Theodor Storms „Immensee“ (1850) und Gottfried Kellers „Kleider machen Leute“ (1872) entstanden beide in einer Zeit, die literaturhistorisch dem Realismus zugeordnet wird. Umso auffälliger ist es daher, dass sich in beiden Novellen durchaus romantische Züge, ja märchenhafte Motive finden lassen – in einer Zeit, als Balzac und Dostojewski längst ihre radikal realistischen, dem Naturalismus angenäherten Gesellschaftsromane geschrieben hatten. Handelt es sich bei den Novellen Storms und Kellers also um eine sentimentale Flucht vor der Realität? Sind diese beiden Novellen, die zum Kanon jeder Schullektüre gehören, klischeebeladene Romanzen nach Art der Trivialliteratur?
Insbesondere Storms „Immensee“ wird bis heute gerne in die Ecke spätbiedermeierlichen Kitsches gestellt; Kellers „Kleider machen Leute“ wurde wiederholt der Vorwurf gemacht, realitätsfernes Idyll mit utopischem Happy End zu sein. Es lohnt sich jedoch, genauer hinzusehen, denn die realistische, zeitkritische Komponente der Novellen erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Und dies nicht trotz der märchenhaften Elemente, sondern interessanterweise durch diese. Folgende Untersuchung soll zeigen, dass gerade die Verwendung idyllischer, romantisierender Momente – und ihre bewusste Demontage und Ironisierung – dazu dient, Zeitkritik im Sinne des Realismus transparent zu machen. Dabei sollen Storms „Immensee“ und Kellers „Kleider machen Leute“ miteinander verglichen und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede der beiden gut 20 Jahre auseinander liegenden Novellen aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Romantisches Idyll und realistische Desillusion
- Märchen, Mythos und Ironisierung
- Künstler- und Außenseitermotiv
- Die Darstellung des Erwerbsbürgers
- Ironie und kritische Distanz
- Schein und Sein – Repräsentationsbedürfnis und gesellschaftliche Rollenspiele
- Poesie und romantische Gefühlswelt vs. Ökonomie und Rationalität
- Trivialromantik als Kompensation der prosaischen Wirklichkeit
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Theodor Storms „Immensee“ (1850) und Gottfried Kellers „Kleider machen Leute“ (1872), um die Interaktion von romantischen und realistischen Elementen in diesen Novellen zu untersuchen. Sie beleuchtet die Verwendung von märchenhaften Motiven und die gleichzeitige kritische Distanz zu idealisierten Bildern der Wirklichkeit.
- Die Verbindung von romantischen und realistischen Elementen in den Novellen
- Die Rolle des Märchens und der Mythologisierung
- Die Darstellung des Künstler- und Außenseitermotivs
- Die Analyse der Figur des Erwerbsbürgers und seine Rolle im gesellschaftlichen Kontext
- Die kritische Auseinandersetzung mit romantischen Idealbildern und die Darstellung der prosaischen Wirklichkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die beiden Novellen „Immensee“ und „Kleider machen Leute“ im Kontext des Realismus vor und beleuchtet die überraschenden romantischen Elemente, die in beiden Werken vorhanden sind. Sie thematisiert die Kritik an romantischen Klischees und die Notwendigkeit einer genaueren Analyse, um die zeitkritische Komponente der Novellen zu verstehen.
Hauptteil
2.1) Romantisches Idyll und realistische Desillusion
Dieser Abschnitt analysiert die scheinbare Idylle und die stimmungsvollen Naturbilder in Storms „Immensee“ und stellt Parallelen zur romantischen Literatur her. Die Beschreibungen der Protagonistin Elisabeth erinnern an die romantische Figur der ätherischen, unerreichbaren Frau. Gleichzeitig werden die Grenzen des Idylls aufgezeigt und die realistische Seite der Novelle hervorgehoben.
2.2) Märchen, Mythos und Ironisierung
Dieser Abschnitt befasst sich mit der Verwendung von märchenhaften Elementen und der Mythologisierung der Wirklichkeit in den beiden Novellen.
2.3) Künstler- und Außenseitermotiv
Dieser Abschnitt analysiert das Motiv des Künstlers und Außenseiters in „Immensee“ und „Kleider machen Leute“ und untersucht, wie die Protagonisten mit gesellschaftlichen Konventionen umgehen.
2.4) Die Darstellung des Erwerbsbürgers
Dieser Abschnitt untersucht die Darstellung des Erwerbsbürgers in den Novellen, seine Rolle in der Gesellschaft und die Ironisierung seiner Werte und Verhaltensweisen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Realismus, Romantik, Idyll, Desillusionierung, Märchen, Mythos, Ironisierung, Künstler, Außenseiter, Erwerbsbürger, gesellschaftliche Rollenspiele, Ökonomie, Rationalität, Trivialromantik, Poesie, Prosa.
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- Nathalie Klepper (Author), 2005, Poesie des Herzens und Prosa der Verhältnisse , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113957