Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kurzer Exkurs in die Ethik
3. Ethik in der empirischen Sozialforschung
3.1 Selbstreflexionen des Forschers
3.2 Forschungsethische Prinzipien
3.3 Das Dilemma der verdeckten Beobachtung
4. Praktisches Beispiel - Das Bremer Afrika Projekt
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Forschungsethik ist ein unausweichlicher Bestandteil jener Forschungsfelder, welche Menschen zur Gewinnung von Daten und wissenschaftliche Erkenntnisse benötigt. Dies trifft auch auf Felder über die der medizinischen Forschung hinaus zu, wie zum Beispiel in denen der Sozial- und Gesundheitswissenschaften, welche sich unter anderem an qualitativen Methoden der empirischen Sozialforschung bedienen um solche Erkenntnisse zu erlangen. Aufschluss darüber soll die hier vorliegende Arbeit geben und über die Notwendigkeit, oder sogar Verpflichtung gegenüber sich selbst und seinen Probanden geben, sich ethisch korrekt zu verhalten. So befasst sich laut Schnell & Heinritz (2006) die Forschungsethik mit der Frage, welche ethisch relevanten Einflüsse die Intervention eines Forschers den Menschen zumuten könne, mit oder an denen der Forscher forscht. Sie befasse sich zudem mit den Maßnahmen, die zum Schutz der an einer Forschung teilnehmenden Personen unternommen werden solle, sofern dieses als Notwendigkeit erscheine (vgl. Schnell & Heinritz, 2006, 17).
Zu Beginn der Arbeit wird ein kleiner Einblick in das Feld der Ethik vermittelt, welches vollständig zu umreißen in diesem Umfang nicht möglich ist. Hier sollen eher praktische Aspekte dieses Feldes, statt die Pluralität unterschiedlicher Meinungen und Theorein dargestellt werden, da diese Bestandteile einer anderen Ebene in der Diskussion um dieses Thema sind. Im späteren Verlaufen werden diese Einblicke präzisiert und auf das Feld der Forschungsethik angewendet. Nach einer gründlichen Darstellung forschungsethischer Grundlagen und Prinzipien, sowie die Aufführung der Probleme bei verdeckten Beobachtungen und non-reaktiven Verfahren, wird ein Beispiel aus der Forschungspraxis aufgegriffen, dargestellt und anhand der vorher aufgezeigten forschungsethischen Prinzipien reflektiert.
2. Kurzer Exkurs in die Ethik
Der Begriff der Ethik entsprang ursprünglich dem griechischen und bedeutet so viel wie Sittenlehre oder Gesamtheit der sittlichen und moralischen Grundsätze (vgl. Duden (a), 2006, 383). Grundlagen dieser Grundsätze bilden heute fest verankerte Wertvorstellungen die sich meist in Gesetzen und Verboten, oder aber der eigenen Einstellung sich, der Welt und anderen Menschen und Lebewesen gegenüber manifestiert haben. Die Entstehung des ethischen Gedankens lässt sich auf keinen bestimmten Zeitpunkt festlegen. Fakt ist aber, dass der Mensch ein Bewusstsein dafür entwickelt hat, wie er sich anderen Menschen gegenüber verhalten soll und darf. Ein Beispiel dessen bilden zum Beispiel Teile der Zehn Gebote des christlichen und jüdischen Glaubens, welche Moses auf Geheiß Gottes in Stein meißelte. Welche unter anderem, frei wiedergegeben, die Anweisungen enthalten sein Elternhaus zu ehren, weder zu töten, noch Ehe zu brechen, nicht zu stehlen, nicht zu lügen und nicht dem Neid anheim zu fallen. Geprägt wird dieses Bild in der katholischen Kirche ebenfalls durch die Sieben Todsünden. Aber auch Jahrhunderte vor der Verbreitung des Christentums in den Lehren Siddhartha Gautamas, dem Begründer des Buddhismus. In den Lehren des Buddhismus bestehen große Aspekte des Lebens aus Leid, welche durch ein tugendhaftes, moralisches und ethisches Verhalten und der damit verbundenen erlangten Weisheit es ermöglichen, dem endlosen Kreislauf aus Leben, Sterben und Reinkarnation zu entkommen. Grundlage hierfür bilden unter anderem die so genannten Fünf Silas in denen man gelobt niemanden zu töten oder zu verletzen, sich nichts zu nehmen, was einem nicht gegeben wird, keine ausschweifenden sinnlichen Handlungen zu begehen, nicht zu lügen und wohlwollend zu sprechen und keine Substanzen zu konsumieren, die das Bewusstsein trüben und den Geist verwirren.
Zentrale Punkte dieser Dogmen haben identische Kernaussagen: Die Wertschätzung anderen menschlichen Lebens durch das Tötungsverbot, da dieses als unmoralisch betrachtet wird. Ebenso gleichen sich moralische Vorstellungen bezüglich des Diebstahls oder des Neides, welche beide als falsch und verwerflich dargestellt werden. Diese einfachen Sätze bilden auch heute noch die Grundlage vieler Aspekte unseres Lebens und zwar nicht zwangsläufig in Form von Religion und Glaube, aber in Form von Gesetzen. Eckpfeiler dessen bildet zum einen das Grundgesetzt mit den enthaltenen Grundrechten, welche sich aus der Menschenrechtskonvention von 1950 ableiten (vgl. Schnell & Heinritz, 2006, 19). Zu den Menschrechten zählen hiernach:
- Das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (GG Art. 2)
- Das Recht auf freies Leben und körperliche Unversehrtheit (GG Art. 2)
- Das Recht auf gleichberechtigte Behandlung (GG Art. 3)
- Das Rech auf freie Meinungsäußerung (GG Art. 5)
- Das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (GG Art. 13)
(vgl. ebd.)
Selbstverständlich sind diese Rechte auch auf die Bereiche der Forschung anzuwenden und zu berücksichtigen.
Atteslander (2008) beschreibt die Forschung als einen Prozess, bei dem alltagsweltliche Regeln und ethische Maxime keine Gültigkeit hätten, da es zu einer Ungleichverteilung der Informationen und Ressourcen zwischen Forschern und Beforschten gäbe. Dies werfe forschungsethische Fragen auf, die insbesondere die Verantwortung der forscher gegenüber den Untersuchten und den gewonnenen Daten zum Gegenstand hätten (Atteslander, 2008, 97) welches sich auch mit der Definition des Begriffs „Ethik“ in einem medizinischen Wörterbuch gleich, in dem es heißt, dass es sich um „allgemein gültige Normen und Maxime de Lebensführung handle, die sich aus der Verantwortung gegenüber anderen herleite (vgl. Duden (b), 2007, 279). So sind über die alltägliche Ethik hinaus also weitere Überlegungen und Bemühungen im Bereich der Forschung anzustellen. Wehkamp (1998) welcher Höffer (1998) zitiert merkt hierzu an: „Wer sich mit Public Health befasst, wird bemerken, dass die Fragestellung der Ethik nach dem ,guten und gerechten Leben' auch seine eigene ist“ (Wehkamp, 1998, 2 zitiert nach Höffe, 1998, 26).
3. Ethik in der empirischen Sozialforschung
Neben Zulassungstest für Medikamente oder Prüfungen neuer Therapien, sind auch Gebiete der empirischen Sozialforschung vor ethischen Überlegungen nicht gefeit. Hier stechen besonders qualitative Forschungsmethoden hervor, bei denen der Forscher als Erhebungsinstrument dient und eine soziale Interaktion zwischen ihm und dem Beforschten, wie zum Beispiel in Interviews, zustande kommt. „Der Interviewer hat in einem qualitativen Interview nicht die Rolle des distanzierten »Befragers«, sondern eher die eins engagierten, wohlwollenden und emotional beteiligten Gesprächpartners, der flexibel auf den »Befragten« eingeht und dabei seine eigenen Reaktionen genau reflektiert. Während bei standardisierten Befragungen die Person des Interviewers ganz zurücktritt, ist der Interviewer in qualitativen Befragungen selbst ein »Erhebungsinstrument«, d.h., seine Gedanken, Gefühle, und Reaktionen auf den Befragten werden sorgfältig notiert und können in den Analysen berücksichtigt werden“ (Bortz & Döring, 2006, 308f).
3.1 Selbstreflexion des Forschers
Der Forschungstätigkeit wird wie jeder anderen Handlungsweise auch die Achtung de Menschenwürde und Menschenrechte als Standard vorausgesetzt. „Dieses zu tun, ist keine besondere Leistung eines Forschers, sondern das, was von jedem Menschen als Basisethik erwartet werden kann und erwartet wird. Es stellt sich die Frage, wie jemand jeweils in den seinigen Handlungs- und Lebenszusammenhängen zu handeln hat, um die Menschenwürde und die Menschenrechte zu achten“ (Schnell & Heinritz, 2006, 20). Im Fokus steht also die Reflexion des Forschers bezügliche seines Vorhabens und seines Handelns dieses zu realisieren. Atteslander (2008) führt dazu einige Punkte auf, um eine Reflexion zu erleichtern:
- Individuelle Schädigungen durch die Forschung sind zu vermeiden
- Im Zweifelsfall für die Forschungsbeteiligten
- Offenheit für Menschen und Kulturen
- Achtung der ,Selbstbestimmungsrechte' anderer
- Mögliche Folgen der Veröffentlichung bedenken und mit dem Forschungsanliegen abwägen
- Ständige Selbstreflexion der Forscher über sich und ihre Forschungsabsichten
(Atteslander, 2008, 98)
Darüber hinaus führen Bortz & Döring (2006) auf, der Forscher für alle unplanmäßigen Vorkommnisse zumindest moralisch verantwortlich sei (vgl. Bortz & Döring, 2006, 43).
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