Solvency II – eine große Herausforderung für die Versicherungswirtschaft?


Bachelorarbeit, 2007

45 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG
1.1 PROBLEMSTELLUNG
1.2 AUFBAU UND ABGRENZUNG DER ARBEIT

2 AUSGANGSSITUATION FÜR DIE ERSTELLUNG VON SOLVENCY II
2.1 RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR VERSICHERUNGSUNTERNEHMEN
2.2 GRÜNDE FÜR DIE NOTWENDIGKEIT EINES NEUEN AUFSICHTSMODELLS
2.3 CHRONOLOGIE BIS ZUR ENTWICKLUNG VON SOLVENCY
2.3.1 Müller-Report
2.3.2 Wesentliche Änderungen durch Solvency
2.4 DIE VIER STUFEN DES LAMFALUSSY-VERFAHRENS

3 RISIKEN VON VERSICHERUNGSUNTERNEHMEN UND INHALTE VON SOLVENCY
3.1 DARSTELLUNG DER RISIKOSITUATION VON VERSICHERUNGSUNTERNEHMEN
3.2 BESCHREIBUNG DER INHALTE VON SOLVENCY
3.3 VERGLEICH ZWISCHEN SOLVENCY II UND BASEL II
3.3.1 Gemeinsamkeiten der neuen Aufsichtsmodelle
3.3.2 Unterschiede zwischen Basel II und Solvency II

4 ERLÄUTERUNG DER AUSWIRKUNGEN VON SOLVENCY II AUF DAS VERSICHERUNGSGESCHÄFT
4.1 AUSWIRKUNGSSTUDIEN VON CEIOPS (QIS)
4.1.1 Feldstudie 1 (QIS 1)
4.1.2 Feldstudie 2 (QIS 2)
4.1.3 Feldstudie 3 (QIS 3)
4.2 BEDEUTUNG VON SOLVENCY II FÜR DIE LEBENSVERSICHERUNG
4.3 RÜCKVERSICHERUNG UND SOLVENCY II

5 INTERNATIONALE MODELLE ZUR MESSUNG DER SOLVABILITÄT
5.1 VERSCHIEDENE ARTEN VON STANDARDMODELLEN
5.2 DARSTELLUNG VON INTERNATIONALEN STANDARDMODELLEN
5.2.1 Deutschland: GDV-Modell
5.2.2 Niederländisches Modell
5.2.3 Großbritannien: Enhanced Capital Requirements/Individual Capital Adequacy Standards
5.2.4 Schweiz: Swiss Solvency Test
5.2.5 USA: Risk Based Capital System
5.3 ANFORDERUNGEN AN INTERNE MODELLE

6 SCHLUSSBETRACHTUNG

LITERATURVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Strukturen des Lamfalussy-Verfahrens

Abbildung 2: Risikoarten eines Versicherungsunternehmens

Abbildung 3: Die 3-Säulen-Struktur von Solvency II

Abbildung 4: Mindestkapitalanforderungen (Säule 1)

Abbildung 5: Komponenten des neuen niederländischen Aufsichtssystems

Abbildung 7: Konzeption des neuen Schweizer Solvenztest

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht ausgewählter Optionsrechte

Tabelle 2: Änderungen in der Risikoerfassung und –messung unter Solvency II

Tabelle 3 : Überblick über internationale Solvabilitäts-Standardmodelle

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Die Rahmenbedingungen für Versicherungsunternehmen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Die Versicherungsbranche war gekennzeichnet von volatilen Kapitalmärkten, sinkenden Zinsen, einer steigenden Zahl von Großschäden und der beschleunigten Deregulierung des Versicherungsmarktes.

Folge dieser Marktveränderungen war eine sinkende Eigenkapitalbasis vieler Versicherungsunternehmen, wodurch die Solvabilität einiger Versicherer gefährdet war.1

Unter dem Begriff Solvabilität (abgeleitet vom französischen Wort solvabilité für Zahlungsfä- higkeit bzw. Solvenz) versteht man die Fähigkeit eines Versicherungsunternehmens, die durch den Abschluss von Versicherungsverträgen eingegangenen Verpflichtungen erfüllen zu können.2

Damit Versicherungsunternehmen trotz dieser schwierigen Bedingungen auch weiterhin eine ausreichende Eigenkapitalausstattung gewährleisten können, wurde Anfang des Jahres 2000 das Projekt Solvency II initiiert.

Mit diesem neuen Aufsichtsmodell sollen die bisherigen Solvabilitätsrichtlinien modernisiert und neue Kapitalanforderungen für Versicherungsunternehmen bestimmt werden. Gemäß Solvency II sind die Risiken von Versicherungsunternehmen umfassend, realistisch und zeitnah darzustellen und mit ausreichend Eigenkapital zu unterlegen, immer vor dem Hintergrund eine hohe Sicherheit für Versicherungsnehmer zu gewährleisten.

Demnach richtet sich die Eigenkapitalanforderung von Versicherungsunternehmen durch Solvency II nicht mehr nach der Höhe der eingenommenen Prämien, sondern nach den tatsächlichen Risiken.3

Eine weitere Intention von Solvency II ist die europaweite Vereinheitlichung nationaler Aufsichtssysteme. Die europäische Kommission strebt dabei eine maximale Harmonisierung (‚level playing field') an, welche Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der europäischen Union so weit wie möglich vermeidet und ergänzende Regelungen der Einzelstaaten überflüssig macht.4

Im Juli 2007 wurde von der EU-Kommission nach mehrjähriger Vorarbeit ein Richtlinienentwurf für das neue Solvabilitätssystem vorgelegt, bis 2010 sollen die neuen Regelungen endgültig in Kraft treten.

Ausgehend von der dargestellten Problemstellung sollen in dieser Arbeit u.a. die nachfolgenden Fragen beantwortet werden:

- Welche rechtlichen Rahmenbedingungen haben derzeit für Versicherungsunternehmen Gültigkeit?
- Welche Inhalte hat Solvency II bzw. welche Änderungen werden durch Solvency II auf Versicherungsunternehmen zukommen?
- Welche Auswirkungen wird Solvency II auf die Lebensund Rückversicherungsunternehmen bzw. deren Kunden haben?
- Ist Solvency II mit dem für Banken gültigen Aufsichtssystem Basel II vergleichbar?
- Welche Standardmodelle zur Bestimmung der Eigenkapitalanforderung wurden international entwickelt?
- Welche Anforderungen müssen interne Modelle erfüllen, damit sie zur Berechnung des notwendigen Solvenzkapitals verwendet werden dürfen?

1.2 Aufbau und Abgrenzung der Arbeit

In Kapitel 2 werden die Gründe für die Notwendigkeit der Einführung eines neuen Solvabilitätssystems dargelegt. Dazu erfolgt eine Analyse der bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen in Hinblick auf die Solvabilitätsvorschriften. Des Weiteren wird in diesem Kapitel durch Erläuterung des Müller-Reports und von Solvency I der Weg bis zur Entwicklung von Solvency II dargestellt und das erstmals im Versicherungsbereich angewandte Lamfalussy-Verfahren beschrieben.

Das folgende Kapitel 3 beschäftigt sich zu Beginn mit den verschiedenen Risikoarten denen Versicherungsunternehmen ausgesetzt sind. Nachfolgend werden die drei Säulen von Solvency II erläutert und ein Vergleich zwischen Solvency II und dem in Banken gültigen Solvabilitätssystem Basel II angestellt.

Kapitel 4 beschreibt die Auswirkungen die Solvency II auf die Versicherungswirtschaft hat. Zunächst werden die von der CEIOPS durchgeführten Auswirkungsstudien durchleuchtet, nachfolgend wird die Bedeutung von Solvency II für die Lebensund Rückversicherung dargestellt. Aufgrund des begrenzten Umfangs der Bachelorarbeit werden die Auswirkungen auf die Schaden-/Unfallund Krankenversicherung nicht erläutert.

Verschiedene internationale Standardmodelle zur Berechnung des Solvenzkapitals sind in Kapitel 5 aufgeführt. Es erfolgt dazu eine Charakterisierung von Faktorund Szenarioansätzen, weiters werden Merkmale von internen Modellen angeführt und die Anforderungen, die an sie gerichtet werden, analysiert.

2 Ausgangssituation für die Erstellung von Solvency II

Nachstehend werden die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen für Versicherungsunternehmen in Österreich in Bezug auf Solvabilitätsregelungen näher erläutert und Gründe für die Notwendigkeit der Einführung von Solvency II dargelegt. Weiters wird der Weg bis zur Erstellung von Solvency II und das darin angewandte Lamfalussy-Verfahren näher erläutert.

2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen für Versicherungsunternehmen

Grundsätzlich werden Versicherungsunternehmen aus nachfolgenden Motiven beaufsichtigt: Zum einen haben Versicherungsunternehmen eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung,

bspw. durch die Kapitalakkumulation, da Prämien am Geldoder Kapitalmarkt angelegt wer den, bei der Entlastung des Staates und des Gemeinwesens durch den Abschluss von Privatversicherungen oder beim Schutz des Vermögens der Versicherungsnehmer. Zum anderen dient die Regulierung der Versicherungswirtschaft unter der Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Bedeutung vornämlich dem Schutz des Verbrauchers, der einen Versicherungsvertrag mit dem Zweck erwirbt, im Schadenfall eine finanzielle Kompensation zu erlangen. Damit der Verbraucherschutz gewährleistet werden kann, verfolgt die Versicherungsaufsicht folgende Ziele: Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Versicherungswirtschaft sowie Verhinderung und Beseitigung von Missständen im Versicherungswesen.5

Zur Sicherstellung dieser Ziele bedarf es gesetzlicher Bestimmungen:

Zentrale Bestandteile der österreichischen Versicherungsaufsicht sind derzeit die Normen des Unternehmensgesetzbuches (UGB), des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG), des Versicherungsvertragsgesetzes (VersVG) und Verordnungen der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA).

Nationale Regelungen wurden in den letzten Jahren mit dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen Marktes für Versicherungsunternehmen durch EU-weite regulatorische Rahmenbedingungen ergänzt bzw. ersetzt. Die bisher gültige Solvenzaufsicht entspringt größtenteils der Lebensrichtlinie (79/267/EWG) aus dem Jahr 1979 sowie die Schadenversicherungsrichtlinie (73/239/EWG) aus dem Jahr 1973. Beide Richtlinien zielen vor allem auf das versicherungstechnische Risiko ab; sie wurden im Jahr 1992 im Zuge der Marktöffnung neuerlich novelliert (3. Richtliniengeneration). Die Änderungen beinhalteten u.a. die Einführung eines Sitzlandprinzips unter gegenseitiger Anerkennung harmonisierter Aufsichtsnormen, die Bildung einer ausreichenden Solvabilitätsspanne (Mindestbetrag an freien und unbelasteten Eigenmitteln) und den Entfall der präventiven Preisund Produktkontrolle, wodurch die Solvabilitätsvorschriften an Bedeutung gewannen.

Die Umsetzung dieser 3. Richtliniengeneration ins nationale Recht erfolgte 1994.

Die aktuelle Lebens- (2002/83/EG) bzw. Schadenversicherungsrichtlinie (2002/13/EG) stammt aus dem Jahr 2002, die Änderungen die mit diesen Richtlinien verbunden sind, werden in Kapitel 2.3.2 (Solvency I) näher erläutert.

Wesentliche Normen bezüglich Eigenmittelerfordernisses sind in Österreich § 73b VAG (Eigenmittelausstattung), §§ 81i-81m VAG (Vorschriften über versicherungstechnische Rückstellungen), § 86j VAG (bereinigtes Eigenmittelerfordernis) und § 104a VAG (Anordnungen der Finanzmarktaufsicht).6

In Österreich regelt also § 73b Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) die Höhe des Solvenzkapitals: „Die Versicherungsunternehmen haben zur Sicherung der dauernden Erfüllbarkeit ihrer Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen für ihr gesamtes Geschäft jederzeit Eigenmittel […] zu halten.

In Anhang D dieses Bundesgesetzes sind die genauen Bestimmungen angeführt, die jedoch einen pauschalen Prozentsatz vorgeben, ohne wirklich auf unternehmensspezifische Risiken einzugehen.“7

So müssen bspw. in der Lebensversicherung (außer Zusatzversicherungen und der fondgebundenen LV) die Eigenmittel der Summe zweier Ergebnisse entsprechen.

Einerseits aus dem sich nachfolgend errechneten Betrag:

4 Prozent der Deckungsrückstellung und der Prämienüberträge ohne Abzug der RV multipliziert mit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* dieser Quotient ist in jedem Fall mit 85 Prozent anzusetzen

Zusätzlich ist bei den Verträgen, bei denen das Risikokapital nicht negativ ist folgender Betrag zu addieren:

3 Promille des übernommenen Risikokapitals multipliziert mit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* dieser Quotient ist in jedem Fall mit 50 Prozent anzusetzen

In der Nicht-Lebensversicherung müssen die Eigenmittel dem höheren Index (Prämienoder Schadenindex), der wiederum pauschal ermittelt und von den Prämien des direkten und indirekten Geschäfts bzw. der betriebenen Versicherungssparten abhängig ist, entsprechen.8

2.2 Gründe für die Notwendigkeit eines neuen Aufsichtsmodells

Ein wesentlicher Grund dafür, dass das bisherige Aufsichtsmodell nicht mehr zeitgemäß ist und überarbeitet werden muss, ist die Tatsache, dass § 73 VAG bei der Berechnung der Solvabilitätsspanne nur bestimmte Versicherungsrisiken berücksichtigt, das Irrtumsund Schwankungsrisiko, das operationelle Risiko, das Anlagerisiko sowie Korrelationen zwischen Einzelrisiken bleiben unberücksichtigt, obwohl diese miteinander verknüpft sind und einander durch positive oder negative Rückkoppelungen beeinflussen.9

„Weitere aktuelle Argumente für die Überarbeitung aufsichtsrechtlicher Bewertungsmethoden liefert die Betrachtung der Kapitalmarktsituation der letzten Jahre. Diese ist geprägt von einer anhaltenden Aktienbaisse, welche zu einem Abschmelzen der Reserven auf der Aktivseite der Bilanz führten. Ergänzend kommt es auf nationaler Ebene im Bereich der Lebensversicherung zu starken Veränderungen der Sterblichkeit und aufgrund des demografischen Wandels zu einem mäßigen Neukundengeschäft.“10

Nach Meinung von Analysten der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs wird eine große Zahl der derzeit in Deutschland tätigen Lebensversicherer aufgrund mangelnder Kapitalanlage- und Risikostreuung in den nächsten Jahren vom Markt verschwinden. Folge könnte ein Vertrauensverlust auf Seiten der Kunden sein, welcher auch negative Konsequenzen für andere Versicherungsunternehmen, und in weiterer Folge auch für die Stabilität des Finanzsystems, haben könnte.

Neben den soeben erwähnten gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen ist der Schutz der Versicherungsnehmer ein wichtiges Argument für die Einführung einer neuen Aufsicht.11

Die EU hat sich aus den genannten und noch weiteren unberücksichtigten Gründen mit dem Projekt Solvency II, das im nachfolgenden Kapitel näher erläutert wird, der Modernisierung der Versicherungsaufsicht angenommen.

2.3 Chronologie bis zur Entwicklung von Solvency II

Bevor das Projekt Solvency II näher erläutert wird, werden noch kurz die wesentlichen Etappen bis zur Entwicklung der neuen EU-Solvabilitätsregelung erläutert:

2.3.1 Müller-Report

Basis der bestehenden Solvenzregelungen sind, wie bereits erwähnt, die Schadenversicherungsrichtlinie aus dem Jahr 1973 und die Lebensversicherungsrichtlinie von 1979.

Mit der Schaffung des europäischen Binnenmarkts und der damit verbundenen Deregulierung gab es bereits frühzeitig Bestrebungen, diese Regeln den geänderten Verhältnissen anzupassen. Aus diesem Grund wurde 1994 eine Kommission unter der Leitung von Dr. Helmut Müller eingesetzt, die in der Folge eine Bestandsaufnahme der derzeit gültigen Systeme in den EU-Ländern sowie einen Vergleich mit der Solvenzkontrolle in anderen Ländern durchführte und den sogenannten Müller-Report erarbeitete. Dieser kam zur Auffassung, dass sich das System im Kern bewährt hätte, enthielt aber auch verschiedene Vorschläge und Maßnahmen, um das bestehende System an die geänderten Marktgegebenheiten anzupassen.12

Die Forderungen der Kommission können wie folgt zusammengefasst werden:

Zum Einen wurde gefordert, dass der Mindestbeitrag für Garantiefonds, aufgrund der seit 1973 stattgefundenen Inflation, erheblich angehoben werden muss (wobei es Sonderregelungen für kleine Versicherungsunternehmen geben soll).Weiters wurde eine Überarbeitung der Eigenmittelvorschriften für die versicherungstechnischen Rückstellungen sowie die Kapitalrisiken, um den dort auftretenden Gefahrenpotentialen noch besser gerecht zu werden, als zweckmäßig erachtet.

Für die Bemessung der zu bildenden Solvabilitätsspanne befürwortet die Kommission ein Festhalten an den Beiträgen und Schäden. Neben dem Beitragsund Schadenindex soll ein dritter, auf Basis der Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle berechneter Rückstellungsindex eingeführt werden, mit dem den beim long-tail-Geschäft hohen Abwicklungsrisiken Rechnung getragen werden soll. Der Abzug für Rückversicherung soll bei der Ermittlung nach dem Rückstellungsindex in gleicher Weise wie beim Beitragsund Schadenindex vorgenommen werden.Es wurde ebenso gefordert, dass die absoluten Werte für den Beitragsund Schadenindex durch jeweilige Prozentsätze für diese beiden Indizes ersetzt werden sollen. Diese Prozentsätze sollen bei 18 (Beitragsindex) und 26 (Schadenindex) festgelegt werden, beim Rückstellungsindex soll der Prozentsatz zwischen 12 und 15 liegen. Der Index der zur höchsten Solvabilitätsspanne führt, wird für die Berechnung entscheidend sein.Als weiterer wichtiger Punkt wurde gefordert, dass die Aufsichtsbehörden bereits im Vorfeld, wenn die Solvabilität noch erfüllt ist aber eine Beeinträchtigung der Versicherungsinteressen droht, Eingriffsmöglichkeiten erhalten.13

Folge des Müller-Reports waren zwei EU-Richtlinien, die im Jahre 2002 unter dem Begriff

„Solvency I“, der nachstehend näher erläutert wird, verabschiedet wurden.

2.3.2 Wesentliche Änderungen durch Solvency I

Eine wichtige Änderung durch die Richtlinien, die 2004 in die nationalen Gesetze übernommen wurde, war dass die Solvabilität nicht mehr einmalig am Ende des Geschäftsjahres sondern zu jedem Zeitpunkt gewährleistet werden muss. Die Folge dieser Änderung war, dass sich Versicherungsunternehmen bessere Informationssysteme anschaffen mussten, die die Daten, die zur Berechnung der Solvabilitätsmarge notwendig sind, auf Tagesbasis zur Verfügung stellen können müssen.14

Weiters beträgt der Garantiefonds nach Solvency I sowohl in der Schadenals auch in der Lebensversicherung drei Mio. Euro: dieser Betrag wird mit dem Europäischen Verbraucherpreisindex angepasst (von Eurostat veröffentlicht). Gemäß § 73f VAG beträgt der Garantiefonds in der Schadenbzw. Lebensversicherung 4,3 Mio. Euro, ein Kompositversicherer aus einer Lebenbzw. Schadenund Unfallversicherung muss einen Garantiefonds in der Höhe von 7,6 Mio. Euro aufweisen.15

Hinzu kommt, dass den europäischen Aufsichtsbehörden mehr Befugnisse zugesprochen werden. So kann die Aufsichtsbehörde bei in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen, die Rechte des Versicherers, über seine Vermögenswerte frei zu verfügen, einschränken und die Vorlage eines Sanierungsplans fordern. Sie kann sich auch die auf die Solvabilität angerechneten Rückversicherungsverträge vorlegen lassen und die Anrechnung bei der Solvabilität versagen, was vor allem dann der Fall sein wird, wenn kein signifikanter Risikotransfer erfolgt oder sich der Risikotransfer maßgeblich verschlechtert hat.16

Die Höhe des Solvabilitäts-Solls veränderte sich in der Schadenversicherung wie folgt:

„Beiträge und Schäden in den Versicherungszweigen Luftfahrtzeughaftpflicht, See-, Binnensee- und Flussschifffahrtshaftpflicht sowie in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung gehen mit einem Faktor von 1,5 in die Berechnungen des Beitragsbzw. Schadenindexes ein. Auf Basis von Marktdaten von 2000 bedeutet dies eine Erhöhung der Soll-Solvabilität im Umfang von 7 Prozent, da die Haftpflichtsparten rund 14 Prozent der Gesamtprämie der Schadenversicherer ausmacht.“17

Die Grenzen für die Berechnung des Beitragsund Schadenindex ab denen die reduzierten Faktoren von 16 Prozent bzw. 23 Prozent angewendet wurden, lagen vor Solvency I bei 18,7 Mio. Euro bzw. 13,1 Mio. Euro (darunter 18 Prozent bzw. 26 Prozent).18 Im Zuge von Solvency I werden diese Grenzen auf 50 Mio. bzw. 35 Mio. erhöht und an die Inflation angepasst.

Die Ist-Solvabilität besteht aus dem freien und unbelasteten Eigenkapital (EK), dies sind vor allem das eingezahlte Grundkapital, die gesetzlichen und freien Rücklagen und der Gewinnbzw. Verlustvortrag nach Abzug der auszuschüttenden Dividenden.Bei der Anrechnung von Mitteln für die Ist-Solvabilität kommt es zu folgenden Änderungen: Nur noch auf Antrag werden 50 Prozent des nicht eingezahlten Grundkapitals angerechnet, und nur dann, wenn mindestens 25 Prozent des Grundkapitals eingezahlt sind. Die Anrechnung ist nur noch bis zu einem Wert von 50 Prozent der Solvabilitätsspanne möglich, diese Grenze gilt auch für nachrangige Verbindlichkeiten und Genussrechtskapital (davon nur 25 Prozent Mittel mit Laufzeitbegrenzung).

In der Lebensversicherung wird die Anrechnung von 50 Prozent der Unternehmensgewinne nur noch bei Vorlage eines versicherungsmathematischen Gutachtens längstens bis zum 31.12.2009 erfolgen können.19

Obwohl die wesentlichen Empfehlungen des Müller-Reports in den Richtlinien von Solvency I umgesetzt wurden, äußerte die EU-Kommission Zweifel, ob Solvency I die Marktveränderungen der letzen Jahre tatsächlich adäquat berücksichtigt.

So wurde auf die Entwicklung internationaler Rechnungslegungsstandards (wie bspw. IFRS), die einen großen Einfluss auf das Risikomanagement von Versicherungsunternehmen haben und auch die Versicherungsaufsicht beeinflussen werden, nicht eingegangen. Weiters erfolgt bspw. noch immer eine pauschale Bewertung des Anlagerisikos eines Versicherungsunternehmens in Prozent der Deckungsrückstellung, unabhängig von der Art der Kapitalanlagen und dem damit verbundenen Verlustrisiko.20

„Das grundlegende Problem einer unzureichenden Orientierung der Mindestkapitalausstattung an den tatsächlichen Risiken des Versicherungsunternehmens wurde auch durch die modifizierten Regelungen nicht behoben und der Komplexität des Versicherungsgeschäfts weiterhin nicht gerecht.“21

2.4 Die vier Stufen des Lamfalussy-Verfahrens

Nachfolgend wird das Lamfalussy-Verfahren, welches im Zuge von Solvency II im Versicherungsbereich das erste Mal Anwendung fand und durch seinem stufenartigen Aufbau einen schnelleren EU-Gesetzgebungsprozess gewährleisten soll, näher erläutert:

Dieses Verfahren, das ursprünglich nur für den Wertpapiersektor entwickelt wurde und mittlerweile auf den gesamten EU-Finanzsektor ausgedehnt wurde, geht auf einen Vorschlag eines ‚Ausschusses der Weisen’ unter dem Vorsitz von Baron Lamfalussy zurück.

[...]


1 vgl. Ehrlich et al. (2006), S. 26

2 vgl. Dillmann (2007 a), S. 5 und vgl. dazu auch Renz/Best (2005), S. 327

3 vgl. o.V. (2006 g), S. 1 und vgl. dazu auch o.V. (2006 f), S. 36

4 vgl. Ehrlich et al. (2006), S. 26

5 vgl. Romeike/Müller-Reichart (2005), S. 111-112

6 vgl. Follmann (2007), S. 53

7 Hartinger/Predota (2007), S. 23-24

8 vgl. Anlage D zu § 73b Abs. 1 Bundesgesetz vom 18. Oktober 1978 über den Betrieb und die Beaufsichtigung der Vertragsversicherung – Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), BGBI 569/1978 i.d.F.

9 vgl. Romeike/Müller-Reichart (2005), S. 111-112

10 Follmann (2007), S. 51

11 vgl. Follmann (2007), S. 52

12 vgl. Nelson/Stricker/Thofern (o.J.), S. 2

13 vgl. o.V., Müller-Report (1997), S. 46

14 Heistermann (2002), S. 15-16

15 vgl. § 73f Bundesgesetz vom 18. Oktober 1978 über den Betrieb und die Beaufsichtigung der Vertragsversicherung – Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), BGBI 569/1978 i.d.F.

16 vgl. Romeike/Müller-Reichart (2005), S. 118

17 Heistermann (2002), S. 16

18 vgl. Stölting (2004), S. 4

19 Heistermann (2002), S. 16-17

20 vgl. Romeike/Müller-Reichart (2005), S. 122

21 Follmann (2007), S. 60

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Solvency II – eine große Herausforderung für die Versicherungswirtschaft?
Veranstaltung
Vorlesung Versicherungsbetriebslehre
Note
1,00
Autor
Jahr
2007
Seiten
45
Katalognummer
V114039
ISBN (eBook)
9783640143023
ISBN (Buch)
9783640143535
Dateigröße
579 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Solvency, Herausforderung, Versicherungswirtschaft, Vorlesung, Versicherungsbetriebslehre
Arbeit zitieren
Daniela Unger (Autor:in), 2007, Solvency II – eine große Herausforderung für die Versicherungswirtschaft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114039

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