Die personale Beziehung der Liebenden in Konrad von Würzburgs "Herzmaere"


Hausarbeit, 2021

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Geschichte der Liebenden

3. Darstellung der Liebesbeziehung
3.1 Das Opfer des Ritters für die Liebe
3.2 Nähe und Distanz der Liebenden
3.3 Vergleich zu Tristan und Isolde
3.4 Die wahre Minne - Fluch und Segen zugleich

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Konrad von Würzburg beschreibt in „Das Herzmaere“ eine verbotene Liebe, die so stark ist, dass sie zum Tod der Liebenden führt. Es wird eine Minimalkonstellation präsentiert, bei der das klassische Dreieck unter Verzicht auf Namen, Orte, situative Details, Vorgeschichten oder Nebenhandlungen, unter Reduktion minnepsychologischer und individueller Nuancen und unter Konzentration auf den spektakulären Moment des gegessenen und des gebrochenen Herzens zum Tragen kommt (vgl. Kiening 2007). Auf den ersten Blick scheint die Erzählung tragisch, jedoch hat sie einen exemplarisch-vorbildhaften Charakter und dient als Appell an die Menschen, sich der „minne luterlichen", also der reinen Minne, zu besinnen. Konrad von Würzburg stellt in seiner Erzählung eine Liebe dar, die der von Tristan und Isolde nicht unähnlich ist und die über irdische Überlegungen hinausgeht. Zwar ist die Liebe das Todesurteil aller Protagonisten, jedoch gilt sie trotzdem als höchst erstrebenswert. Die personale Beziehung der Liebenden im „Herzmaere" wird als besonders stark, rein und machtvoll dargestellt (vgl. Jobst 1998, S. 13). Im Folgenden soll die Geschichte und die Beziehung der Liebenden im „Herzmaere" hinsichtlich verschiedener Aspekte dargestellt und erläutert werden.

2. Die Geschichte der Liebenden

Konrad von Würzburg beklagt in seinem Prolog zu seinem Text „Das Herzmaere", dass die „luterlïchiu minne" (V. 2) der Welt fremdgeworden sei.

Ich prüeve in mime sinne

daz luterlïchiu minne

der werlte ist worden wilde. (V. 1-3)1

Er möchte eine Geschichte erzählen, welche für all die bestimmt ist, die sich auf die Suche nach der wahren Minne begeben wollen („swer uf der waren minne trit" V.10). Seine Geschichte beginnt in medias res und beschreibt eine Liebe, bei der die Liebenden mit Leib und Seele so verbunden waren, dass sie eins geworden sind.

diu hæten leben unde muot

in einander so verweben,

daz beide ir muot unde ir leben

ein dinc was worden also gar: (V. 30-33).

Alles was die Dame betraf, betroff auch ihren Geliebten, den Ritter („swaz der frouwen arges war, / daz war ouch deme ritter;“ V. 34 f.). Die beiden Liebenden konnten jedoch nicht „mit fuogen“ (V.56), also rechtmäßig und wohlanständig, zusammen sein, da die Dame verheiratet war. Sie verzehrten sich nacheinander, begingen im sexuellen Sinne aber keinen Ehebruch und verstießen somit nicht gegen die weltlichen Regeln. Würzburg erzählt nicht vom Beischlaf, er legt den Fokus auf das Verlegen des Wunsches nach körperlicher Nähe ins Innere (vgl. Wenzel 2019). Als der Ehemann die Beziehung der beiden bemerkte, bat die Dame den Ritter ins Heilige Land zu reisen, mit der Hoffnung, dass hierdurch das Misstrauen ihres Gatten nachlässt. Der Ritter nahm das nächste Schiff („den êrsten kiel den er da vant“ V. 230) und machte sich auf den Weg ins Heilige Land, wohlwissend, dass er ohne seine Geliebte nie wieder glücklich sein wird.

er hæte sich des wol bedâht

daz er uf der erden niemer wolte werden fröudehaft noch rehte fro, got gefuoctez danne also daz er ze lande qu^me und etewaz vern^me von der lieben frouwen sin. (V.232-239)

Die Trennung der Liebenden hatte zur Folge, dass der Ritter große Qualen litt und zunächst im übertragenden Sinne minnekrank wurde. Sein Leiden wurde so stark, dass es bis zum Grund seiner Seele reichte (V. 257).

er sente nach ir vaste,

und wart sin leit so rehte starc daz im der jamer durch daz marc dranc unz an der sêle grunt; er wart vil tiefer sorgen wunt und inneclicher sw&re. (V. 254- 259)

Als man ihm seine Trauer auch schon äußerlich ansehen konnte („daz man wol uzen an im sach / den tougenlichen ungemach / den innerhalp sfn herze truoc (V. 281 ff.), wusste er, dass er bald vor Kummer sterben würde. Aus diesem Grund trug er seinem Knappen auf, sein Herz nach seinem Tod einzubalsamieren und es zusammen mit einem einst erhaltenen Ring seiner Geliebten zukommen zu lassen, damit sie sieht, dass er an Sehnsucht gestorben war.

durch daz si müge schouwen waz ich von ir habe erliten, und wie mtn herze st versniten nach ir vil süezen minne. (V. 314-317)

Mit dieser „clagenden herzenot“ (V. 334) starb der Ritter. Der Knappe macht sich mit dem einbalsamierten Herzen auf den Weg zur Dame, wird jedoch von ihrem Gatten abgefangen. Dieser entreißt ihm das Herz, lässt es von seinem Koch als Speise zubereitet und serviert es seiner Gemahlin. Als sie das ganze Herz gegessen hat, eröffnet er ihr, woraus die Mahlzeit bestand. Als sie erfuhr, dass sie gerade das Herz ihres Geliebten verzehrt hatte, erkaltete ihr Herz („ir wart in deme lïbe kalt daz herze“ V.480), ihre Hände sanken in ihren Schoß („ir blanken hende enphielen ir / beide für sich in die schoz“ V. 482 f.), aus ihrem Mund trat Blut („daz bluot ir uz dem munde doz“ V. 484) und sie starb, genau wie ihr Geliebter, an „sender herzenot“ (V. 502), an Liebesschmerz.

3. Darstellung der Liebesbeziehung

Für den weiteren Verlauf ist es wichtig zu verstehen, dass Minne und Ehe in der mittelalterlichen Literatur nicht miteinander einhergehen. Die Liebe steht im Kontrast zur Ehe, welche meist aus Gründen wie zum Beispiel der Fortpflanzung des eigenen Hauses, also die Erzeugung legitimer Erben oder der Absicherung des eigenen Herrschaftsbereichs arrangiert wurde (vgl Bumke 2005, S.534). Des Weiteren kann man in Bezug auf die personale Beziehung der Liebenden im „Herzmaere“ von einer höfischen Liebe sprechen. Der französische Romanist Gaston Paris hat die höfische Liebe mit folgenden Merkmalen definiert: Die Liebe sei außerehelich, heimlich und körperlich; sie umfasst einen langdauernden Dienst eines Mannes an einer (oft höherstehenden) Frau, wodurch sie beim Manne eine Vervollkommnung im physischen und moralischen Sinne bewirke und schließlich sei sie eine Kunst mit eigenen Regeln und Gesetzen, auch mit eigenen literarischen Formen in Brief und Gedicht (vgl. Paravicini 2011, S. 10). Diese Merkmale sind mittlerweile nicht mehr zwingend notwendig, damit eine Liebe unter die wahre Minne fällt, allerdings fassen sie die Merkmale der personalen Beziehung des Ritters und der Dame gut zusammen.

Im Folgenden sollen verschiedene Aspekte der Liebesbeziehung dargestellt und begründet werden. Im Fokus stehen hierbei das erbrachte Opfer des Ritters, der Bezug zu Nähe und Distanz der Liebenden, der Vergleich zu Tristan und Isolde, sowie die Beleuchtung der positiven als auch der negativen Konsequenzen der Kraft der Minne.

3.1 Das Opfer des Ritters für die Liebe

Anders als im „Tristan“, kann die Dame in Würzburgs Erzählung ihren Geliebten bitten, ins Heilige Land zu gehen, damit sie es nicht selbst tun muss. Sie selbst möchte die Fahrt über „daz wilde mere breit“ (V.150), das weite, gefährliche Meer, nicht antreten und bittet ihn darum, ihr diese Fahrt abzunehmen. Dabei plädiert sie an seine „hohen solden art“ (V.147), also an seine edle Güte. Der Ritter ist so darauf bedacht, seiner Dame zu gefallen, dass er sich mit dem allerersten Schiff ins Heilige Land aufmacht. Er sieht in dem Erfüllen des Gefallens die Chance, mit seiner Geliebten irgendwann zusammen sein zu können. Er gibt ihr noch nicht einmal eine Antwort, er nimmt diese Bitte als seine Aufgabe an, mit dem Ziel, das Misstrauen des Ehegatten zu beenden. Es lässt sich vermuten, dass der Ritter in diesem Moment schon weiß, dass er durch die Trennung sterben wird. Dieser Gedanke begründet sich darauf, dass „in duhte daz er ane wer / da heime tot gelige" (V. 128f.), als er erfuhr, dass der Ehemann mit seiner Frau ins Heilige Land reisen will. Auch spricht der Ritter davon, dass er Angst habe, man würde ihn „toten [...] ze grabe" (V. 210) tragen, wenn er seine Geliebte nicht wieder sehen werde. Jobst spricht hier von einem „Minnesklaven-Topos“ (Jobst 1998, S. 16), gemäß dessen sich der Ritter dem Willen der Dame fügt und als Minnesklave im Minnedienst agiert (vgl. ebd., S.16). Die Dame lässt ihren Geliebten nicht ohne Hoffnung auf ein Wiedersehen gehen. Sie verspricht ihm, dass sie beide für alle Zeit ihren Willen durchsetzen könnten, wenn der gütige Christus ihn zurückschicken würde und das Gerede über sie ein Ende hätte:

so dich her wider hat gesant

der vil süeze reine Crist,

so hastu sam mir alle frist

dinen willen deste baz,

ob man gar verredet daz

daz man uf uns ze m^re saget (V. 170-175)

Sie argumentiert, dass wenn er ihr diese Bitte erfüllt, er zurückkommen könnte, wenn das Gerede ein Ende hat („ob du bist eine wfle dort, / unz man verredet hie daz wort /daz von uns fliuget über lant“ (V.167 f.) und der Ehemann keinen Verdacht mehr schöpft. Der Ehemann wird laut ihr denken, dass wenn etwas an seinen Befürchtungen wahr gewesen wäre, der Ritter nicht das Land verlassen hätte.

'w&re an diesen dingen iht

der min herze sich versiht

an mlnem schönen wibe guot,

der werde ritter hochgemuot

w&re niht von lande komen.' (V.159-163)

Der folgende Schmerz des Ritters ist ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte. Sein seelisches Leiden („sfn herzeclfcher pfn" V.240) wird von Konrad von Straßburg auf verschiedenen Ebenen beschrieben. Er schafft ein Bild von einem Einmauern des Herzschmerzes in das Herz des Ritters.

der tugenthafte ritter

begunde nach ir truren

und in sin herze muren

vil jamerliche riuwe (V. 242-245)

Er vergleicht ihn mit einer Taube („der reinen turteltuben art" V.248), die nicht mehr auf einen grünen Zweig der Freude („grüenen fröuden zwf" (V.251) kommt, sondern nur noch auf dem Ast des Trübsal („dürren sorgen aste" V.243) verharrt. Doch trotz dessen, dass er vor „vil tiefer sorgen wunt / und inneclicher sw^re" (V. 258 f.) krank wird, spricht er nur in höchsten Tönen von seiner Geliebten.

"gêret si daz reine wip,

der leben und der süezer lip

mir git so herzeclichen pin (V. 263-265)

Er zeigt Dankbarkeit, indem er seine Geliebte, die ihm durch ihr Leben solche Herzensqualen beschert, wertschätzt und verehrt. Trotz dessen kann er nicht verstehen, wie ihm ihr „s^lic Up“ so große Schmerzen bereiten kann. Er wird krank vor Liebesschmerz, gibt aber die Hoffnung nicht auf, seine „liebiu frouwe“ (V. 266) bald wiederzusehen. Dies allerdings, liegt nur in den Händen seiner Geliebten („sol si tristen niht mtn leben, / so bin ich endeltche tot.“ V.272 f.); er selbst ist in Bezug auf ein baldiges Wiedersehen machtlos und kann nur abwarten. Da es nicht zu einer erhofften Wiedervereinigung kommt, stirbt der Ritter letztendlich an seiner Sehnsucht. Seine geliebte Dame hat ihn „mit sender clage“, also durch Liebeschemerz, (V.293) in den Tod getrieben. Als er wahrnimmt, dass er bald sterben wird, trägt er seinem Knappen auf, sein Herz zusammen mit einem von ihrem geschenkten Ring nach seinem Tod „durch daz keiserltche wtp“ (V.297) seiner Geliebten zukommen zu lassen.

durch daz si müge schouwen

waz ich von ir habe erliten,

und wie mtn herze st versniten

nâch ir vil süezen minne. (V.314-317)

Sie soll sehen, wie sehr er durch die Trennung gelitten hat. Jedoch kann man davon ausgehen, dass hier keine Verbitterung aus ihm spricht, sondern der Wunsch ihr ein letztes Mal zu zeigen, wie stark seine Liebe für sie ist. Er wünscht ihr später im Text noch ein „fröud unde ein wünneclichez leben“ (V.332) worauf hin er dann „Mit dirre clagenden herzenot“ (V.334) verstirbt.

3.2 Nähe und Distanz der Liebenden

Eine wichtige Rolle in Bezug auf die personale Beziehung der Liebenden im „Herzmaere“ spielt auch der Blick auf die räumliche Nähe und Distanz. Konrad von Würzburg lässt am Anfang der Geschichte das Bild der absoluten Nähe entstehen, indem er die beiden als „so verweben“ (V. 31) beschreibt, dass sie eins geworden sind. Dies hat allerdings zur Konsequenz, dass sie nur noch zusammen existieren können und die räumliche Trennung zum Tod führt.

Anfänglich können sich die Liebenden noch sehen und miteinander sprechen. Unmittelbar vor der räumlichen Trennung, lässt die Dame, genauso wie es auch Isolde mit Tristan tut, ihren geliebten Ritter heimlich zu sich rufen. Sie bittet ihn, ins Heilige Land zu reisen und sich damit räumlich von ihm zu distanzieren. Die Trennung der beiden führt schließlich erst zum Tod des Ritters, danach zum Tod der Dame. Dadurch, dass der Ritter ihr sein einbalsamiertes Herz zukommen lässt und sie es isst, werden sie wiederum eins. Quast spricht davon, dass sie „zu einer communio mit dem verstorbenen Liebhaber, zum Sakrament einer Liebesvereinigung im Zeichen des Todes“ (Quast 2000, S. 315) wird. Es geht eine „spiritualisierende Symbolisierung mit einem Physiologismus der Minne einher, einer sich im körperlichen Schmerz artikulierenden Minne, der die schmerzhafte, ja den Tod zeitigende Entbehrung zugleich höchste Erfüllung bedeutet.“ (vgl. ebd., S.315).

[...]


1 Als Textgrundlage dient die Ausgabe „Die Mähre von der Minne oder die Herzmähre" (1846), herausgegeben von Franz Roth. Alle angegebenen Verse und Zitate aus dem „Herzmaere" beziehen sich auf diese Ausgabe.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die personale Beziehung der Liebenden in Konrad von Würzburgs "Herzmaere"
Autor
Jahr
2021
Seiten
15
Katalognummer
V1140419
ISBN (eBook)
9783346516312
ISBN (Buch)
9783346516329
Sprache
Deutsch
Schlagworte
beziehung, liebenden, konrad, würzburgs, herzmaere
Arbeit zitieren
Jana Schäfer (Autor:in), 2021, Die personale Beziehung der Liebenden in Konrad von Würzburgs "Herzmaere", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1140419

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