Dino Buzzatis 'Appuntamento con Einstein'

Eine Textanalyse


Seminararbeit, 2008

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Textanalyse
2.1 Handlungsanalyse
2.2 Figurenanalyse
2.2.1 Figurenkonstellation
2.2.2 Figurencharakterisierung
2.2.2.1 Die historische Person Albert Einstein als fiktive Figur
2.2.2.2 Iblís
2.3 Analyse des Raums
2.4 Analyse der Zeit
2.5 Analyse des Erzählstils
2.6 Analyse des Erzählanfangs und -schlusses
2.7 Versuch der Gattungszuordnung

3. Resümee

4. Bibliographie

1. Einleitung

Dem italienischen Schriftsteller Dino Buzzati gelang im Jahr 1940 der Durchbruch mit dem Roman „Il deserto die tatari“. „In seiner Epik konstruiert Buzzati häufig phantastische und groteske Situationen, die menschliche Grunderfahrungen [...] versinnbildlichen sollen“ (Wanning: 2005, 143). So auch in seinem im Jahre 1958 verfassten Text Appuntamento con Einstein, der aus der Erzählsammlung Sessanta Racconti stammt und die Gefahren verdeutlicht, die mit einer Vielzahl wissenschaftlicher Entdeckungen verbunden sind. Der Autor schildert in pessimistischem Ton die Folgen einer solchen Entdeckung, die die Welt verändert hat. Diese Erzählung ist typisch für das Werk Buzzatis und soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit analysiert werden.

2. Textanalyse

2.1 Handlungsanalyse

Die Handlung ist zum einen die elementarste und wichtigste Ebene in der Struktur eines Erzähltexts, aber zum anderen gerade deshalb eng mit den übrigen Ebenen verflochten, weshalb sie keinesfalls isoliert von diesen betrachtet werden darf (Vgl. Wenzel: 2004, 48).

Der kurze Text von Dino Buzzati ist eine kritische Reflexion über die Gefahren, die von vielen wissenschaftlichen Entdeckungen ausgehen, denn die Formeln und Rechnungen, „le piccole formulette, le pure astrazioni“ (Buzzati: 1973, 272), sind nicht so harmlos wie man annehmen könnte. Einsteins Relativitätstheorie ebnete den Weg für vielfältige Anwendungsmöglichkeiten der Nuklearenergie und so auch für die Entwicklung neuer Massenvernichtungswaffen. Die Risiken der Wissenschaft, wenn diese dem Militär und skrupellosen Politikern unterworfen ist und ethische Prinzipien missachtet, sind von immensem Ausmaß. In falsche Hände geraten, wird die Wissenschaft zu einem Werkzeug des Teufels und dient der Verwirklichung seiner grausamen Pläne. Gemäß dem Autor ist demnach die Wissenschaft ohne Gewissen nichts anderes als der Vorhof der Hölle.

Buzzatis Erzählung ist eine Parabel auf die Gesellschaft der 40er und 50er Jahre. Der Abwurf der Atombombe im Jahr 1945 sowie der kurz darauf folgende Beginn des Kalten Krieges, das damit verbundene Wettrüsten und die Entwicklung immer gefährlicherer nuklearer Waffen hielten die Welt in Atem. Jedoch verzichtet der Autor auf genaue Zeitangaben und eine nähere Beschreibung des Schauplatzes, um verstärkt darauf aufmerksam zu machen, dass es sich um ein zeitloses, nicht ortsgebundenes Problem handelt. Der Drang nach der Entdeckung von Neuartigem ist Teil des menschlichen Daseins und begleitet uns seit Anbeginn der Zeit. Doch viele Entdeckungen und Erfindungen bringen gleichermaßen auch Gefahren mit sich. So können eigentlich harmlose Formeln und Rechnungen unter Umständen dazu missbraucht werden, tödliche Waffen zu bauen. Aber auch nützliche Erfindungen wie Autos oder Flugzeuge bergen Gefahren in sich. Sie verschmutzen die Umwelt und Autounfälle oder Flugzeugabstürze können viele Menschenleben kosten. Es ist also nicht der Teufel, der die Menschen zerstört, es sind die Menschen selbst.

Die Handlung entfaltet den klassischen Konflikt Gut gegen Böse personifiziert von Einstein und Iblís, wobei die Stellung Einsteins kritisch zu betrachten ist.

Angst ist ein Schlüsselbegriff in Buzzatis Werken und auch hier allgegenwärtig.

Die Handlung weist einen kontinuierlichen Spannungsbogen auf, der mit Erscheinen des Teufels seinen Anfang nimmt. Einstein überschreitet psychisch und auch physisch eine Grenze, als er bedeutende neue wissenschaftliche Erkenntnisse erlangt, welche immensen Schaden verursachen können, und sich zugleich allein an einem fremden, mysteriösen Ort wiederfindet.

Wirkt die Handlung durch die bloße Gedankenwiedergabe des Physikers zunächst sehr statisch, wird sie nun immer dynamischer. Die dramatischen Dialoge zwischen Einstein und dem Todesengel erzeugen eine Spannung, die kontinuierlich ansteigt und am Ende in der Auflösung ihren Höhepunkt findet.

Das offene Ende lässt viel Raum für Interpretationen und lädt den Leser zum Weiterdenken ein. Allerdings ist die Intention des Autors nicht eindeutig. Zwar könnte er das Ende dergleichen konzipiert haben, um Raum für Interpretationen offen zu lassen, aber es wäre ebenfalls denkbar, dass der Autor selbst nicht weiß, wie es weitergeht.

Buzzati greift in seiner Erzählung das traditionell christlich geprägte Motiv der Begegnung mit dem Teufel auf und setzt es zeitgemäß um. Entgegen dieser Tradition lässt er das Böse siegen und verleiht dem Text dadurch ein ebenso überraschendes wie nihilistisches, pessimistisches Ende. Aber auch die Darstellung seines Teufels distanziert sich deutlich von dieser Tradition. Iblís ist der Teufel im Islam und wirkt daher bereits durch sein äußeres Erscheinungsbild befremdlich auf den Leser. Außerdem lässt ihn der Autor im typisch amerikanischen Kleidungsstil auftreten. Iblís trägt unter anderem einen Militärmantel, „aveva un vecchio cappotto militare“ (270), und erklärt dadurch das amerikanische Militär zum Teufel. Buzzatis Kritik am Missbrauch der Wissenschaft am Beispiel der Atombombe ist unübersehbar. Als Iblís Einstein eine Demonstration seiner Macht gibt, nimmt er einigen Blättern das Leben und bläst sie danach fort, wodurch eine Staubwolke entsteht: „una polvere minuta“ (Ebd.). Dieses Bild weckt eindeutig Assoziationen zur Explosion einer Atombombe.

Durch die menschliche Darstellung des Teufels gewinnt die Erzählung an Realismus. Überhaupt ist hervorzuheben, dass der Autor Realismus und Fiktion auf besondere Weise miteinander verbindet. Die Verknüpfung zwischen realer Fakten und dem Fantastischen führt dazu, dass dem Unvertrauten seine Fremdheit genommen wird und es für den Leser als normal erscheint.

Der Versuch, die Erzählung einer Gattung zuzuordnen, erweist sich als äußerst schwierig und soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

2.2 Figurenanalyse

2.2.1 Figurenkonstellation

Im Text kommen lediglich zwei Figuren vor.

Das klassische Gegensatzpaar Gut gegen Böse bildet auch die Grundlage dieser Erzählung. Auf der einen Seite Einstein, eine beliebte historische Persönlichkeit, die dem Leser von Beginn an sympathisch ist. Einstein ist ein Universalgelehrter. Die Wissenschaft ist sein Leben. Er ist von ihrem positiven Nutzen überzeugt und strebt stets nach neuen Erkenntnissen. Zugleich ist er aber auch ein ehrbarer Mann. Geld und Ruhm interessieren ihn nicht und er hält sein Wort, selbst als es um Leben und Tod geht. Auf der anderen Seite sein Pandon, Iblís, der Teufel im Islam und somit der Inbegriff des Bösen.

Auch optisch wird diese Differnzierung sofort ersichtlich. Beide unterscheiden sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild, ihrer Hautfarbe, ihrem Alter und ihrer Statur. Während Einstein als älterer, mittelgroßer, hellhäutiger Mann bekannt ist, wird Iblís vom Autor als jung, groß und schwarz beschrieben. Der Schwarz- Weiß-Gegensatz, der sich somit in der Hautfarbe der Figuren manifestiert, verdeutlicht den Kampf zwischen Gut und Böse.

Allerdings ist diese Unterscheidung zwischen Gut und Böse nicht ganz so simpel, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag, denn bei Buzzatis Charakteren handelt es sich keineswegs um Prototypen. Während die Figur des Iblís weitestgehend den Erwartungen des Lesers entspricht und als von Grund auf Böse und gewieft charakterisiert werden kann, offenbart Einstein trotz seiner vielen positiven Charaktereigenschaften auch dunkle Seiten: Es sind seine Entdeckungen und Ergebnisse, die der Hölle von großem Nutzen sind, da sie zwar sowohl zum Guten genutzt, als auch zum Schlechten missbraucht werden können. Einsteins Naivität wirkt angesichts seiner Intelligenz unglaubwürdig und kann somit keinesfalls als Entschuldigung dienen. Als Wissenschaftler trägt er große Verantwortung und muss sich stets der Gefahren, die seine Entdeckungen mit sich bringen, bewusst sein. Es ist zwar keinesfalls seine Absicht, Schlechtes zu bewirken, jedoch trägt er durch sein neugewonnenes Wissen einen wesentlichen Teil dazu bei. Wenn auch unbewusst, so ist er doch gleichermaßen ein Helfer des Teufels und der Hölle. Buzzati gelingt es durch diese Charakterzeichnung dem Leser zu verdeutlichen, dass die Grenzen zwischen Gut und Böse nicht klar getrennt, sondern fließend sind. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es sich um ein Kontrastpaar handelt, wobei sich die Figur des Einstein allerdings nur schwer in das klassische Schema Gut gegen Böses einordnen lässt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Dino Buzzatis 'Appuntamento con Einstein'
Untertitel
Eine Textanalyse
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Kurzprosa der Moderne von Verga bis heute
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V114174
ISBN (eBook)
9783640156528
ISBN (Buch)
9783640156566
Dateigröße
419 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dino, Buzzatis, Appuntamento, Einstein, Kurzprosa, Moderne, Verga
Arbeit zitieren
Jochen Haag (Autor:in), 2008, Dino Buzzatis 'Appuntamento con Einstein', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114174

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