Inwiefern ist Kleists Novelle "Die Verlobung in St. Domingo" eine rassistische Erzählung?


Hausarbeit, 2008

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Definition Rassismus

3. Hintergründe um 1800
3.1. Geschichtlicher Hintergrund
3.2. Rassistischer Hintergrund

4. Inwiefern ist Kleists Novelle „Die Verlobung in St. Domingo“ eine rassistische Erzählung?

5. Kleists Position

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Primärliteratur:

Sekundärliteratur:

1.Einleitung

Rassismus ist ein Thema, mit dem wir uns aufgrund unserer Geschichte hier in Deutschland verstärkt auseinandersetzen müssen. Besonders nach dem deutschen Nationalsozialismus Mitte des 20.Jahrhunderts und dem daraus hervorgehenden Holocaust müssen wir uns fragen: Wie wollen wir in einer multikulturellen Welt leben? Sollen nicht alle „Rassen“, Kulturen, Nationen oder Gemeinschaften die gleichen Rechte besitzen? Trotz einer intensiven Beschäftigung mit dieser Frage kommt man in unserer Gesellschaft immer wieder Rassismus-Vorgängen auf die Spur. Ob auf dem Fußballplatz, im Büro oder einfach auch nur auf der Straße, Rassismus kann dabei überall in verschiedenen Formen vorkommen. Meine Hausarbeit soll sich mit der Novelle „Die Verlobung in St. Domingo“ auseinandersetzen und dabei die Frage stellen: Ist Kleists Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo“ eine rassistische Erzählung? Dabei möchte ich zuerst klären, wie sich der Begriff Rassismus definiert. Welche Erklärungen geben Lexika, wie definieren Theoretiker oder erläutern Institutionen (wie z.B. die UNO) diesen Begriff? Darauffolgend möchte ich einen Überblick über die Erzählung geben und dabei einerseits auf den geschichtlichen Hintergrund des haitianischen Unabhängigkeitskriegs, und anderseits auf Reaktionen der Zeitgenossen zu diesem Aufstand eingehen, die die Denkweise der damaligen Zeit zur Sklaverei und der Positionierung von Schwarz und Weiß andeuten. Hier hat mir besonders Barbara Gribnitz Monographie „Schwarzes Mädchen, weißer Fremder“ weitergeholfen. Im nächsten Schritt möchte ich dann auf meine eigentliche Fragestellung eingehen und durch die Analyse der Protagonisten und ihren Einstellungen sowie der Schreibstruktur der Novelle klären, ob man diesen Text als rassistische Erzählung betrachten kann. Oder kommen vielleicht gewisse Widerstände auf, die dieses Gefühl dekonstruieren? Geholfen haben mir dabei besonders die Ausätze „Als die Schwarzen die Weißen ermordeten“ von Hansjörg Bay, „Der weiße Blick“ von Remy Charbon, Bernd Fischers Aufsatz „Ironische Metaphysik“ und Gabrielle Göncys Untersuchung „Der Weg der Schwarzen in die weiße Welt“. Am Schluss möchte ich dann noch kurz auf Kleists Position eingehen, wo mir vor allem Herbert Uerlings mit seinem Aufsatz „Preußen in Haiti?“ geholfen hat, bevor ich am Ende in meinem Fazit meine Ergebnisse zusammenfassen werde.

2. Definition Rassismus

Brockhaus bezeichnet den Begriff Rassismus als eine Möglichkeit, Überlegenheits- und Unterlegenheitsgefühle zwischen verschiedenen Kulturen zu rechtfertigen., indem man biologische Unterschiede zwischen den verschiedenen „Rassen“ betont und dabei einen Zusammenhang zwischen den körperlichen, also phänotypischen Eigenschaften des Menschen und seiner Persönlichkeit, Intelligenz, Ethnizität und anderen Verhaltensmustern aufzustellen versucht, welches dann durch Hierarchisierung von Menschenrassen schlimmstenfalls zur Vernichtung einer ganzen Bevölkerungsschicht führen kann.[1] Mit dem Begriff Rassismus werden damit also besonders Wörter wie Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Unterdrückung ethnischer Gruppen, Hass und Vorurteile verbunden.[2] Die UNO verwendet, analog zum Begriff Rassismus, das Wort Rassendiskriminierung und verbindet die biologische Unterscheidung und ihrer Wertung der phänotypischen Eigenschaften mit der damit folgenden Unmöglichkeit der Ausübung von Menschenrechten und der Aufrechterhaltung allgemeiner Grundfreiheiten des Menschen.[3] Auf diese Wertung von biologischen Unterschieden bezieht sich auch der französische Wissenschaftler Albert Memmi. Für ihn sind für den Gebrauch des Begriffs nicht nur die Hervorhebung von Unterschieden entscheidend, sondern vor allem die Wertung und der Gebrauch der Unterschiede zu verallgemeinernden Aussagen und damit zur Legitimation der vom Täter ausgehenden Aggressionen.[4] Geschichtlich hat sich der Rassismus besonders in den schrecklichen Taten des Holocausts sowie dem Apartheids-Krieg in Südafrika und den Auswirkungen von imperialistischen und kolonialistischen Strukturen im 18. und 19. Jahrhundert bemerkbar gemacht.[5] In diesem Zeitraum spielen sich jetzt nun auch die Geschehnisse in Kleists Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo“ ab.

3. Hintergründe um 1800

3.1. Geschichtlicher Hintergrund

Kleists Novelle spielt in einer Zeit, in der „die Schwarzen die Weißen ermordeten“[6],um das Jahr „1803, als der General Dessalines mit 30.000 Negern gegen Port au Prince vorrückte, alles, was die weiße Farbe trug, sich in diesen Platz warf, um ihn zu verteidigen“[7]. Hier wird auf den haitianischen Unabhängigkeitskrieg (1791-1804) während der französischen Kolonialherrschaft auf dieser Insel hingedeutet.

Um 1800 gilt Haiti durch die reichhaltige Zuckerrohr-, Kaffee- und Kakaopflanzungen als die bedeutendste und reichste Kolonie Frankreichs. Das ändert sich mit der französische Revolution 1789 und ihrer Philosophie „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Denn obwohl dieser Grundsatz damals allgemein akzeptiert wird, soll dieser Ausspruch, aus Sicht der Franzosen, weder für die unfreien, noch für die freien Sklaven gelten. Aufgrund dieser Enttäuschung beginnen im Jahr 1791 die affranchis (freigelassene Schwarze und freie Mulatten[8] ) Widerstand gegen die französische Kolonialmacht zu leisten. Weitere Sklaven folgen diesem Aufruf und nachdem 1792 zuerst nur die affranchis Rechte zugesprochen bekommen, muss Frankreich 1793, durch die hartnäckigen Kämpfe bedingt, allen Sklaven die Freiheit zugestehen. Daraufhin kämpfen Toussaint L’Overture und seine Sklavenarmee an der Seite Frankreichs gegen die europäischen Mächte Englands und Spaniens sowie den affranchis, die eine privilegiertere Stellung gegenüber den anderen Sklaven verlangen. 1796 wird schließlich Toussaint L’Overture zum Generalgouverneur ernannt und darauffolgend im Jahre 1801, ohne Zustimmung Frankreichs, die erste Verfassung Haitis proklamiert. Als nach Napoleons Machtergreifung, Toussaint L’Overture verhaftet wird und im selben Jahr die Sklaverei wiedereingeführt werden soll, beginnen sich die schwarzen Sklaven wieder gegen Frankreich zu erheben und vertreiben mit Hilfe der britischen Flotte, den affranchis und den schwarzen Truppen des ehemaligen Offiziers von Toussaint L’Overture, Dessalines, Frankreich und schlussendlich auch die davor hilfsbereiten Briten von der Insel. Wenig später wird am 1.Januar 1804 die Unabhängigkeit Haitis ausgerufen und damit die Republik Haiti gegründet. 1825 erkennt dann auch Frankreich die Unabhängigkeit Haitis an.[9]

3.2. Rassistischer Hintergrund

Die Nachrichten über die haitianische Revolution lösten unter den Zeitgenossen dieser Zeit große Diskussionen aus. Dabei spielte anfangs vor allem die Frage nach der Abschaffung der Sklaverei und die Bedeutung der französischen Revolution für den Aufstand eine zentrale Rolle. Die betroffenen Pflanzer machten die Französische Revolution und die damit einhergehende Forderung nach Freiheit und Abschaffung der Sklaverei verantwortlich, die zugleich auch schon das koloniale, rassistische Überlegenheitsdenken vieler Zeitgenossen aufblitzen ließ, da sie glaubten, dass „nur zur Vernunft erzogene Menschen […] mit der Freiheit umzugehen [wüssten]“.[10] Die schwarzen Sklaven wurden damit praktisch als unreife Personen diffamiert. Auch andere Zeitgenossen griffen dieses Unreife-Argument auf.[11] Darüberhinaus wurden die Diskrminierungsversuche auch durch ökonomische Interessen und stereotype Darstellungsweisen unterstützt.[12] Differenziertere Stimmen kamen von den Engländern, die Toussaint L’Overtures humane Politik und das Ziel der Unabhängigkeit teilweise unterstützten.[13]. Rassismus spielte in dieser Weise also auch schon damals eine wichtige Rolle, ob aus der schwarzen oder weißen Sicht gesehen.

Wie verhält sich der Rassismus nun in der Erzählung „Die Verlobung in St.Domingo“? Kann man die Erzählung, aufgrund der Protagonisten, als rassistisch bezeichnen oder gibt es vielleicht Widerstände, die gegen diesen Vorwurf ankämpfen?

[...]


[1] Vgl. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG: Begriff Rassismus. In: Brockhaus in Bild und Text 2007(Software), Mannheim 2007 vgl. ebenfalls . „racism“. Encyclopaedia Britannica 2008. In: Encyclopaedia Brittanica Online. 4 2008

[2] Ebd.

[3] Vgl. „Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“, New York am 21.12.1965 S.2

[4] Vgl. Albert Memmi: Rassismus. Hamburg 1992 S.164

[5] Vgl: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG: Begriff Holocaust. In: Brockhaus in Bild und Text 2007(Software), Mannheim 2007. Holocaust ist die „Bezeichnung für die Vernichtung der europäischen Juden während der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland und Europa (1933-45)

[6] Heinrich von Kleist: Die Verlobung in St. Domingo/ Das Bettelweib von Locarno/ Der Findling. Reclam Ausgabe, Stuttgart 2002 S.4

[7] Ebd.

[8] Vgl. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG: Begriff Mulatte. In: Brockhaus in Bild und Text 2007 (Software), Mannheim 2007. „Als Mulatten bezeichnet man einen „Mischling zwischen Europäern und Schwarzafrikanern“.

[9] Vgl. Barbara Gribnitz: Schwarzes Mädchen, weißer Fremder. Studien zur Konstruktion von Rasse und Geschlecht in Heinrich von Kleists Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo. Würzburg 2002, S.157-160

[10] Vgl. Ebd. S.161

[11] Vgl. Herbert Uerlings: Preußen in Haiti?. Zur interkulturellen Begegnung in Kleists „Verlobung in St. Domingo. In: Kleist-Jahrbuch (1991) S. 185-201, hier: S.190

[12] Vgl. Gribnitz 2002: S.163, vgl. ebenfalls: Bernd Fischer: Die Verlobung in St. Domingo. In: Bernd Fischer: Ironische Metaphysik. München 1988 S. 100-112 hier:S. 101

[13] Vgl. Gribnitz 2002: S.165/166

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Inwiefern ist Kleists Novelle "Die Verlobung in St. Domingo" eine rassistische Erzählung?
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie)
Veranstaltung
Einführung in die Textanalyse
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V113695
ISBN (eBook)
9783640142675
ISBN (Buch)
9783640143238
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inwiefern, Kleists, Novelle, Verlobung, Domingo, Erzählung, Einführung, Textanalyse
Arbeit zitieren
Daniel Voigt (Autor:in), 2008, Inwiefern ist Kleists Novelle "Die Verlobung in St. Domingo" eine rassistische Erzählung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113695

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