zweifelsohne mit dem Mord von Millionen jüdischer Menschen durch die Nationalsozialisten nicht zu trennen ist, steht ganz besonders vor der Frage, wie man mit diesem schrecklichen Ereignis umgehen kann, soll oder muß, gerade in seinen ersten Jahren, als ein Großteil der Bevölkerung Überlebende des Holocaust waren und als das Land, welches von Anfang an den Anspruch erhoben hat, der einzig legitime Erbe der Opfer zu sein und als dieser auch von anderen Staaten anerkannt wird.
Ein geschichtliches Ereignis unterliegt immer der Diskrepanz zu seiner Gestaltung im Gedächtnis des Kollektivs. Das wirft in Israel, als dem „Land der Erben“ und immer noch in einer besonderen politischen Stellung, heute noch eindringlich die Frage nach dem Umgang mit dem „kaum zu Beschreibenden“ auf und vor allem. welche Schlußfolgerungen für das aktuelle Geschehen gezogen werden.
Es soll der Frage nachgegangen werden, wie der Diskurs über den Holocaust in Israel zu den verschiedenen Zeiten gestaltet war, welche Bedeutung er hatte und welcher Entwicklung er unterlag. „Richtschnur“ dafür ist die Einteilung der Entwicklung nach Zimmermann, der die Holocaustrezeption in drei Phasen einteilt. Andere Autoren gliedern und benennen diese zwar nicht so konkret, allerdings stellen sie die selben Wandlungen oder wichtigen Ereignisse, die zu einer Änderung führten, fest. Einen Schritt weiter gehen Levy und Sznaider, deren Phaseneinteilung der von Zimmermann entspricht, nur das sie die dritte noch einmal unterteilen und die letzten Jahre als die Zeit der Universalisierung bzw. der Kosmopolitisierung charakterisieren. Da sich diese Charakterisierung nur bei ihnen findet, beschäftigt sich ein Kapitel der dritten Phase gesondert mit diesem Aspekt. Eine Erklärung mag sein, daß die für diese Arbeit wesentlichen Texte, vor allem von Zimmermann und Zuckermann, zeitlich einige Jahre früher liegen, aber auch in neueren, wenn auch nicht so ausführlichen Texten, wird nicht in annähernd ähnlicher Form auf die Frage von Kosmopolitisierung und Universalisierung eingegangen. Besonderen Wert soll auf die dritte Phase gelegt werden, da hier zum einen der Schwerpunkt in den wissenschaftlichen Darstellungen liegt, zum anderen aber auch die stärkste Entwicklung zu verzeichnen ist.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Erste Phase (Von der Gründung Israels bis zum Anfang der 60er Jahre)
3. Zweite Phase (Anfang der 60er bis Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre)
4. Dritte Phase (Ende der 70er / Anfang der 80er bis heute)
4.1. Holocaust in der Politik
4.2. Verstärkte mediale Thematisierung
4.3. Holocaust in Forschung und Erziehung
4.4. Religion und Holocaust
4.5. Vierte Phase? - Amerikanisierte und kosmopolitisierte Erinnerung
4.6. Erinnerungs- und Umgangsformen
5. Schlußbemerkungen
6. Literatur:
1. Einleitung
Israel, dessen Existenz in dieser Form zweifelsohne mit dem Mord von Millionen jüdischer Menschen durch die Nationalsozialisten nicht zu trennen ist, steht ganz besonders vor der Frage, wie man mit diesem schrecklichen Ereignis umgehen kann, soll oder muß, gerade in seinen ersten Jahren, als ein Großteil der Bevölkerung Überlebende des Holocaust waren und als das Land, welches von Anfang an den Anspruch erhoben hat, der einzig legitime Erbe der Opfer zu sein[1] und als dieser auch von anderen Staaten anerkannt wird.
Ein geschichtliches Ereignis unterliegt immer der Diskrepanz zu seiner Gestaltung im Gedächtnis des Kollektivs. Das wirft in Israel, als dem „Land der Erben“ und immer noch in einer besonderen politischen Stellung, heute noch eindringlich die Frage nach dem Umgang mit dem „kaum zu Beschreibenden“ auf und vor allem. welche Schlußfolgerungen für das aktuelle Geschehen gezogen werden.
Es soll der Frage nachgegangen werden, wie der Diskurs über den Holocaust in Israel zu den verschiedenen Zeiten gestaltet war, welche Bedeutung er hatte und welcher Entwicklung er unterlag. „Richtschnur“ dafür ist die Einteilung der Entwicklung nach Zimmermann, der die Holocaustrezeption in drei Phasen einteilt.[2] Andere Autoren gliedern und benennen diese zwar nicht so konkret, allerdings stellen sie die selben Wandlungen oder wichtigen Ereignisse, die zu einer Änderung führten, fest. Einen Schritt weiter gehen Levy und Sznaider, deren Phaseneinteilung der von Zimmermann entspricht, nur das sie die dritte noch einmal unterteilen und die letzten Jahre als die Zeit der Universalisierung bzw. der Kosmopolitisierung charakterisieren.[3] Da sich diese Charakterisierung nur bei ihnen findet, beschäftigt sich ein Kapitel der dritten Phase gesondert mit diesem Aspekt. Eine Erklärung mag sein, daß die für diese Arbeit wesentlichen Texte, vor allem von Zimmermann und Zuckermann, zeitlich einige Jahre früher liegen, aber auch in neueren, wenn auch nicht so ausführlichen Texten, wird nicht in annähernd ähnlicher Form auf die Frage von Kosmopolitisierung und Universalisierung eingegangen. Besonderen Wert soll auf die dritte Phase gelegt werden, da hier zum einen der Schwerpunkt in den wissenschaftlichen Darstellungen liegt, zum anderen aber auch die stärkste Entwicklung zu verzeichnen ist.
2. Erste Phase (Von der Gründung Israels bis zum Anfang der 60er Jahre)
In der ersten Zeit des Staates Israels, der 1948 gegründet wurde, stand die Selbstbehauptung Israels im Vordergrund. In dem jungen Staat wollte man die Geschichte des Holocaust verdrängen, auch wenn man sie eigentlich nicht ignorieren konnte, da sie Teil des Selbstverständnisses war. Immerhin bestand die Mehrheit der Bevölkerung aus Überlebenden des Holocaust. Doch die Diskrepanz zwischen der Shoah und dem, was Israel repräsentieren sollte, war zu groß. Israel stand für Stärke, militärisches Vorgehen und Unabhängigkeit. Die Shoah hingegen wurde als Schwäche, Tod, Untertänigkeit gedeutet. Nach Natan Sznaider wurde unterschieden zwischen dem „dort”, der Vernichtung der Juden in Europa und dem „Hier”, dem neugegründetem Staat.[4] Die Shoah wurde zur Geschichte der anderen Juden, die es bis 1939 nicht geschafft hatten, nach Palästina zu emigrieren. Der neue Staat galt als „rigoroser Gegenpol eines von Opfermentalität geprägten Geschichtsbewußtsein“.[5] Dabei entstand der Begriff des „Neuen Juden“, der im krassen Gegensatz zu allem stand, was „unter dem „Diaspora-Konzept“ subsumiert wurde.[6]
In der Unabhängigkeitserklärung Israels aus dem Jahre 1948 steht die Shoah „nur” als einer von sechs gleichwertigen Gründen für die Notwendigkeit, den Staat Israel zu gründen. Dem entsprechend gedachte man von offizieller Seite erst Jahre nach dem Krieg dem Holocaust. Im Jahre 1951 verabschiedete das israelische Parlament eine Resolution, die den 27. Nissan als den „Tag der Erinnerung an die Märtyrer und Helden des Holocaust” festlegt. Schon der Name verdeutlicht, daß neben den Opfern die Betonung vor allem auf den jüdischen Widerstandskämpfern liegt. Der Gedenktag liegt mitten in den sogenannten Omer-Tagen, in denen traditionelle Israelis der Ermordung der Juden durch die Kreuzfahrer erinnern. Zusätzlich liegt der Tag noch eingebettet zwischen dem Gedenktag für den Aufstand im Warschauer Ghetto und dem israelischen Unabhängigkeitstag. Dadurch wurden, laut Sznaider die verschiedenen Elemente miteinander verbunden: „Die unendliche jüdische Verfolgungsgeschichte, der Widerstand gegen die Nazis und die Unabhängigkeit des Staates Israel.“[7] Der gesetzliche Rahmen für die Begehung dieses Tages wurde allerdings erst acht Jahre später festgelegt.[8] Von weiterer Bedeutung in diesen Jahren war zum einen das Gesetz „Law of Holocaust and Heroism Remambrance – Yad Vashem”[9], welches den zentralen Gedenkeinrichtungen Israels die offizielle Befugnis erteilte, an den Holocaust zu erinnern, und das Wiedergutmachungsabkommen mit Deutschland aus dem Jahre 1952. Dieses Abkommen löste eine heftige Debatte aus. Es standen sich die Interessen des Staates und die Ehrung der Überlebenden gegenüber. Ben Gurion äußerte in diesem Zusammenhang: „Jetzt sind wir ein souveräner Staat. Ein Staat beschäftigt sich nicht mit Mystizismus, er muß politisch Stellung beziehen.“[10] Die Interessen des Staates, verankert im „Hier und Jetzt” setzten sich durch, was laut Sznaider die meisten Überlebenden akzeptierten.[11]
Jedoch standen dem Schweigen von offizieller Seite von Anfang an „private” Bekundungen über Verlust und Schmerz gegenüber. Dies war naheliegend, da der überwiegende Teil der Bevölkerung aus Überlebenden des Holocaust bestand. Zeitungen und Radio unterstützen die Suche nach vermißten Angehörigen und Menschen gedachten im kleinen, nicht-offiziellen Rahmen verlorener Freunde und Familienangehöriger. Ein Beispiel dafür ist ein Mahnmal, welches deutsch-jüdische Flüchtlinge in ihrer Synagoge in Shavei-Zion errichteten. Dieses Mahnmal war zum Gedenken an 134 ihrer früheren Nachbarn, welche es nicht geschafft hatten Deutschland rechtzeitig zu verlassen, errichtet worden.[12] Gerade auch von religiöser Seite wurde schon in der Anfangszeit Israels Erinnerungsarbeit unternommen. So organisierte z. B. das israelische Rabbinat eine Beisetzung der Asche aus dem KZ Flossenbürgen.
Für die offizielle Politik hingegen war der Holocaust etwas, dessen man sich schämen mußte. Der als Schwäche empfundene Holocaust paßte nicht zu dem kämpferischen, starken Bild, welches man abgeben wollte.
Zuckermann sieht den Beginn der Mythenbildung schon in dieser Zeit. Da der Holocaust in dem Sein des Kollektivs keinen Platz hatte, aber man daß „Memento“ aus ideologischen Gründen allerdings erhalten mußte, sollte die Erinnerung an den Holocaust nicht allzu tief in die Gestaltung der kollektiven Selbstbestimmung eindringen.[13] Wie schwer dies steuerbar sei, zeige sich darin, daß „weder die Rationalisierungsstrategien des Einzelnen noch die Ideologie des Kollektivs letztlich die latente, vermeintlich unmerkliche Fortwirkung des Holocaust im Unbewußten zu eliminieren vermögen. In der Sphäre des Kollektiven hat dieses Muster weitreichende Folgen.“[14]
3. Zweite Phase (Anfang der 60er bis Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre)
Als ein zentrales Ereignis und als Auftakt dieser Phase gilt der Prozeß gegen Eichmann, der 1961 in Jerusalem stattfand und der zu einem wesentlichen Element der israelischen Identität wurde.[15] Dieser Prozeß wurde als erstes großes Medienereignis inszeniert und sollte das Vertrauen in die Notwendigkeit des Staates Israel stärken. Laut Zuckermann wollte der Staat Israel damit den „Vollzug historischer Gerechtigkeit gekoppelt mit einer ‚Dennoch-Deklaration‘ des jüdischen Volkes manifestieren.“[16] Ben Gurion sagte dazu: „ Wichtig ist nicht die Strafe, sondern die Tatsache, daß der Prozeß stattfindet, und zwar hier in Jerusalem.“[17]
Es trat jedoch ein nicht erwarteter Nebeneffekt ein, nämlich daß zum ersten mal in der Geschichte Israels private Erinnerungen öffentlich wurden. Am eindrucksvollsten deutlich wurde dies bei dem Zusammenbruch des Zeugen Ka-Zetnik vor Gericht. Tom Segev schrieb dazu: „Ganz Israel hielt den Atem an. Es war der dramatischste Moment in dem Prozeß, einer der dramatischsten Augenblicke in der Geschichte des Landes.“[18] Entgegen dem bisherigen Umgang mit dem Holocaust waren diese Erinnerungen vor allem geprägt durch Verletzlichkeit, Schwäche und Tod, was im Widerspruch zu der „nationalen Aufrechthaltung“[19] stand.
Nach Moshe Zimmermann steht während dieser Phase die Information im Vordergrund und es ist der Beginn einer wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion um die Shoah.[20]
Zur gleichen Zeit kommen zahlreiche Emigranten aus arabischen Ländern nach Israel. Man betrachtete sowohl die Gruppe der arabischen Juden als auch die der europäischen Juden als Opfer des weltweiten Antisemitismus. Indem man den Holocaust auf den arabisch - israelischen Konflikt übertrug, wurde der Holocaust zum Verbindungsglied. Häufig wurden die Araber als die „Nachfolger der Nazis” bezeichnet.[21] Der Sechs-Tage-Krieg 1967 machte daraus eine dauerhaft Staatsideologie. Nach diesem erfolgreichen Krieg war das Selbstbewußtsein Israels als eine Nation, die auf Dauer bestehen würde, gestärkt. Laut Zimmermann zog man in Israel Vergleiche zwischen dem Krieg 1967, dem Yom-Kippur-Krieg 1973 und dem 2. Weltkrieg. Man sah die Unterschiede zwischen den Israelis und den Juden in der Diaspora, aber auch, daß es Ähnlichkeiten gab. Daraus entwickelte sich ein großes Interesse, sich mehr mit den Einzelheiten der Shoah zu beschäftigen.[22]
Der Antisemitismus entwickelte sich zur zentralen Erklärung und der Holocaust wurde zum rein jüdischen Problem erklärt. Dabei trugen die kriegerischen Erfahrungen viel zur Einstellung der Israelis zur Shoah bei. Der Libanonkrieg 1982 und später vor allem der erste Golfkrieg erinnerten noch stärker an den Zweiten Weltkrieg. Die Bevölkerung lebte in Angst vor den Raketenangriffen und vor dem Giftgas, dazu waren sie der Situation ohne einen „heldenhaften” Verteidigungskampf ausgeliefert. So wurde der Holocaust mehr und mehr zum zentralen Erlebnis des israelischen Kollektivs, obwohl die Mehrheit die Shoah nicht miterlebt hatte.[23] Endgültig hat sich der Unterschied zwischen den europäischen Juden und den orientalischen Juden in Israel vor allem in der dritten Phase der Mythologisierung, durch den zeitlichen Abstand zum Holocaust und der Kriegszeit, abgeschwächt.[24]
4. Dritte Phase (Ende der 70er / Anfang der 80er bis heute)
Der Beginn der dritten Phase wird von Zimmermann nicht klar abgegrenzt. Es gibt keine besonderen punktuellen Ereignisse, die einen Übergang charakterisieren. Entscheidend für diesen Zeitabschnitt ist aber, daß bei den meisten Menschen in Israel kein direkter persönlicher Kontakt mehr zum historischen Ereignis vorhanden ist. Zimmermann spricht von einer Mythologisierung, die aber nicht absichtlich historische Tatsachen fälschen wolle. Aufgrund der zeitlichen Distanz zum Holocaust sind die Menschen heute auf sekundäre Überlieferungsträger angewiesen. Durch diesen Verlust an Unmittelbarkeit kommt es zur Entstehung historischer Mythen.[25] Von Bedeutung seien nicht Kenntnisse, sondern die Art, wie Kenntnisse vermittelt werden und wie man sie instrumentalisiere.[26] Dabei ist für Zimmermann der Begriff Instrumentalisierung in diesem Zusammenhang nicht negativ besetzt, da es seiner Ansicht nach keine Tatsachen gibt und somit Instrumentalisierung zum Lernen aus der Geschichte gehöre.[27] Auch Zuckermann betont, daß erinnerte Vergangenheit zwangsläufig von aktuellen Bedürfnissen vereinnahmt wird und insofern ideologisiert wird, als es zu einer Entfernung, meist auch Entfremdung. des Wesen dessen, was geschah, kommt.[28]
Entscheidend an der dritten Phase ist ebenfalls, daß das Thema Holocaust alle Lebensbereiche durchdrungen hat. Das bedeutet auf der einen Seite eine Zunahme der Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Holocaust und auf der anderen Seite auch eine verstärkte Instrumentalisierung für die verschiedensten Anliegen.
4.1. Holocaust in der Politik
In öffentlichen Diskussionen findet man den Holocaust als immer wiederkehrendes Element. Von Politikern wird häufig ein Bezug zum Holocaust geschaffen, um die eigenen Forderungen zu unterstreichen. So bezeichnete beispielsweise Ariel Sharon die Grenzen von 1967 als „Auschwitzgrenzen“ oder Attacken gegen Juden werden in der orthodoxen Presse als „nazistisch“ bezeichnet.[29] Gerade wenn es um die Palästinenserpolitik oder sie Sicherheit Israels geht, wird immer wieder der Holocaust herangezogen, durchaus um völlig gegensätzliche Positionen zu untermauern. So hat 1987 der israelische Richter Mosche Landau, unter Berufung auf die schmerzliche Vergangenheit der Juden, die Anwendung von Folter gegen „Feinde“ legalisiert. Dagegen hat der israelische Professor Jeschajahu Leibowitz mit genau der selben Berufung auf die Vergangenheit versucht, diese Legalisierung zu verhindern.[30]
Doch muß an dieser Stelle erwähnt werden, daß nicht nur die israelische, sondern auch die palästinensische Seite den Holocaust als Argumentationshilfe für ihre aktuellen Ziele nutzt. In manchen arabischen Geschichtsbüchern wird der Holocaust gar nicht erst erwähnt und in der arabisch-wissenschaftlichen Literatur hat dessen Ignorierung Tradition.[31] Einerseits wird Holocaust von arabischer Seite ignoriert, andererseits aber auch als eigene Argumentationshilfe verwendet. Es gäbe, so Bishara, die Tendenz, das Leiden der Palästinenser mit dem der Juden zu vergleichen, und dazu sei es notwendig, das Ausmaß des Holocaust zu vermindern.[32] Zudem vergleiche die palästinensische Propaganda Israels Taten des öfteren mit denen der Nazis. Ähnliche Vergleiche kommen auch von israelischer Seite. Beispielsweise bezeichnete Avraham Scharir, ehemaliger Minister für Tourismus und Justiz, beim Besuch von Auschwitz, Israels „Insistieren auf Sicherheit“ als eine „nationale Moral“. Zu Arafat äußert er: „Wenn man die Aufschrift am Tor zu Auschwitz ‚Arbeit macht frei‘ liest, kann man sich vorstellen, welche Art von ‚Befreiung‘ uns Arafat bescherte, gelänge es ihm, sein Vorhaben zu realisieren.“[33] Amos Oz sagte dazu: „Hier nennt jeder jeden Hitler.“[34]
Von grundlegender Bedeutung ist der Umgang mit dem Holocaust nicht nur im politischen Tagesgeschäft, sondern er ist heute die wesentliche Legitimationsideolgie für die Existenz des Staates Israel. Eine besondere Lage, wie Segev betont, da andere Nationen nicht diesem „Rechtfertigungszwang“ für ihre Existenz unterliegen.[35] Da der Holocaust heute zur entscheidenden Grundlage des Staates erklärt wird und die anderen, religiösen Gründe aus der Unabhängigkeitserklärung in den Hintergrund gerückt wurden, kann man zu Recht, wie Zuckermann, von einem säkular-historischen Motiv sprechen.[36]
[...]
[1] Beispielsweise in einem Memorandum an die Alliierten 1951. Vgl. Weitz, Yechiam: Ben Gurions Weg zum „Anderen Deutschland“ 1952-1963, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 48 (2000), S. 225-279, S. 258 f (im folgenden zitiert als Weitz).
[2] Wobei er darauf hinweist, daß sich in jeder Phase genügend Ausnahmen finden und der Übergang zwischen ihnen fließend stattfand. Vgl. Zimmermann, Moshe: Israels Umgang mit dem Holocaust, in: Steininger, Rolf: Der Umgang mit dem Holocaust: Europa – USA – Israel, Wien/Köln/Weimar 1994. S. 387 – 406, S. 392 (im folgenden zitiert als: Zimmermann: Israels Umgang)
[3] Vgl. Levy, Daniel / Sznaider, Natan: Erinnerung im globalen Zeitalter: Der Holocaust, Frankfurt am Main 2001, S. 29 (im folgenden zitiert als: Levy/Sznaider).
[4] Vgl. Sznaider, Natan: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Berichte zur Geschichte der Erinnerung. Israel, in: Volkhard Knigge (Hrsg.): Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, München 2002, S. 186 (im folgenden zitiert als: Sznaider: Israel).
[5] Zuckermann, Moshe: Zweierlei Holocaust. Der Holocaust in den politischen Kulturen Israels und Deutschlands, Göttingen 1998, S. 69 (im folgenden zitiert als: Zuckermann: Zweierlei Holocaust).
[6] ebenda.
[7] Sznaider: Israel, S. 187.
[8] An diesem Tag bleiben Vergnügungsstätten geschlossen und morgens ertönt ein zweiminütiger Signalton im ganzen Land.
[9] Dieses Gesetz wurde 1953 beschlossen.
[10] Weitz, S. 260.
[11] Sznaider: Israel, S. 187 f.
[12] Vgl. Young, James E.: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Berichte zur Gegenwart der Erinnerung. Israel, in: Knigge, Volkhard (Hrsg.): Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, München 2002, S. 274 (im folgenden zitiert als: Young).
[13] Vgl. Zuckermann: Zweierlei Holocaust, S. 25.
[14] ebenda, S. 24.
[15] Nicht so bei Zimmermann. Er sieht den Eichmann-Prozeß nicht als das entscheidende Ereignis. Für ihn spielen vor allem die Kriege während der zweiten Phase und auch im Übergang zur dritten Phase eine entscheidende Rolle. Vgl. Zimmermann: Vom Jischuw zum Staat, S. 49.
[16] Zuckermann. Zweierlei Holocaust, S. 25.
[17] Segev, Tom: Die zwei Gesichter des Eichmann-Prozesses, in Le Monde diplomatique vom 12. April 2001, S. 14 (im folgenden zitiert als: Segev: Zwei Gesichter).
[18] Segev, Tom: Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung, Reinbeck bei Hamburg 1995, S. 11 (im folgenden zitiert als: Segev: Siebte Million).
[19] Zuckermann: Zweierlei Holocaust, S. 26.
[20] Vgl. Zimmermann: Vom Jischuw zum Staat, S. 48.
[21] Vgl. Levy/Sznaider, S. 122.
[22] Vgl. Zimmermann: Vom Jischuw zum Staat, S. 49.
[23] Vgl. ebenda, S. 49 f.
[24] Vgl. Zimmermann: Israels Umgang, S. 402 f. Laut einer Umfrage an Lehrerseminaren im Jahre 1992 würden achtzig Prozent der Befragten der Aussage zustimmen: „Wie sind alle Überlebende des Holocaust.“ Vgl. Segev: Siebte Million, S. 672.
[25] Vgl. Zimmermann: Israels Umgang, S. 390 f.
[26] Zimmermann sieht seine These gestützt durch verschiedene Umfragen, die u. a. sein Institut durchgeführt hat. Diese bringen zum Ausdruck, daß zu einem nicht unerheblichen Teil, die Befragten das als Realität sehen, was dem stereotypen Bild am ehesten entspricht, beispielsweise, daß nach Umfragen etwa die Hälfte der Israelis Österreich nicht mit der Vergangenheit des Nationalsozialismus assoziieren und die DDR „positiver“ bewertet wurde als die BRD. Vgl. Zimmermann: Vom Jischuw zum Staat, S. 51. Zimmermann: Israels Umgang, S. 404 ff.
[27] Vgl. Zimmermann: Vom Jischuw zum Staat, S. 45.
[28] Vgl. Zuckermann: Zweierlei Holocaust, S. 10, S. 171.
[29] Vgl. Zimmermann: Israels Umgang, S. 388.
[30] Vgl. Todorov, Tzvetan: Vom guten und schlechten Gebrauch der Geschichte, in: Le Monde diplomatique vom 12. April 2001,S 14-15, S. 15 (im folgenden zitiert als: Todorov).
[31] Vgl. Bishara, Azmi: Die Araber und der Holocaust. Die Problematisierung einer Konjunktion, in: Steininger, Rolf: Der Umgang mit dem Holocaust: Europa – USA – Israel, Wien/Köln/Weimar 1994. S. 407 – 429, S. 421 f (im folgenden zitiert als: Bishara).
[32] ebenda, S. 428 f.
[33] Zuckermann: Zweierlei Holocaust, S. 32 f.
[34] Oz, Amos: Hier nennt jeder jeden Hitler, in: Spiegel Spezial Nr. 2. Juden und Deutsche, 1992, S. 137 – 139, S. 137.
[35] Vgl. Segev: Siebte Million, S. 670.
[36] Vgl. Zuckermann: Zweierlei Holocaust, S. 22.
- Arbeit zitieren
- Sara Lohoff (Autor:in), 2004, Die Rezeption des Holocaust in Israel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113619