Sicherstellung der Versorgungsqualität in der außerklinischen 1-zu-1-Intensivpflege


Akademische Arbeit, 2021

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Teil
2.1 GKV-IPReG - Künftig heißt es stationär vor ambulant
2.2 Der demografische Wandel als Herausforderung
2.3 Warum ist heutzutage Mitarbeiterbindung so wichtig?

3 Praktischer Teil
3.1 Vor- und Nachteile im häuslichen Umfeld des Pflegekunden Seite
3.2 Beratungsgespräche
3.3 Anforderungen an den Intensivpflegedienst
3.4 Anforderungen an die Pflegefachperson
3.5 Fort- und Weiterbildungen für Mitarbeiter
3.6 Selbstpflege der Pflegefachperson
3.7 Moderne Arbeitszeitmodelle
3.8 Überprüfung der Versorgungsqualität

4 Fallbeispiel
4.1 Bearbeitung des Fallbeispiels
4.2 Evaluierung / Ergebnissicherung des Fallbeispiels

5 Mein Fazit / Zusammenfassung der Kerngedanken
5.1 Ausblick / Was bringt die Zukunft?

6 Literatur-/ und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Immer mehr Menschen werden in Deutschland außerklinisch invasiv und nicht­invasiv beatmet. Auch wenn die genaue Anzahl aufgrund fehlender Daten unbekannt ist, ist heute von einer Größenordnung von rund 20.000 (vgl. KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin 2018)1 invasiv beatmeten Patienten in Deutschland auszugehen. Die Anzahl nicht-invasiv beatmeter Patienten ist um ein Vielfaches höher. „Im Jahr 2016 wurden nach einer Datenbankrecherche von Professor Christian Karagiannidis, Lungenklinik Merheim, in Deutschland insgesamt rund 86.000 ambulant beatmete Patienten in einer Klinik betreut.“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2019)2 Der Großteil der invasiv beatmeten Menschen ist im ambulanten Bereich Tag und Nacht von qualifiziertem Pflegefachpersonal abhängig. Der Leitspruch „ambulant vor stationär“ machte auch vor der außerklinischen Intensivpflege nicht halt und sorgte dafür, dass viele Intensivpflegedienste in Deutschland sich auf Intensiv­Wohngemeinschaften und 1:1-Versorgungen spezialisiert haben. Der demografische Wandel und unsere stetig älter werdende Gesellschaft führt dazu, dass die Anzahl an Beatmungspatienten auch in Zukunft weiter ansteigen wird. Laut der kassenärztlichen Bundesvereinigung besteht „die Gefahr, dass die individuellen Bedürfnisse der Patienten nicht immer im Mittelpunkt der Behandlung stehen und z.B. das Potenzial der Entwöhnung vom Beatmungsgerät (Weaning) nicht vollumfänglich ausgeschöpft wird.“ (KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin 2018)3 Wie kann heutzutage eine Sicherstellung der Versorgungsqualität in der außerklinischen 1:1 Intensivpflege gewährleistet werden? Wie möchte der Gesetzgeber die Versorgungsqualität sicherstellen, welche Anforderungen bestehen an den Intensivpflegedienst und die Pflegefachkräfte? Was muss der Arbeitgeber tun, um immer genug qualifizierte Pflegefachkräfte zu haben, und diese weiter für die anspruchsvollen Tätigkeiten in der Pflege beatmeter Menschen zu qualifizierten und zu halten, damit diese nicht durch Fluktuation oder Pflexit den Intensivpflegedienst verlassen? Auf diese Fragen gehe ich im Folgenden ein.

2 Theoretischer Teil

Der theoretische Teil beinhaltet das neue Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG), geht weiter auf den demografischen Wandel ein und zeigt auf, warum Pflegefachkräfte heute, mehr denn je, die wichtigste Ressource für jeden ambulanten Intensivpflegedienst sind.

2.1 GKV-IPReG - Künftig heißt es stationär vor ambulant

Das Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz - GKV-IPReG) ist sehr umfangreich. Daher konzentriere ich mich hier ausschließlich auf den Teil, der die außerklinische Intensivpflege in der Häuslichkeit des Pflegekunden betrifft. Fast wäre die außerklinische Intensivpflege nach dem Willen der Bundesregierung, für einen Intensivpflegedienst kein lukratives Geschäftsmodell mehr gewesen. „Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah nämlich vor, dass die Intensivpflege mit Beatmung in den eigenen vier Wänden nur noch die Ausnahme sein soll. Sozial- und Behindertenverbände sahen in der ursprünglichen Fassung eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts von Schwerstpflegebedürftigen. Auch die zuletzt abgeschwächte Regelung war lange umstritten, weil auch sie in den Augen der Kritiker den Krankenkassen ermöglicht hätte, darüber zu entscheiden, ob ein Pflegebedürftiger noch zu Hause behandelt wird oder in einer stationären Einrichtung.“ (AOK­Bundesverband, Berlin 2020)4 Der Gesetzgeber stärkt hier die stationäre Intensivpflege. Zum Einen kann die Versorgungsqualität in der stationären Intensivpflege aufgrund baulicher Gegebenheiten besser kontrolliert und sichergestellt werden, zum Anderen werden in der stationären Intensivpflege deutlich weniger Pflegefachkräfte benötigt als in der 1:1 Versorgung. Hier sind 1:3 Versorgungen an der Tagesordnung, das heißt, statt nur einen Pflegekunden zu versorgen, muss die Pflegefachkraft in einer stationären Intensivpflegeeinrichtung bis zu drei Pflegekunden versorgen, was natürlich ein hohes finanzielles Einsparpotenzial für die Kranken- und Pflegekassen und das Sozialsystem in Deutschland darstellt. Zudem mangelt es schon heute in Deutschland sehr stark an Pflegefachkräften, weswegen dieser Schritt des Gesetzgebers nur logisch erscheint. Derzeit sind nur 19% aller außerklinisichen Intensivpflegeplätze in Schleswig-Holstein in einer stationären Einrichtung, während es in der 1:1 Versorgung 52% sind. Einen schnellen Wechsel von ambulant zu stationär wird es aufgrund mangelnder stationärer Kapazitäten nicht geben können. Der finanzielle Anreiz für neue stationäre Versorgungseinrichtungen ist durch das GKV-IPReG geschaffen worden und es wird in den nächsten Jahren eine Verschiebung in diese Richtung geben. „Durch die weitgehende Entlastung von Eigenanteilen werden zwar erhebliche Anreize gesetzt, doch dieses allein wird nicht genügen. Hierfür bedarf es auch einer Anpassung der Qualitätsvorgaben, die bisher noch nicht erfolgt sind. Bisher existieren noch sehr große Unterschiede zwischen vollstationären und ambulanten Versorgungsmodellen und diese sind in gleicher Weise handlungsleitend. Eine Entscheidung für oder gegen ein Konzept wird dadurch [...] heute noch nicht so deutlich beeinflusst wie erwartet.“ (Patke, Stephan 2021)5

2.2 Der demografische Wandel als Herausforderung

„Die Zeiten, in denen ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nahezu mühelos durch qualifizierten Nachwuchs ersetzt werden konnten, sind - angesichts des demographischen Wandels - vorbei.“ (Wunderlich, Joachim 2006)6 Nicht nur wir werden älter, sondern auch unser Pflegepersonal. Schon heute sind über 40% aller beruflich Pflegenden über 50 Jahre alt. (vgl. Pflegestatistik 2019)7 Weiter wird unsere Gesellschaft immer älter und pflegebedürftiger (vgl. Abbildung 1). Um eine langfristige Versorgungssicherheit zu gewährleisten ist es wichtig, sich schon heute mit der Versorgungssituation in der beruflichen Pflege der nächsten Jahre ausführlich zu befassen, denn die häusliche Pflege ausschließlich durch die Angehörigen wird nicht ewig weiter ansteigen. Die Fälle, in denen die Angehörigen die komplette Pflege eines Beatmungspflichtigen Menschen übernehmen, sind schon jetzt die Ausnahme. Das Pflegepersonal in der außerklinischen 1:1 Versorgung muss schon heute ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Fachwissen vorweisen können und es wird immer schwieriger auf dem dünnen Arbeitsmarkt eben dieses Personal zu finden, für den außerklinischen Bereich weiterzubilden und langfristig zu halten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1

2.3 Warum ist heutzutage Mitarbeiterbindung so wichtig?

„Mehr als 70 Prozent der Mitarbeiter in Gesundheitsfachberufen fühlt sich aktuell überlastet. Jeder dritte Arbeitnehmer, vor allem unter den Intensivpflegern, denkt sogar daran, seinen Job innerhalb der nächsten zwölf Monate zu kündigen. Auch bei Ärzten ist die Erschöpfung in der Pandemie deutlich zu spüren: Rund 45 Prozent gaben hier an, an der Überlastung zu leiden. Und auch hier denken knapp 20 Prozent über eine Kündigung innerhalb des nächsten Jahres nach.“ (Stettner, Andrea 2021)8 Auch wenn hier explizit nicht von den Pflegefachkräften in der außerklinischen Intensivpflege gesprochen wird, welche im Gegensatz zu den Pflegefachkräften in anderen Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten in der 1:1 Versorgung deutlich mehr Zeit für den Pflegekunden haben, so ist auch der Bereich der außerklinischen Intensivpflege personell nicht überbesetzt. Weiter ist es besonders in der außerklinischen Intensivpflege schwer kompetentes Personal zu finden, zur fördern und langfristig zu halten. Der Arbeitgeber muss hier unter anderem große finanzielle und arbeitstechnische Anreize setzen, um sein Fachpersonal nicht an die immer größer werdende Konkurrenz zu verlieren.

3 Praktischer Teil

Die außerklinische Beatmungspflege geht für alle Beteiligten mit großen Herausforderungen einher. Kaum eine Pflegefachkraft hat in der dreijährigen Ausbildung annähernd genug Erfahrung in der Pflege beatmeter Menschen sammeln können, um diese zu jeder Zeit sicher und professionell pflegen zu können. Die Pflege von Beatmungspatienten ist stets individuell zu betrachten und kann nicht pauschalisiert werden. „Angebote zur Zusatzqualifikation von Pflegenden stellen deshalb einen wichtigen Aspekt der Qualitätssicherung dar. Die S2-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ beschreibt (seit 2009) in der aktuellen Version von 2017 die allgemeinen Anforderungen in der außerklinischen Beatmungsversorgung. Ein Schwerpunkt der Leitlinie benennt Maßnahmen, die die Befähigung aller Pflegenden in der außerklinischen Beatmung stärken sollen. So werden Qualitätsanforderungen und Empfehlungen an Pflegefachkräfte und Pflegeassistenten/innen und Strukturanforderungen für die Pflegeorganisation dezidiert benannt.“ (Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V., Freiburg)9 In der außerklinischen Intensivpflege kann nicht nur das häusliche Umfeld des Pflegekunden zum Versorgungsproblem werden, auch werden hohe Anforderungen an den Pflegedienst und seine Mitarbeiter gestellt.

3.1 Vor- und Nachteile im häuslichen Umfeld des Pflegekunden

Nicht nur bleibt das gewohnte Umfeld des Pflegekunden und somit auch das familiäre und teilweise soziale Umfeld bestehen, auch bietet die 1:1 Versorgung dem Pflegekunden die Möglichkeit, so weit wie möglich, Selbstbestimmt zu leben. Es können zum Beispiel Einkäufe, Arztbesuche und Tagesausflüge weiterhin durchgeführt werden. Natürlich ist die 1:1 Versorgung für den Pflegekunden nicht ausschließlich positiv. Die kontinuierliche Anwesenheit des Pflegefachpersonals wird von vielen Pflegekunden als Einschnitt in die Privatsphäre wahrgenommen. Nicht selten muss die Wohnung für die Versorgung umgebaut werden oder ein Wohnungswechsel wird notwendig. Die Versorgung ist durch die ständige Anwesenheit von Pflegefachkräften für die Kranken- und Pflegekassen kostenintensiv. Weiter muss der Intensivpflegedienst für jede Versorgung ein Team aufbauen und dafür oftmals zuerst neues Pflegefachpersonal einstellen und einarbeiten. Mit einer gewissen Vorlaufzeit ist darum zu rechnen. (vgl. Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V., Freiburg)10

3.2 Beratungsgespräche

„Die professionelle Beratung als tragender Bestandteil der Patientenedukation ist ein wesentliches Element der pflegerischen Intervention. Besonders im ambulanten Bereich kommt ihr eine wichtige Bedeutung zu. Was von Pflegenden häufig vergessen wird: Beratungsgespräche müssen explizit dokumentiert werden.“ (Keitel, Petra 2016)11 Diese Beratungsgespräche dienen sowohl zur Qualitätssicherung, als auch zur rechtlichen Absicherung der Pflegefachkraft und des Intensivpflegedienstes. Wenn zum Beispiel der Pflegekunde nachts nicht so regelmäßig gelagert werden möchte wie die Pflegefachkraft es für notwendig betrachtet, so kann der Pflegekunde, sofern er einwilligungsfähig und über die Risiken aufgeklärt worden ist, nach Wunsch gelagert werden ohne dass die Pflegefachkraft im Zweifelsfall zur Rechenschaft gezogen werden kann. Natürlich müssen die Beratungsgespräche gegebenenfalls regelmäßig wiederholt werden. Der Pflegekunde hat jederzeit die Möglichkeit seine Einwilligung zu den im Beratungsgespräch getroffenen Maßnahmen zurückzuziehen. Diese Möglichkeit muss dem Pflegekunden jedoch von der beratenden Pflegefachkraft bewusst gemacht werden.

3.3 Anforderungen an den Intensivpflegedienst

„Die gesetzlichen Bestimmungen sehen keine besonderen Zulassungsvoraussetzungen für Pflegedienste/Pflegeeinrichtungen vor, die beatmete Menschen betreuen (§ 132a Abs2 SGB V, §72 SGB XI).“ (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) e.V., Berlin 2017)12 Da gerade in der Versorgung von beatmeten Menschen ein hohes Maß an Fachkompetenz erforderlich ist, werden sich diese Zulassungsvoraussetzungen wahrscheinlich in den nächsten Jahren deutlich ändern müssen, um den hohen Anforderungen der Beatmungspflege gerecht werden zu können. Neben der qualitativ hochwertigen Einarbeitung von neuen Mitarbeitern ist der Intensivpflegedienst gesetzlich dazu angehalten, all seinen Mitarbeitern zeitnah die notwendige Zusatzqualifikation in Form eines Basiskurses in der außerklinische Beatmungs- und Intensivpflege zu ermöglichen. Die Basiskurse müssen vom Weiterbildungsträger an eine Fachgesellschaft wie die der Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V. oder der KNAIB Fachgesellschaft für außerklinische Intensiv- und Beatmungspflege e.V. zu mindestens angelehnt sein, besser noch von der Fachgesellschaft selbst zertifiziert werden. Der Intensivpflegedienst muss weiter dafür sorgen, selbst zertifiziert werden. Der Intensivpflegedienst muss weiter dafür sorgen, dass er nicht nur Mitarbeiter mit der Basisqualifikation vorhalt. „Für den Beatmungsbereich sollen vom Unternehmen speziell qualifizierte examinierte Pflegefachkräfte als Fachbereichsleitung vorgehalten werden. Die Anzahl der eingesetzten Fachbereichsleiter im Unternehmen soll sich an der Anzahl der betreuten Patienten orientieren. Die Zuständigkeit eines Fachbereichsleiters sollte 12 Patienten nicht überschreiten. Die Fachbereichsleitung dient innerhalb des Pflegedienstes als Wissensmultiplikator; sie soll nicht die Pflegedienstleitung in einer Person sein.“ (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) e.V., Berlin 2017)13

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Sicherstellung der Versorgungsqualität in der außerklinischen 1-zu-1-Intensivpflege
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
18
Katalognummer
V1142051
ISBN (eBook)
9783346514318
ISBN (Buch)
9783346514325
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Außerklinische, Intensivpflege, Wohngemeinschaft, Pflege, Qualitätsmanagement, Pflegekammer, Pflegeberufekammer
Arbeit zitieren
Kevin Damerow (Autor:in), 2021, Sicherstellung der Versorgungsqualität in der außerklinischen 1-zu-1-Intensivpflege, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1142051

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