Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Schulsozialarbeit
2.1 Definition und Begriffsklärung
2.2 Rechtsgrundlage
2.3.Aufgabenfelder
3. Kooperationsmodelle
3.1 Distanzmodell
3.2 Integrations-/Subordinationsmodell
3.3 Kooperative Modelle
3.4 Delegatives Kooperationsmodell
4. Kooperationsbarrieren und Möglichkeiten, diese zu beseitigen
5. Resümee
6. Literaturverzeichnis
Schulsozialarbeit: Wie kann Kooperation mit Lehrkräften gelingen?
1.Einleitung
Das Handlungsfeld der Schulsozialarbeit hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Während im Jahr 1998 gerade einmal insgesamt 755 Personen in der gesamten Bundesrepublik Deutschland in diesem Bereich tätig waren, erhöhte sich dies innerhalb von 12 Jahren um knapp das Vierfache auf 3025 Schulsozialarbeiter*innen im Jahr 2010 (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2013, S. 330). Hinzu kommt, dass verschiedene Bundesländer Förderprogramme ins Leben gerufen haben, um die Schulsozialarbeit spezifisch zu fördern. So stellt das Bundesland Baden-Württemberg beispielsweise seit 2012 jährlich 15 Millionen Euro, seit 2014 sogar 25 Millionen Euro, zur Mitfinanzierung von Schulsozialarbeit im Rahmen des „Paktes für Familien mit Kinder“ zur Verfügung (vgl. Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, Dezernat Jugend - Landesjugendamt 2018, S.3). Dies hat zur Folge, dass in den letzten Jahren eine Vielzahl an Stellen im Bereich der Schulsozialarbeit geschaffen wurde beziehungsweise auch in den kommenden Jahren geschaffen werden und somit immer mehr Fachkräfte der Sozialen Arbeit Anstellungen in der Schulsozialarbeit annehmen. Die Sozialarbeiter*innen, die diese Stellen antreten werden beziehungsweise schon angetreten haben, kommen in ihrem Berufsalltag zwangsläufig mit Lehrkräften in Berührung und müssen höchstwahrscheinlich auch mit ihnen gemeinsame Projekte durchführen und somit mit ihnen kooperieren. Seithe konstatierte bereits 1998 in ihrem Abschlussbericht „Jugendarbeit an Thüringer Schulen“, dass der Erfolgsgrad eines Projektes der Schulsozialarbeit, ausgenommen der Einzelfallhilfe für sozial benachteiligte und/oder psychisch belastete Kinder und Jugendliche, maßgeblich von dem verwirklichten Ausmaß und der Qualität der Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften und den Schulsozialarbeiter*innen beeinflusst wird (vgl. 1998, S. 219). Dies wirft die Frage auf, wie in der Schulsozialarbeit Kooperation mit Lehrkräften gelingen kann.
Im Folgenden soll nun dieser Frage, auf Grundlagen von Literaturrecherche, nachgegangen werden. Zunächst muss dafür einmal das Handlungsfeld der Schulsozialarbeit eingegrenzt und definiert, deren Rechtsgrundlage herausgearbeitet und ihre genauen Aufgabenfelder erklärt werden. Anschließend sollen die unterschiedlichen, von Wulfers und Seithe entwickelten beziehungsweise differenzierten Modelle der Kooperation beleuchtet, gegeneinander abgewogen und verglichen, sowie auf ihre Anwendungszwecke geprüft werden. Zum Schluss werden mögliche Kooperationsbarrieren dargestellt und Erklärungsansätze geliefert, die diese Hemmnisse der Zusammenarbeit einschränken können oder diese, aus Sicht der Schulsozialarbeit favorisierte Lösung, gänzlich beseitigen sollen.
2. Schulsozialarbeit
Um eine gelingende Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und Schulsozialarbeiter*innen zu beschreiben, muss zunächst einmal die vergleichsweise junge Profession der Schulsozialarbeit beleuchtet werden. Im Folgenden wird nun der Begriff der Schulsozialarbeit geklärt und definiert sowie über die Rechtsgrundlage informiert. Außerdem folgt eine Klärung der Aufgabenstellungen und Handlungsfelder der in der Schulsozialarbeit tätigen sozialpädagogischen Fachkräfte.
2.1 Definition und Begriffsklärung
Auffällig ist, dass sich bis heute in der fachlichen Diskussion auf noch keinen einheitlichen verwendeten und unumstrittenen Begriff, für die Tätigkeiten im Handlungsfeld der Schulsozialarbeit, geeinigt werden konnte. Am geläufigsten ist zwar der Begriff „Schulsozialarbeit“, welcher von Maas 1966 aus der U.S.A. stammenden Begriff „school social work“ abgeleitet und in den deutschsprachigen Raum eingeführt wurde. Dieser wurde 1971 von Abels in seiner Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Soziale Welt“ unter dem Titel „Schulsozialarbeit. Ein Ausgleich von Sozialisationsdefiziten“ aufgegriffen, dennoch wird je nach Bundesland oder Publikation ein anderer Terminus verwendet (vgl. SPECK 2014, S.35). Dies lässt sich einerseits auf die föderale Bildungsstruktur in Deutschland und die damit einhergehenden unterschiedlichen Landesförderprogramme zurückführen, andererseits aber auch auf die unterschiedliche Betonung des Hilfecharakters, die Begrenzungen auf den Wirkungsort Schule sowie den Versuch der Vermeidung, einer einseitigen Fokussierung auf eine bestimmte Zielgruppe, beispielsweise benachteiligte Schüler*innen. So impliziert der von Spies und Pötter 2011 verwendete Begriff „Soziale Arbeit an Schulen“ einen Teilbereich der Jugendhilfe, welcher an Schulen tätig ist, sich aber nicht auf diese begrenzen lässt und nicht zwangsläufig fest an diesem verortet ist, wohingegen der im Bundesland Hessen gängige Terminus „Sozialarbeit in Schulen“ auf ein Wirken sozialpädagogischer Fachkräfte als Teil des Systems Schule mit begrenztem Wirkungsort schließen lässt.
Ebenso ist in der Fachliteratur Schulsozialarbeit keine einheitliche und allgemein anerkannte Definition bezogen auf die Schulsozialarbeit zu finden. So deutet beispielsweise Drilling Schulsozialarbeit als ein „eigenständiges Handlungsfeld der Jugendhilfe, das mit der Schule in formalisierter und institutionalisierter Form kooperiert. Schulsozialarbeit setzt sich zum Ziel, Kinder und Jugendliche im Prozess des Erwachsenwerdens zu begleiten, sie bei einer für sie befriedigenden Lebensbewältigung zu unterstützen und ihre Kompetenzen zur Lösung von persönlichen und/oder sozialen Problemen zu fördern. Dazu adaptiert Schulsozialarbeit Methoden und Grundsätze der sozialen Arbeit auf das System Schule“ (2004, S.95).
Somit ordnet Drilling die Schulsozialarbeit zwar der Jugendhilfe zu, betont aber gleichzeitig ihre Eigenständigkeit, aber auch die Kooperation auf institutioneller Basis sowie die Fokussierung auf Schüler*innen als primäre Zielgruppe.
Speck hingegen definiert:
„Unter Schulsozialarbeit wird im Folgenden ein Angebot der Jugendhilfe verstanden, bei dem sozialpädagogische Fachkräfte kontinuierlich am Ort Schule tätig sind und mit Lehrkräften auf einer verbindlich vereinbarten und gleichberechtigten Basis zusammenarbeiten, um junge Menschen in ihrer individuellen, sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung zu fördern, dazu beizutragen, Bildungsbenachteiligungen zu vermeiden und abzubauen, Erziehungsberechtigte und LehrerInnen bei der Erziehung und dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz zu beraten und zu unterstützen sowie zu einer schülerfreundlichen Umwelt beizutragen“ (2006, S.23)
Damit hebt Speck im Gegensatz zu Drilling hervor, dass neben den Schüler*innen auch die Erziehungsberechtigten und Lehrkräfte zum Klientel der Fachkräfte gehören. Ergänzend wird zudem die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Schulsozialarbeiter*innen und Lehrkräfte betont.
Schulsozialarbeit ist also ein umstrittener Terminus. Gleiches gilt für eine einheitliche und unumstrittene Definition. Als gemeinsamer Nenner der meisten Definitionen lässt sich herausfiltern, dass Schulsozialarbeit dem Handlungsfeld der Jugendhilfe zuzuordnen, in irgendeiner Form an beziehungsweise in der Schule anzusiedeln ist und Schüler*innen bei Problemstellungen zu helfen als ihre Aufgabe angesehen wird.
2.2 Rechtsgrundlage
Auch an einer klar ausformulierten Rechtsgrundlage scheint es der Schulsozialarbeit zu fehlen, denn sie ist als Handlungsfeld der Jugendhilfe zwar an das SGB VIII/KJHG (Achtes Sozialgesetzbuch/Kinder- und Jugendhilfegesetz) gebunden, wir in diesem aber kein einziges Mal explizit als „Schulsozialarbeit“ erwähnt. So gilt für die Schulsozialarbeit, für den Fall, dass sie eine Institution der Jugendhilfe ist, nach § 81 SGB VIII eine Zusammenarbeitsverpflichtung mit der Schule sowie nach §1 Absatz 3 Satz 4 der Auftrag der Schaffung beziehungsweise Erhaltung „positiver Lebensbedingungen für junge Menschen und ihrer Familien sowie [der] einer kinder- und familienfreundlichen Umwelt“ (ebd.). Nach § 13 Absatz 1 SGB VIII, welcher die Rechtsgrundlagen für die schulbezogene Jugendsozialarbeit beschreibt, soll jenen jungen Menschen geholfen werden: „die zu Ausgleich sozialer Benachteiligung oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigung in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind“ (ebd.). Dies würde für die Schulsozialarbeit bedeuten, dass sie lediglich (sozial) benachteiligte und beeinträchtigte Schüler*innen als Klientel benennen darf. Diese Beschränkung scheint fachlich nicht sinnvoll und steht konträr zu dem Anspruch, eine sozialraum- und lebensweltorientierte Arbeit für alle Schüler*innen anzubieten. Daher ist fraglich, ob der § 13 SGB VIII eine tragfähige Rechtsgrundlage für die Schulsozialarbeit bietet (vgl. Speck 2014, S. 70-72). Dem gegenüber steht die Möglichkeit der Rechtsgrundlage nach § 11 SGB VII, der die Grundlagen der schulbezogenen Jugendarbeit, sprich ein Förderangebot bezüglich der Entwicklung aller jungen Menschen, beschreibt.
So kann je nach Argumentation, gewünschtem Klientel und Förderungsanspruch eine andere Rechtsgrundlage benannt werden. Es fehlt somit an einer einheitlichen und klaren Rechtsgrundlage im Profil Schulsozialarbeit.
2.3.Aufgabenfelder
Der Erziehungswissenschaftler Eberhard Bolay benennt für die Schulsozialarbeit folgende Kernaufgaben:
Zunächst ist die Einzelfallhilfe, vornehmlich bezogen auf die Schüler*innen, zu nennen. Beratungsgespräche, welchen einen Großteil der Einzelfallhilfen ausmachen, richten sich jedoch nicht nur an Schüler*innen, sondern auch an Lehrkräften und Erziehungsberechtigte. Je nach Typus des Einzelfalls ist es sinnvoll, diesen mit sozialpädagogischer Gruppenarbeit, einer weiteren Kernaufgabe, zu koppeln. Diese kann unter anderem soziale Kompetenztrainings, berufsorientierende Angebote oder auch erlebnispädagogische Maßnahmen beinhalten. Des Weiteren gibt es die offenen und niederschwelligen Angebote außerhalb des Unterrichts. Diese können in Form eines Schülercafés, -clubs oder -treffs innerhalb des Schulgebäudes realisiert werden. Auch Klassenprojekte oder sozialpädagogische Angebote in AGs sind zu den Aufgaben der Schulsozialarbeit zu zählen. Außerdem ist ein Gemeinwesensbezug zu leisten, was bedeutet, dass die Schulsozialarbeit sich nicht ausschließlich auf den Standort Schule fokussieren sollte, sondern sich an den Problemen der Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen zu orientieren hat und eine Vernetzung im Sozialraum mit der örtlichen Jugendhilfe herbeiführen soll. Dies schließt die Kooperationen mit Institutionen der offenen und mobilen Kinder- und Jugendarbeit und dem Allgemeinen Sozialdienst (ASD) ein. Die Schulsozialarbeit hat ebenfalls einen Beitrag zur Schulentwicklung zu leisten, welches durch Mitwirken an Konferenzen und Gremien, sowie Schulprogrammarbeit bewerkstelligt werden kann (vgl. 2004, S. 147-162).
Speck merkt zudem an, dass die oben beschriebenen Aufgaben lediglich als „Pflichtaufgaben“, also gewissermaßen als Mindestanforderung, verstanden werden dürfen und somit eine Erweiterung von Projekten, bei Bedarf, nicht auszuschließen ist (vgl. 2014, S. 84). Dies unterstreicht die Vielzahl an unterschiedlichen Aufgaben, die die Schulsozialarbeiter*innen in ihrem Berufsalltag zu bewältigen haben.
3. Kooperationsmodelle
Speck betont in seiner oben genannten Definition von Schulsozialarbeit bereits die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Lehrkräften und Schulsozialarbeiter*innen. Die Kooperation beider Berufszweige, beziehungsweise die Kooperation der Jugendhilfe mit dem System Schule, ist bereits seit Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts eines der am meist diskutiertesten Themen im Handlungsfeld der Schulsozialarbeit (vgl. Speck 2014, S.112). Wilfried Wulfers beschreibt 1996 drei Modelle, die die Kooperation zwischen der Jugendhilfe und der Schule darstellen: das Distanzmodell, das Integrations-beziehungsweise Subordinationsmodell und das Kooperationsmodell. Diese wurden 1998 von der Psychologin und Sozialarbeiterin Mechtild Seithe auf jeweils zwei differenziertere Submodelle erweitert, sowie um ein weiteres ergänzt.
3.1 Distanzmodell
Bei diesem Modell der Kooperation bleibt die Trennung der Bereiche Schule und Jugendhilfe weitgehend bestehen und beschreibt somit die ursprüngliche Kooperationsart beider Professionen. Damit erhält die Schulsozialarbeit zwar ein Höchstmaß an Autonomie, dementgegen bleibt sie aber bei Veränderungen im Schulsystem und dessen Abläufe weitgehend ausgeschlossen. Kontakt beider Parteien ist möglich, findet jedoch nur selten statt und wird meist im Voraus geplant, so dass spontane Treffen zu den Ausnahmen zählen. Die Transparenz beider Bereiche ist ebenfalls gering (vgl. Krüger 2009, S.158; Schmidtchen, 2005, S.50; Seithe 1998, S46). Speck betont die sehr kritische Haltung, die Jugendhilfe und Schule in Bezug auf den jeweils anderen einnehmen, sowie die Kontaktlosigkeit als Hauptcharakteristika dieses Modells (vgl. 2014, S. 115).
[...]