Das Konzept "Disenfranchised Grief". Ein Einblick in soziale Normen im Trauerprozess


Hausarbeit, 2021

13 Seiten, Note: 1,0

A. Alon (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Soziale Rolle im Trauerprozess

3 Soziale Normen im Trauerprozess

4 Disenfranchised Grief
4.1 Um wen dürfen wir trauern?
4.2 Was sollen wir fühlen?
4.3 Wer darf trauern?
4.4 Wie sollen wir trauern?

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Tod einer nahestehenden Person ist eine der schmerzlichsten Erfahrungen überhaupt, eine schwere Stresssituation, deren Verarbeitung den Hinterbliebenen die Grenzen der eigenen Belastbarkeit aufzeigt. Die Trauer um den Verlust scheint zunächst ein intrapsychischer Prozess zu sein. Jedoch ist Trauer nicht nur ein individuelles Empfinden, sondern ergibt sich aus sozialen Beziehungen, Erwartungen und Verpflichtungen (Charmaz & Milligan, 2006, S. 525). Um den sozialen Aspekt eines solch intensiven Gefühls zu verstehen, muss man sich in Erinnerung rufen, dass jede Gesellschaft den Rahmen von Trauer absteckt (Brabant, 2002, S. 27). Sowohl verschiedene Normen und Werte als auch der religiöse Kontext beeinflussen die Trauer. Entspricht das Verhalten und Erleben den vorhandenen Regeln und Normen, kann der Betroffenen „davon ausgehen, dass [seine] Trauer sozial anerkannt ist und [er] die, von der jeweiligen Kultur und Gesellschaft vorgesehene, Unterstützung in der Verlustbewältigung erhält“ (Paul & Brinkmann, 2015, S. 10). Doch was passiert, wenn die Art und Weise, wie Menschen trauern oder Verluste erleiden, über gängige Normen hinausgeht? Hier setzt das sozialpsychologische Konzept Disenfranchised Grief an. Es beschreibt ein Aberkennen der Trauer, die nicht in sozial akzeptable Normen innerhalb einer bestimmten Gesellschaft passt (Doka, 1989, S. 10). Betroffene berichten, neben der Verzweiflung über den erlittenen Verlust, über eine zusätzliche emotionale Belastung und Minimalisierung von sozialer Unterstützung – kreiert durch Wahrnehmung und Reaktionen von anderen, mit denen sie täglich interagieren, darunter Familie, Freunde und Mitarbeiter (Harris, 2010, S. 242). So hat das soziale Umfeld tiefgreifende Auswirkungen darauf, wie Hinterbliebene Trauer erfahren und ausdrücken.

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich folglich mit der Frage des sozialen Einflusses auf den individuellen Trauerprozess. Welche Faktoren führen zu einer gesellschaftlichen Aberkennung von Trauer und welche Auswirkung kann dies auf den Betroffenen haben? Anhand von aktuellen Studien zum Thema soll ausgearbeitet werden, unter welchen Bedingungen Disenfranchised Grief entsteht. Es kann somit Einblick in vorherrschende Trauernormen gewährt werden.

Vor diesem Hintergrund kann durch psychologische Forschung die Einflussnahme der sozialen Umwelt auf das Individuum (Werth, Denzler & Mayer, 2020, S. 3) und im Besonderen die soziale Einbettung von Trauer, besser verstanden und erklärt werden.

2 Soziale Rolle im Trauerprozess

Die Beziehung von Menschen zueinander schafft ein Netz von Verbindungen, das von zentraler Bedeutung für unsere persönliche Entwicklung und soziale Identität ist (Werth et al., 2020, S. 227). Mit dem Tod einer nahestehenden Person tritt der Verlust einer solchen Beziehung ein, die Trauer bezeichnet das damit verbundene Erleben als auch Verhalten. Im Englischen wird hier differenziert zwischen „grief“, dem individuellen Trauergefühl und „mourning“, dem Trauerverhalten, das vor allem von sozialen und kulturellen Praktiken geleitet wird (Newman & Newman, 2015, S. 619). Jede Gesellschaft, jeder Kulturkreis hat implizite und explizite Vorgaben, die dem Einzelnen ein Verständnis von Rolle und Ablauf im Trauerprozess vermitteln.

3 Soziale Normen im Trauerprozess

Allgemein anerkannte Vorgaben und Erwartungen werden klassischerweise als soziale Normen definiert (VandenBos, 2015, S. 998). Sie beschreiben Regeln für Verhaltensweisen in bestimmten Situationen. Normen sind ungeschriebene Richtlinien, die vorgeben „what to think or what not to think, what to do or what not to do, and what to feel or not to feel“ (Brabant, 2002, S. 31). Mehrere sozialpsychologische Ansätze beschäftigen sich mit der Entstehung von Normen im Trauerprozess. Nach Harris (2010, S. 243) ist in einem sozialen Kontext immer zu überlegen, wie gängige Normen als Ein- und Ausschlusskriterien dem Interesse der Gruppe dient. Ein Todesfall beeinflusst die soziale Ordnung und Interaktion des Systems (Goodrum, 2008, S. 429). Nicht nur „fehlt“ ein Mitglied, die Hinterbliebenen werden durch ihre Trauer ihrer Rolle in der Gesellschaft nicht mehr gerecht. Überspitzt gesagt, sind ihre Funktionalität und Produktivität eingeschränkt (Jakoby, Haslinger & Gross, 2013, S. 265). Eine Wiederherstellung und Neuorganisation der Gemeinschaft wäre somit das Ziel des von außen gelenkten Trauerprozesses.

Andere Perspektiven rücken emotionale Komponenten in den Vordergrund. Trauer ist eine starke, schwer zu ertragende Emotion, gerade deswegen gibt es eine große Unsicherheit über den Umgang mit betroffenen Personen (Jakoby et al., 2013, S. 261). Implizite Verhaltensstandards helfen Außenstehenden hier, sich in einer emotionalen Situation adäquat zu verhalten. So kann eine einfache Beileidskarte in der westlichen Kultur Mitgefühl und Anerkennung der Trauer ausdrücken.

Gesetze und Verordnungen regeln dagegen explizite Handlungsweisen, die der Ordnung und Aufrechterhalten einer friedlichen Gemeinschaft dienen. Rechtliche Aspekte bestimmen durch z. B. Ausstellung des Totenscheins, Friedhofsordnung oder Erbrecht, wie nach dem Tod einer nahestehenden Person zu verfahren ist.

Hinzu kommen Normen, die an den Hinterbliebenen gerichtet sind. Diese betreffen Ort der Trauer (Friedhof versus Arbeitsplatz), Länge der Trauer (das „Trauerjahr“), Trauerkleidung und andere Bereiche.

Die Einhaltung und Respektierung solcher sozialen Normen und Regeln gewährleisten Anerkennung und Zugehörigkeit (Ridder, 2018, S. 242). Auf der anderen Seite steht die Frage, was passiert, wenn Verhalten und Erleben der trauernden Person nicht mit diesen gesellschaftlichen Erwartungen übereinstimmen. Wichtige Hinweise hierzu können Forschungsbeiträge zum Konzept Disenfranchised Grief bringen.

4 Disenfranchised Grief

Trotz zunehmender Aufmerksamkeit der Gesellschaft für die Trauervielfalt stellen Valentine, Bauld und Walter (2016, S. 291 f.) immer noch ein weites Fehlen von Verständnis für Menschen, die außerhalb der Normen trauern, fest. Dieses Fehlen von Verständnis kann laut Kenneth Doka (1989, S. 6) zu Disenfranchised Grief führen. Laut Doka bedeutet Disenfranchised Grief , dass Trauer von dem Betroffenen verspürt, diese aber gesellschaftlich nicht anerkannt und somit nicht offen validiert wird (Doka, 2002, S. 5). Andere Forscher bevorzugen die Erklärung, dass die Gesellschaft bestimmte Verluste und Trauerarten nicht legitimiert (Robson & Walter, 2013, S. 98). Im deutschsprachigen Raum wird dafür meist die Begrifflichkeit der „Aberkannten Trauer“ benutzt (Paul & Brinkmann, 2015, S. 8). Die zentrale Annahme ist, dass soziale Normen und Regeln bestimmen, ob einem Hinterbliebenen die Berechtigung zur Trauer gegeben wird („to franchise“ = granting permission). Im Folgenden werden Faktoren besprochen, die zu einem Aberkennen dieser Berechtigung, und somit zu Disenfranchised Grief führen können. Über Forschungsarbeiten auf Basis von Kenneth Dokas Konzept können demzufolge eine Reihe von sozialen Normen herausgearbeitet werden, die bestimmen: „who, when, where, how, how long, and for whom people should grieve” (Doka, 1989, S. 4).

4.1 Um wen dürfen wir trauern?

Nach Doka (2002, S. 10) ist ein wichtiger Faktor für die Validierung von Trauer zuerst die Anerkennung der Beziehung zwischen Verstorbenen und Hinterbliebenen. Die Verbindung unter Familienmitglieder genießt in unserer Gesellschaft dabei einen besonders hohen Stellenwert (Doka, 2002, S. 10). Robson und Walter (2013, S. 108) stützen Dokas Annahme einer gewissen Trauerhierarchie. In ihrer Studie wurde gerade engen Familienmitgliedern des Verstorbenen eine sehr hohe Trauerintensität und -länge von Außenstehenden zugestanden. 2017 stellten Fernández-Alcántara und Zech (S. 855) eine höhere Trauerintensität bei steigendem Verwandtschaftsgrad fest. Somit konnten sie die vorherrschende öffentliche Meinung bestätigen. Eine solche Trauerhierarchie verdeutlicht soziale Normen. Die Hinterbliebenen haben ein Recht, im Umkehrschluss aber auch die Pflicht, um ein Familienmitglied angemessen zu trauern.

Obwohl gerade der Eltern-Kind-Beziehung eine hohe Bedeutung zugeschrieben wird (Fernández-Alcántara & Zech, 2017, S. 853), gibt es Ausnahmen. Hierzu gehört die Trauer um einen pränatalen Kindstod: Das Gefühl, die eigene Trauer sei sozial nicht akzeptiert und ein kulturelles Tabu, führten nach einer Metaanalyse von 2016 (Burden et al., 2016, S. 8) bei 31,2 % der Eltern einer Totgeburt zu Disenfranchised Grief . In „The Shame of Death, Grief and Trauma“ (Costa, 2010, S. 26) beschreibt eine Mutter das Aufkommen von Scham nach Ausdruck ihrer Trauer um ihr verstorbenes Kind: „Normal, everyday discourse washed over me as thoroughly dishonest, yet mentioning my son was awkward and inappropriate, a burden on the listener. In some cases I acknowledged my child and lived with the social breach; in others, I refrained.“ Die gesellschaftliche Anerkennung des toten Neugeborenen als Teil der Familie und Legimitierung von dementsprechendem Trauerverhalten fehlt (Burden et al., 2016, S. 4).

Obwohl es sich um eine allgegenwärtige Erfahrung handelt, findet auch der Trauerprozess um einen verstorbenen Freund, Kollegen oder Nachbarn überraschend wenig Beachtung in Literatur und Praxis. Liu, Forbat und Anderson (2019, S. 13) konnten anhand einer groß angelegten Studie feststellen, dass gerade Freunde eines Verstorbenen besonders der Gefahr von Disenfranchised Grief ausgesetzt sind. Forschungsergebnisse deuten auf eine niedrigere Einschätzung von Freundschaft und Bekanntschaften in der Trauerhierarchie hin (Robson & Walter, 2013, S. 107). Betroffene können in ihrem Verarbeitungsprozess weniger soziale Unterstützung und sogar den Ausschluss aus Trauerritualen erfahren (McNutt & Yakushko, 2013, S. 106). Diverse Studien können hier zeigen, dass einige Verluste von außen nicht erfasst und daher als nicht sozial bedeutsam definiert werden.

Andere Beziehungen tragen sogar negative Assoziation mit sich z.B. Liebhaber, homosexuelle Partnerschaften, gewalttätige Partner oder Elternteile, und führen bei dem sozialen Umfeld zu ambivalenten Reaktionen (Newman & Newman, 2015, S. 625; McNutt & Yakushko, 2013, S. 110). Inwieweit ist es akzeptabel, wenn eine Frau um ihren verstorbenen, gewalttätigen Ehemann trauert? Aberkennung der Trauer in solchen Fällen könnte auf eine Stigmatisierung des Verstorbenen zurückzuführen sein (Doka, 2002, S. 11). Als Stigma wird die Erkennung einer Differenzierung, Stereotypisierung oder Kennzeichnung bezeichnet, die in sozialer Abwertung und Ausgrenzung resultiert (Link & Phelan, 2001, S. 377). Durch eine Ausdehnung auf die Hinterbliebenen haben Stigmata auch Einfluss auf deren Trauerreaktionen (Newman & Newman, 2015, S. 625). Wissenschaftlich bestätigt wurden hierhingehend gewisse Todesursachen. Hinterbliebene die um einen selbstverschuldeten Todesfall, z.B. Suizid trauern, haben mit gesellschaftlicher Missbilligung und Abwertung zu kämpfen (Valentine et al., 2016, S. 286). Tod durch Drogenmissbrauch wird mit fehlender Problemlösung und Schuld seitens des sozialen Umfelds assoziiert (Valentine et al., 2016, S. 290). Studien zu Todesursachen wie COVID-19 nehmen an, dass das Brechen von gesellschaftlichen Regeln wie der Exposition und Übertragung von infektiösen Krankheiten, Gründe für eine Stigmatisierung darstellt (Zhai & Du, 2020, S. 80).

Diese Studien machen deutlich, wie soziale Kategorisierung und Stigmata nicht nur Verstorbenen anhaften, sondern auch auf Hinterbliebene projiziert werden. Trauer ist in diesen Fällen nicht legitimiert oder zu erwarten (Doka, 2002, S. 14).

4.2 Was sollen wir fühlen?

Trauer als Gefühl, das den „seelischen Schmerz über einen Verlust oder ein Unglück“ (Dudenredaktion, o.J.) bezeichnet, ist womöglich eines der Stärksten die ein Mensch empfinden kann (Carrillo et al., 2018, S. 125). Forscher beschäftigen sich schon lange damit, dass soziale Faktoren beeinflussen, wie Emotionen hervorgerufen und ausgedrückt werden (Goodrum, 2008, S. 425). Unter dem Begriff „Gefühlsnormen“ fasst Hochschild (1979, S. 563) zusammen, wie Menschen aktiv versuchen, Gefühle an latente Regeln anzupassen. Um soziale Verbindungen einzugehen und zu stärken, „verbinden sich Menschen im emotionalen Sinne durch Erfüllung der emotionalen Anforderungen, die Situationen hervorrufen“ (Hochschild, 1979, S. 572). Individuen streben also nach Zugehörigkeit und möchten dieses auch ausdrücken. Gefühlsnormen können variieren und unterliegen gruppenspezifischen, gesellschaftlichen und kulturellen Regeln (Hochschild, 1979, S. 565 ff.). Auf den Verlust einer nahestehenden Person können dementsprechend eine Vielzahl von Gefühlen und Reaktionen folgen. Allgemein akzeptiert ist auch, dass die intensiven Trauergefühle nicht linear mit der Zeit nachlassen– sie kommen und gehen (Charmaz & Milligan, 2006, S. 520). Es wird angenommen, dass jeder Mensch diese Gefühlsnormen zum Trauererleben verinnerlicht. Jakoby et al. (2013, S. 261 f.) konnten feststellen, dass bei keiner ausgedrückten oder empfundenen Trauer, der Hinterbliebene als emotionslos und kalt eingestuft wird. Zu starke Trauer wird wiederum als Kontrollverlust gesehen. Sie kann sogar bei clusterartigen Symptomen nach der 2022 kommenden ICD-11 als psychische Störung diagnostiziert werden (vgl. „Anhaltende Trauerstörung“, World Health Organization, 2018). Eine Pathologisierung der Trauer hat weitreichende Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft. Eisma (2018, S. 176) kann in seiner Studie aufzeigen, wie Personen mit einer Diagnose der Anhaltenden Trauerstörung selbst stigmatisiert werden. Die Betroffenen werden generell als weniger kompetent, warmherzig und emotional stabil beurteilt. Zusätzlich lösen sie in Außenstehenden ein stärkeres Bedürfnis nach sozialer Distanz aus (Eisma, 2018, S. 176). Durch eine solche Ablehnung, wenig Unterstützung oder sogar Isolation, wird der gefühlte Schmerz verstärkt (Harris, 2010, S. 246). Auch kann er durch die fehlende soziale Validation in andere Emotionen wie Wut, Angst, Hilflosigkeit und Schuld umgewandelt werden (Spidell et al., 2011, S. 77).

Empfindung und emotionaler Ausdruck nach dem Verlust einer nahestehenden Person sind beeinflusst von Erwartungen und Regeln. Gefühle können variieren, sind sie allerdings zu laut oder zu leise, entspricht dies nicht mehr der akzeptierten gesellschaftlichen Norm und kann sozial sanktioniert werden.

4.3 Wer darf trauern?

Vor dem Hintergrund der sozialen Kategorisierung wird jeder Mensch von anderen wahrgenommen und beurteilt. In Bezug auf den Trauerprozess scheint es dahingehend Personengruppen zu geben, die nicht als vollwertige Trauernde wahrgenommen werden. Doka (2002, S. 13) beschreibt in seinem Buch zu Disenfranchised Grief , dass gerade kleinen Kindern, sehr alten Menschen oder Menschen mit geistiger Behinderung zugeschrieben wird, die Bedeutung des Todes nicht zu verstehen und somit das Bedürfnis zu trauern aberkannt wird. In diesen Fällen wird nicht die Beziehung zum Verstorbenen legitimiert, sondern das Recht des Einzelnen (Corr, 1998, S. 3). Forschungsarbeiten der letzten Jahre konnten jedoch belegen, dass sich die Trauer sowohl von geistig behinderten Menschen als auch von Kindern nicht wesentlich von anderen Personengruppen unterscheidet (Paul & Brinkmann, 2015, S. 15). Es wird angenommen, dass ihre Trauer durch fehlende Ausdrucksmöglichkeiten oder Bewältigungsstrategien oft missverstanden wird.

Eine Personengruppe, die einem erhöhten Risiko von Disenfranchised Grief ausgesetzt ist, sind Mitarbeiter des Gesundheitswesens. Studien berichten von bis zu 20% der Seelsorger und des Pflegepersonals die sich nach Tod eines Patienten nicht ausreichend unterstützt fühlen (Spidell et al., 2011, S. 80; Tsui, Franzosa, Cribbs & Baron, 2019, S. 390). Dabei können Mitarbeiter des Gesundheitswesens an vorderster Front unter psychischen und physischen Symptomen von Trauer als Reaktion auf das Sterben von Patienten leiden (Zhai & Du, 2020, S. 80). Gerade von medizinischem Personal wird vom Umfeld häufig eine gewisse Immunität gegenüber dem Verlust von Patienten angenommen. Ein Kommentar aus der qualitativen Studie von Tsui et al. (2019, S. 386) macht zusätzlich auch auf das Spannungsfeld zwischen Professionalität und Trauerausdruck im Berufsalltag deutlich: „They felt a professional responsibility to be strong yet compassionate for both their clients and the clients’ families throughout the dying process. “This is what we are trained for,” one participant said.“ Wie im Zitat angemerkt, gibt es gerade für medizinisches Personal vermehrt Weiterbildungen und Literatur zum Umgang mit Trauer (vgl. Wallace, Wladkowski, Gibson & White, 2020, S. 70 ff.). Dennoch ist anzumerken, dass die Gefahr von Disenfranchised Grief generell am Arbeitsplatz höher einzuschätzen ist. Verständnis und Rücksicht haben in Hinblick auf die Produktivität des Betroffenen ein Verfallsdatum (Harris, 2010, S. 247). Ferner definieren explizite Regelungen im Arbeitsgesetz, wer ein legitimes Recht auf Beurlaubung und somit die Möglichkeit auf Teilnahme von Trauerritualen und Erholung hat. Wenn Institutionen und Arbeitsplätze bei Unterstützung und Validation von Trauer versagen, kann dem Betroffenen eine effektive Trauerverarbeitung erschwert werden (Spidell et al., 2011, S. 77).

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Details

Titel
Das Konzept "Disenfranchised Grief". Ein Einblick in soziale Normen im Trauerprozess
Hochschule
Hamburger Fern-Hochschule
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
13
Katalognummer
V1141073
ISBN (eBook)
9783346524270
ISBN (Buch)
9783346524287
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Trauer, soziale Norm, Trauerprozess, Tod, Normen, Werte
Arbeit zitieren
A. Alon (Autor:in), 2021, Das Konzept "Disenfranchised Grief". Ein Einblick in soziale Normen im Trauerprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1141073

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