„[D]as Jaulen der Sirene, das Explodieren der Bomben, die rauschenden und prasselnden und pfeifenden Feuersbrünste, die dumpf trampelnden Kolonnen auf den Straßen und die singenden Soldaten, die Chöre der HJ und der BDM-Mädels, und über allem die heiser gebrüllten Reden der braunen Führungsschicht in Stadien und Festsälen. Im Radio und in der Wochenschau.“ (1)
So beschreibt Claudia Schmölders in ihrem Essay Die Stimme des Bösen eindrucksvoll die akustische Welt des Dritten Reichs. Marcel Beyer taucht in seinem Roman Flughunde in diese Welt ab. Durch den Protagonisten Hermann Karnau erfährt der Leser die Jahre des Zweiten Weltkriegs zuvorderst über ihre Klänge und Laute. Karnau, Akustiker im Dienst der Nazis, ist nicht nur selbst fanatischer Klangforscher, der es sich zum Ziel gesetzt hat eine Karte aller menschlichen Laute zu entwerfen, sondern reagiert auch äußerst sensibel auf die hörbaren Eindrücke seiner Umwelt. Aus seiner Perspektive entwirft Beyer ein akustisches Panorama der Kriegsjahre 1939 bis 1945.
In der folgenden Analyse will ich dieses Panorama näher beleuchten. In einem ersten Schritt geht es um die Grundlage der akustischen Herrschaft der Nationalsozialisten, Karnaus Handwerkszeug: die Technik – von gigantischen Beschallungsanlagen für Stadien bis zum Magnettonband, um den feindlichen Funkverkehr an der Front abzufangen. Es soll verdeutlicht werden, dass es den Nazis möglich war, eine omnipräsente „Schall- und Klangwelt“ aufzubauen, der niemand entkommen konnte. Im anschließenden Kapitel folge ich Karnau an die Front und gehe näher auf die dort herrschenden auditiven Zustände ein. Die Geräuschkulisse, die sich aus menschlichen Lauten und den künstlichen Geräuschen der Kriegsmaschinen zusammensetzte, bildete eine akustische Ausnahmesituation, wie sie nur an der Front vorzufinden war. Abschließend stehen Karnaus Experimente an den Stimmorganen von Gefangenen und die Auswirkungen, die das Dritte Reich auf die Stimmen der Menschen hatte. Es soll deutlich werden, wie sehr diese Zeit die Sprechweise der Menschen bestimmt hat. So sehr, dass ihre Stimmen Karnaus Überzeugung nach als Zeugnis des Geschehenen herhalten können im Sinne einer unauslöschlichen Erinnerung an das Dritte Reich.
1 Schmölders: Die Stimme des Bösen. S. 681.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hintergund
- Zur Person des Autors
- Inhaltsangabe
- Die Akustik des Dritten Reichs in Flughunde
- Einleitung – Die Verbindung von Akustik und Gewalt
- Technik als Basis der akustischen Allmacht
- Der Krieg als akustische Ausnahmesituation
- Karnaus Akustikexperimente und die Unveränderbarkeit der Stimme
- Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit analysiert die akustische Welt des Dritten Reichs, wie sie im Roman „Flughunde“ von Marcel Beyer dargestellt wird. Der Fokus liegt auf der Darstellung der akustischen Herrschaft der Nationalsozialisten, der auditiven Zustände an der Front und den Auswirkungen des Krieges auf die Stimmen der Menschen.
- Die Rolle der Technik in der akustischen Herrschaft der Nazis
- Die akustische Ausnahmesituation an der Front
- Die Auswirkungen des Krieges auf die Stimmen der Menschen
- Die Verbindung von Akustik und Gewalt im Dritten Reich
- Die Bedeutung der Stimme als Indikator für gesellschaftliche und politische Zustände
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die akustische Welt des Dritten Reichs vor, wie sie in Claudia Schmölders Essay „Die Stimme des Bösen“ beschrieben wird. Der Roman „Flughunde“ von Marcel Beyer taucht in diese Welt ein und zeigt die Kriegsjahre 1939 bis 1945 aus der Perspektive des Akustikers Hermann Karnau.
Das Kapitel „Technik als Basis der akustischen Allmacht“ beleuchtet die technischen Mittel, die den Nazis eine omnipräsente „Schall- und Klangwelt“ ermöglichten. Von gigantischen Beschallungsanlagen für Stadien bis zum Magnettonband, um den feindlichen Funkverkehr an der Front abzufangen, konnten die Nazis die Akustik kontrollieren und manipulieren.
Das Kapitel „Der Krieg als akustische Ausnahmesituation“ folgt Karnau an die Front und beschreibt die dort herrschenden auditiven Zustände. Die Geräuschkulisse, die sich aus menschlichen Lauten und den künstlichen Geräuschen der Kriegsmaschinen zusammensetzte, bildete eine einzigartige akustische Erfahrung, die nur an der Front vorzufinden war.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die akustische Welt des Dritten Reichs, die Rolle der Technik in der akustischen Herrschaft der Nazis, die auditiven Zustände an der Front, die Auswirkungen des Krieges auf die Stimmen der Menschen, die Verbindung von Akustik und Gewalt, die Stimme als Indikator für gesellschaftliche und politische Zustände, Marcel Beyer, Flughunde, Hermann Karnau, Claudia Schmölders, Die Stimme des Bösen.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Schürmann (Autor:in), 2008, Die akustische Welt des Dritten Reichs in Marcel Beyers "Flughunde", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113918