Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Motiv – Motivation – Motivierung
2.1 Motiv
2.1.1 Zwei Motivsysteme: Unbewusste und bewusste Motive
2.2 Motivation
2.2.1 Intrinische Motivation
2.2.2 Extrinsische Motivation
2.3 Motivierung
3 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Eine groß angelegte Studie der Public Agenda Foundation zum Thema Arbeit und Werte unter Berufstätigen kam 1983 zu dem Ergebnis, dass weniger als 25 % der teilnehmenden Personen ihrem vollen Potenzial gemäß arbeiten würden, rund 50 % würden gerade so viel leisten um ihren Job nicht zu verlieren und rund 75 % gaben an deutlich effektiver sein zu können, als sie es derzeit wären (Yankelovich, Aspen Institu- te for Humanistic Studies & Public Agenda Foundation, 1983). Wesentlich aktuellere und etwas optimistischere Zahlen dazu liefert eine 2019 von Ernst & Young in Öster- reich durchgeführte Befragung, der nach zumindest 32 % der Beschäftigten angaben „hochmotiviert“ im Beruf zu sein (Rattinger, 2019). Die Pressemeldung zur Befragung schließt mit den Worten: „Unternehmen müssen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig motivieren und dafür ein attraktives Vergütungs- und Anreizsystem schaffen.“ („EY-Jobstudie Motivation Österreich“, 2019). Harvard-Professor Alfie Kohn widersprach jedoch exakt dieser Forderung bereits 1993 vehement in dem er schrieb, dass es „[…] keine einzige Studie weltweit gäbe, die eine dauerhafte Leistungssteigerung durch Anreizsysteme nachgewiesen hätte.“ (Kohn, 1993). Management- und Führungsexperte Reinhard K. Sprenger schließt sich dem an, in dem er postuliert Unternehmen sollten sich besser darauf konzentrieren Demotivierendes zu eliminieren, als zu versuchen für „Motivierung“ zu sorgen (Sprenger, 2014, S. 193). Das Thema Motivation ist also ein bewegtes und es bewegt uns nicht erst seit es Personalabteilungen gibt, bereits Platon setzte sich intensiv damit auseinander was menschliches Handeln antreibt. Dabei steckt die Bewegung schon in der Etymologie des Wortes, die sich auf das lateinische Verb movere (bewegen, antreiben) zurückführen lässt („DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache“, n. d.). Die altgriechische Sprache hingegen kannte kein einheit- liches Wort für den heutigen Begriff der Motivation. Die damaligen Griechen waren offenbar, und aus heutiger Sicht wohl zu Recht, der Auffassung, es gäbe kein einzelnes Phänomen, das sich mit nur einem Wort beschreiben ließe (Brüntrup & Schwartz, 2012, S. 17). Der Mangel eines einheitlichen Begriffes hielt Platon jedoch nicht davon ab, an einer frühen Motivationstheorie zu arbeiten, ihm zufolge trennten sich die Ursachen menschlichen Handeln in die drei Seelenkräfte: Das Begehren, den Willen und den Verstand. Die damals bahnbrechende Idee des Willens als eigenes Vermögen bestimm- te daraufhin über Jahrhunderte das philosophische Denken über Motivation (Brüntrup & Schwartz, 2012, S. 176). In Politeia („Der Staat“) schreibt Platon pragmatisch „[…] das erste und größte Bedürfnis [ist] die Herbeischaffung von Nahrung um des Seins und Lebens willen.“ und weiter „Das zweite das der Wohnung, das dritte das der Klei- dung und dergleichen.“ (Platon, 2016, S. 50). Damit legte er im Prinzip einen Teil des Fundaments, auf dem Abraham Maslow rund 2300 Jahre später in seiner „Theory of Human Motivation“ seine, bis heute äußerst populäre, Bedürfnispyramide errichtete. Wie entscheidend eine genaue Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten ist zeigt jedoch die Tatsache, dass Maslow selbst in seiner Arbeit zur Bedürfnishierarchie kein einziges Mal von einer Pyramide spricht (Blickhan, 2021, S. 154). Die nachfolgende Arbeit unternimmt deshalb den Versuch die Begriffe Motiv, Motivation und Motivierung zu definieren, von einander abzugrenzen und die Bedeutung im Kontext der Fremd- und Eigenmotivation zu betrachten.
2 Motiv – Motivation – Motivierung
Die Motivationspsychologie befasst sich mit zielgerichtetem Verhalten beim Menschen und analysiert die Ausrichtung, Ausdauer und Intensität beim Zielstreben. Die Forschung differenzierte dabei von Anfang an zwischen Motiven und Motivation (Atkinson, 1978, S. 56-59; H. Heckhausen, 1989, S. 55). In den folgenden Abschnitte wird diese Differen- zierung erörtert und leitet über zum Begriff der Motivierung, der immer dann besonders relevant zu werden scheint, wenn jemand will, dass jemand anders etwas wollen soll.
2.1 Motiv
„Was war das Motiv des Täters?“ in der Umgangssprache, aber auch in der Rechtspre- chung bezeichnet man die Beweggründe für ein Verhalten als Motive (Brandstätter, Schüler, Puca & Lozo, 2018, S. 5). Nach H. Heckhausen, 1989, S. 2 wie auch nach Keller, 1981, S. 24 sind Motive sind als überdauernde, relativ stabile und situationsunabhängige (Wertungs-)Dispositionen anzusehen. Jedes Motiv umfasst eine definierte Inhaltsklasse von Handlungszielen (angestrebte Folgen des eigenen Handelns). Aufgrund ihrer Stabili- tät und Veränderungsresistenz können Motive als Persönlichkeitsmerkmale angesehen werden. Henry Murray brachte in seiner Arbeit „Explorations in Personality“ (1938) den Motivbegriff des Bedürfnisses („need“) zusammen mit Handlungsgelegenheiten („press“) in den Mittelpunkt des Begriffssystems. Außerdem hielt er das Bedürfnis nach Leistung für besonders wichtig und beschrieb es folgendermaßen: ”To accomplish something difficult. […] to do this as rapidly and as independently as possible. To overcome ob- stacles and attain a high standard. To excel one’s self. To rival and surpass others. To increase self-regard by the successful exercise of talent.”(Murray, 1938, S. 164 zitiert nach Brandstätter et al., 2018, S. 26). Aufbauend darauf postulierte Mcclelland, 2010 in seiner Theorie der Bedürfnisse, dass die Motivation einer Person aus drei dominieren- den Bedürfnissen resultiere, nämlich nach: Leistung (Achievement), Macht (Power) und Zugehörigkeit (Affiliation). Doch auch wenn diese drei Motive in der Folge das bei weitem größte Forschungsinteresse auf sich zogen (David Clarence McClelland, 1985) besteht bis heute kein Konsens darüber wie viele bzw. welche soziogenen Motive bzw. biogenen Instinkte es braucht um menschliches Handeln in seiner Gesamtheit erklären zu können.
So hatte Bernard schon 1924 in einer Art Metastudie ganze 14.046 Motive bzw. Instinkte in der damaligen Literatur identifiziert (H. Heckhausen, 1989, S. 29). Im Vergleich dazu hat Reiss, 2000 16 Grundmotive bestimmt, die seiner Ansicht nach jeder Mensch in unterschiedlicher Ausprägung mitbringt – die also universellen Charakter aufweisen. Mit dem „Reiss Motivation Profile“ formte er daraus ein proprietäres Testverfahren, das aktuell große Beliebtheit bei Beratern und Coaches zu erfahren scheint. Dabei stellen Kritiker die Validität des Verfahrens offen infrage und bemängeln die Auswahl der Motive wäre gewissermaßen beliebig erfolgt (Pelz, 2017, S. 2-3). Dies sei hier nur beispielhaft erwähnt um zu verdeutlichen, dass es unzählige Ansätze dazu gibt, in welche Kategorien menschliche Motive einzuteilen seien. Weitgehende Einigkeit herrscht mittlerweile nur darüber, dass Motive zumindest in Form eines aktivierenden Triebs („drive“) über reinen Behaviorismus hinaus für die Erklärung menschlichen Verhaltens notwendig sind (J. Heckhausen & Heckhausen, 2018, S. 84).
2.1.1 Zwei Motivsysteme: Unbewusste und bewusste Motive
Die Motivationsforschung versucht weiter in biogene und soziogene Motive zu unterschei- den. Als biogene Motive (manchmal auch: Primäre Motive) werden dabei Bedürfnisse bezeichnet, die genetisch in uns angelegt sind bzw. aufgrund biologischer Funktionen wirksam werden. Soziogene Motive (manchmal auch: Sekundäre Motive) werden im Gegensatz dazu durch Sozialisierung erworben. Die Trennung ist allerdings nur bedingt möglich, da alle soziogenen Motive letztlich mit den biogenen in starker Wechselwir- kung stehen (Roth & Ryba, 2016, S. 160-161). Parallel bzw. stark überschneidend dazu existiert die Aufteilung in implizite und explizite Motive. Implizite Motive werden als eher genetisch determiniert angesehen bzw. sollen auf früh gelernten, affektiven Präferenzen beruhen, sie sind durch angeborene Auslöser anregbar. Dadurch, dass uns implizite Motive nicht bewusst zugänglich sind können sie nicht mit „self-report“- Methoden abgefragt werden. Sie sind deutlich enger an das emotionale als an das kognitive System angebunden und daher stärker mit spontanem Verhalten korreliert (David C. McClelland, Koestner & Weinberger, 1989). Explizite Motive basieren dagegen tendenziell auf sozialen Lernerfahrungen. Im Unterschied zu impliziten Motiven sind explizite Motive bewusste, sprachlich repräsentierte (oder zumindest repräsentierbare).
Selbstbilder, Werte und Ziele, die sich eine Person selbst zuschreibt (J. Heckhausen & Heckhausen, 2018, S. 5). McClelland geht davon aus, dass durch Motivanregungen jederzeit Wechselwirkungen zwischen impliziten und expliziten Motiven stattfinden. Im besten Fall arbeiten dabei implizite und explizite Motive zusammen, dies ist jedoch häufig nicht der Fall. Ergibt sich auf diese Weise ein Konflikt oder stehen Motive sogar im klaren Widerspruch kann das gravierende Auswirkungen auf die Handlungseffizienz, das subjektive Wohlbefinden und bei anhaltender Dissonanz sogar die psychische Gesundheit haben (J. Heckhausen & Heckhausen, 2018, S. 5). Nachdem bereits Freud (1940/1972) und Rogers (1961) Annahmen dazu machten, betont McClelland dazu: „whatever the reason for discordance between implicite and explicit motives, it can certainly lead to trouble“ (David C. McClelland et al., 1989, S. 700). Im Einklang damit bezeichnen Baumann et al. (2005) Motivinkongruenz als einen „hidden stressor“, also eine nicht zwangsläufig bewusste Quelle von Stress (Müsseler & Rieger, 2017, S. 232).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Motive beeinflussen welche Zielzustände wir anstreben, indem sie beeinflussen, welche Umweltreize zu Anreizen werden (H. Heckhausen, 1989, S. 131). Besteht eine Wechselwirkung zwischen Person und Si- tuation, so spricht man von Motivation, wobei in einer konkreten Situation meist eine Vielzahl von Motiven zusammenwirken bzw. zueinander in Konkurrenz stehen können (J. Heckhausen & Heckhausen, 2018, S. 2). Somit ist der Begriff des Motivs deutlich zu unterscheiden von dem Begriff der Motivation. In Relation zu einander gesetzt werden Motive, die ein Mensch in unterschiedlicher Ausprägung hat, durch ein ansprechendes Ziel gestärkt, sodass daraus eine Motivation bzw. situative Handlungsbereitschaft ent- steht. Motive haben also zum einen die Aufgabe, potenzielle Zielzustände zu bewerten, zum anderen die Aufmerksamkeit auszurichten (McClelland, 1985; Schneider & Schmalt, 2000). Motive sind das Ergebnis der evolutionären Anpassung des Menschen an seine Umwelt. Gleichzeitig formen wir Menschen unsere Umwelt nach unseren Bedürfnissen. So gäbe es ohne Anschlussmotiv wohl keine Gaststätten, ohne Machtmotiv keine Re- gierungen und ohne Leistungsmotiv würden wir möglicherweise auch heute noch in Höhlen leben (Müsseler & Rieger, 2017, S. 244).
2.2 Motivation
Wird der Begriff der Motivation im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet so sind in der Regel die Beweggründe einer Person, oder auch allgemeiner eines Lebewesens, ge- meint, die zu bestimmten Handlungen, Entscheidungen oder Verhaltensweisen anregen („Duden | Motivation | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft“, n. d.). Noch allgemeiner das „Warum“ des Verhaltens: Was bringt, treibt und bewegt (jemanden) dazu sich so und nicht anders zu verhalten (Sprenger, 2014, S. 20). Die allgemei- ne Definition führt vor Augen wie schmal die begriffliche Grenze zwischen Motiv und Motivation im täglichen Sprachgebrauch ist. Häufig spricht man auch von hoher oder niedriger Motivation, um die Bereitschaft einer Person zu quantifizieren, bestimmte Ziele zu erreichen. Eine Stellenausschreibung formuliert möglicherweise „Sie sollten eine hohe Eigenmotivation mitbringen“. Während also im Alltagsgebrauch häufig von einer Art Kapazität ausgegangen wird, von der jemand mal mehr oder weniger habe, ist im wissenschaftlichen Sinne ein abstraktes Konstrukt gemeint mit dem diejenigen Komponenten oder Teilaspekte herausgegriffen und behandelt werden, die mit der ausdauernden Zielausrichtung unseres Verhaltens zu tun haben (Heckhausen & Heck- hausen 2018; Thomae 1965a zitiert nach Rheinberg und Vollmeyer, 2018, S. 16). In anderen Worten: Motivation bezeichnet die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand bzw. auf das Vermeiden eines negativ bewerteten Zustandes (Rheinberg & Vollmeyer, 2018, S. 17). Somit impliziert Motivation im wissenschaftlichen Sprachgebrauch keine Bewertung, eine „hohe Motiva- tion“ ist in diesem Kontext weder gut noch schlecht. Vielmehr steht der psychologische Motivationsbegriff für einen „neutralen“ Drang zu Aktivität mit dem Zielgerichtetheit (Ausrichtung), Intensität und Ausdauer (Persistenz) von Verhalten erklärbar gemacht werden sollen (Brandstätter et al., 2018, S. 4). Von entscheidender Bedeutung ist dabei vor allem der Begriff der Zielgerichtetheit, denn Reflexe wie z. B. der Lidschlussre- flex sind kein Betrachtungsgegenstand der Motivationspsychologie (Brandstätter et al., 2018, S. 4). Wichtig ist es jedoch festzuhalten, dass nur weil eine Handlung motiviert ausgeführt wird also zielgerichtet, willentlich bzw. absichtlich stattfindet, sie deshalb noch nicht bewusst sein muss. Die Annahme, dass Ziele aktiviert werden können, ohne dass es der handelnden Person bewusst ist, veranlasste John Bargh (1990) dazu seine.
Automotiv-Theorie zu formulieren. Diese besagt, dass Stimuli, die gleichzeitig mit einem Ziel aufgetreten und so mit ihm assoziiert wurden, zielführendes Verhalten automatisch auslösen können. So kann das Betreten einer Bibliothek z. B. dazu führen, dass wir zu flüstern beginnen, ohne einen bewussten Entschluss dazu zu fassen (Brandstätter et al., 2018, S. 147).
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