Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft


Seminararbeit, 2019

35 Seiten, Note: 10,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A ZU DEN ZIELSETZUNGEN DIESER ARBEIT

B BERATUNGSVERTRÄGE MIT AUFSICHTSRATSMITGLIEDERN
I. Zulässigkeit
II. Gesetzgeberische Intention
III. Anwendungsbereich
1. Sachlicher Anwendungsbereich
a) Pflichtkollision - Interessenkonflikt
b) Außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit
c) Dienst- und Werkverträge höherer Art
2. Persönlicher Anwendungsbereich
a) Nahestehende Personen
b) Gesellschaften
c) Konzerne
3. Zeitlicher Anwendungsbereich
4. Form
IV. Zustimmung des Aufsichtsrats
1. Wirksamkeitsvoraussetzung
2. Ermessensentscheidung
3. Beschlussfassung
V. RECHTSFOLGEN EINES VERSTOßES
1. Nichtigkeit
2. Rückgewähransprüche
a) Rückgewähranspruch der Gesellschaft
b) Rückgewähranspruch des Aufsichtsratsmitglieds
3. Haftungstatbestände
4. Heilung bereits vollzogener Verträge
a) Rechtswidrigkeit der Zahlung
b) Pflichtwidrigkeit des Vorstandshandelns
5. Heilung durch nachträgliche Konkretisierung
VI. BERATUNGSRAHMENVERTRÄGE

C ALTERNATIVE ABWEHRMECHANISMEN
I. Offenlegungspflichten
II. Variable Vergütungsbestandteile
III. STÄRKUNG VON HAFTUNGSMECHANISMEN

D ARUG II
I. Say On Pay
II. Related Party Transactions

E TRENDS, AUSSICHTEN, KRITIK

F SCHLUSSFOLGERUNGEN

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A Zu den Zielsetzungen dieser Arbeit

Die praktische Relevanz von Beratungsverträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern gewann in der Literatur wie auch in der Rspr. zunehmend an Aufmerksamkeit. Grund dafür waren sachlich ungerechtfertigt erfolgte Entgeltzahlungen, die mangelnde Publizität welche das Thema unter Aktionären genoss, sowie die hohen Entgelte mit denen beratende Tätigkeiten vergütet worden sind.

Einer Vergütungsstudie von PwC zufolge lief die durchschnittliche Aufsichtsratsvergütung im Jahr 2018 unter den DAX 30 auf 139.000 EUR hinaus.1 Gehaltsergänzend kommen noch Honorare aus Beratungsverträgen in Betracht, deren Höhe jedoch mangels Publizität nicht immer bekannt ist.2 Gegenstand der jüngeren BGH-Entscheidungen waren jedoch Beratungsentgelte i.H.v. 125.000 EUR.3 Im Kern geht es dabei um den bei related party transactions häufig auftretenden Principal-Agent Konflikt, wonach Beratungsverträge zwischen Organmitgliedern zu Lasten des Gesellschaftsinteresses geschlossen werden und sich nachteilig auf den Aufsichtsrat als Kontrollgremium auswirken können.

Diesem Trend versucht die zweite Aktionärsrechterichtlinie (ARRL II)4 sowie deren Umsetzung ins deutsche Recht in Gestalt des ARUG II für börsennotierte Aktiengesellschaften entgegenzuwirken, während für nicht-börsennotierte Gesellschaften derzeit kein vergleichbarer Rahmen vorgesehen ist.

Die Herangehensweise der Rspr. knüpft vielmehr an den Anwendungsbereich der einschlägigen Regelungen an, und versucht diese kontinuierlich auszuweiten, um damit Umgehungsalternativen den Boden zu nehmen. Diese Sichtweise fand zuletzt auch im Rahmen des Fresenius Urteils des BGH erneut Bestätigung.5

Teile der Literatur hingegen erachten die Judikatur der Rspr. als zu extensiv und bemängeln, dass sie zu einer nicht hinnehmbaren Beschränkung des Handlungsspielraums von Unternehmen führt, sowie dass auf die Spezifika der Vertragspraxis nicht genügend Rücksicht genommen wird, womit die Rspr. insgesamt ein kontraproduktives Resultat erhält.6

Die Arbeit geht der Frage nach, ob die von Teilen der Literatur vorgebrachten Punkte stichhaltig sind, oder ob die von der Rspr. entwickelten Grundsätze weiterhin Gültigkeit behalten sollen, was für Alternativen zur Erreichung von Transparenz in Betracht kämen, sowie ob im Lichte der neuen europäischen Vorgaben für nicht-börsennotierte Gesellschaften eine andere Bewertung angezeigt ist.

B Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern

I. Zulässigkeit

§ 113 AktG schafft die Möglichkeit, einem Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit im Aufsichtsrat eine Vergütung zu gewähren. § 114 AktG erweitert diesen Handlungsspielraum, indem er für Aufsichtsratsmitglieder die Möglichkeit einräumt, Dienst- und Werkverträge über Tätigkeiten höherer Art außerhalb ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat abzuschließen, sofern diesen der Aufsichtsrat nach § 114 I AktG zugestimmt hat. Aus der Formulierung im Ausschussbericht zum AktG wird deutlich, dass der Gesetzgeber unter Dienst- und Werkverträge in erster Linie Beratungsverträge fassen wollte.7

II. Gesetzgeberische Intention

Ziel der §§ 113, 114 AktG ist es zum einen, eine Informationsasymmetrie zwischen den Organen einer AG zu vermeiden, indem die für die angestrebte Tätigkeit gewährte Vergütung als potentiell verdeckte Sonderzuwendung dem Aufsichtsrat gegenüber offenzulegen ist, damit dieser über den Umstand einer möglichen unsachgerechten Beeinflussung bei der Beschlussfassung im Gremium Kenntnis hat und dies bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen kann8

Zum anderen soll die Vorschrift als eine Art Funktionsschutz in Einklang mit § 113 AktG die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats als Kontrollgremium des Vorstands sicherstellen, indem § 114 I AktG das Zustimmungserfordernis nicht dem Vorstand, sondern dem Aufsichtsrat anvertraut, um vor einer personellen und finanziellen Verflechtung zwischen Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern zu schützen.9 Hierin liegt auch die Sicherung einer der Überlegungen des § 113 AktG, die versucht, einer unsachlichen Beeinflussung der Aufsichtsratsmitglieder durch den Vorstand entgegenzuwirken, insbesondere dadurch, dass die Aktionäre, durch die Hauptversammlung oder die Satzung über die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern zu entscheiden haben.10 Aus diesem Grund empfiehlt es sich §§ 113, 114 AktG zusammen zu lesen, denn beide Vorschriften haben als Zielsetzung die Unbefangenheit des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan des Vorstands zu garantieren.11

III. Anwendungsbereich

1. Sachlicher Anwendungsbereich

Nach § 114 I AktG kann zwischen einem Aufsichtsratsmitglied und einer Gesellschaft ein Werk-, oder Dienstvertrag mit Zustimmung des Aufsichtsrats geschlossen werden, wenn der Vertrag kein Arbeitsverhältnis begründet, zum Gegenstand eine Tätigkeit höherer Art hat und die Tätigkeit nicht mit dem aus der Organstellung resultierendem Pflichtenkreis des Aufsichtsratsmitglieds kollidiert.

a) Pflichtkollision - Interessenkonflikt

Grundsätzlich hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung gem. § 111 I AktG zu überwachen, für welche Tätigkeit den Aufsichtsratsmitgliedern eine Vergütung nach § 113 AktG gewährt werden kann. Diese Pflicht zur Überwachung wird allerdings von Literatur und Rspr. weit ausgelegt, sodass nach tradierter Auffassung sich die Überwachungstätigkeit nicht nur auf abgeschlossene Sachverhalte, sondern auch auf zukünftige Fragen der Geschäftspolitik erstreckt, und sich somit nicht nur „auf eine Rechtmäßigkeitsprüfung beschränkt, sondern [...] die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung“ hinterfragt.12 Ein solches Ergebnis kann jedoch nur durch regelmäßige Konsultation des Vorstandes erzielt werden, aus welchem Grund die Beratungsfunktion, als eine Art „Präventive Kontrolle“ als Teil der zukünftigen Überwachungstätigkeit, und somit als eine nach § 111 I AktG Amts wegen geschuldeter Pflicht anzusehen ist.13

Schwierigkeiten ergeben sich jedoch bei der Abgrenzung von §§ 113, 114 AktG, insb. wo die nach § 111 I AktG geschuldete Überwachungspflicht endet, und wo bereits die vertraglich vereinbarte Beratertätigkeit anfängt. [14] Denn wenn die Beratung bereits zu dem organschaftlich geschuldeten Pflichtenkreis des Aufsichtsratsmitglieds gehört, ist der Raum für anderweitige Beraterverträge erheblich eingeschränkt. Als Abgrenzungskriterium kommt es somit darauf an, wie weit man den Kreis des kraft Organstellung geschuldeten Aufgabenbereiches zieht.15

b) Außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit

Nach § 114 I AktG muss die Beratung außerhalb der Tätigkeit im Aufsichtsrat erfolgen. Vorschläge, anhand welcher Kriterien man unterscheiden soll, waren vielfältig. Früher hat man nebst anderen Kriterien versucht, anhand des Umfangs und der Intensität der Aufgabe abzugrenzen.16

In der Literatur und Rspr. setzte sich aber (insb. nach BGHZ 114, 127) die Ansicht von Mertens durch, wonach man auf den Vertragsgegenstand abzustellen hat.17 Dem Vorschlag von Lehmann (s. Fn. 16), wonach man auf den Umfang der Beratungstätigkeit als Abgrenzungskriterium abzustellen hätte, erteilte Mertens, wie andere Vertreter der Literatur, eine klare Absage, indem er ausführte, dass der Umfang kein taugliches Abgrenzungskriterium sei, da in Krisensituationen die AG gleichwohl einen über den normalen Rahmen hinausgehenden Einsatz erfordern kann.18 Mertens führte aus, dass es nicht auf den bereichsspezifischen Sektor als Abgrenzungsmerkmal ankommen kann, da dieser zu weit gehe, und eine weitergehende Differenzierung zwischen organschaftlich und vertraglich geschuldeten Leistungen notwendig wäre. Mertens plädierte daher für eine Konkretisierung anhand des Vertragsgegenstandes. Objektiv sei dafür eine Bestimmung des Beratungsschwerpunkts erforderlich, wonach dann im Anschluss zu differenzieren sei, ob der jeweilige Vertragsgegenstand zu dem noch aufgrund der Aufsichtsratstätigkeit geschuldeten Aufgabenbereich gehöre, oder ob er seinem Inhalt nach davon bereits losgelöst zu betrachten ist. Verträge jedoch, die über kein spezifisches Leistungsprogramm verfügen, wären jedoch nicht zustimmungsfähig und eine aufgrund einer solchen Absprache gewährte Vergütung wäre als verdeckte Sonderzuwendung anzusehen und gem. § 113 AktG i.V.m. § 134 BGB folglich nichtig.19

Der BGH folgte dieser Ansicht und verlangte, dass es beim Gegenstand des Vertrages „um eine nicht in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallende Tätigkeit handeln muss, die gegeben ist, wenn die zu leistenden Dienste Fragen eines besonderen Fachgebietes betreffen“.20 Zudem wurde im Hinblick auf den Normzweck des § 114 AktG zusätzlich gefordert, dass der Gegenstand und Umfang der Beratung in seinen Einzelheiten bestimmbar , sowie dass das für die Beratung zu entrichtende Entgelt konkret, der Höhe nach beziffert sein soll, damit der Aufsichtsrat im Stande ist, sich ein genaues Bild über die Tragweite der Beratungstätigkeit, Angemessenheit der Bezahlung sowie über die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds zu verschaffen.21 Sonstige Verträge, die einen zusätzlichen Vergütungsanspruch für Sonderleistungen i.S.d. § 111 AktG umfassten Aufgabenkreis gewähren, sind nach der Rspr. des BGH wegen Umgehung des § 113 AktG nach § 134 BGB nichtig.22

Einen Anhaltspunkt für die Einordnung der von § 114 AktG zugelassenen Vertragsgegenständen bietet die Kompetenzverteilung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand nach § 90 I AktG. Demnach bemisst sich die organschaftliche Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats nur auf strategische Angelegenheiten der Gesellschaft, jedoch nicht auf Fragen des operativen Geschäfts.23 Wobei das allerdings nicht ausnahmslos gilt, denn soweit Themen auftauchen, die strategische Fragen betreffen und den organschaftlich geschuldeten Pflichtenkreis übertreffen, kommt sehr wohl eine zulässige Beratungsleistung in Betracht.24

c) Dienst- und Werkverträge höherer Art

Im Ausschussbericht zur Gesetzesbegründung des Aktiengesetzes 1965 wird hinsichtlich des Begriffes: „Tätigkeit höherer Art“, auf § 622 BGB verwiesen.25 Der Verweis lässt damit die Folgerung zu, dass unter Tätigkeiten höherer Art die tradierte Definition des § 627 I BGB heranzuziehen ist, wonach darunter jede Tätigkeit zu verstehen ist, [...] „deren Erbringung ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnissen, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung, eine hohe geistige Phantasie oder Flexibilität voraussetzt und infolgedessen dem Dienstpflichtigen eine herausgehobene Stellung verleihen.“26 Wobei diese Voraussetzung allerdings nicht allzu hoch einzustufen ist. Die Protokolle der Vorkommission des Reichsjustizamtes zum Entwurf des BGB zählen beispielhaft Berufe wie der des Lehrers, des Arztes oder der des Rechtsanwalts auf, die das Kriterium einer Tätigkeit höherer Art bereits erfüllen.27 Woraus sich der Schluss herleiten lässt, dass der Gesetzgeber anhand objektiv typisierter Kriterien, wie akademische Ausbildung, qualifiziertes Berufsbild, besondere Vertrauensstellung, sowie der Höhe der Vergütung nach, Tätigkeiten höherer Art bestimmen wollte.28 Für die Praxis ergeben sich daraus keine großen Probleme. Der Inhalt solcher Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern basiert, gemessen an den vom Gesetzgeber und von Literatur und Rspr. entwickelten Anforderungen in der Regel auf komplexen wirtschaftlichen, rechtlichen, technischen Zusammenhängen, so dass wohl stets Leistungen höherer Art anzunehmen sind.29

Jedenfalls von der Vorschrift umfasst sind, wie das auch aus dem ursprünglichen Ausschussbericht zum 1965 erschienenen Aktiengesetz hervortritt, Beratungsverträge.30 Wobei in diesem Zusammenhang in erster Linie an Tätigkeiten eines Rechtsanwalts, Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Wirtschaftsberaters und eines Architekten zu denken ist.31

Nicht vom Zustimmungserfordernis des § 114 I AktG umfasst sind Dienstverträge, die ein Arbeitsverhältnis begründen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Arbeitsverträge mit Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat nicht dem Zustimmungserfordernis des § 114 I AktG unterliegen.32 Genauso wenig fallen Austauschverhältnisse, wie Kauf-, Miet-, Schenkungs- und Leihverträge unter den Anwendungsbereich der Norm. Ausgenommen sind bloß Kreditverträge, für die § 115 I 2 AktG ein besonderes Zustimmungserfordernis vorsieht.33

2. Persönlicher Anwendungsbereich

Vom Wortlaut des § 114 AktG ausdrücklich erfasst sind Aufsichtsratsmitglieder.

a) Nahestehende Personen

Aus einer extensiven Auslegung des Normzwecks, nämlich der Gewährleistung der unabhängigen Stellung des Aufsichtsrats, durch Schutz vor Umgehung der Vergütungsregelungen des § 113 AktG, (s.o. B/II) resultiert allerdings eine Erweiterung des Schutzbereichs, in einer analogen Anwendung der §§ 89, 115 AktG, auf Aufsichtsratsmitgliedern nahestehende Personen.34 In den Kreis von nahestehenden Personen, fallen auf jeden Fall Verwandte und der Ehepartner.35

b) Gesellschaften

Im Laufe seiner Judikatur hatte der BGH mehrfach die Gelegenheit genutzt, den Schutzbereich auch auf Gesellschaften zu erstreckten, bei denen das Aufsichtsratsmitglied oder eine ihm nahestehende Person eine führende Position bekleidet, oder Gesellschafter des jeweiligen Unternehmens ist, so erstmalig auf den Fall, dass das Aufsichtsratsmitglied alleiniger Gesellschafter sowie Geschäftsführer des beratenden Unternehmens ist.36 Im weiteren Verlauf seiner Rspr. erweiterte der BGH den Schutzbereich des § 114 AktG auf Beratungsgesellschaften, bei denen das Aufsichtsratsmitglied nicht beherrschend beteiligt war, vorausgesetzt, dass die für die Tätigkeit vereinbarte Vergütung wertmäßig nicht geringfügig, oder im Vergleich zu der Aufsichtsratsvergütung als nicht vernachlässigbar erscheint.37 Wenig später erfasste der BGH auch schon „ Beteiligungen“, an Beratungsgesellschaften, sofern das Entgelt für die Tätigkeit „ nicht nur ganz geringfügige Zuwendungen“ darstellte.38 Zuletzt hatte der BGH im Rahmen der Fresenius-Entscheidung die Möglichkeit sich mit dem Thema zu befassen und bot größenmäßige Anhaltspunkte, indem er ein Honorar i.H.v. 10.000 EUR pro Jahr weder als „absolut“ noch im Vergleich zu einer jährlichen Aufsichtsratsvergütung i.H.v. 149.000 EUR (bei einer Festvergütung i.H.v. 20.000 EUR) als vernachlässigbar einstufte.“39 Jedenfalls sollte aber bereits eine „nicht nur marginale“ Beteiligung an der Beratungsgesellschaft ausreichen, um den Anwendungsbereich des § 114 AktG zu eröffnen.40 Eine feste Beteiligungsquote an der Gesellschaft wäre zwar zur Klarstellung wünschenswert, allerdings lieferte die Fresenius Entscheidung mit den 10.000 EUR Beratungshonorar bereits einen Anhaltspunkt, was bereits als kritische Zuwendung anzusehen ist, die die Abhängigkeit des jeweiligen Aufsichtsratsmitgliedes indizieren könnte.41

c) Konzerne

Fraglich ist, ob die selben Argumente sich auch auf konzerngebundene Sachverhalte übertragen lassen. Streitig ist dieser Punkt insbesondere deswegen, weil die Fresenius-Entscheidung die Frage einer analogen Anwendung ausdrücklich offengelassen hat.42

Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass die Beratung des Vorstands in der Konzernobergesellschaft zu den organschaftlichen Pflichten des Aufsichtsrats nach § 111 I AktG gehört.43 Dies erklärt sich dadurch, dass die weiter oben beschriebene Pflicht zur Überwachung und die daraus resultierende Pflicht zur Beratung, bei Konzernobergesellschaften sich auch auf die Beratung der Geschäftsführung in konzernrechtlich gelagerten Konstellationen erstreckt.44 Indem der Vorstand der Obergesellschaft nämlich für die Leitung der laufenden Geschäfte des Konzerns verantwortlich ist, erweitert sich der Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrates kraft seiner Stellung als Kontrollorgan parallel zu dem des Vorstands.45

Ein großer Teil des Schrifttums lehnt die Notwendigkeit einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 114 AktG mit einer Anlehnung an § 115 AktG mit der Begründung ab, dass der Gesetzgeber keine den §§ 89 III, IV, 115 II, III AktG vergleichbaren Zustimmungserfordernisse bei Konzernsachverhalten für Beratungstätigkeiten von Aufsichtsratsmitgliedern vorgesehen hat, was den Rückschluss ermöglichen soll, dass der Gesetzgeber nur Fälle erfassen wollte, wo eine Kollusion zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft in Erscheinung tritt.46

Dieser Ansicht wird aber zutreffend erwidert, dass sie den Schutzzweck des § 114 AktG, nämlich die Unabhängigkeit des Aufsichtsrates vor sachlich ungerechtfertigten Sonderleistungen zu schützten, verfehlt, da kein Grund ersichtlich ist wieso die §§ 89 III, IV, 115 II, III AktG eine andere Wertung verdienen, als § 114 AktG. Bei konzernrechtlich verbundenen Unternehmen ist das Interesse an transparenten Entscheidungsmechanismen umso wichtiger, als die Obergesellschaft ihre Interessen noch stärker durchsetzen kann, weshalb es eines klaren Überwachungsorgans bedarf.47 Ferner ist das Fehlen einer solchen Vorschrift darauf zurückführen, dass sie erst im Nachhinein, auf Vorschlag der Ausschüsse aufgenommen wurde und auf eine Abstimmung mit §§ 89, 115 AktG nur mit Rücksicht auf den Stand des Gesetzgebungsverfahrens verzichtet wurde.48

Überzeugend erscheint auch, dass man nach dem Grad der potentiellen Einflussnahme differenziert, wobei der Abhängigkeit des Tochterunternehmens eine Indizwirkung zukommt. Eine solche Abhängigkeit wird bei Verträgen mit abhängigen Unternehmen, §§ 16, 17 AktG oder bei Gesellschaften im Konzern, § 18 AktG vermutet. Erklären lässt sich das mit der Kompetenz des Vorstands der Obergesellschaft, Einfluss auf den Abschluss des Beratungsvertrags mit dem beherrschten Unternehmen zu nehmen.49 Allerdings wäre diese Vermutung für Verträge mit herrschenden Unternehmen nicht begründet.50 Insbesondere zu denken ist an sonstige verbundene Unternehmen, gem. § 15 AktG oder auch an nach § 19 AktG wechselseitig beteiligte, oder durch Unternehmensvertrag verbundene Unternehmen, §§ 291, 292 Akt,51 soweit der Vorstand keine Möglichkeit besitzt, Druck auf das letztere auszuüben, aus welchem Grund es in solchen Fällen, einer Anwendung des § 114 AktG nicht bedarf.52

[...]


1 PwC, Vergütungsstudie 2018, S. 21.

2 Großkomm-AktG/ Hopt/Roth 5, § 114 Rn, 16.

3 BGHZ 126, 340; 168, 188; 170, 60.

4 RL (EU) 2017/828.

5 BGHZ 194, 14.

6 Drygala, ZIP 2011, 425 (429); Habersack, NJW 2012, 1231 (1234); Bicker, DStR 2011, 2155 (2157); KK-AktG/ Mertens/Cahn, § 114 Rn. 30, Lutter/Drygala, FS Ulmer, 2003, 381 (396).

7 Kropff , AktG 1965, S. 158.

8 MüKoAktG/ Habersack, § 114 Rn. 2

9 GroßkommAktG/ Hopt/Roth5, § 114 Rn 7.

10 KK-AktG/ Mertens/Cahn, § 113 Rn. 3.

11 Schmidt/Lutter/ Drygala, AktG § 113 Rn. 3.

12 BGHZ 114, 127, 130; MüKoAktG/ Habersack, § 111 Rn. 12.

13 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, S. 40; Hoffmann/Preu, Der AR, Rn. 247.1.

14 Schmidt/Lutter/ Drygala, AktG § 114 Rn. 9.

15 KK-AktG/Mertens/Cahn, § 114 Rn. 6.

16 Lehmann, DB 1966, 1757; GroßkommAktG/ Hopt/Roth 4, § 114 Rn. 16.

17 MüKoAktG/ Habersack, § 114 Rn. 24; GroßkommAktG/ Hopt/Roth 5, § 114 Rn. 34.

18 Mertens, FS Steindorff, 1990, 173 (178); Fischer, BB 1967, 859; Bernhardt, BB 1967, 863.

19 Mertens, FS Steindorff, 1990, 173 (181); KK-AktG/ Mertens/Cahn, § 114 Rn. 7.

20 BGHZ 114, 127, 129.

21 BGHZ 126, 340, 345.

22 BGHZ 168, 188.

23 GroßkommAktG/ Hopt/Roth 5, § 114 Rn. 31; MüKoAktG/ Habersack, § 114 Rn. 24; OLG Frankfurt AG 2005, 925, 926; Müller, NZG 2002, 797 (798).

24 KK-AktG/ Mertens/Cahn, § 114 Rn. 7; Weiss, BB 2007, 1853 (1854).

25 Kropff , AktG 1965, S. 158.

26 MüKoBGB/ Henssler, § 627 Rn. 21.

27 ErmanBGB/ Belling, § 627 Rn. 5.

28 StaudingerBGB/ Preis, § 627 Rn. 18.

29 Beater, ZHR 1993, 420 (427).

30 Kropff , AktG 1965, S. 158.

31 Lutter , FS Westermann, 2008, 1171 (1174).

32 GroßkommAktG/ Hopt/Roth 5 , § 114 Rn 21.

33 MüKoAktG/ Habersack, § 114 Rn. 20.

34 MüKoAktG/ Habersack, § 114 Rn. 12.

35 Fuhrmann, NZG 2017, 291 (296).

36 BGHZ 168, 188, 193.

37 BGHZ 170, 60, 64.

38 BGH NJW-RR 2007, 1483, 1485.

39 BGHZ 194, 14, 19.

40 OLG Frankfurt WM 2006, 327, 328.

41 Semmler/v. Schenck/ v. Schenck, Der AR, § 114 AktG Rn. 43-45.

42 BGHZ 194, 14, 19.

43 BGHZ 179, 71, 82; Hüffer/Koch/ Koch, AktG § 111 Rn 18.

44 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, Rn. 871.

45 Lutter/Kremer , ZGR 1992, 87 (103).

46 KK-AktG/ Mertens/Cahn, § 114 Rn. 11; MHdB AG/Hoffmann-Becking, § 33 Rn. 52; Schlaus, AG 1968, 376 (377); Marsch-Barner/Schäfer/ Vetter, Börsennotierte AG-HdB, § 30 Rn. 9.

47 MüKoAktG/ Habersack, § 114 Rn. 17; Semler/v. Schenck/ v. Schenck, Der AR, § 114 Rn. 51; GroßkommAktG/ Hopt/Roth 5, § 114 Rn. 52.

48 Oppenhoff , FS Barz, 1974, 283, 286; MüKoAktG/ Habersack, § 114 Rn. 12, 17.

49 GroßkommAktG/ Hopt/Roth 5, § 114 Rn. 61.

50 OLG Hamburg, AG 2007, 404, 408.

51 Semler/v. Schenck/ Rodewig, AR-HdB, § 8 Rn. 149-150.

52 Deckert , WiB 1997, 561 (565).

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Schwerpunktseminar im Kapitalgesellschafts-, und Kapitalmarktrecht
Note
10,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
35
Katalognummer
V1138915
ISBN (eBook)
9783346515414
ISBN (Buch)
9783346515421
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beratungsvertrag, Aufsichtsratsmitglied, Aktiengesellschaft
Arbeit zitieren
Andor Cseszlai (Autor:in), 2019, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1138915

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