Die Wiedererrichtung einer historischen Stätte stellt immer einen Neubau seiner Zeit dar. So ist auch die wiedererbaute Saalburg als historische Anlage nicht als aus antiker, sondern wilhelminischer Zeit zu bezeichnen und stellt nur das Wissen und die kulturgeschichtlichen Auffassungen über eine vergangene Zeit, aus dieser ebenso vergangenen Zeit dar. Weshalb wurde das alte Römerkastell, die „Saalburg“ bei Homburg, jedoch gerade in wilhelminischer und nicht einer früheren oder späteren Zeit wiedererrichtet? Die Frage begründet sich durch die Tatsache, dass die Mauerreste der Saalburg bereits Ende des 18. Jahrhunderts sichtbar lagen und dem ungeachtet gegen Geldleistung als Steinbruch genutzt wurden. Die vorliegende Arbeit möchte sich dieser Frage stellen und dabei die kulturgeschichtlichen Aspekte der wilhelminischen Zeit, als auch den Auftraggeber dieses Wiederaufbaus, Kaiser Wilhelm II. selbst, untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Römerkastell ‚Saalburg’ bei Bad-Homburg
2.1 Exkurs: Die Entstehung des römischen Kastells in der Antike
2.2 Über die Wiedererrichtung der Saalburg zur Zeit des zweiten deutschen Kaiserreichs
3. Kulturgeschichte des Deutschen Kaiserreichs
3.1 Das römische Kulturerbe
3.2 Geisteshaltung und kulturelle Strömungen
3.3 Das Deutsche Reich als Kulturstaat
3.4 Das Kaiserreich im Modernisierungsprozess
3.5 Zusammenfassung
4. Die Wiedererrichtung der Saalburg als Beispiel für das ausgeprägte Römerbild im deutschen Kaiserreich
4.1 Kaiser Wilhelm II. – eine besondere Persönlichkeit
4.2 Kaiser Wilhelm II. als Herrscher über das imperium Germanorum
4.3 Das Römerbild in Schule und Volksbildung
5. Schlussfolgerung
6. Literatur
1. Einleitung
Die Wiedererrichtung einer historischen Stätte stellt immer einen Neubau seiner Zeit dar. So ist auch die wiedererbaute Saalburg als historische Anlage nicht als aus antiker, sondern wilhelminischer Zeit zu bezeichnen und stellt nur das Wissen und die kulturgeschichtlichen Auffassungen über eine vergangene Zeit, aus dieser ebenso vergangenen Zeit dar. Weshalb wurde das alte Römerkastell, die „Saalburg“ bei Homburg, jedoch gerade in wilhelminischer und nicht einer früheren oder späteren Zeit wiedererrichtet? Die Frage begründet sich durch die Tatsache, dass die Mauerreste der Saalburg bereits Ende des 18. Jahrhunderts sichtbar lagen und dem ungeachtet gegen Geldleistung als Steinbruch genutzt wurden[1]. Die vorliegende Arbeit möchte sich dieser Frage stellen und dabei die kulturgeschichtlichen Aspekte der wilhelminischen Zeit, als auch den Auftraggeber dieses Wiederaufbaus, Kaiser Wilhelm II. selbst, untersuchen.
Die Literaturlage zur Saalburgforschung ist weit gefächert und geht bis auf das Jahr 1781 zurück, die früheste zusammenfassende Veröffentlichung der Ergebnisse über die Saalburgforschung erschien jedoch erst 1897 durch Louis Jacobi. Literatur die sich mit der Frage des Römerbildes zur Kaiserzeit beschäftigt geht ebenfalls bis in das 19. Jahrhundert zurück, angefangen bei Quiddes „Caligula“, dem ersten kaiserkritischen Werk, welches dessen Person in Bezug zu den römischen Kaisern setzt. Dennoch befassen sich nur wenige Autoren mit der Frage des Römerbildes zur Kaiserzeit und auch nur in Form kleinerer Ausführungen innerhalb großer Allgemeinwerke.
Mit der vorliegenden Arbeit soll nun ein Blick über die Zusammenhänge des Deutschen Kaiserreiches und der Zeit der römischen Kaiser, am Beispiel der Wiedererrichtung der Saalburg, gegeben werden. Hierfür erfolgt zunächst eine kurze Erklärung über die Entstehung des Römerkastells und die neu errichtete Saalburg. Anschließend sollen die Ausführungen über die Kulturgeschichte des zweiten Deutschen Kaiserreiches eine Grundlage für die vertiefende Erarbeitung des letzten Kapitels „Die Wiedererrichtung der Saalburg als Beispiel für das ausgeprägte Römerbild im deutschen Kaiserreich“ dienen.
2. Das Römerkastell ‚Saalburg’ bei Bad-Homburg
Das Römerkastell Saalburg hat eine lange Tradition, welche bis zum 19. Jahrhundert zurückgeht. Wie es zur Idee des Wiederaufbaus dieser historischen Anlage kam und warum das römische Kastell in der Antike erbaut wurde, soll in diesem Kapitel beschrieben werden.
2.1 Exkurs: Die Entstehung des römischen Kastells in der Antike
Die ersten römischen Bauwerke auf dem Saalburg-Pass stellen zwei rechteckige, kleine Erdschanzen dar, welche vom römischen Militär beim Bau des Limes als Stützpunkte angelegt wurden. Die erste Schanze entstand 83 n. Chr. und bot Raum für 80 bis 100 Menschen[2]. Kurze Zeit später, etwa um 90 n. Chr., wurde innerhalb des heutigen Kohortenkastells[3] ein kleines Holzkastell mit einer Größe von 0,7 ha errichtet. Doch erst 135 n. Chr. kam es zur Erbauung des 3,2 ha großen Lagers durch die Cohors II Raetorum civium Romanorum equitata[4].
Zunächst bestand die Umwehrung des Kastells aus Holz und Stein, wurde jedoch in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts durch eine Mörtelmauer mit angeschütteter Erdrampe ersetzt. Diese Form des Kastells blieb bis zum Ende des Limes (ca. 260 n. Chr.) erhalten[5]. Etwa 1590 Jahre später begann man sich eingehend mit den Überresten dieses Bauwerkes zu beschäftigen.
2.2 Über die Wiedererrichtung der Saalburg zur Zeit des zweiten deutschen Kaiserreichs
Bei einem Festbankett im Wiesbadener Schloss am 18. Oktober 1897 verkündete Kaiser Wilhelm II., dass er die Saalburg wieder errichten lassen wolle[6]. Doch schon Jahrzehnte zuvor hatten die verschiedensten Forscher, wie beispielsweise der Direktor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, Friedrich Gustav Habel, oder der seit 1871 mit den Ausgrabungen vertraute königliche Konservator August von Cohausen den Wiederaufbau der Gesamtanlage gefordert[7]. Die Forderung Cohausens wurde 1872 jedoch von der Kultusbürokratie als unwissenschaftlich bezeichnet und abgelehnt[8].
Schließlich konnte Ludwig Christian Jacobi (Louis Jacobi genannt), ein von Kaiser Wilhelm I. ernannter Stellvertreter Cohausens[9], der seit dessen Tod 1894 die Leitung der Ausgrabungen auf der Saalburg übernommen hatte[10], Kaiser Wilhelm II. für den Wiederaufbau gewinnen.
Jacobi berichtete dem Kaiser von der Erbauung einer aus Holz und Leinwand gefertigten Nachbildung des Haupttores (porta praetoria[11] ) 1896 für Mitglieder der Tagung der deutschen Naturforscher und Ärzte[12]. Aus Ressourcenmangel konnte ein richtiger Wiederaufbau jedoch nicht durchgeführt werden, woraufhin sich Wilhelm II. bereit erklärte Gelder für den Wiederaufbau des Römerkastells zu beschaffen[13].
Nun wurde zunächst mit dem Bau der porta praetoria begonnen, welcher schon 1898 abgeschlossen werden konnte. Dem Kaiser lag jedoch insbesondere die Errichtung der prinzipia (Stabsgebäude) am Herzen, weshalb bereits zwei Jahre später, am 11. Oktober 1900, die Grundsteinlegung dieses Gebäudes im Rahmen einer prunkvollen Feier stattfand. Die Fertigstellung der Umwehrung, der principia, des praetoriums und der horrea (Getreidespeicher) sollte jedoch noch bis ins Jahr 1907 andauern[14]. Das von Beginn an geplante Museum konnte in den großzügigen Räumen der horrea einziehen und war – der Ausstellungsmode dieser Zeit entsprechend – reich mit Funden der vorausgehenden Ausgrabungen bestückt[15].
Jacobi legte großen Wert auf die historische Authentizität des Wiederaufbaus der Saalburg. Schließlich handelte es sich dabei um die erste Rekonstruktion einer römischen Militärarchitektur am originalen Standort in ihrer Zeit[16]. Hierfür führte er mit seinem Sohn Heinrich Jacobi zahlreiche archäologische Reisen, wie die Fahrt nach Pompeji für technische Untersuchungen an einer Heizanlage und sogar eine Reise nach Nordafrika, durch[17]. Aber auch Kaiser Wilhelm II. selbst war um historische Genauigkeit bemüht, wie seine Worte „So getreu wie möglich in römischer Bauweise“[18] bei der Grundsteinlegung für die principia erkennen lassen. So beteiligte sich der Kaiser nicht nur ideell und finanziell, sondern auch fachlich um die Belange zum Wiederaufbau der Saalburg. Sein Interesse zeigte sich durch alljährliche Besuche der Saalburg während der Wiedererrichtung, um den Baufortschritt zu überwachen und fachliche Ratschläge bei Begehungen der Anlage zu geben[19]. Nach der Entdeckung und Ausgrabung der römischen Schanzen auf dem Saalburg-Pass war es Wilhelm II., der 1913 den Wunsch äußerte ein archäologisches Experiment durchzuführen. Dies beinhaltete die Errichtung der Schanzen, mit nach römischer Weise gefertigten Werkzeugen, was von der Fachwelt als neuer Erkenntnisweg begrüßt wurde[20].
Dennoch nahm man den Wiederaufbau der Saalburg in der Fachwelt mit geteilter Meinung zur Kenntnis. So kritisierte ein mit ‚X.Y.Z.’ zeichnender Autor (vermutlich der Altphilologe und Archäologe Dr. A. Hammeran): „... jede Wiederherstellung ist und bleibt subjektiv, und mag sie von dem größten Künstler, von dem bedeutendsten Architekten ausgehen. Für solche Experimente ist die Saalburg zu gut“[21]. Dem entgegen stand die Meinung der „Reichs-Limeskommission“ unter dem Vorsitz von Theodor Mommsen, welche 1897 die kaiserliche Entscheidung zum Wiederaufbau der Saalburg als „den wissenschaftlichen Interessen, wie denjenigen des allgemeinen Publikums durchaus entsprechend“[22]. begrüßte. Beide Zitate spiegeln Bestandteile und Eigenschaften der damaligen Kultur wieder. Diese sollen im folgenden Kapitel nun näher beleuchtet werden.
[...]
[1] Klee 2000: 8.
[2] Baatz; Herrmann 1982: 469.
[3] Ein Kohortenkastell ist das von einer militärischen Einheit erbaute und bewohnte Kastell. Hier handelt es sich um eine teilberittene Infanteriekohorte (Cohors II Raetorum civium Romanorum equitata).
[4] Baatz; Herrmann 1982: 472.
[5] Baatz; Herrmann 1982: 472.
[6] Schallmayer 1997a: 3.
[7] Vgl. Schallmayer 1997b: 4.
[8] Dölemeyer 1997: 30.
[9] Vgl. Schallmayer 1997b: 5.
[10] Vgl. Bergmann 2006: 35.
[11] Damals noch „porta decumana“ genannt.
[12] Vgl. Bergmann 2006: 35.
[13] Schallmayer 1997b: 6.
[14] Vgl. Schallmayer 1997b: 6.
[15] Vgl. Schallmayer 1997b: 8f.
[16] Weber 1997: 119.
[17] Dölemeyer 1997: 32.
[18] Aus dem Text der Urkunde zur Grundsteinlegung für die principia am 11. Oktober 1900 durch Kaiser Wilhelm II.; zitiert nach: Weber 1997: 119.
[19] Schallmayer 1997b: 6.
[20] Obmann o.J.: 303.
[21] Frankfurter Zeitung 23. Oktober 1897 (Z 1897, 010), zitiert nach Löhlein; Obmann 2001: 197.
[22] Weber 1997: 124.
- Arbeit zitieren
- Jessica Rihm (Autor:in), 2008, Das Römerbild im deutschen Kaiserreich - Die Saalburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113882
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