Die Effizienz und Effektivität von Rettungsorganisationen. Badarfsanalyse für die Stadt Wien


Diplomarbeit, 2007

82 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffserklärung
2.1 Effektivität und Effizienz
2.1.1 Effektivität
2.1.2 Effizienz
2.2 „Rettungskette“
2.3 Sanitäter
2.3.1 Rettungssanitäter
2.3.2 Notfallsanitäter
2.3.3 Allgemeine Notfallkompetenzen
2.3.4 BesondereNotfallkompetenzen
2.4 Einsatzfahrzeuge
2.4.1 Krankentransportwagen
2.4.2 Rettungstransportwagen
2.4.3 Notärztliche Einsatzmittel
2.4.3.1 Notarztwagen
2.4.3.2 Notarzteinsatzfahrzeug
2.4.3.3 Notarzthubschrauber

3 Ökonomischer Hintergrund und Rahmenbedingungen

4 Rechtlicher Hintergrund und Rahmenbedingungen

5 Das Wiener Rettungssystem
5.1 Die Geschichte des Rettungswesens
5.1.1 Die Geschichte des österreichischen und des Wiener Rettungswesens
5.2 Die Organisationen im Rettungsverbund
5.2.1 Arbeiter Samariterbund
5.2.1.1 Arbeiter Samariterbund Österreich
5.2.1.1.1 Arbeiter Samariterbund Landesverband Wien
5.2.2 WienerBerufsrettung
5.2.3 Rotes Kreuz
5.2.3.1 Österreichisches Rotes Kreuz
5.2.3.1.1 Österreichisches Rotes Kreuz Landesverband Wien
5.2.4 MalteserHospitaldienst
5.2.4.1 Der Souveräne Malteser Ritterorden
5.2.4.2 Malteser Hospitaldienst Austria
5.2.4.2.1 Malteser Hospitaldienst Austria Bereich Wien
5.2.5 J ohanniter Unfallhilfe
5.2.5.1 DerJ ohanniterorden
5.2.5.2 Johanniter Unfallhilfe Österreich
5.2.5.2.1 Johanniter Unfallhilfe Österreich Landesstelle Wien
5.3 Die Organisationen außerhalb des Wiener Rettungsverbundes
5.3.1 Grünes Kreuz
5.4 DerK-Kreis

6 Kennzahlen zur Einsatzentwicklung
6.1 Entwicklung der generellen Einsatzzahlen
6.2 Einsatzentwicklung nach Schweregrad
6.3 Einsatzentwicklung bei Alkoholintoxikation
6.4 Exkurs

7 Conclusio
7.1 Ökonomische Reflexion
7.2 Conclusio

Quellenverzeichnis

Anhang A

Anhang B

Danksagung

1 Einleitung

„Sanitäter alarmieren: Wir stehen vor dem Kollaps! Völlig am Ende ihrer Kräfte angelangt sind die rund 440 angestellten Sanitäter der Wiener Berufsrettung - auch wenn es ihr Arbeitgeber, die Stadt, nicht wahrhaben will. Personal­beziehungsweise Fahrzeugmangel und der oftmalige .Missbrauch’ der Notrufnummer durch schwarze Schafe in der Bevölkerung sind für die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Sanitäter und Ärzte verantwortlich. Bis zu 15 Stunden sind die Rettungsmänner oft während einer 24-Stunden-Schicht ohne Unterbrechung im Einsatz. Und das ohne geregelte Ruhezeiten. [...J[1]

„Trotz Personalmangel: weiter Einsparung bei Rettung geplant! [...] .Drei Monate lang wird nach jedem Einsatz von ausgewählten Teams schriftlich dokumentiert, ob für den jeweiligen Notfall überhaupt drei Sanitäter nötig gewesen sind’, so Stadträtin Wehsely. Die betroffenen Rettungsmänner verstehen die Welt nicht mehr und fürchten sich vor der möglichen Einsparung. .Das ist unglaublich. Seit Jahren versuchen wir, den Politikern in Wien klarzumachen, dass wir völlig überlastet sind. Und dann das!’ [...] ,So ist der totale Kollaps vorprogrammiert’“[2]

„Wir sind offenbar weniger wert als die Feuerwehr! Mehr als 100 Millionen Euro jährlich investiert die Stadt Wien in die Feuerwehr - die Berufsrettung hingegen muss mit nur 55 Millionen auskommen. Und das obwohl sie rund fünfmal so viele Einsätze verbucht. [,..]“[3]

Im März und April dieses Jahres sind in der „Kronenzeitung“ noch einige weitere Artikel über die derzeitige Situation im Wiener Rettungswesen erschienen. Die Sanitäter und Notärzte der Wiener Berufsrettung (MA 70[4] ) beklagen sich über die ihrer Meinung nach in den letzten Jahren stark gestiegenen Einsatzzahlen und die gleichzeitig unverändert gebliebenen Personalzahlen. Während die Wiener Rettung im Jahr 1946 insgesamt 15.000 mal zu einem Einsatz ausrückte, stieg diese Zahl mittlerweile um 1440% auf über 18.000 pro Monat. In diesen 60 Jahren hat sich aber natürlich auch einiges in der Personalstruktur des Wiener Rettungswesens verändert. 1946 arbeiteten 39 Sanitäter und 19 Fahrer, also 58 Angestellte[5] im Fahrdienst der späteren Magistratsabteilung 70; heute hingegen sind es in etwa 470 Personen.

Die Mitarbeiter der Wiener Berufsrettung fühlen sich durch die gestiegenen Einsatzzahlen und die daraus resultierende, beziehungsweise zumindest subjektiv empfundene Mehrbelastung in Ausübung ihres Berufes, überarbeitet und ausgebrannt. Cirka ein Fünftel der Mitarbeiter der Berufsrettung stehen, laut „Kronenzeitung“ vor einem Burn-out-Syndrom[6].

Die Mitarbeiter der MA 70 stehen allerdings bei der Abarbeitung der anfallenden Notfälle nicht alleine da, sondern werden von vier NPOs unterstützt. Die so genannten „Vier für Wien“, die aus „Malteser Hospitaldienst“ (MHDA), „Johanniter Unfallhilfe“ (JUH), „Arbeiter Samariter Bund“ (ASB) und „Rotes Kreuz“ (RK) bestehen, haben sich vor einigen Jahren mit der Wiener Berufsrettung zum Rettungsverbund zusammengeschlossen und stellen dem Notfalljournal der Wiener

Rettung, das über die Notrufnummer 144 erreichbar ist, an bestimmten Tagen Rettungs- und Notarztwagen inklusive Besatzung zur Verfügung.

Ich selber bin als ehrenamtlich fahrender Notfallsanitäter des Malteser Hospitaldienstes Austria Bereich Wien ein kleiner Bestandteil des Wiener Rettungswesens. Im Frühling dieses Jahres, als die oben zitierten Artikel in der Wiener Kronenzeitung erschienen sind, bin ich als Praktikant einige Male auf Einsatzfahrzeugen der MA 70 mitgefahren. Ich habe somit hautnah die Reaktionen der Berufssanitäter mitbekommen, was mich auf die Idee dieser Arbeit gebracht hat.

Im Grunde genommen klingen die oben zitierten Schlagzeilen schlimmer als sie sind. Auch wenn die Sanitäter und Notärzte der MA 70 angeben, dass sie überarbeitet seien, und die Einsatzzahlen immer weiter steigen, ist die Notfallversorgung der Stadt Wien trotzdem weiterhin auf einem sehr hohen Level. Ein Rettungswagen braucht in Wien im Durchschnitt nicht mehr als zwölf Minuten ab Eingang des Notrufs im Journal, bis er am Berufungsort eintrifft[7].

Auch international brauchen die Sanitäter Wiens sich in keinster Weise zu verstecken. Es findet jährlich eine inoffizielle „Rettungsweltmeisterschaft“ im tschechischen Rejvic statt. Vor drei Jahren, als das erste Mal eine Wiener Mannschaft, die aus verschiedenen Rettungsorganisationen zusammengewürfelt wurde, zu diesem Wettbewerb fuhr, belegte diese noch „nur“ den achten Platz. Die letzten zwei Jahre in Folge aber konnte der Weltmeistertitel von zwei verschiedenen Wiener Teams gewonnen werden. Im Jahr 2006 bestand das Team aus Dr. Berndt Schreiner (Notarzt des Wiener Roten Kreuzes), Albert Stättermayer (Notfallsanitäter des Malteser Hospitaldienstes, Bereich Wien), Walter Schwarz (Notfallsanitäter des Wiener Roten Kreuzes) und Gerhart Schuster (Notfallsanitäter der Wiener Berufsrettung). Im heurigen Jahr, 2007, setzte sich das Team aus Carsten Harz (Notfallsanitäter der Johanniter Unfallhilfe, Bereich Wien), Manfred Führer (Notfallsanitäter des Arbeiter Samariter Bundes Wien), Bernhard Saxinger (Notfallsanitäter der Wiener Berufsrettung) und Branislav Hornak (Rettungssanitäter des Wiener Roten Kreuzes) zusammen. Beiden Teams war gemeinsam, dass sich die Mitglieder vor dem Wettbewerb kaum kannten und bis dahin im realen Einsatz nie zusammengearbeitet hatten. Trotzdem wurden sie, wie schon erwähnt, zusammen Rettungsweltmeister.

Dieses Wissen um das Können eines anderen Sanitäters ist vor allem auf eine österreichweite, einheitliche Ausbildung zurückzuführen. Seit 2002 existiert in Österreich das Sanitätergesetz[8] und eine Verordnung für die Ausbildungsvorschriften für Sanitäter[9], die zu dieser Vereinheitlichung geführt haben.

Diese Arbeit ist als Bedarfsanalyse zum Wiener Rettungs- und Notarztwesen gedacht. Die hauptsächliche Forschungsfrage ist somit die Suche nach der notwendigen Anzahl an Einsatzfahrzeugen für Wien. In Kapitel 6 werden die Einsatzzahlen der Notfallrettung und deren Veränderung während der letzten sieben Jahre analysiert um dadurch Rückschlüsse auf den Bedarf an Rettungskräften ziehen zu können.

Um allerdings einer wirtschaftlichen Arbeit gerecht zu werden, stellt sich weiters noch die Forschungsfrage nach dem ökonomischen Hintergrund des Rettungswesens und weshalb der österreichische Staat seine Aufgabe, die Notfallversorgung seiner Bürger zu gewährleisten, zum Teil an private Anbieter delegieren kann, und diese auch einen Anreiz haben, die Aufgabe zu übernehmen.

2 Begriffserklärung

2.1 Effektivität und Effizienz

Umgangssprachlich werden diese beiden Begriffe oft synonym verwendet. Trotzdem haben diese Worte in der Wissenschaft und auch immer öfter in der Alltagssprache unterschiedliche Bedeutungen. Grundsätzlich kann man als kurze Erklärung der beiden Begriffe sagen, Effektivität bedeutet die richtigen Dinge zu machen und Effizienz bedeutet die Dinge richtig zu machen.

2.1.1 Effektivität

Im deutschen Wörterbuch, Duden[10], wird der Begriff Effektivität als Wirksamkeit oder Leistung erklärt. Das Wort hat seinen Ursprung im lateinischen Begriff effectus (Wirkung, Erfolg)[11]. Es beschreibt, in wie weit ein vorgegebenes Ziel oder eine Wirkung erreicht wird, ohne dabei auf den Weg dorthin im Detail einzugehen. Die Handlungen, die gesetzt werden, sind dann effektiv, wenn das Ziel erreicht wird.

Wenn man geschäftlich von Wien nach Salzburg reisen muss, um dort einen Termin wahr zu nehmen, hat man verschiedene Möglichkeiten dorthin zu kommen. Sofern man am gewünschten Ziel ankommt ist es gleich effektiv ob man mit dem Auto fährt, die öffentlichen Verkehrsmittel Bahn und Bus nimmt, oder einfach zu Fuß geht. Die Hauptsache ist, dass man ankommt. Wenn man allerdings seine persönliche Kosten-Nutzen-Funktion in diese Reise einbaut, muss man sich auch noch den Grad der Effizienz anschauen.

2.1.2 Effizienz

Die Bedeutung dieses Wortes laut Duden[12] ist entweder Wirksamkeit oder Wirtschaftlichkeit. Es geht ursprünglich auf das lateinische Wort efficiens (bewirkend, wirksam)[13] zurück. Der Grad an Effizienz einer Handlung oder Maßnahme beschreibt, in wie weit ein passendes Verhältnis von Kosten und Nutzen erreicht wurde.

Wenn man sich also das Beispiel mit der Geschäftsreise aus Kapitel 2.1.1 weiter betrachtet, ist die Wahl des Verkehrsmittels nicht mehr unbedeutend. Der Reisende muss nun abschätzen, wie viel Zeit und Geld er investieren möchte, um nach Salzburg zu kommen. Es kann sein, dass er umweltbewusst denkt und genug Zeit hat, dann wird er vielleicht die weite Strecke zu Fuß gehen. Andererseits kann es sein, dass er unter Zeitdruck steht, somit das Auto nimmt und auch mögliche Strafen für zu schnelles Fahren in Kauf nimmt.

Effizientes Handeln ist in den meisten Lebenslagen, vor allem im Umgang mit knappen Ressourcen jeglicher Art, sehr wichtig. Die falschen Handlungen zu setzen, also ineffektiv zu arbeiten, dabei aber sehr effizient zu agieren, bleibt trotzdem Verschwendung und ist zu vermeiden. Effektivität geht also vor Effizienz.

2.2 „Rettungskette“

Die Rettungskette in ihrer heutigen Form wurde 1962 vom deutschen Anästhesisten und Notarzt des deutschen Roten Kreuzes Professor Dr. Dr. Friedrich Ahnefeld entwickelt. Sie setzt sich aus fünf Gliedern zusammen. Die ersten zwei davon zielen auf Tätigkeiten für den Laienhelfer ab. Es sind dies „lebensrettende Sofortmaßnahmen“ wie etwa das Bergen aus einer Gefahrenzone und „Notruf“ absetzen. Das dritte Glied, die „Erste Hilfe“ richtet sich sowohl an den Laien, als auch, als „erweiterte Erste Hilfe“ und „qualifizierte präklinische Versorgung“, an das bereits eingetroffene Rettungspersonal. Das vierte Glied, der „Transport“, erfolgt durch die Rettung und führt direkt zum fünften und letzten Teil der Rettungskette, der „klinischen Versorgung“ im Krankenhaus.[14]

Ein möglichst rasches Abhandeln dieser einzelnen Schritte erhöht die Chancen für den Patienten. Die in den nächsten Kapiteln definierten Sanitäter und die im Rettungsdienst eingesetzten Einsatzfahrzeuge werden zusammen als Rettung im Sinne der Glieder drei und vier dieser Rettungskette verwendet.

2.3 Sanitäter

Die Definition des Begriffes Sanitäter richtet sich nach dem Sanitätergesetz[15]. Dieses wurde im Jahr 2002 durch den Österreichischen Nationalrat verabschiedet. Davor war der Begriff des Sanitäters und vor allem die Ausbildung zum Sanitäter rechtlich nicht klar definiert. Es wurde in Zusammenarbeit mit Vertretern aller im Rettungsverbund Wien tätigen Organisationen erstellt, um bestmöglich auf die Anforderungen in der Praxis des Rettungsdienstes eingehen zu können. Es regelt das Berufs- und Tätigkeitsbild, inklusive der Rechte und Pflichten, die Ausbildung und den Berufsschutz von Sanitätern und garantiert österreichweit eine einheitliche Mindestqualifikation der im Sanitätsdienstdienst beschäftigten Personen.

„Der Sanitätsdienst umfasst den Tätigkeitsbereich des Rettungssanitäters und des Notfallsanitäters entsprechend der eigenverantwortlichen Anwendung von Maßnahmen der

1. qualifizierten Ersten Hilfe,
2. Sanitätshilfe und
3. Rettungstechnik,

einschließlich diagnostischer und therapeutischer Verrichtungen.“[16]

Vor diesem Gesetz lagen Art und Umfang der Ausbildung zum Sanitäter weitestgehend in der Eigenverantwortung der einzelnen Rettungsorganisationen. Dies hatte zur Folge, dass Mitarbeiter unterschiedlicher Organisationen stark divergierendes Fachwissen aufweisen konnten. Selbstverständlich gibt es auch heute noch bessere und schlechtere Sanitäter, wie in jeder anderen Berufsgruppe auch, aber man kann davon ausgehen, dass ein Rettungssanitäter, beziehungsweise ein Notfallsanitäter einer beliebigen Organisation zumindest die gleiche Grundqualifikationen und Fertigkeiten während seiner Ausbildung erworben hat, wie jeder andere der gleichen Ausbildungsstufe auch.

Die wichtigste Neuerung, die das Sanitätergesetz gebracht hat, ist eine juristisch festgelegte Eigenverantwortung der Sanitäter in dem ihnen zugewiesenen Wirkungsbereich. Sie dürfen nun Patienten selbständig sanitätsdienstlich betreuen, ohne auf eine ärztliche Anordnung angewiesen zu sein. Auch vor Inkrafttreten des Gesetzes konnten Sanitäter Patienten versorgen ohne auf einen Arzt warten zu müssen. Dieses eigenmächtige Handeln war allerdings nicht wie in der jetzigen Form festgeschrieben und barg somit immer ein gewisses Restrisiko für den Helfer.

Als Sanitäter nach dem Sanitätergesetz gelten Rettungssanitäter und Notfallsanitäter. Die Ausbildung ist aufeinander aufbauend und in Module eingeteilt. Nach der Ausbildung zum Notfallsanitäter können noch diverse Notkompetenzen erlangt werden. In Österreich gibt es zirka 41.000 aktive Sanitäter. Gerade einmal fünf Prozent davon sind als hauptberufliche Sanitäter tätig.

Die Berechtigung zur Tätigkeitsausübung nach abgeschlossener Ausbildung zu einer der ab Kapitel 2.3.1 folgenden Tätigkeitsbezeichnungen wird jeweils nur für zwei Jahre erteilt. Innerhalb dieser Zeit hat jeder Sanitäter die eigenverantwortliche Pflicht sich berufsspezifisch fortzubilden um auf dem möglichst aktuellsten Stand der sanitätstechnischen und präklinischen Versorgung zu sein. Nach Ablauf der zwei Jahre kann man sich unter Bestätigung von zumindestFortbildungsstunden und Prüfung seiner praktischen Kenntnisse in der Herz-Lungen-Wiederbelebung mit Hilfe halbautomatischer Defibrillatoren auf weitere zwei Jahre rezertifizieren lassen. Auf diese Weise kann vom Gesetzgeber und den einzelnen Organisationen ein dauernd aktuell gehaltenes Fachwissen der Mitarbeiter im Rettungsdienst garantiert werden.

In Österreich funktioniert das Rettungswesen als notärztliches System. Das bedeutet, dass Sanitäter zwar eigenständig handeln dürfen, aber jederzeit auf die Dienste eines Arztes in der präklinischen Versorgung zurückgreifen können. Dadurch, dass Ärzte in der Diagnosestellung weit qualifizierter sind als Sanitäter, können mehr Patienten direkt zu Hause behandelt werden, was eine teure Hospitalisierung teilweise überflüssig macht. Als Gegensatz dazu kann das Rettungssystem auf Paramedics[17] aufgebaut sein, wie es zum Beispiel in den Vereinigten Staaten vorherrschend ist.[18] Diese Sanitäter sind länger ausgebildet und in mehr medizinischen Fähigkeiten geschult. Sie arbeiten komplett selbstverantwortlich, ohne auf die Hilfe eines Arztes zurückgreifen zu können, nach genau definierten Algorithmen der präklinischen Patientenversorgung. Der Nachteil dieses Systems ist, dass ein Einsatz von Sanitätern beinahe immer auf eine Hospitalisierung des Patienten hinausläuft, was diverse Versicherungen und den Staat viel Geld kostet. Als Gegenargument dazu kann man allerdings anführen, dass in diesem System Kosten für präklinisch arbeitende Notärzte gespart werden.

Auf jeden Fall bleibt aber festzuhalten, dass die umfangreiche und lange Ausbildung zu Paramedics von ehrenamtlich und freiwillig arbeitenden Sanitätern, aus denen das Rettungsdienstpersonal in Österreich zu 95 Prozent besteht, kaum neben deren sonstigen hauptberuflichen Tätigkeiten zu bewältigen wäre. Die Einführung eines Paramedic-System würde somit die Ausübung des Sanitätsdienstes auf freiwilliger Basis weitestgehend unmöglich machen und zu einem enormen Anstieg der Kosten im österreichischen Gesundheitswesen führen.

2.3.1 Rettungssanitäter

Die Ausbildung zum Rettungssanitäter (RS) entspricht Modul 1 der Sanitäterausbildung.

§ 9 des Sanitätergesetzes regelt den Tätigkeitsbereich eines Rettungssanitäters. Er ist grundsätzlich für die ,,[...] selbständige und eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung kranker, verletzter und sonstiger hilfsbedürftiger Personen, die medizinisch indizierter Betreuung bedürfen, vor und während des Transports [...]‘‘[19] zuständig. In weiterer Folge ist der Rettungssanitäter auch für die qualifizierte Durchführung von lebensrettenden Sofortmaßnahmen, sowie für die Defibrillation mit halbautomatischen Geräten verantwortlich, solange kein Arzt zur Verfügung steht.

Die Ausbildung zum Rettungssanitäter umfasst einen theoretischen Teil im Gesamtausmaß von 100 Stunden und einen praktischen Teil von 160 Stunden im Rettungs- und Krankentransportwesen.

2.3.2 Notfallsanitäter

Die Ausbildung zum Notfallsanitäter (NFS) entspricht Modul 2 der Sanitäterausbildung. Die positive Absolvierung des Modul 1 und ein Einstiegstest sind Vorraussetzungen für den Beginn dieser Ausbildungsstufe.

Die Kompetenzen und der Tätigkeitsbereich des Notfallsanitäters sind in § 10 des Sanitätergesetzes geregelt. Er ist, zusätzlich zu den Tätigkeiten des Rettungssanitäters, ,,[...] für die Unterstützung des Arztes bei allen notfall- und katastrophenmedizinischen Maßnahmen [...]‘‘[20] zuständig. Des Weiteren ist der Notfallsanitäter berechtigt Medikamente der so genannten „Arzneimittelliste 1“ selbständig und selbstverantwortlich zu verabreichen. Die Medikamente dieser Arzneimittelliste werden vom ärztlichen Vertreter jeder Organisation separat frei gegeben und auf diese Liste gesetzt. Die Arzneimittelliste 1 und auch die unter Punkt 2.3.3 folgende Arzneimittelliste 2 können somit von Organisation zu Organisation und dort wiederum von Bundesland zu Bundesland verschieden sein. In Wien haben sich die ärztlichen Vertreter der Vier für Wien und der Wiener Rettung auf eine gemeinsame Liste 1 mit drei Notfallmedikamenten geeinigt.

Die Ausbildung zum Notfallsanitäter umfasst 160 Stunden Theorie, 280 praktische Stunden im Notarztwesen und 40 Stunden Praktikum in einem Krankenhaus.

2.3.3 Allgemeine Notfallkompetenzen

Diese Ausbildung setzt eine positive Absolvierung des Moduls 2 voraus. Alle Notfallkompetenzen, die allgemeinen und die besonderen sind Zusatzkompetenzen zu der Grundkompetenz eines Notfallsanitäters. Sie dürfen allerdings nicht rein eigenverantwortlich angewandt werden, sondern nur nach Verständigung eines Notarztes. Die Anwendung der Notfallkompetenzen ist für die Überbrückung der Wartezeit bis zum Eintreffen des alarmierten Arztes gedacht.

Unter den allgemeinen Notfallkompetenzen[21] versteht man die Notfallkompetenz Arzneimittellehre (NKA) und die Notfallkompetenz Venenzugang und Infusion (NKV). Die NKA berechtigt den Notfallsanitäter zur Verabreichung spezieller Notfallmedikamente, die durch den Vertreter der jeweiligen Organisation freigegeben werden. Diese Liste wird als Arzneimittelliste 2 bezeichnet und ist wiederum von den ärztlichen Vertretern der Vier für Wien und der Wiener Rettung gemeinschaftlich erarbeitet worden. Die NKV berechtigt zur „Punktion peripherer Venen und Infusion kristalloider Lösungen [...]‘‘[22]

2.3.4 Besondere Notfallkompetenzen

Wie schon die bereits erwähnten Ausbildungsstufen, sind auch die besonderen Notfallkompetenzen auf die Vorhergehenden aufbauend. Es müssen somit alle bis jetzt besprochenen Ausbildungen bereits positiv absolviert worden sein, bevor mit der Notfallkompetenz Intubation (NKI) begonnen werden kann.[23]

Die NKI regelt die Anwendung der endotrachealen Intubation[24] und der endotrachealen Vasokonstriktorapplikation (Beatmung und Intubation) durch Sanitäter. Diese Maßnahmen dürfen nicht rein eigenverantwortlich gesetzt werden, sondern setzen für die Durchführung einer dieser Tätigkeiten, wie bei den allgemeinen Notfallkompetenzen, NKA und NKV, wiederum die Alarmierung eines Notarztes voraus.

2.4 Einsatzfahrzeuge

Seit im Jahre 1905 das erste Auto in den Dienst der Wiener Rettung gestellt wurde, haben sich die Anforderungen an Rettungswagen im Laufe der Zeit stark verändert. Abhängig von der Einsatzart und Einsatzschwere kommen verschieden ausgestattete und personell besetzte Fahrzeuge für den Patiententransport zur Verwendung. Es gibt für Wien drei Stufen der rettungsdienstlichen Versorgung von Patienten. Diese sind der Krankentransportwagen, der Rettungstransportwagen und die notärztlichen Einsatzmittel Notarztwagen, Notarzteinsatzfahrzeug und Notarzthubschrauber.

2.4.1 Krankentransportwagen

Der Krankentransportwagen (KTW) ist für den qualifizierten Transport und die sanitätstechnische Basisversorgung von Patienten geeignet, die nicht als Notfallpatienten eingestuft werden. Die Besatzung eines Krankentransportwagens besteht zumindest aus zwei Rettungssanitätern, einer dieser beiden ist als Fahrer, der andere als Patientenbetreuer vorgesehen. Es ist von Organisation zu Organisation unterschiedlich, ob dieses Rettungsmittel zu zweit oder zu dritt besetzt ist. Während ein Krankentransportwagwagen des Malteser Hospitaldienstes immer mit drei Personen besetzt ist, fährt die Johanniter Unfallhilfe dieses Einsatzfahrzeug nur in der Nacht oder zu Ausbildungszwecken zu dritt.

Krankentransportwagen werden sowohl für den Transport von Patienten ins Spital als auch für Heimtransporte eingesetzt. Durch den Einsatz von Trage und Tragesessel kann man mit Hilfe eines KTW vor allem gehunfähigen Patienten den Weg zu jeglicher medizinischer Versorgung ermöglichen. Der Krankentransport ist vorrangig nicht als Primäreinsatzmittel gedacht, sondern vor allem für den Transport zu Nachuntersuchungen, den Heimtransport nach einem ambulanten oder stationären Spitalsaufenthalt oder für chronisch Kranke, wie etwa Dialysepatienten. Da sich aber auf diesem Rettungsmittel sehr wohl auch qualifiziertes Sanitäterpersonal befindet, kann der Krankentransport auch zu Primäreinsätzen entsandt werden. Ein Beispiel für solche Einsätze, die meist von einem KTW versorgt werden, ist der Seniorennotruf[25].

Eine weitere Möglichkeit für einen KTW einen Primäreinsatz zu fahren besteht dann, wenn er von der MA 70 angefordert wird. Dies geschieht, wenn die Wiener Rettung in dem Moment keine, oder nur noch wenige freie Autos als Reserve zur Disposition hat. Sie leiht sich dann für diesen Einsatz ein Fahrzeug einer der anderen Organisationen des Rettungsverbundes aus.

Um einen Krankentransport anzufordern setzt man sich direkt mit dem Journal der gewünschten Organisation in Verbindung. In Wien bieten sowohl die vier im Rettungsverbund tätigen Organisationen, Malteser Hospitaldienst, Johanniter Unfallhilfe, Rotes Kreuz und Arbeiter Samariterbund, als auch in den letzten Jahren neu entstandene Organisationen, wie der Sozialmedizinische Dienst oder das Grüne Kreuz, Krankentransporte an. Es gibt jedoch auch noch andere Organisationen in Wien, die diesen Dienst anbieten. Da diese aber über keine Blaulichtlizenz der Stadt verfügen und somit nicht mit dem Wiener Rettungs- und Notfallwesen verbunden sind, werden sie in dieser Arbeit nach dieser Erwähnung nicht näher behandelt.

Die meisten Einsatzfahrzeuge im Wiener Rettungswesen, die unter Tags in der Stadt im Einsatz sind, sind Krankentransportwagen. Genauere Zahlen folgen weiter unten im Rahmen der detaillierten Beschreibung des Wiener Rettungswesens und der involvierten Organisationen in Kapitel 5 dieser Arbeit.

2.4.2 Rettungstransportwagen

Der Rettungstransportwagen (RTW) ist der Hauptbestandteil des Wiener Notfallrettungswesens. Dieser Typ von Einsatzfahrzeug ist bei allen Wiener Organisationen des Rettungsverbundes mit drei Personen besetzt. Bei den Vier für Wien besteht die Besatzung aus zumindest einem Notfallsanitäter mit oder ohne

Notfallkompetenzen, der als erster Sanitäter[26] an Bord des Autos ist, und zwei Rettungssanitätern. Bei der Wiener Berufsrettung kommt es auch vor, dass statt eines Notfallsanitäters ein weiterer Rettungssanitäter als erster Sanitäter mitfährt. Während ein Krankentransportwagen oft nur das für die Leistung qualifizierter Erster Hilfe nötigste Material mit an Bord hat, sind Rettungstransportwagen für alle möglichen Arten von Einsätzen ausreichend ausgestattet. Auch wenn die Besatzung ausschließlich aus Sanitätern besteht, sind Rettungstransportwagen bei allen Organisationen mit Notfallmedikamenten bestückt, so dass ein alarmierter Notarzt jederzeit zusteigen kann und somit eine optimale Patientenbetreuung gewährleistet ist.

Wenn dieser Fall, das ein Arzt an Bord geht, eintritt, wird in der Fachsprache aus einem RTW ein RAW, ein Rettungsarztwagen. In Wien wird bei Notarzteinsätzen meist im so genannten ,Rendezvous-System’ gearbeitet. Ein Rettungstransportwagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug (siehe unter Kapitel 2.4.3.2) werden gleichzeitig alarmiert und treffen einander am Einsatzort. Dies hat den Vorteil, dass der Notarzt direkt nach der Erstversorgung und der Stabilisierung des Patienten, sofern er nicht auch für den Transport ins Krankenhaus gebraucht wird, wieder einsatzbereit ist. Die meisten Transporte nach einem Notarzteinsatz können allerdings ohne Anwesenheit des Arztes durchgeführt werden.

[...]


[1] Tageszeitung „Die Krone“, 25..März 2007

[2] Tageszeitung „Die Krone“, 29. März 2007

[3] Tageszeitung „Die Krone“, 30. März 2007

[4] Magistratsabteilung 70

[5] Vgl. hierzu www.berufsretter-wien.at/historisches/index.htm, Zugriff am 15. Oktober 2007

[6] Das Burn-out-Syndrom bezeichnet einen besonderen Fall berufsbezogener chronischer Erschöpfung, Vgl. hierzu http://de.wikipedia.org/wiki/Burnout-Syndrom, Zugriff am 15. Oktober 2007

[7] Vgl. hierzu www.wien.gv.at/rettung/aufgaben/einsatz.html, Zugriff am 5. November 2007

[8] BGBl I Nr.30/2002 - SanG

[9] BGBl II Nr.420/2003 - SanAV

[10] Vgl. hierzu Duden, Deutsches Universalwörterbuch (1989), S. 387

[11] Vgl. hierzu Stowasser, J. M. (1994), S. 172

[12] Vgl. hierzu Duden, Deutsches Universalwörterbuch (1989), S. 388

[13] Vgl. hierzu Stowasser, J. M. (1994), S. 173

[14] Vgl. hierzu Gorgaß B. et. al., (2005), S 17f

[15] BGBl I Nr.30/2002 - SanG

[16] §8 SanG

[17] Vgl. hierzu http://de.wikipedia.org/wiki/Paramedic, Zugriff am 2. Dezember 2007

[18] Vgl. hierzu Gorgaß B. et. al., (2005), S 21f

[19] § 9 SanG

[20] § 10 SanG

[21] Vgl. hierzu§ 11 SanG

[22] §11 SanG

[23] Vgl. hierzu § 12 SanG

[24] Vgl. hierzu www.anr.de/anr_online/cbt/inhalt/t_l/t_l_3/tx_l.htm, Zugriff am 2. Dezember 2007

[25] Ältere Menschen, die alleine leben, können durch einen Notrufknopf, den sie am Arm tragen, direkt bei der zuständigen Rettungsorganisation einen Alarm auslösen, wenn sie zu Hause in eine Notlage geraten sind. Solche Seniorenalarme werden von drei der Vier für Wien, den Johannitern, dem Arbeiter Samariterbund und dem Roten Kreuz angeboten.

[26] Als „erster Sanitäter“ wird der Dienstleiter und somit Chefsanitäter des jeweiligen Einsatzfahrzeuges bezeichnet.

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Details

Titel
Die Effizienz und Effektivität von Rettungsorganisationen. Badarfsanalyse für die Stadt Wien
Hochschule
Universität Wien
Note
2
Autor
Jahr
2007
Seiten
82
Katalognummer
V113996
ISBN (eBook)
9783668099012
ISBN (Buch)
9783668099029
Dateigröße
794 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Effizienz, Effektivität, Rettungsorganisationen, Beispiel, Wien
Arbeit zitieren
Maximilian Frankl (Autor:in), 2007, Die Effizienz und Effektivität von Rettungsorganisationen. Badarfsanalyse für die Stadt Wien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113996

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