„Das Erdbeben in Chili“ von Heinrich von Kleist erschien 1807 erstmalig unter dem Titel
„Jeronimo und Josephe. Eine Scene aus dem Erdbeben zu Chili, vom Jahr 1647“in der
Zeitung „Morgenblatt für gebildete Stände“. Die Erzählung soll im folgenden vor dem
Hintergrund der philosophisch-theologischen Theodizee-Diskussion interpretiert werden,
die damals durch das Erdbeben von Lissabon von 1755 ausgelöst wurde, und die sich mit
der Frage auseinandersetzte, „ob und wie das Erdbeben als Ausdruck göttlichen Willens
zu verstehen sei“. Kleist, der mit den historischen und philosophischen Fakten vertraut
war, ließ diese Diskussion unmittelbar in „ Das Erdbeben in Chili“ einfließen. Während er
mit seiner Erzählung einen eigenständigen Beitrag zum Inhalt der Debatte leistet, soll
nachgewiesen werden, dass er grundlegende Positionen von Leibniz, Voltaire, Rousseau
und Kant aufgriff und literarisch problematisierte. Zum anderen sollen diejenigen
Aspekte, die Kleist der vorgegebenen Diskussion hinzufügte, verdeutlicht werden. „Das
Erdbeben in Chili“ ist dabei nicht als philosophischer, sondern als literarischer Text zu
verstehen und dementsprechend zu behandeln. Kleists „Erdbeben“ bewegt sich in der
Dialektik von Kultur und Natur, von Mensch und Gesellschaft, von Teleologie und
Kontingenz. Nach der der Hausarbeit zugrundeliegenden These, die im einzelnen erörtert
werden soll, wird die Darstellung des Geschehens begriffen als Absage an einen
metaphysisch verbürgten Sinn, den der Mensch erfassen kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historischer Entstehungshintergrund
- Einführung in die „Theodizee-Debatte“
- Voltaires „Candide ou l'optimisme“ und der Begriff des « physischen » und des « moralischen » Übels
- Kleists Verkehrung des triadischen Modells
- Die Gesellschaftsutopie von Rousseau bei Kleist
- Natur und Gesellschaft
- Kants „Dialektik der Natur“ und der „D'Alembertsche Grundsatz“
- Kleists Sinnkonstruktion- und Destruktion
- Ausblick
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert Heinrich von Kleists Erzählung „Das Erdbeben in Chili“ im Kontext der Theodizee-Debatte, die durch das Erdbeben von Lissabon 1755 ausgelöst wurde. Ziel ist es, Kleists literarische Auseinandersetzung mit den philosophischen Positionen von Leibniz, Voltaire, Rousseau und Kant zu untersuchen und die Besonderheiten seiner eigenen Sichtweise auf das Problem des Übels in der Welt herauszuarbeiten.
- Die Rezeption der Theodizee-Debatte in Kleists „Das Erdbeben in Chili“
- Die Verkehrung des triadischen Modells von Leibniz (physisches, moralisches und metaphysisches Übel)
- Die Rolle der Natur und Gesellschaft in Kleists Erzählung
- Die Frage nach dem Sinn und der Destruktion von Sinnkonstruktionen
- Die literarische Auseinandersetzung mit den philosophischen Positionen von Leibniz, Voltaire, Rousseau und Kant
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Entstehungshintergrund von Kleists „Das Erdbeben in Chili“ vor und führt in die Theodizee-Debatte ein, die durch das Erdbeben von Lissabon 1755 ausgelöst wurde. Sie beleuchtet die verschiedenen Positionen von Leibniz, Voltaire, Rousseau und Kant zur Frage des Übels in der Welt.
Das zweite Kapitel analysiert Voltaires „Candide ou l'Optimisme“ und die Rezeption des Begriffs des „physischen“ und des „moralischen“ Übels in Kleists Erzählung. Es wird gezeigt, wie Kleist das triadische Modell von Leibniz umkehrt und die Frage nach dem Sinn des Übels in der Welt neu stellt.
Das dritte Kapitel untersucht Kants „Dialektik der Natur“ und den „D'Alembertschen Grundsatz“ im Kontext von Kleists „Erdbeben in Chili“. Es wird gezeigt, wie Kleist die Frage nach dem Sinn des Geschehens in der Welt aufwirft und die Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit beleuchtet.
Das vierte Kapitel analysiert Kleists Sinnkonstruktion- und Destruktion in „Das Erdbeben in Chili“. Es wird gezeigt, wie Kleist die Frage nach dem Sinn des Lebens und der Welt stellt und die Fragilität menschlicher Sinnkonstruktionen aufzeigt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Theodizee-Debatte, das Erdbeben von Lissabon, Heinrich von Kleist, „Das Erdbeben in Chili“, Leibniz, Voltaire, Rousseau, Kant, physisches Übel, moralisches Übel, Sinnkonstruktion, Destruktion, Natur, Gesellschaft, Teleologie, Kontingenz, Metaphysik.
- Arbeit zitieren
- Claudia Schöll (Autor:in), 2002, „Das Erdbeben in Chili“ und Kleists Rezeption der Theodizee - Debatte von 1756, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113806