Leseprobe
Inhalt
1. EINLEITUNG
2. DIE GESCHICHTE DES SONETTS - HISTORISCHER HINTERGRUND
2.1 Sonette von Petrarca
2.2 Sonette in England
2.3 William Shakespeares Sonette
3. ELISABETHANISCHES ENGLAND - ENDZEITSTIMMUNG
4. DAS BILD VOM TOD
4.1 Unsterblichkeit
4.2 Memento mori und Carpe Diem
4.3 Die Aufgabe von Naturmetaphern
5 ROMAN JAKOBSON
5.1 Kommunikationsmodell
5.2 Die Faktoren
5.3 Die Funktionen
6 ANALYSE AUSGEWÄHLTER SONETTE
6.1 Sonett
6.1.1 Inhaltliche Analyse
6.1.2 Konzeption des Alterungsprozesses
6.2 Sonett
6.2.1 Inhaltliche Analyse
6.2.2 Konzeption des Alterungsprozesses
6.3 Sonett
6.3.1 Inhaltliche Analyse
6.3.2 Konzeption des Alterungsprozesses
6.4 Sonett
6.4.1 Inhaltliche Analyse
6.4.2 Konzeption des Alterungsprozesses
6.5 Sonett
6.5.1 Inhaltliche Analyse
6.5.2 Konzeption des Alterungsprozesses
7 FAZIT
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
William Shakespeare (1564-1616) war ein englischer Dramatiker und Lyriker, er zählt zu den berühmtesten Autoren der englischen Literaturgeschichte und den bedeutendsten Schriftstellern der Weltliteratur. Er schrieb nach heutigem Stand 38 Dramen und Dichtungen, sowie 154 Sonette. Auch heute, mehr als 400 Jahre nach seinem Tod, ist Shakespeare immer noch aktuell. Seine Werke werden sowohl im Schulunterricht als auch in der Literaturforschung immer wieder untersucht, diskutiert und bearbeitet. Ein Grund dafür ist die Beispielhaftigkeit seiner Lyrik für die Analyse, ein weiterer Grund ist die thematische Vielfalt seiner Werke.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den von William Shakespeare geschriebenen Sonetten. Eine Analyse aller Sonette wäre sehr umfangreich und würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher wurden fünf thematisch relevante Sonette für die Analyse ausgesucht. Die Sonette sind jeweils 14-zeilig, was sie zu kompakten Einzelsonetten macht. Die Feststellung, weshalb sich der Dramatiker Shakespeare nach der eigentlichen Epoche der Sonettschreiberei in England mit der Sonettdichtung befasst hat, wird im Laufe der Arbeit erläutert.
Sonette bekamen ursprünglich die Intention zugeschrieben, die dem Empfänger1 gewidmete Liebe in Worten zu verkünden. Daher wird in vielen Analysen der Schwerpunkt auf Liebe und Schönheit gelegt.
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Konzeption des Alterungsprozesses. Somit spielen vor allem die Vergänglichkeit und der Tod (Endlichkeit) eine wichtige Rolle in den folgenden Abschnitten. Um die Relevanz dieser Endlichkeitsgedanken in den Sonetten William Shakespeares zu rechtfertigen, wird ein kleiner Einblick in die Geschichte Englands gegeben. Das Elisabethanische Zeitalter, in dem die Sonette von Shakespeare verfasst wurden, war eben auch von einer so genannten Endzeitstimmung geprägt. Dadurch waren die Dichter* dieser Zeit mit den Leitbildern des Todes konfrontiert, umgeben und vertraut. Was genau man unter dem Tod und den damit verbundenen Emotionen versteht, wird im Weiteren erläutert.
Die Sonette von William Shakespeare wurden nachweislich nicht zusammenhängend verfasst. Somit liegen zwischen der Entstehung der einzelnen Sonette einige Jahre.
Im Folgenden werden fünf Sonette genauer analysiert. Die ausgewählten Sonette (Nummer 5, Nummer 18, Nummer 55, Nummer 73 und Nummer 130) sind vermutlich zwischen 1591 und 1596 entstanden. Diese Auswahl wurde getroffen, weil diese Sonette das Thema des Alterungsprozesses und alles daraus Folgende aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.
Die Betrachtung der Sonette erfolgt unter Berücksichtigung des Kommunikationsmodells von Roman Jakobson, auf welches in der Arbeit später genauer eingegangen wird. Dieses Kommunikationsmodell ist sehr ausgereift und bezieht verschiedene Interpretationsmöglichkeiten ein. Viele Literaturwissenschaftler arbeiten mit diesem Modell bei der Analyse von Texten und Lyrik. Unter anderem zog auch Felperin Jakobson zurande, um Shakespeares Sonette zu betrachten (94).
Im Fazit dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, inwieweit William Shakespeares Sonette das Thema des Alterungsprozesses inhaltlich aufgreifen und stilistisch untermalen.
2. Die Geschichte des Sonetts - Historischer Hintergrund
Ursprünglich kommt die Gedichtsform des Sonetts aus Italien ( sonetto. und bedeutet kleine Töne.Donnelly and Woledge 31). In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entsprang sie vermutlich der Feder von Giacomo da Lentini (Kapp 13), welcher an der sizilianischen Dichterschule am Hofe Kaiser Friedrichs ll. arbeitete und lebte.
Bekanntheit erlangten Sonette vermutlich nicht durch Giacomo da Lentini, sondern durch berühmte Vertreter wie Dante Alighieri und Francesco Petrarca (1304-1373). Der italienische Gedichteschreiber Petrarca war einer der wichtigsten Vertreter der frühen italienischen Dichtkunst. Sein Name ist in die Geschichtsbücher eingegangen, da der nach ihm benannte Petrarkismus, welcher eine literarische Stilform beschreibt, die die Minnesänge des Mittelalters ablösten, nach wie vor als wichtige Form des Barocks gilt.
2.1 Sonette von Petrarca
Die ersten Sonette folgten alle einem ähnlichen Schreibmuster, welches sich lang aufrechterhielt. Die Form des Sonettes hat eine klare Struktur. Bei Petrarca besteht der Aufbau der Sonette aus 14 Versen, welche in ein Oktett und ein Sextett unterteilt waren. Jeder Vers hatte elf Silben. Das am häufigsten zu findende Reimschema im Oktett entsprach zwei umarmenden Reimen, abba abba. und zwei ähnlichen Reimen im Sextett, cdc cdc. Petrarca richtete seine Sonette an Laura, eine Frau, welche er sehr begehrte und umwerben wollte, in dem steten Wissen, dass sie für ihn unerreichbar bleiben würde. Er bezeichnete sie als Madonna angelicata. was übersetzt so viel bedeutet wie engelhafte Schönheit. Die Sonette veröffentlichte er mit weiteren Dichtungen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in seiner Sammlung Serum vulgarium fragmenta. also Fragmente volkstümlicher Dinge.
Die Dichtungen in dieser auch Canzionere.enannten Sammlung widmen sich hauptsächlich dem Thema der unerfüllten Liebe, die bis zum Ende des Lebens währt. Headlam Wells beschreibt diese Thematik und Stimmung in Petrarcas Sonetten folgendermaßen:
„With greying hair and his passion gone, Petrarch longs for death because it will put an end to the long years of sadness and enable him to see his beloved Laura once more“ (119).
2.2 Sonette in England
Patrarcas Sonette waren eine wesentliche und wichtige Vorlage für nachfolgende Sonettschreiber bis hin zum Beginn des 17. Jahrhunderts. Die ersten englischsprachigen Sonette waren lediglich Übersetzungen Petrarcas Dichtungen durch Sir Thomas Wyatt oder Henry Howard, Earl of Surrey. Der Wortlaut entsprach ganz wesentlich dem Original, und wurde nur teilweise leicht abgeändert (Selber 94). Wyatt und auch Surrey veränderten, in den 1560er und 1570er Jahren, bald das Reimschema der Sonette aufgrund mangelnder Reimmöglichkeiten des englischen Wortschatzes. Aus dem bisherigen Schema, bestehend aus einem Oktett und einem Sextett, getrennt durch den gedanklichen turn.urden vier Quartette im Kreuzreim, mit einem abschließenden Couplet im Paarreim: abab cdcd efef gg.Barber 11). Englische Sonette hatten zudem eine Silbenzahl von nur zehn statt elf Silben, im Vergleich zum italienischen Sonett (Lambirth 25).
Inhaltlich waren Sonette in England, wie auch die von Petrarca, Liebeserklärungen. Headlam Wells schreibt: „For Elizabethan poets the dominant discourse for writing about love and death, and the link between them, was Petrarchism.“ (118). Die Intention der Sonette war es, Liebe auszudrücken und gleichzeitig aufzuzeigen, dass der Schreiber des Sonettes intellektuell in der Lage war, ein ebensolches zu verfassen. Das Elternhaus der vom Sprecher begehrten courtly women.ntschied im 16. Jahrhundert über die Zukunft ihrer Tochter. Somit diente das Sonett auch dazu, den Eltern der Geliebten zu schmeicheln.
Durch Bekunden von Loyalität gegenüber dem König und seiner Regierungsstrukturen drückte der Dichter des Sonettes seinen Glauben an die Divine Right Thinking Strukturen aus. In diesen war alles von Gott bestimmt und musste akzeptiert werden. Wenn jemand die von Gott gegebenen Strukturen anzweifelte, so zweifelte er Gott selbst an und würde aus der Gesellschaft verstoßen. Cressy schreibt:
“According to Elizabethan Protestant theology, the soul departed the body at the instant of death, ready to take its place in hell or heaven. Its destiny lay with God, and there was nothing any man could do about it.“ (101).
Er spricht hier schon den Tod an, auf welchen später genauer eingegangen wird.
2.3 William Shakespeares Sonette
William Shakespeare war einer der letzten Sonettschreiber des 16. Jahrhunderts. Der gesamte Sonettzyklus Shakespeares war mit 154 Sonetten der umfangreichste seiner Art. Veröffentlicht wurde der Sonettzyklus erst sieben Jahre nach seinem Tod und damit nach der eigentlichen Epoche.er Sonette, im Jahre 1609 (Schoenfeldt 127). Die Datierung der Entstehung seiner Sonette ist allerdings schwierig zu bestimmen. So wird angenommen, dass die ersten um 1580 geschrieben wurden und der Prozess des Schreibens bis in das 17. Jahrhundert andauerte. Die Annahme wird vor allem durch den nicht vorhandenen Zusammenhang der einzelnen Sonette, weder qualitativ noch inhaltlich, untermauert.
Burrow schreibt:
“the evidence at present suggests that the poems were written roughly in the following periods:
1-60 composed c..595-6 (possibly revised after)
61-103 composed c. 1594-5
104-26 composed c..598-1604
127-54 composed c..591-5 “ (104-105)
Brooks teilt Shakespeares Sonette in drei Hauptsequenzen: „the Procreation, Young Man, and Dark Lady sequences“ (388). Viele andere Autoren untergliedern noch feiner. So legt Schoenfeldt beispielsweise fest, dass die Sonette 1 bis 17 an einen jungen Mann gerichtet sind, mit der Intention zu vermitteln, dass es der Fortpflanzung bedarf, um unsterblich zu werden (Schoenfeldt 128). Weiss jedoch stellt fest:
„Innerhalb der Sequenz lassen sich verschiedene thematische Gruppen bilden, die jedoch mit Ausnahme der Zeugungssonette (Nr. 1—17) keineswegs immer eindeutig voneinander abgrenzbar und deshalb in der Forschung umstritten sind.“ (95).
Shakespeare schrieb seine Sonette, wie bereits erwähnt, nach der Blüte der Sonettschreibung. Er befand sich in der Situation (Zeit), welche mit einem Überfluss von Sonetten in der Lyrik verbunden war. Das verleitete den Autor dazu, die petrarkischen Konventionen teilweise parodisch zu überarbeiten. Somit führte Shakespeare eine neue Figurenkonstellation in seinen Sonetten ein. Er schaffte die Möglichkeit zur Darstellung breiterer dramatischer Themenkomplexe (Weiss 86). Weiss fasst die in Shakespeares Sonetten vertretenen Figuren folgendermaßen zusammen:
„Ein Dichter als Sprecher, der schöne Jüngling, dem der Dichter durch Freundschaft und ein Patronatsverhältnis verbunden ist, ein rivalisierender Kollege des Dichters und schließ-lich eine Dame, zu der Dichter und Freund in ein sexuelles Abhängigkeitsverhältnis geraten.“ (86).
Lambirth beschreibt den strukturellen Aufbau von Shakespeares Sonetten folgendermaßen: Die ersten acht Zeilen leiteten ein Argument oder Problem ein, welches in den finalen sechs Zeilen widersprüchlich betrachtet wurde (Lambirth 26). Den Inhalt beschreibt er folgendermaßen:
„The sonnets are largely about how time destroys us so quickly. They might easily have been written when the poet was young and worried by the prospect of ageing. They alternate wildly abstract assertions with concrete images drawn directly from experience of life. They cover a range of emotions from joy to bitterness and disillusions.” (32)
Dies suggeriert, dass die Leitidee der Sonette nicht nur, wie die der Sonette Petrarcas, der Erklärung der Liebe dienen, sondern auch das Leben allgemein und jegliche Emotionen repräsentieren. So beschreibt auch Barber, dass die Sonette Shakespeares alle fühlbaren Emotionen von Liebenden umfassen. Das beinhaltet „anguish, elation, joy, dismay“ (6), aber auch „the fact of mortality, the separateness of human beings, their need of each other, the graces that come unsought and undeserved“ (Barber 6).
Immer wieder sind der Tod und die Vergänglichkeit Themen in Shakespeares Sonetten. Erklärungen dafür liefert ein kleiner Einblick in die Elisabethanische Zeit.
3. Elisabethanisches England - Endzeitstimmung
Die bedeutsame Sonettkultur in England entstand vor allem in der Zeit, in der Elisabeth I. regierte. Suerbaum beschreibt England zu der Regierungszeit der Königin (1558 bis 1603) als Merry Old England. „ein Land der Lebensfreude, der Lust, des Feierns und Spielens“ (14).
Er beschreibt weiterhin, dass zu dieser Zeit die Vorbildlichkeit Englands aller Welt offenbar wurde, „Das elisabethanische England war England schlechthin.“ (14). Dies war vor allem der Königin und ihrer Regentschaft zu verdanken. Sie schaffte es, den Krieg mit dem feindlichen Spanien sehr lange zu vermeiden. Königin Elisabeth I. war eine angesehene Herrscherin, sie förderte gesellschaftliche Strukturen, sowie Entdeckungsund Handelsreisen (Suerbaum 35).
Doch einigen Problemen konnten selbst beste Herrscher nicht trotzen. Ganz Europa litt im späten 16. Jahrhundert und frühen 17. Jahrhundert unter dem ökonomischen Phänomen, der bis dahin nicht aufgetretenen Inflation. In den letzten Jahrzehnten unter der Regierung Elisabeths I. betraf diese wirtschaftliche Teuerung vor allem das ländliche Leben und seine Gesellschaft (Suerbaum 386). Als Hauptgrund dafür beschreibt Suerbaum den Wertverlust der handelsüblichen Währung, welchem die Königin mit der Herstellung neuer Münzen vorerst standhalten konnte. Doch nach etwa zehn Jahren stiegen die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse, beispielsweise Getreide, wieder an (Suerbaum 387). Die im Elisabethanischen Zeitalter lebenden Menschen befürchteten, dass die Inflation den Zerfall der Wertordnung der Gesellschaft mit sich brachte 7 (Suerbaum 388).
Das Phänomen der enclosure. was auf Deutsch Einhegung.edeutet (Suerbaum 390), verschlechterte die Situation in England weiter. Mit dem Vereinnahmen von ehemals gemeinschaftlich genutzten Ländereien und damit der Einzelbewirtschaftung, wurde die freie Marktwirtschaft unterdrückt. Da die ertragreichste Marktware zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Wolle war, annektierten viele Grundherren so viel Weideland, wie sie konnten. Zudem fingen sie an, die erworbenen Ländereien als Schafweiden zu nutzen, um ihre Profite mit Schafwolle zu erhöhen. Darunter litt der Getreideanbau, weil sich die dafür vorgesehene Nutzfläche minimierte. Die Getreideernte ging fortan zurück und ein Teil davon musste zudem für die ausreichende Versorgung der Nutztiere herhalten. Das Resultat der enclosure.eschreibt Suerbaum folgendermaßen:
„Viele Engländer befürchteten eine Entvölkerung der Landgebiete und eine Gefährdung der nationalen Getreideversorgung.“ (391).
Die Existenzangst in der Bevölkerung wuchs, was auch der Wahlslogan von ecnlosure.Kritikern wie Sir Thomas More bestätigte: „Die Schafe fressen die Menschen auf“ (Suerbaum 391). Die Folge war eine enorme Landflucht. Ein Großteil der enteigneten Landbevölkerung zog in Stadtregionen in der Hoffnung auf Besserung ihrer persönlichen, sozialen Situation. Der Andrang auf die Städte verbunden mit dem gleichzeitigen Bevölkerungswachstum verschlechterte auch die Situation in den Städten. Die Bevölkerung litt unter diesen Umständen. Angst vor nicht ausreichender Lebensmittelversorgung und damit der Existenzbedrohung rief allgemeine Todesangst breiter Bevölkerungsschichten hervor.
Diese sozialen Gegebenheiten trugen wesentlich dazu bei, dass auch die Themen Tod und Vergänglichkeit in der Poesie des Elisabethanischen Zeitalters vermehrt und tragend auftraten. Genau diese Endzeitstimmung findet sich, wie vorher schon beschrieben, auch in einigen Sonetten von William Shakespeare wieder. Neben dem Ableben durch Enteignung und Verhungern wird der Tod in der Poesie allerdings auch aus anderen Blickwinkeln betrachtet.
4. Das Bild vom Tod
In der Lyrik ist der Tod etwas sehr Präsentes. Besonders bei Sonetten, den Liebeserklärungen, wird Referenz auf die Sterblichkeit und die Endlichkeit der Liebe genommen. Das hängt damit zusammen, dass der Tod etwas Festgesetztes und Allgegenwärtiges ist. Der Tod gilt als unumgänglich und biologisch vorgegeben (Brennan xiv). Brennan schreibt:
„Death of a person is the end of his or her life; and, although all living persons die, one's definition of life may influence when the exact end of life is reached.“ (156).
Mit dem Ende des Lebens eröffnet sich auch der Gedanke, dass eine bestehende Liebe, egal wie stark sie auch sein mag, irgendwann zu Ende sein wird. Das ist auch im Bewusstsein der Weltgesellschaft, denn sogar in Ehegelübden wird meist der Satz „Bis dass der Tod uns scheidet.“ erwähnt. Somit wird selbst im romantischsten Moment einer menschlichen Liebe der Tod bedacht und er wird als Endpunkt definiert und auch personifiziert.
Personifikationen des Todes existierten schon in mittelalterlicher Lyrik. Meist wird der Tod als Skelett dargestellt, trägt einen Umhang und hat sowohl eine Sense als auch eine Sanduhr in der Hand. Diese symbolische Darstellung des Todes, welcher demjenigen, der sterben soll, zeigt, dass seine Zeit abgelaufen ist, steht als Wegbegleiter zum Grab (Brennan 43).
Zurückgehend zu der Definition des Todes hat Brennan mehrere Möglichkeiten aufgezeigt. So beschreibt er, dass der Tod beispielsweise als Ereignis eintreten kann. In dieser Definition ist der Tod nicht viel mehr als ein datierter Zeitpunkt, an dem das Leben eines Menschen endet. Eine andere Definitionsmöglichkeit wäre laut Brennan, den Tod als Kondition zu beschreiben. Damit meint er die Unfähigkeit des menschlichen Körpers, überlebensnotwendige Funktionen und Aufgaben zu erfüllen.
Beim genauen Hinterfragen fällt auf, dass diese beiden Definitionsansätze sehr ähnlich und auf eine gewisse Art zu verknüpfen sind. Als dritte Definition, welche für diese Arbeit die entscheidend wichtige ist, beschreibt Brennan den Tod als Stadium des Nicht-Existierens. Hier wird der Tod nicht als einfaches Ereignis oder Unfähigkeit des Körpers und somit als Lebensende bezeichnet. Brennan eröffnet hier das Bild eines existierenden Lebens nach dem Tod. Damit sind nicht das Untote oder wandelnde Seelen gemeint, er bezieht sich auf unsterbliche Überbleibsel, beispielsweise Erinnerungen anderer Personen oder auch Objekte (158).
4.1 Unsterblichkeit
Um den Tod zu umgehen gibt es für viele Schriftsteller nur eine Möglichkeit, welche sie in ihren Werken aufgreifen. Auch Headlam Wells schreibt in seinem Kapitel Amorous Death. „the only way to preserve such passion is to immortalise it in death“ (109). Die hier als passion.eschriebene Liebe zwischen zwei Personen, welche zwangsläufig und natürlicherweise mit dem Tod der Individuen zu enden scheint, kann also konserviert werden. Doch was versteht man unter Unsterblichkeit?
Brennan definiert diesen Zustand folgendermaßen: „Immortality is the inability to die or, conversely, the ability to live, or at least exist in some form, forever.“ (267). Weiter beschreibt er die stete Präsenz des Gedankens an die Unsterblichkeit in der Gesellschaft, unabhängig von der Zeit und der Kultur. Die Vorstellung, unsterblich zu sein, findet in jeglichen Sparten Anklang und Ausdruck, wie beispielsweise in der Philosophie, der Kunst, aber auch im Bereich der Medizin. Hier unterscheidet sich nur die Definition des Teiles, welches unsterblich sein wird. In der Philosophie ist das die Seele, die Kunst beschäftigt die Unsterblichkeit des Menschen als Ganzes, das Interesse der Medizin konzentriert sich vermutlich auf einzelne Teile des Körpers oder seine Zellen (Brennan 41).
4.2 Memento mori und Carpe Diem
Die von William Shakespeare geschriebenen Sonette fallen in den Bereich der Kunst. Sie leiten den Gedanken oft hin zu der Sterblichkeit Menschen und des irdischen Daseins. Sowohl der angesprochene Empfänger der Sonette, als auch der Leser allgemein, wird von der Sprecherinstanz zu diesem Gedanken hingeführt und es wird ihnen abverlangt und an sie appelliert, diese unumgängliche Sterblichkeit nicht zu verdrängen. Für diesen Appell gibt es die Beschreibung memento mori. „The term memento mori.s Latin and means “remember, you must die!“ (Brennan 307). Brennen erklärt, dass der Gedanke von memento mori.n Europa in der Mittelalterzeit und der Frühneuzeit in allen sozialen Klassen symbolische Bedeutung trug (Brennan 307).
Somit ist auch klar, dass während der Entstehungszeit von Shakespeares Sonetten dieses Konzept des Denkens an die Sterblichkeit sehr präsent war. Diese Leitidee ist in seinen Sonetten zu finden. Ob das in Erinnerung rufen der Sterblichkeit allerdings positiv oder negativ erfolgt, ist von Sonett zu Sonett unterschiedlich. In einigen Sonetten erfolgt die Erinnerung an memento mori.it der Darstellung der Angst vor dem Tod, in anderen lenkt die Sprecherinstanz diesen Gedanken auf die Wertschätzung dessen, was noch da ist. Mit dem Konzept Carpe Diem. was in deutscher Sprache Lebe den Tag.edeutet, wird Referenz auf das Genießen des noch vorhandenen Lebens genommen.
Martin beschreibt diese Gedanken mit Bezug auf den Inhalt von William Shakespeares Sonetten: “Shakespeare's paramount desire to immortalize his friend in verse, and not himself (as was the motive of most classical poets). [...] What distinguishes Shakespeare is that he values the identity of the beloved; he recognizes that the beloved has his own personal immortality, in no way dependent on poetry“ (158). In der späteren Analyse wird dies für die jeweiligen Sonette noch genauer untersucht und erklärt.
4.3 Die Aufgabe von Naturmetaphern
Um die Sterblichkeit und die Unumgänglichkeit des Todes zu veranschaulichen, werden in der Lyrik oft Metaphern verwendet. Vergänglichkeit ist, wie bereits erwähnt, auch in Shakespeares Sonetten stets präsent. Um diesen Prozess zu verbildlichen, sind die verwendeten Metaphern oft mit der Natur verbunden. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Natur und der Ablauf der Zeit folgen einer klaren Struktur. Jährlich wiederholt sich der gleiche Prozess in der Natur. Beginnend mit der Jahreszeit Frühling eröffnet das Jahr den Kreis der Natur. Im Frühling erwacht das Leben, Blumen sprießen, Wälder grünen und viele Tiere erwachen aus dem Winterschlaf. So steht der Frühling für das Erwachen und den Beginn des Zyklus. Mit dem wärmer werdenden Wetter entfaltet sich in der folgenden Jahreszeit, dem Sommer, die Natur immer weiter. Die Tage im Sommer sind die mit den meisten Sonnenstunden. Flora und Fauna sind hier am Höhepunkt der Entwicklung. Der dem Sommer folgende Herbst zeigt schon die ersten Erscheinungen der Vergänglichkeit. Die Natur fängt an zu verfallen, Blätter welken, Blumen verblühen. Dieser Prozess ist begleitet von kühlerem und nasserem Wetter, sowie weniger
[...]
1 Eine geschlechterneutrale Bezeichnung wird aus Gründen der Lesbarkeit in dieser Arbeit nicht vorgenommen.