Der Einfluss des Deutschen auf Pidginsprachen in Papua-Neuguinea. Das Beispiel von Tok Pisin und Unserdeutsch


Masterarbeit, 2021

89 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Geschichte Papua-Neuguineas
2.1 Deutsche Kolonien in Papua-Neuguinea
2.2 Geographische und wirtschaftliche Lage in Papua-Neuguinea
2.3 Soziale und politische Lage in Papua-Neuguinea
2.4 Entstehung einer einheitlichen Sprache in Papua-Neuguinea

3 Pidgin-und Kreolsprachen
3.1 Pidginsprachen in Papua-Neuguinea
3.2 Kreolsprachen in Papua-Neuguinea
3.3 Einordnung des Tok Pisin und Unserdeutsch

4 Tok Pisin
4.1 Entstehung des Tok Pisin
4.2 Geographische Verbreitung des TokPisin
4.3 Stetiger Wandel und Schwierigkeiten des TokPisin
4.4 Einflüsse anderer Sprachen im TokPisin

5 Unserdeutsch
5.1 Entstehung des Unserdeutsch
5.2 Geographische Verbreitung des Unserdeutsch
5.3 Stetiger Wandel und Schwierigkeiten im Unserdeutsch
5.4 Einfluss anderer Sprachen im Unserdeutsch

6. Einfluss der deutschen Sprache auf Tok Pisin
6.1 Einfluss der deutschen Sprache auf die Syntax des Tok Pisin
6.2 Einfluss der deutschen Sprache auf die Phonetik des Tok Pisin
6.3 Einfluss der deutschen Sprache auf die Lehnwörter im Tok Pisin

7. Einfluss der deutschen Sprache auf Unserdeutsch
7.1 Einfluss der deutschen Sprache auf die Syntax des Unserdeutsch
7.2 Einfluss der deutschen Sprache auf die Phonetik des Unserdeutsch
7.3 Einfluss der deutschen Sprache auf die Lehnwörter im Unserdeutsch

8. Einfluss des Deutschen anhand von Textbeispielen im Tok Pisin
8.1 Analyse des Textes: 1962 New Guinea
8.1.1 Analyse der Syntax im Text: 1962 New Guinea
8.1.2 Analyse der Phonetik im Text: 1962New Guinea
8.1.3 Analyse der Lehnwörter im Text: 1962New Guinea
8.2 Analyse des Textes: German-influenced Tok Pisin
8.2.1 Analyse der Syntax im Text: German-influenced Tok Pisin
8.2.2 Analyse der Phonetik im Text: German-influenced Tok Pisin
8.2.3 Analyse der Lehnwörter im Text: German-influenced Tok Pisin

9. Einfluss des Deutschen anhand von Textbeispielen im Unserdeutsch
9.1 Analyse des Textes: Lebensgeschichtliches
9.1.1 Analyse der Syntax im Text: Lebensgeschichtliches
9.1.2 Analyse der Phonetik im Text: Lebensgeschichtliches
9.1.3 Analyse der Lehnwörter im Text: Lebensgeschichtliches
9.2 Analyse des Textes: Über die Familie
9.2.1 Analyse der Syntax im Text: Über die Familie
9.2.2 Analyse der Phonetik im Text: Über die Familie
9.2.3 Analyse der Lehnwörter im Text: Über die Familie

10. Vergleich Tok Pisin und Unserdeutsch
10.1 Vergleich Einfluss des Deutschen in TokPisin und Unserdeutsch: Syntax
10.2 Vergleich Einfluss des Deutschen in TokPisin und Unserdeutsch: Phonetik
10.3 Vergleich Einfluss des Deutschen in TokPisin und Unserdeutsch: Lehnwörter

11. Einfluss des Deutschen auf Tok Pisin und Unserdeutsch in der Gegenwart

12. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Tabellenverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Phonetik des TokPisin: Konsonantensystem

Tabelle 2: Exakt transferierte Lehnwörter des Deutschen im Tok Pisin

Tabelle 3: Phonetisch Veränderte Lehnwörter aus dem Deutschen im Tok Pisin

Tabelle 4: Phonetik des Unserdeutsch: Konsonantensystem

Tabelle 5: Phonetisch veränderte Lehnwörter des Deutschen im Unserdeutsch

Abbildungsverzeichnis

Abb.1: Entstehung von Pidgin- und Kreolsprachen

Abb.2: Einflüsse anderer Sprachen auf das Tok Pisin

Abb.3: Variationen des Unserdeutsch

Abb.4: Einflüsse anderer Sprachen im Unserdeutsch

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Im Rahmen der europäischen Expansion beginnend im 15. Jahrhundert wurden zahlreiche neue See- und Handelsrouten entdeckt und erschlossen. Eine der bedeutendsten war die von portugiesischen Seefahrern erschlossene Westindienroute, die vorbei am indischen Subkontinent zu den sogenannten Gewürzinseln des heutigen Ozeaniens führte. Die Machtverschiebungen auf dem europäischen Kontinent veränderten in den folgenden Jahrhunderten immer wieder die Kräfteverhältnisse - auch in den von europäischen Großmächten dominierten, neuen Teilen der Welt. Im 17. Jahrhundert kontrollierte die niederländische Ostindien-Kompanie den lukrativen Gewürzhandel und implementierte kolonialistische Maßnahmen auf den anliegenden Inselgruppen. Zu den betroffenen Inseln zählte auch Papua-Neuguinea. So wurden auch dort von den Niederländern Anstrengungen unternommen, das Gebiet zu erschließen sowie politische und ökonomische Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung aufzubauen. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Westteil Papua-Neuguineas unter niederländische Flagge gestellt und somit auch formal als niederländische Kolonie annektiert. Im Ostteil der Insel kam es im Folgenden zu Streitigkeiten über die Vorherrschaft zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien. Hier wird sich im Wesentlichen mit dem Ostteil der Insel Neuguinea; Papua-Neuguinea beschäftigt.

Wie in den meisten Kolonien rückten die natürlichen Ressourcen wie Kokosnüsse, Kakao, Gold und Kaffee des neu entdeckten, scheinbar herrscherlosen Landes schnell ins Augenmerk der neuen Besatzer. Diese Ressourcen wurden durch neu geschaffene Minen und Plantagen unter Nutzung der menschlichen Arbeitskraft der einheimischen Bevölkerung ausgebeutet. Aufgrund der Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den ausländischen Besatzern und der indigenen Bevölkerung entstand der Bedarf nach einer für beide Parteien verständlichen Sprache. Verschiedene Pidgin- und Kreolsprachen übernahmen im Laufe der folgenden Jahrhunderte diese Funktion.

Als Pidiginsprache wird eine reduzierte und vereinfachte Sprachform bezeichnet, welche die Kommunikation zwischen Sprechern unterschiedlicher Sprachen als sogenannte Lingua Franca ermöglicht. Piginsprachen entstanden vorwiegend in der Kolonialzeit als Mittel zur Verständigung zwischen Kolonialmächten und der nativen Bevölkerung. Die Basis der Pidginsprachen, die Superstratsprache, bildete sich dabei aus den Sprachen der Kolonialmächte heraus, also vorwiegend aus den Sprachen Englisch, Französisch, Portugiesisch, Spanisch und vereinzelt auch Deutsch. Die Grammatik wird üblicherweise in vereinfachter Form der Substratsprache entnommen. Als Muttersprache werden Pidginsprachen selten erlernt. Üblich ist die Aneignung der Sprachkenntnisse im Kontext der rudimentären und kurzfristigen Verständigung. Langfristig überdauerten verschiedene Elemente der unterschiedlichen Pidginsprachen und manifestierten sich in den dauerhafteren Kreolsprachen, welche als Muttersprache erlernt werden.

In Papua-Neuguinea entstand zu Kolonialzeiten eine Vielzahl an Pidginsprachen, von denen sich einige bis in die heutige Zeit als etablierte Kreolsprachen erhalten konnten. Diese Arbeit befasst sich mit der vormaligen Pidginsprache Tok Pisin und der einzigen deutschbasierten Pidginsprache Unserdeutsch, die beide noch heute als Kreolsprachen weiterleben. Im Fokus steht dabei der Einfluss der deutschen Sprache auf die beiden Sprachen Tok Pisin und Unserdeutsch in den Bereichen Syntax, Phonetik und Lexik.

Im ersten Kapitel dieser Arbeit werden der geschichtliche Hintergrund, sowie die politische, ökonomische und sozio-kulturelle Situation in Papua-Neuguinea erläutert; dies dient dem besseren Verständnis der historischen und aktuellen Gegebenheiten, welche die Sprache in Papua-Neuguinea beeinflussten. Hierauf aufbauend wird in einem Kapitel die Entstehung der Pidginsprache sowie ihre Etablierung als Kreolsprache erörtert. Im Folgenden wird der Unterschied zwischen Pidgin- und Kreolsprachen erläutert. Dies bietet die sprachwissenschaftliche Grundlage für die weitere Analyse der beiden Sprachen Tok Pisin und Unserdeutsch. Folgend wird die Entstehung und geographische Verbreitung der beiden Sprachen erläutert. Hierbei wird auch die heutige Situation kurz dargestellt.

Nachfolgend wird auf die Einflüsse der deutschen Sprache im Tok Pisin eingegangen. Dabei werden primär die Syntax und Phonetik sowie die Verwendung von Lehnwörtern aus dem Deutschen analysiert. Ein originaler Text, entnommen aus einem Brief aus dem Jahre 1962 welcher an meinen Großvater Gottfried Veit geschrieben wurde, sowie der Text German- influenced Tok Pisin aus Mühlhäuslers Tok Pisin Texts dienen hierbei als Analysegrundlage. Anschließend wird in einem Kapitel auf die Einflüsse der deutschen Sprache auf die Kreolsprache Unserdeutsch eingegangen, ebenfalls in Anbetracht der Einflüsse in den Bereichen Grammatik und Phonetik sowie der Verwendung von Lehnwörtern. Diese werden nun ebenfalls anhand zweier verschriftlichter Interviews: Lebensgeschichtliches und Über die Familie aus dem Paper Dekreolisierung und Variation im Unserdeutsch von Peter Maitz verdeutlicht.

Abschließend werden beide Sprachen in einer zusammenfassenden Analyse unter Einbezug der Textbeispiele verglichen. In einem folgenden Kapitel werden bis in die heutige Zeit andauernde Einflüsse des Deutschen auf Tok Pisin und Unserdeutsch thematisiert. In einem Fazit wird die Frage nach den Einflüssen der deutschen Sprache auf die beiden Kreolsprachen Tok Pisin und Unserdeutsch mit Schwerpunkt auf die Bereiche Syntax, Phonetik und Lehnwörter beantwortet sowie Einflüsse des Deutschen in der Gegenwart konkretisiert und die Differenz zwischen dem Einfluss der deutschen Sprache auf Unserdeutsch und Tok Pisin dargestellt. Ferner werden weitere Forschungsmöglichkeiten in Bezug auf Einfluss des Deutschen auf die beiden Sprachen dargestellt.

2 Geschichte Papua-Neuguineas

Das Staatsgebiet des heutigen Papua-Neuguinea umfasst die Osthälfte der im südlichen Pazifik gelegenen Insel Neuguinea sowie mehrere ihr vorgelagerte Inseln. Der portugiesische Seefahrer Jorge de Meneses geriet im Jahr 1526 auf seinem Weg zu den Molukken in einen Sturm und sichtete in Folge dieser ungeplanten Kursänderung als erster Europäer die Nordküste Neuguineas (vgl. Wesemann 1985: 130f.).

Den Namen „Neuguinea“ erhielt die Insel erst 1545, als der Spanier Ingo Ortiz de Retez sie aufgrund der Ähnlichkeit zur Küstenlandschaft des afrikanischen Guineas „Neuguinea“ nannte (vgl. ebd.: 131).

Erst im Jahr 1623 wurden große Teile der Küste Neuguineas durch den Niederländer Jan Carstenszoon im Auftrag der Niederländischen Ostindien-Kompanie erstmals kartographiert. Seither wurden von der Niederländischen Ostindien-Kompanie machtpolitische und wirtschaftlich motivierte Kontakte zur Region unterhalten. Dies kulminierte in der formalen Inbesitznahme des Westteils Neuguineas durch die Niederländische Ostindien-Kompanie im Jahr 1828 (vgl. ebd.: 131ff.).

Im Osten der Insel kam es zu Streitigkeiten um die Vorherrschaft zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien, welche erst 1885 durch die Teilung des Ostteils in zwei gleichwertige Gebiete beigelegt wurden. Im Norden entstand Kaiser-Wilhelms-Land unter deutscher Herrschaft und im Süden Britisch-Neuguinea unter der Herrschaft Großbritanniens (vgl. Ebd.: 139ff.). Ein weiterer Mitspieler wurde das seit 1902 von England unabhängige Australien, welches die Kontrolle über Britisch-Neuguinea übernahm und fortan als Territorium Papua verwaltete (vgl. ebd.: 143f.; vgl. Knoller 2012: 11f.). Die zwei Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten weitere Verschiebungen der Kontrolle über die Inselgruppen zur Folge.

Australien trat im Rahmen seiner Zugehörigkeit zum British Empire dem ersten Weltkrieg auf Seiten der Entente bei. Da das gegnerische Deutsche Reich keinerlei Schutztruppen in dem von ihm besetzten Teil Neuguineas stationiert hatte, fiel dieser Teil nahezu kampflos an Australien. Im zweiten Weltkrieg blieb Neuguinea nicht von den japanischen Expansionsbestrebungen verschont, die die zwischenzeitliche Besetzung weiter Teile des Südostasiatischen Pazifikraums durch das japanische Kaiserreich zur Folge hatte. Ab Januar 1942 begannen japanische Expeditionskorps auch mit der Invasion der australischen und niederländischen Besatzungen auf Neuguinea und Papua, konnten jedoch durch hauptsächlich australische Streitkräfte zurückgedrängt werden. Mit der vollständigen Kapitulation Japans am 15. August 1945 endeten auch die Kampfhandlungen auf Neuguinea und die Besitzverhältnisse vor 1942 wurden wieder formal eingeführt. Der niederländische Westteil wurde 1962 an Indonesien angegliedert (vgl. Wesemann 1985: 174ff.). Der noch unter australischer Verwaltung stehende Teil Papuas votierte 1972 mehrheitlich für eine Unabhängigkeit, welche 1973 formell ratifiziert wurde. 1975 erlangte der Staat Papua­Neuguinea seine volle Souveränität (vgl. ebd.: 180f.).

2.1 Deutsche Kolonien in Papua-Neuguinea

Ab dem 18. Jahrhundert unternahmen zahlreiche deutsche Muttersprachler Forschungsreisen in das Gebiet des Südpazifiks. Es kam zu ersten Kontakten mit der einheimischen Bevölkerung. Dies steigerte das wirtschaftliche Interesse an den südpazifischen Inseln. Norddeutsche Handelshäuser expandierten in die Regionen im Südpazifik. Sie bewirtschafteten dort Plantagen, auf welchen Kokosnüsse, Kakao und Kaffee angebaut wurden (vgl. Engelberg 2006: 3f.). Deutsche Kolonialmächte dominierten in den Jahren 1860-1880 den Handel im Südpazifik und besaßen damit starken Einfluss in der Region (vgl. ebd.; vgl. Mühlhäusler 1984: 444ff.). Einige Gebiete Papua-Neuguineas, Kaiser-Wilhelms-Land und Bismarckarchipel sowie die nördlichen Salomonen wurden im Jahre 1884 zum Schutzgebiet unter deutscher Verwaltung erklärt (vgl. ebd.). Zu dieser Zeit umfasste das vom deutschen Reich verwaltete Gebiet im Südpazifik circa 90.000 Quadratmeilen, also 230.000km[2], und beheimatete circa eine Million indigener Einwohner. Die deutsche Expansion dauerte bis circa 1900 an. Es wurden noch einige der vorgelagerten Inseln an das Gebiet angeschlossen, wie die Palau-Inseln, die Marshallinseln, Nauru, die Marianen, die Kardinen und Samoa (vgl. ebd.; vgl. ebd. 163f.). Die deutschen Besatzungsmächte bemühten sich um die Errichtung eines modernen Verwaltungsapparates nach deutschem Vorbild. Es sollten Institutionen wie Gerichte, Polizei sowie ein modernisiertes Bildungswesen etabliert werden (vgl. ebd.).

2.2 Geographische und wirtschaftliche Lage in Papua-Neuguinea

Die Insel Neuguinea, welche sich im Pazifischen Ozean nördlich von Australien und südlich des Äquators befindet, ist mit einer Fläche von 771.900 km[2] nach Grönland die zweitgrößte Insel der Welt (vgl. Wesemann 1985.: 12.). Der Westteil der Insel wurde 1963 von Indonesien als Provinz West-Irian/Irian Jaya annektiert. Der Osten, welcher in dieser Arbeit im Fokus steht, wurde 1975 zum unabhängigen Staat Papua-Neuguinea. Die Grenzen zwischen dem West- und Ostteil der Insel wurde entlang des 141. Östlichen Längengrades im Westen ohne Rücksicht auf die geographischen und ethnischen Gegebenheiten gezogen (vgl. ebd.: 12f.). Papua-Neuguinea gehört zum pazifischen Großraum Melanesien, dieser umfasst das Gebiet „[...] von Neuguinea im Westen bis zu den Fidschi-Inseln im Osten und Neukaledonien im Süden [...].“ (Ebd.: 12). Der Name Melanesien stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie schwarze Inseln, was zum Zeitpunkt der Namensgebung an die dunkle Hautfarbe der Einheimischen des Gebiets anlehnen sollte (vgl. ebd.).

Papua-Neuguinea umfasst außer dem östlichen Teil der Insel die ihm vorgeordneten Inseln: Bismarck-Archipel mit den Hauptinseln Manus, Neubritannien und Neuirland, sowie die beiden nördlichsten Inseln der Solomonen-Gruppe, Bougainville und Buka und die Trobriand- und die d'Entrecasteaux-Inseln (vgl. ebd.: 12f.).

Die Insel Neuguinea liegt zwischen dem tiefen ozeanischen Becken des Pazifiks und der kontinentalen Landmasse von Australien. Sie ist demnach Teil der bewegten Zone der Erdkruste, welche den pazifischen Ozean umgibt. Daher ist sie durch verschobene gefaltete Gebirgsmassive, Inselbögen und bis in die Gegenwart anhaltende Erdbeben und ausbrechende Vulkane charakterisiert (vgl. ebd.: 13ff.). Papua-Neuguinea ist folglich durchzogen von topologischen Kontrasten.

Die Insel ist unter anderem durchzogen von einem Gebirgsmassiv, den Kordilleren, welche circa die Hälfte des Festlandes einnehmen. Die Kordilleren bilden jedoch keine geschlossene Gebirgskette, sondern viel eher ein verästeltes Bergsystem durchzogen von Hochebenen (vgl. ebd.: 13ff.). Die Höhenunterschiede in den Gebirgsregionen führten zu einer sogenannten Schichtung der Klimazonen und damit zu den verschiedensten Vegetationsformen. Unter anderem finden sich in Neuguinea neben Regenwäldern, künstlich angelegten Grünflächen, Hochgebirgswäldern, alpinen Grasnarben und Sumpflandschaften auch einige Korallenriffe (vgl. ebd.: 14f.). Auch die Flora und Fauna Neuguineas ist durch große Vielfältigkeit geprägt (vgl. ebd. 19ff.).

Papua-Neuguinea ist seit Mai 2012 in 20 Provinzen, den Hauptstadt-Distrikt National Capital District sowie die autonome Region Bougainville eingeteilt (vgl. Kaschinski/Spehr/Mari 2018: 38ff.). Das Straßennetz zwischen diesen Regionen ist nach westlichen Standards nur schlecht ausgebaut, nur circa 600 km der 19.600km Straße sind asphaltiert (vgl. Auswärtiges Amt 2021a).

Im internationalen Vergleich ist auch die Wirtschaft Papua-Neuguineas in Hinblick auf Technologisierung und Diversifizierung schlecht positioniert. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2019 betrug ca. 24 Milliarden Euro, das um Kaufkraft bereinigte BIP pro Kopf beträgt derzeit zwischen 3.000 und 4.000 Euro (vgl. Statistisches Bundesamt 2020: 3). Hauptexportgüter aus Papua-Neuguineas sind Perlen, Schmuck- und Edelsteine, Gold und andere Edelmetalle. Hauptimportgüter sind Maschinen, Transportausrüstung und Industriegüter (vgl. ebd.: 10). Die wesentlichen wirtschaftlichen Aktivitäten des Landes konzentrieren sich auf Landwirtschaft sowie Fischfang und Viehzucht (vgl. Knoller 2012: 59ff.). Auch in der Gegenwart spielt der Tauschhandel in der Gesellschaft Papua­Neuguineas eine signifikante Rolle. Vielerorts wird an Stelle von Geld mit Muscheln für Nahrungsmittel oder für Vieh bezahlt (vgl. ebd. 70ff.). Vor der Ankunft europäischer Siedler wurde die Landwirtschaft, wie in den meisten archaischen Gesellschaften, nach dem Prinzip der Subsistenzwirtschaft betrieben. Mit der Errichtung von kommerziell arbeitenden Plantagen wurde die Landwirtschaft industriellen Maßstäben unterworfen und produzierte von nun an Überschüsse für den Verkauf. Kokosnüsse, Kaffee und Kakao konnten nun im großen Stil exportiert werden. Diese Produkte haben noch heute einen signifikanten Anteil an den Exportgütern Papua-Neuguineas (vgl. Engelberg 2006: 3f.).

Ein weiterer Industriezweig, der vor der Ankunft der Europäer in Papua-Neuguinea weitestgehend unbekannt war, war der Bergbau- und Minensektor. Unter europäischer Führung wurde mit der industriellen Ausbeutung der Bodenschätze begonnen, unter anderem großer Vorkommen der Edelmetalle Gold und Silber. Die Minen wurden dabei meist von australischen, deutschen oder englischen Firmen betrieben. Die indigene Bevölkerung fand ihren Platz in diesem neuen System hauptsächlich als kostengünstige Arbeitskraft ohne signifikantes Mitbestimmungsrecht. Auch war es nicht unüblich, Mitglieder der indigenen Bevölkerung Papua-Neuguineas an Betriebe in umliegenden Kolonien (wie nach Fidschi oder Australien) zu entsenden (vgl. Wesemann 1985: 184ff.). In jüngerer Vergangenheit entstanden in Papua-Neuguinea zahlreiche Minen und Bergwerke unter der Führung von US-amerikanischen, australischen sowie chinesischen Großkonzernen (vgl. Seib 2016: 1ff.).

Der Handel innerhalb Papua-Neuguineas ist stark geprägt durch die Stammessysteme, daher wird beispielsweise unter verfeindeten Stämmen entweder gar nicht oder wenn dann zu unfairen Konditionen gehandelt. Auch die geographische Lage verschiedener Stämme führt dazu, dass die Spannungen zwischen diesen dauerhaft bestehen bleiben oder sogar verstärkt werden. So entstehen beispielsweise immer wieder Spannungen zwischen den Bewohnern der Küste undden Highlands im Landesinneren, da diese ökonomisch voneinander abhängig sind. Die Küstenregionen Papua-Neuguineas weisen einen wesentlich höheren Urbanisierungsgrad auf als die zentral gelegenen und ländlich geprägten Highlands. Staatliche Subventionen und Investitionen bevorzugen die städtisch geprägten Küstenregionen, was das Entwicklungsgefälle auch im Hinblick auf Produktion und Verarbeitung verstärkt. Diese Diskrepanz hat ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden Regionen geschaffen, welches insbesondere von den Bewohnern der Highlands als unangenehm wahrgenommen wird. Verstärkt werden diese Spannungen durch die nach wie vor wichtigen Stammesstrukturen (vgl. Mückler 2000: 89ff.).

Die wechselnden Konflikte zwischen den Stämmen haben großen Einfluss aufden Handel beziehungsweise den Austausch von Gütern. Der Zugang zu bestimmten Ressourcen und Gütern ist in vielen Fällen abhängig von der jeweiligen Stammeszugehörigkeit der handelnden Parteien. Für die Mitglieder fremder Stämme werden üblicherweise deutlich höhere Preise festgesetzt, falls ein Kaufgeschäft überhaupt zustande kommen kann (vgl. ebd.).

Aus wirtschaftlicher Sicht spielt der Tourismus in Papua-Neuguinea nur eine sehr geringe Rolle. Trotz natürlicher Sehenswürdigkeiten wird das Land nur von durchschnittlich70.000 Touristen pro Jahr besucht. Zum Vergleich weisen die Malediven jährlich ungefähr eine Millionen Touristen auf(vgl. Laenderdaten. info 2018). Dieser Umstand wird vor allem auf die hohe Kriminalitätsrate, eine allgemein unsichere Rechtslage sowie die spärlich ausgebaute Infrastruktur zurückgeführt. Wird auchdie soziale und politische Lage innerhalb Papua-Neuguineas durch Spannungen charakterisiert?

2.3 Soziale und politische Lage in Papua-Neuguinea

In Papua-Neuguinea leben gegenwärtig circa 750 Stämme, welche immer wieder in Konflikte und Stammeskriege verwickelt sind (vgl. Knoller 2012: 13; vgl. Auswärtiges Amt 2021a). Papua-Neuguinea ist ein archaisch geprägtes Land; Konventionen, Gebräuche und Lebensweisen dieser Stammesgesellschaften werden in weiten Teilen des Landes bis in die Gegenwart praktiziert (vgl. Knoller 2012: 19ff.; vgl. Wesemann 1985: 45ff.). Die damit einhergehenden Riten und Vorschriften der Stammesgesellschaften stehen meist über den durch die Zentralregierung in der Hauptstadt Port Moresby erlassenen Gesetzen (vgl. ebd.). Da sowohl innerhalb der Regierung als auch der Polizei Mitglieder der Stämme agieren, werden selbst schwere Straftaten wie Mord nicht immer mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft, wenn es sich beispielsweise um ein Mitglied des eigenen Stammes handelt (vgl. Knoller 2012: 19ff.). Darüber hinaus sind Korruption und Vetternwirtschaft allgegenwärtig. So befand sich Papua-Neuguinea 2018 auf Platz 138 von 180 Plätzen auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International und lag damit gleichauf mit Ländern wie Russland und Mexiko (vgl. Transparency International Deutschland e.V.). Zudem ist der Glaube an Geister, Hexen und Flüche in vielen Stammesgesellschaften Papua­Neuguineas bis in die heutige Zeit von großer Relevanz. Aufgrund der hierauf basierenden Riten und Vorstellungen werden noch heute Morde und Straftaten begangen. Die Mitglieder vieler Stämme glauben beispielsweise an Sangumas, einen Fluch, welcher vom Hund auf den Menschen übertragen wird. Dieser wird laut den Stammesmitgliedern jedoch nicht bloß durch einen Biss des Hundes, sondern durch dessen bloße Anwesenheit in der Nähe eines Menschen übertragen. Nach einer solchen Begegnung muss diese Person, nun vom Sangumas-Fluch besessen, augenblicklich umgebracht werden. Basierend auf den Beschreibungen der beobachteten Symptomatik handelt es sich bei dem vermeintlichen Fluch wohl um die Tollwut. Wenn jedoch das Konzept von Erkrankung und Behandlung beziehungsweise Therapie gänzlich unbekannt ist, bleiben den Betroffenen lediglich brachiale Maßnahmen zur Abwehr und Eindämmung der Bedrohung (vgl. Knoller 2012: 56ff.). In diesem Kontext ist die Tötung der erkrankten Person aus Sicht des Täters kein Mord, sondern vielmehr eine Form von Notwehr. Argumentationen wie diese haben noch heute Einfluss auf die Rechtsauffassung in weiten Teilen der Gesellschaft Papua-Neuguineas (vgl. Knoller 2012: 56ff.). Christliche Missionierungsversuche hatten auf diese Vorstellungen nur begrenzten Einfluss (vgl. Wesemann 1985: 47ff., 187ff.).

Die Politik Papua-Neuguineas ist ebenso wie die Wirtschaft durch Unruhen zwischen den unterschiedlichen Stämmen gekennzeichnet, vorwiegend betroffen sind die größeren Städte Port Moresby, Lae, Mount Hagen aber auch die Hochlandprovinzen. Aufgrund der Unruhen belegt Papua-Neuguinea den 74. Platz von 167 Plätzen des Demokratieindexes, wird heute aber als gefestigt beschrieben (vgl. Auswärtiges Amt 2021c). Papua-Neuguinea ist seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1975 Mitglied des Commonwealth of Nations. Das offizielle Staatsoberhaupt ist demnach Elisabeth II, jedoch nicht als britische Königin, sondern als Königin von Papua-Neuguinea (vgl. Auswärtiges Amt 2021b). Sie wird im Land durch einen Generalgouverneur vertreten. In Port Moresby wird dieser durch ein 111 Abgeordnete umfassendes Nationalparlament bestimmt, welches alle fünf Jahre neu gewählt wird (vgl. Australian Government 2020).

In Papua-Neuguinea gibt es diverse Problematiken mit Konfliktpotenzial. Der erste dieser Konfliktherde ist die Spannung zwischen Land und Stadt. Diese entsteht unter anderem durch die unterschiedliche Verteilung der staatlichen Subventionen. Etwa vier Fünftel der Bevölkerung Papua-Neuguineas lebt in ländlichen Gebieten. Diese benötigten höhere Subventionen für medizinische Versorgung, Ausbau der Infrastruktur sowie den Ausbau des Bildungssektors. Ein Großteil der Subventionen verbleiben jedoch in den Städten und werden wenig bis gar nicht in ländliche Gegenden investiert (vgl. ebd.: 87f.). Den zweiten Konfliktherd bildet die Spannung zwischen Küstenbewohnern und Bewohnern der Highlands, siehe auch Kapitel 2.2 (vgl. Mückler 2000: 89ff.). Der dritte Konfliktherd entsteht durch die von Korruption geprägten Strukturen innerhalb staatlicher Institutionen. Viele Stellen innerhalb dieser werden nur aus Gründen der persönlichen Bereicherung angetreten, was das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen beschädigt (vgl. ebd.: 93f.). Den vierten Konfliktherd bildet der Kampf zwischen den Big-Men und der staatlichen Administration. Als Big-Men werden Männer eines Stammes beschrieben, welche durch Geschicklichkeit und eigene Leistung zum Wohl des Stammes beitragen. Die Aufgabe der Big-Men ist es vor allem, die diplomatischen Beziehungen mit benachbarten Gruppen auszubauen und zu erhalten. Da sie sich jedoch in ihrer Amtszeit ständig gegen Rivalen durchsetzen müssen, sind sie meistens nicht lange im Amt. Dies wiederum macht die Big-Men für die Kooperation mit staatlichen Institutionen uninteressant. Zudem sehen die Big-Men die Schaffung einer Zwischeninstanz zwischen ihnen und den staatlichen Institutionen als Bedrohung für ihre Position an oder nutzen die Position nur zur eigenen Bereicherung (vgl. ebd.: 92f.). Der fünfte Konfliktherd für die Politik entsteht durch die tribalen Konflikte. Viele der Stämme leben nicht in friedlicher Koexistenz, sondern tragen zum Teil sogar über Generationen hinweg Konflikte untereinander aus. Die Kampfhandlungen zwischen den Stämmen können sich dabei über mehrere Tage oder sogar Wochen hinziehen und werden von Mitgliedern der Clans auch in die Städte getragen. Die zunehmende Verfügbarkeit moderner Waffen steigert die Letalität dieser Konflikte. Nicht rekonstruierbare Ursachen von Konflikten, die zum Teil über mehrere Generationen ausgetragen werden, erschweren zunehmend eine friedliche Beilegung solcher Auseinandersetzungen (vgl. ebd.: 92ff.). Der sechste Konfliktherd entsteht durch die herrschenden kulturellen Differenzen innerhalb der Bevölkerung. Die kulturelle Vielfalt sowie die geographische Verstreutheit der Bevölkerung treiben die Dichotomie voran und machen sie damit unüberwindbar (vgl. ebd.: 90ff.).

Ein letzter großer Konfliktherd bildet das Problem der Verständigung. Papua-Neuguinea hat durch die geographisch begründete Abgeschiedenheit einiger Stämme eine diachrone Bevölkerung. Durch die geographische Verbreitung der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen entstanden so mehr als 830 unterschiedliche Sprachen (vgl. Knoller 2012: 13; vgl. Mückler 2000: 90f.). Diese lassen sich grob in Austronesische - und Papua­Sprachen gliedern. Die unterschiedlichen Sprachen und die damit verbundenen Verständigungsschwierigkeiten schaffen jedoch für staatliche Institutionen Probleme bei der reibungslosen Kommunikation (vgl. Mückler 2000: 90f.). Im Folgenden wird genauer auf die sprachliche Situation Papua-Neuguineas eingegangen.

2.4 Entstehung einer einheitlichen Sprache in Papua-Neuguinea

Die meisten indigenen Stammesgesellschaften sprechen eine eigene Sprache oder einen eigenen Dialekt. Bei Knoller und Mückler wird angenommen, dass es in Papua-Neuguinea circa 836 verschiedene Sprachen und Dialekte gibt (vgl. Knoller 2012: 13.; vgl. Mückler 2000: 85ff.). Demnach war die Verständigung ohne eine einheitliche Sprache unter Mitgliedern unterschiedlicher Stämme nur schwer möglich. Diese Verständigungsprobleme beeinflussten das friedliche Miteinander, teilweise sogar bis in die Gegenwart. Weil es kaum Möglichkeiten gab, Konflikte mittels einer für alle Beteiligten verständlichen Sprache beizulegen, wurden viele dieser Konflikte gewaltsam gelöst. In Teilen Papua-Neuguineas ist das noch heute der Fall (vgl. Mückler 2000: 85ff.; vgl. Knoller 2012: 26ff.).

Erst mit der Ankunft westlicher Seefahrer in den 1860er Jahren und der damit verbundenen Ausbeutung der Einwohner Papua-Neuguineas als Arbeitskräfte entstanden sogenannte Pidginsprachen, welche sich teilweise mit der Zeit als Kreolsprachen etablierten (vgl. Verhaar 1995: 2f.; vgl. Foley 1986:32f.). Diese entstanden aus der Notwendigkeit zur gegenseitigen Verständigung, da große Teile der Bevölkerung Papua-Neuguineas als Arbeitskräfte für die Plantagen der Besatzer zwangsrekrutiert wurden. Dazu war es unerlässlich, dass eine Sprache eingeführt wurde, welche die gegenseitige Verständigung ermöglicht und damit die Ausführung der Befehle durch die ausländischen Besatzer (vgl. ebd.; vgl. Todd 1974: 1ff.). Aus diesem Grund entstanden Mischsprachen aus den Sprachen der Besatzer und Einheimischen, ein sogenannter Jargon. Hierbei handelt es sich um eine Umgangssprache, die in einer kleinen Gruppe und innerhalb eines begrenzten Bereichs, zum Beispiel auf einer Plantage, gesprochen wurde. Durch die Häufigkeit der Verwendung entwickelt sich im Laufe der Zeit eine Pidginsprache und folgend eine Kreolsprache. Was unterscheidet nun eine Pidginsprache und Kreolsprache voneinander und von jeder anderen Sprache?

3 Pidgin- und Kreolsprachen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Entstehung von Pidgin- und Kreolsprachen (vgl. Maitz 2018: 11)

Abbildung 1 zeigt, wie sich aus einem Jargon im ersten Schritt eine Pidginsprache und dann eine Kreolsprache entwickelt. (vgl. ebd.). Wie in Abbildung 1 ersichtlich, entsteht zunächst ein Jargon durch Mischung einer meist europäischen Standardsprache, der sogenannten Superstratsprache, und einer meist indigenen Standardsprache, auch Substratsprache genannt (vgl. ebd.). Ein Jargon wird als L2 Sprache, also Zweitsprache, erlernt und charakterisiert sich vor allem durch seine Instabilität auf Grund unterschiedlicher Variationen (vgl. ebd.; vgl. Abb. 1). Stabilisiert wird er einerseits durch Vermehrung der Anzahl der Sprecher, welche ihn als Zweitsprache (L2) erlernen, und andererseits durch äußere Faktoren, wie beispielsweise eine Kolonialmacht, die den Gebrauch dieses Jargons in vielerlei Kontexten fördert. So entsteht aus ihm eine Pidginsprache (vgl. ebd.; vgl. Abb. 1).

Eine Pidginsprache definiert sich durch eine Reduktion der Sprachform, sie dient verschiedensprachigen Personen als Lingua Franca zur gegenseitigen Verständigung (vgl. Velupillai 2015: 6f.). Eine Pidginsprache wird von den Sprechern nicht als Muttersprache, sondern als Fremdsprache, beziehungsweise Zweitsprache (L2) erlernt (Vgl. Wurm 1971: 999ff.; vgl. Maitz 2018: 11; vgl. Abb. 1). Pidginsprachen entstehen als Resultat eines Kontakts zwischen Personen mit unterschiedlichen Muttersprachen und dienten als vereinfachte Behelfssprachen, welche zum Ziel haben, dass sich Sprecher unterschiedlicher Sprachen verständigen können (Vgl. UNESCO 1963: 8ff.). Die Basis auch Superstratsprache vieler Pidginsprachen bildeten, anders als bei anderen Mischsprachen, primär Sprachen der Kolonialmächte und Handelsleute: Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch sowie vereinzelt auch Deutsch (vgl. Taylor 1963: 800f.) Eine Pidginsprache entstand demzufolge häufig aus einer sogenannten Master-Servant-Relation, also einer Herrscher-Diener­Beziehung zwischen Kolonialmächten und Einheimischen (vgl. Adler 1977: 13f.). Pidginsprachen werden häufig als linguistischer Kompromiss gesehen. Sie entstehen aus mindestens zwei, in einigen Fällen auch drei unterschiedlichen Sprachen, welche häufig nicht im gleichen Maß miteinander vermischt werden. Stattdessen wird häufig der Wortschatz der Superstratsprache mit den phonologischen und grammatischen Gegebenheiten der Substratsprache vermischt. Jedoch können auch Teile der Grammatik und Phonetik der Superstratsprache entlehnt werden (vgl. Adler 1977: 12f.). Eine Pidginsprache entsteht demnach aus den morphologischen und syntaktischen Gegebenheiten einer Sprache und dem Vokabular einer anderen Sprache (vgl. Taylor 1956: 413ff.). Dabei ist das Vokabular der Pidginsprache häufig wesentlich kleiner als das der beiden anderen Sprachen, kann aber mit der Zeit erweitert werden (vgl. Todd 1974: 4ff.). Die Syntax einer Pidginsprache weist ferner eine geringere Komplexität auf als die der beiden Ausgangssprachen (vgl. ebd.).

Bei Pidginsprachen wird zwischen restricted pidgins und extended pidgins unterschieden. Restricted Pidgins werden nur wenig genutzt und sterben nach Wegfall ihrer Notwendigkeit aus. Extended Pidgins hingegen bleiben bestehen und ihr Vokabular wird im Laufe der Zeit erweitert (vgl. ebd.). Eine Vielzahl an Pidginsprachen sind sogenannte extended pidgins, welche sich in der zweiten Sprechergeneration als Kreolsprachen etablieren, da sie nun auch als Muttersprache (L1) erlernt werden. (vgl. ebd.).

Häufig bleiben Pidginsprachen demnach bestehen und werden als Umgangssprache weiterhin gebraucht. Wie Abbildung 1 zeigt, werden sie nach einiger Zeit als Muttersprache, auch L1 Sprache erlernt, dieser Prozess wird als Kreolisierung verstanden. (vgl. UNESCO 1963: 8ff.; vgl. Maitz 2018: 11; vgl. Abb. 1). Eine Pidginsprache entwickelt sich zu einer Kreolsprache, indem sie für eine längere Zeit bestehen bleibt und von Kindern, welche in ihrem Sprachraum geboren werden, als Muttersprache (L1) oder Zweitsprache (L2) erlernt wird (vgl. Mühlhäusler 1986: 5ff.). Darüber hinaus zeichnet sich eine Kreolsprache durch Anpassung und Erweiterung ihres Vokabulars aus. Die Erweiterung des Vokabulars entsteht häufig durch die Kreolsprache selbst, kann jedoch auch durch den Einfluss weiterer Sprachen begründet sein (vgl. Hancock 1971: 113ff.).

Der Unterschied zwischen einer Pidgin- und Kreolsprache besteht demnach primär in der Art und Weise, wie diese erlernt wird. So kann eine Pidginsprache keine Muttersprache sein; Kreolsprachen zeichnen sich hingegen genau dadurch aus (vgl. Taylor 1959: 485ff.; vgl. Maitz 2018: 10ff.; vgl. Abb. 1). Kreolsprachen können demnach als reguläre Sprache verstanden werden, welche ihre eigenen grammatikalischen Konventionen, Phoneme und ein den Notwendigkeiten ihrer Sprecher angepasstes Vokabular besitzt (vgl. Taylor 1963: 800ff.). Der auffälligste Unterschied zwischen einer Kreolsprache und einer traditionell entstandenen Sprache liegt in einer vereinfachten Grammatik sowie fehlenden historisch geprägten Gegebenheiten, wie beispielsweise unregelmäßigen Verben oder Pluralformen (vgl. Adler 1977: 5ff.). Das Vokabular von Kreolsprachen wird, wie es auch in Standardsprachen der Fall ist, mit der Zeit durch neue Begriffe und Bezeichnungen ergänzt (vgl. ebd.: 15f.). „It is true that man does not live by bread alone, but he must have bread first before he is able to philosophise.” (Ebd.: 15), es muss also erst wie in diesem Beispiel das Brot geben, bevor hierfür ein Wort entstehen kann (vgl. ebd.). Ein neueres Beispiel wäre das Handy oder andere technische Geräte, für die es in den Standardsprachen vor ihrer Entwicklung ebenfalls keine Wörter gab. Darüber hinaus fehlt bei Kreolsprachen häufig eine Konformität in Aussprache und Vokabular (vgl. Verhaar 1995: 2ff.)

Ob eine Pidginsprache kreolisiert wird, hängt nicht von der Anzahl der Sprecher ab, welche sie als Muttersprache erlernen, sondern davon, dass sie kreolisiert wird, indem sie als Muttersprache erlernt wird (vgl. Todd 1974: 58f.; vgl. Maitz 2018: 10ff.; vgl. Abb.1). Kreolsprachen und die Anzahl ihrer Sprecher sind in der ganzen Welt verteilt, sie wachsen stetig. Einige Kreolsprachen etablieren sich immer mehr als Standardsprachen. Trotz teilweise fehlender Konformität durch Dialekte werden sie dennoch als ein und dieselbe Sprache verstanden (vgl. Hall 1966: 15f.). Wie zeigt sich dies nun bei Pidginsprachen in Papua-Neuguinea? Haben sich hier auch die meisten als Kreolsprachen etabliert?

3.1 Pidginsprache in Papua-Neuguinea

Die vielfältig wechselnde Vorherrschaft der Kolonialmächte über die Einheimischen in Papua-Neuguineas führte zur Entstehung vieler Pidginsprachen und verschiedenen Einflüsse durch welche die Piginsprachen geprägt wurden. Die Superstratsprache der Pidginsprache variierte mit der Vorherrschaft in den jeweiligen Gebieten. Durch den stetigen Wechsel der Vorherrschaft entstanden einige Pidginsprachen unter Einfluss mehrerer Sprachen (vgl. Adler 1977: 81f.).

Eine der ersten Pidginsprachen in den Pazifikregionen Papua-Neuguinea, Neuguinea, den Solomonen und Fiji war das Melanesische Pidgin (vgl. ebd.). Es kann als Ursprung des heutigen Tok Pisin verstanden werden. Wobei anzumerken bleibt, dass die Grenzen zwischen Jargon und Pidgin fließend verlaufen und nicht klar zu identifizieren ist, ob es sich beim Melanesischen Pidgin um eine Variation oder einen Jargon handelt (vgl. ebd.; vgl. Maitz 2018: 10ff.; vgl. Abb. 1). Melanesisches Pidgin wurde als Zweitsprache erlernt und vorwiegen zur Kommunikation zwischen den Besatzern und den Einheimischen gebraucht (vgl. Adler 1977: 81f.; vgl. Abb. 1). Das Vokabular des Melanesischen Pidgin basierte auf dem Englischen, die Grammatik hingegen orientierte sich am Melanesischen (vgl. ebd. Adler 1977: 81f.). Die Sprecher des Melanesischen Pidgin unterschieden sich in zwei Gruppen. Die erste Gruppe bildeten Muttersprachler des Melanesischen. Bei ihnen galt Pidgin als Statussprache, welche die Möglichkeit bot, für die Kolonialmächte zu arbeiten. (vgl. ebd.: 81ff.). Die zweite Gruppe von Sprechern waren Europäer, welche in die Region kamen (vgl. ebd.: 82f.). Aus einer kurzfristigen Notwendigkeit der Verständigung zwischen Einheimischen und Kolonialmächten entstanden über Jahrzehnte die verschiedenen Pidginsprachen, welche sich folgend teilweise als Kreol etablierten. Zu den verschiedenen Pidginsprachen fehlen jedoch genauere Aufzeichnungen zur Anzahl sowie sozialer- und regionalgeprägter Unterschiede der Pidginsprachen (vgl. Verhaar 1995: 2ff.). Dies hat zwei Gründe: Zum einen mangelt es generell an schriftlichen Aufzeichnungen. Zum anderen wurde die Veröffentlichung einiger Schriftzeugnisse über die Sprachen durch die Regierung und Universitäten zurückgehalten. Daher werden in dieser Arbeit nur die ehemaligen Pidgin- heute Kreolsprachen Tok Pisin und Unserdeutsch ( Raboul Creole German ) genauer bearbeitet.

3.2 Kreolsprachen in Papua-Neuguinea

Papua-Neuguinea ist, wie bereits erwähnt, charakterisiert durch eine enorme Vielfalt an verschiedenen Sprachen; derzeit rund 700-870 Sprachen und Dialekte (vgl. Australian Government 2020). Einige dieser Sprachen sind ehemalige Pidginsprachen, welche kreolisiert wurden und sich durch das Erlernen als Muttersprache (L1) als Standardsprachen etabliert haben (vgl. Adler 1977: 81ff.). Die wohl bekannteste ist das Tok Pisin, welches sich aus dem Melanesischen Pidgin entwickelte (vgl. Maitz/Lindenfelser 2017: 1f.). Auch aus dem Tok Pisin entwickelten sich weitere Pidginsprachen , aus welchen im Laufe der Zeit Kreolsprachen wurden. Die bekanntesten sind das Unserdeutsch, auch Rabaul Creole German und das Hiri Motu, auch Police Motu (vgl. ebd.). Beide Sprachen entstanden durch den Einfluss des Tok Pisin und weitere Sprachen (vgl. ebd.). Das Unserdeutsch entstand, wie der Name schon andeutet, aus einer Mischung der deutschen Sprache mitdem Tok Pisin (vgl. Maitz/Lindenfelser 2017: 1ff.). Das Hiri Motu entwickelte sich überwiegend aus der Motu-Sprache mit Einflüssen des Tok Pisin, des Englischen und weiteren Polynesischen Sprachen (vgl. Mühlhäusler/Dutton 1979: 219ff.). Wie viele Kreolsprachen es tatsächlich heute in Papua-Neuguinea gibt, kann schwer erfasst werden, da es häufig schwer ist anhand dialektaler Prägungen zu erkennen, ob es sich nur um eine Variation oder eine eigene Sprache handelt (vgl. Adler 1977: 81ff.). Können Unserdeutsch und Tok Pisin in der Gegenwart als Pidgin- oder Kreolsprache verstanden werden?

3.3 Einordnung des Tok Pisin und Unserdeutsch

Tok Pisin und Unserdeutsch entstanden durch den Einfluss der Kolonialmächte in Papua­Neuguinea (vgl. Engelberg/Stolberg 2017: 51f.; vgl. Maitz/Volker 2017: 365f.). Tok Pisin entwickelte sich aus dem ehemaligen Melanesischen Pidgin, welches von Seefahrern, im Fischfang und in der Plantagenwirtschaft zur Verständigung zwischen Kolonialherrschern und Einheimischen als Lingua Franca gebraucht wurde (vgl. Mühlhäusler 2003:2ff.). Unserdeutsch hingegen entstand durch den Einfluss der Missionare, welche circa um 1900 Missionsschulen errichteten und dort Kinder auf Hochdeutsch unterrichteten (vgl. Maitz/Volker 2017: 365f.). In der Alltagssprache vermischten diese das rudimentär erlernte Deutsche mit ihrer Muttersprache, dem Tok Pisin (vgl. Maitz/Lindenfelser 2017: 1f). Unserdeutsch entstand demnach anders als das Tok Pisin nicht aus der Notwendigkeit zur Verständigung zwischen Einheimischen und Europäern heraus, sondern als gruppeninterne Sprache (vgl. Maitz 2008: 12f.). Beide Sprachen haben sich durch das Erlernen als Muttersprache mittlerweile als Kreolsprachen etabliert (vgl. Maitz/Lindenfelser 2017: 1f.). Tok Pisin ist heute eine der drei Amtssprachen in Papua-Neuguinea (vgl. Mühlhäusler 2003: 1ff.). Beim Unserdeutsch ist hingegen zu befürchten, dass es mittelfristig aussterben wird, da nur noch einige wenige hundert Sprecher am Leben sind (vgl. Maitz/König/Volker 2016: 94f.).

Wie hat sich das Tok Pisin als Standardsprache etabliert und weshalb ist das Unserdeutsch nicht als Standardsprache Papua-Neuguineas anerkannt worden?

4 Tok Pisin

Tok Pisin ist heute, neben Englisch und Hiri Motu eine von drei anerkannten Staatsprachen in Papua-Neuguinea und eine der wichtigsten Sprachen Melanesiens (vgl. Mühlhäusler 2003: 1f.). Der Name Tok Pisin stammt vom englischen talk pidgin und ist erst seit 1981 der offizielle Name der Sprache (vgl. ebd.: 2f.). In älteren Dokumenten wird es häufig als Melanesisches Pidgin, Neuguinea Pidgin und Talk Boi bezeichnet (vgl. ebd.). Es entstand aus der Mischung des englischen Wortschatzes mit melanesischer Grammatik und Phonetik, sowie Einflüssen aus der deutschen Sprache im Bereich der Lexik (vgl. Verhaar 1995: 2f). Ein rein aus der melanesischen Sprache stammender Einfluss auf die Grammatik kann jedoch nicht eindeutig festgestellt werden, beispielsweise weist die Syntax und die Phonetik des Tok Pisin auch Einflüsse aus der englischen Sprache auf (vgl. ebd.).

Tok Pisin weist mit ca. 1300 Wörtern einen relativ kleinen Wortschatz auf. Im Vergleich dazu besitzt die deutsche Sprache einen Wortschatz von ca. 300.000 bis 500.000 Wörtern (vgl. Baumann 1985: 55). Ferner verfügt Tok Pisin über eine sehr simple und damit leicht zu erlernende Grammatik, es gibt beispielsweise weder Deklinationen noch Konjugationen und nur drei Zeitformen (vgl. Verhaar 1995: 312ff.). Wie wurde die ehemalige Pidginsprache Tok Pisin zur Kreolsprache und schließlich zur anerkannten Staatssprache Papua-Neuguineas?

4.1 Entstehung des Tok Pisin

Europäische Kundschafter, auf der Suche nach dem begehrten Sandelholz, interagierten mit melanesischen Ureinwohnern, indem sie eine vereinfachte Form des Englischen zur kurzfristigen Verständigung nutzen (vgl. Adler 1977: 82f.). Später wurde diese auch durch Fischer, welche in der bêche-de-mar-fishery tätig waren, genutzt. Aus diesem Grund wird die Pidginsprache auch häufig als beach-la-mar bezeichnet, (vgl. Churchill 1911: 7). Folgend entwickelte sich das Melanesische Pidgin und wurde von den Kolonialmächten zur Verständigung mit den Plantagenarbeitern genutzt (vgl. Mühlhäusler 1984: 445f.). Das heutige Tok Pisin entstand daher ursprünglich auf den Plantagen britischer und deutscher Kolonialmächte in Queensland und Samoa, bedingt durch die Zwangsrekrutierung von Einheimischen aus dem Salomonenarchipel und Neubritannien als Plantagenarbeiter (vgl. Mühlhäusler 1987: 60ff). Es wird auf Grund seiner Geschichte und der Verbreitung häufig als Variation des Melanesischen Pidgin gesehen (vgl. ebd.). Von den Plantagen wurde es weiterverbreitet in die Dörfer der Arbeiter auf dem Festland Papua-Neuguineas. Die Zahl der Sprecher stieg folgend enorm an (vgl. Mühlhäusler 1987: 60ff.; Mühlhäusler 2004: 1755f.). Durch deutschen Einfluss wurde das linguistische Wachstum und die geographische Ausbreitung der Sprache gefördert und stabilisiert (vgl. Mühlhäusler 1984: 445f.). Ab 1880 wurde das Tok Pisin in vielfältigen Kontexten verwendet, zum Beispiel in den Plantagengebieten für den Handel sowie bei der Rekrutierung der Einheimischen. Ferner kam es seit 1914 auch in der Justiz, bei Polizei und Gerichtsverhandlungen zum Einsatz. Darüber hinaus wurde die Sprache auch in den Bereichen Handwerk und Haushalt geprägt und sogar im Bereich der Religion, wie beispielsweise der Missionierung der Einheimischen wurde Tok Pisin verwendet (vgl. Mühlhäusler 1984: 445f.).

Noch heute wird Tok Pisin in Papua-Neuguinea von circa 50% der Bevölkerung gesprochen, es ist heute eine von drei Amtssprachen in Papua-Neuguinea (vgl. Mühlhäusler 1984: 440; Harenberg 1995: 331; von Bratta 1993: 563). In welchen Regionen Papua-Neuguineas wird Tok Pisin gesprochen?

4.2 Geographische Verbreitung des Tok Pisin

Tok Pisin wird in allen Teilen Papua-Neuguineas gesprochen, am stärksten ist es jedoch in den Provinzen des ehemaligen deutschen Kolonialgebietes vertreten, also in den Provinzen im ehemaligen Kaiser-Wilhelms-Land (vgl. Mühlhäusler 2003: 2f.). Tok Pisin ist heute für mehr als 50% der Bevölkerung Papua-Neuguineas Muttersprache oder Zweitsprache (vgl. ebd.) Die Anzahl der Sprecher steigt bis in die Gegenwart stetig (vgl. ebd.). In den ehemals unter australische Herrschaft gestellten Teilen Papua-Neuguineas hat Tok Pisin die dort verbreitete Pidginsprache Hiri Motu größtenteils ersetzt (vgl. ebd.). Eine soziale und regionale Prägung des Tok Pisin ist dabei kein unübliches Phänomen. Es ist sogar möglich, dass zwei Sprecher aus unterschiedlichen Regionen nicht in der Lage sind, sich mittels Tok Pisin untereinander erfolgreich zu verständigen (vgl. ebd.: 3f.). Tok Pisin wird demnach in allen Teilen Papua-Neuguineas noch heute gesprochen und damit im gesamten Staatsgebiet des Landes. Warum kann die gegenseitige Kommunikation trotz gleicher Sprache manchmal nicht erfolgreich durchgeführt werden?

4.3 Stetiger Wandel und Schwierigkeiten des Tok Pisin

Tok Pisin wird häufig als eine sich schnell wandelnde Sprache bezeichnet. Dies liegt darin begründet, dass sie sich primär in der Phase, als Tok Pisin noch eine Pidginsprache war, sehr schnell veränderte, was durch Abgeschiedenheit und soziale Isolation zu großer Variation der Sprache führte (vgl. Baumann 1985: 55f.; vgl. Schaefer 2001: 145). Das Vokabular wurde darüber hinaus häufig an seine Umgebung angepasst, es wurden Wörter hinzugefügt und weniger genutzte verschwanden aus dem Vokabular (vgl. ebd). Beispielswei se wurde ein Badetuch im Jahr 1985 noch mit laplap belong waswas bezeichnet, laplap kommt dabei vom Wort Lappen und waswas bedeutet waschen, belong kommt vom englischen belong. Heute wird für das Badetuch vorwiegend das Wort taul verwendet (vgl. Baumann 1985: 55; Schäfer 2001: 145). Zudem gab es zu Beginn des Tok Pisin häufig auch Dopplungen bei der Bedeutung einiger Wörter. So konnte ein Wort zwei komplett verschiedene Dinge bezeichnen, beispielsweise bedeutet das Wort pati im Tok Pisin gleichzeitig Party, Feier und politische Partei (vgl. ebd.: 165.).

Weitere Schwierigkeiten beim gegenseitigen Verständnis entstehen durch regionale geprägte Unterschiede im Bereich der Phonetik, aber auch im Vokabular (vgl. Knoller 2012: 12ff.). Geographisch entstanden Unterschiede im Tok Pisin in drei Teilen Papua­Neuguineas: dem Bismarck-Archipel, den Highlands und der Küstenregion (vgl. Mühlhäusler 2003: 3f.). Ausschlaggebender waren hingegen soziale Faktoren, welche die Heterogenität der Sprache beeinflussten. Anhand sozialer Faktoren kann Tok Pisin primär in vier Soziolekte unterteilt werden:

1. Tok Bus / Tok Kanaka, als Sprache der abgelegenen Regionen oder Bevölkerung (vgl. ebd.: 4f.)
2. Tok Masta, als Sprache der Kolonialherrscher (vgl.ebd.).
3. Tok Skul / Tok Bilong Taun, als urbane Sprache aus städtischen Milieus (vgl. ebd.).
4. Traditionelles Tok Pisin (vgl. ebd.).

Tok Masta wird in der Gegenwart nicht mehr verwendet. Es war die Sprache der Kolonialbesatzer, welche sich häufig nicht die Mühe machten, Tok Pisin zu erlernen und stattdessen in schlechtem Englisch mit den Einheimischen sprachen (vgl. ebd.). Es kann daher eher als eine Variation des Englischen als des Tok Pisin gesehen werden (vgl. ebd.). Die vier Soziolekte beziehen sich jedoch weniger auf die Kreolsprache Tok Pisin als auf die Pidginsprache. Dennoch gibt es auch in der Gegenwart bestehende Soziolekte der Kreolsprache Tok Pisin (vgl. ebd.). Die Unterschiede innerhalb der Sprache sowie ihre unterschiedlichen Entwicklungsstadien machen es möglich, die Entwicklung der Sprache zu analysieren und nachzuvollziehen, wie sie genau entstanden ist (vgl. ebd.). Aus welchen Sprachen ist Tok Pisin entstanden und wie haben sich Einflüsse anderer Sprachen klassifiziert?

4.4 Einflüsse anderer Sprachen im Tok Pisin

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Einflüsse anderer Sprachen auf das Tok Pisin

Wie Abbildung 2 zeigt, entstand das Tok Pisin aus der Vermischung englischen Vokabulars mit melanesischer Grammatik und einer Mischung der Phonetik beider Sprachen (vgl. Abb. 2.; Heitfeld 1977: 74ff.). Darüber hinaus sind, bedingt durch den Einfluss der deutschen Kolonialmacht und damit verbundener starker Förderung des Tok Pisin, wie Abb. 2 zeigt auch Einflüsse des Deutschen vorhanden (vgl. Mühlhäusler 1984: 445; vgl. Abb. 2). Das Deutsche beeinflusste das Tok Pisin vorwiegend im Bereich der Lexik durch Lehnwörter, welche aus dem Deutschen ins Tok Pisin entlehnt wurden (vgl. Heitfeld 1977: 74ff.) Tok Pisin wurde demnach nicht nur durch seine Superstratsprache Englisch und seine Substratsprache Melanesisch, sondern darüber hinaus auch vereinzelt durch das Deutsche beeinflusst. (vgl. Heitfeld 1977: 74ff.; vgl. Abb. 2). Wie ist die Kreolsprache Unserdeutsch ( Rabaul Creole German) entstanden, in welchen Regionen Papua-Neuguineas wird sie gesprochen und auf Basis welcher Sprachen entstand sie?

5 Unserdeutsch

Die Kreolsprach Unserdeutsch, auch Rabaul Creole German, ist die einzige ISO-codierte Kreolsprache, welche auf Basis des Deutschen entstand. Das Deutsche bildet die Superstratsprache des Unserdeutsch, Tok Pisin die Substratsprache (vgl. Maitz/Lindenfelser 2017: 1f; vgl. Maitz 2021b). Beim Unserdeutsch handelt es sich vorwiegend um eine gesprochene Sprache. Deshalb gibt es von dieser Sprach nur einige wenige Schriftzeugnisse (vgl. Maitz/Volker 2017: 392.). Wie ist es möglich, dass sich eine Sprache, welche circa um 1900 entstand, als Kreolsprache etabliert, wenn wenig bis keine Schriftzeugnisse vorhanden sind?

5.1 Entstehung des Unserdeutsch

Die Kreolsprache Unserdeutsch ( Rabaul Creole German ) ist die einzige Kreolsprache, welche als Superstratsprache das Deutsche aufweist (vgl. Maitz/Volker 2017: 365f.). Sie entstand um 1900 in Waisenhäusern deutscher Missionare für Kinder mit melanesisch­deutscher Herkunft (vgl. ebd.). Dort wurde der Unterricht vom Personal der Mission auf Hochdeutsch abgehalten (vgl. ebd.). Außerhalb des Unterrichts vermischten die Kinder folgend das rudimentär erlernte Hochdeutsch mit ihrer Muttersprache, dem Tok Pisin (vgl. ebd.). Hieraus entstand die Pidginsprache Unserdeutsch, welche innerhalb einer Generation kreolisiert und zur gruppeninternen Sprache dieser kleinen Gemeinschaft wurde (vgl.

Maitz/Volker 2017: 365f.). Unserdeutsch diente folglich nicht wie Tok Pisin als Lingua Franca zwischen Sprechern zweier unterschiedlicher Sprachen, sondern entstand ohne die Notwendigkeit zur Verständigung als Sprache der Gemeinschaft (vgl. ebd.).

Heute wird Unserdeutsch nur noch von wenigen hundert Sprechern gesprochen, welche vorwiegend in Australien leben (vgl. ebd.: 384ff.). Wo genau entstand Unserdeutsch und was führte zur Migration der Sprecher nach Queensland, Australien?

5.2 Geographische Verbreitung des Unserdeutsch

Die geographische Verbreitung des Unserdeutsch ist, entgegen der des Tok Pisin, seit 1900 nicht gewachsen, sondern eher zurückgegangen. Unserdeutsch entstand circa um 1900 in der Nähe der heutigen Provinzhauptstadt Kokopo, welche zu der Zeit Herbertshöhe genannt wurde und der Sitz des Gouverneurs der unter deutscher Verwaltung stehenden Gebiete war (vgl. Maitz/Volker 2017: 67f.). Genauer entstand es am Stadtrand der katholischen Herz- Jesu-Mission Vunapope (vgl. ebd.). Unserdeutsch wurde damals vorwiegend innerhalb einer kleinen Gruppe von Kindern mit deutsch-melanesischen Wurzeln gesprochen (vgl. Maitz 2017: 365f.).

Durch Verbote war es Mitgliedern der Gruppe nicht erlaubt, außerhalb ihrer sozialen Gemeinschaft zu heiraten, wodurch viele Mitglieder gruppenintern heirateten. Dies hatte zur Folge, dass sich die Sprache wenig bis gar nicht verbreitete. Heute ist mit wenigen hundert die Zahl der Sprecher sehr begrenzt. Sie leben bedingt durch die Entkolonialisierung fast alle in der australischen Region Queensland. Nur einige wenige leben heute noch auf verschiedenen Inseln des Bismarck-Archipels (vgl. ebd.; vgl. Maitz 2021a). Weil einerseits mit der Entkolonialisierung die Notwendigkeit entfiel, die Sprache zu verwenden und andererseits die Sprecher nach Australien immigrierten, ist Unserdeutsch heute vom Aussterben bedroht (vgl. Maitz 2017: 365f.). Zudem fehlt, wie es im Deutschen bei einigen Dialekten der Fall ist, eine Nachfolgergeneration, an welche die Sprache weitergegeben werden kann (vgl. ebd.). Inwiefern wandelt sich das Unserdeutsch nun noch, wenn es außer von der Sprechergeneration kaum noch verwendet wird?

5.3 Stetiger Wandel und Schwierigkeiten im Unserdeutsch

Bei der Kreolsprache Unserdeutsch handelt es sich um eine vorwiegend gesprochene Sprache; es gibt nur wenig bis keine Schrifterzeugnisse der Sprache. Sie wurde vorwiegend in einzelnen Sätzen transkribiert oder in Form von Interviews dokumentiert (vgl.

Maitz/Lindenfelser/Volker 2021: Kapitel 3). Erforscht wird das Unserdeutsch erst seit dem Jahr 2014 von einer kleinen Forschergruppe der Universität Augsburg (vgl. Maitz 2021b) Da es sich bei den Sprechern heute anders als beim Tok Pisin größtenteils noch um die gleichen Sprecher von damals handelt und keine nächste Generation an Sprechern hinzugekommen ist, gibt es im Unserdeutsch keine vergleichbaren Veränderungen in der Sprache, wie sie sich bei Tok Pisin manifestieren (vgl. Maitz/Lindenfelser 2018b: 309f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 : Variationen des Unserdeutsch (vgl. Maitz 2018: 15)

Wie Abb. 3 veranschaulicht, gibt es auch im Unserdeutsch Variationen. Es kann demnach stärker an das Standarddeutsche oder weiter an seine Ursprungsform angelehnt sein. Die Ursprungsform und weiter vom Standarddeutschen entfernte Form des Unserdeutsch wird dabei als Basilekt bezeichnet (vgl. Maitz 2018: 15f.; vgl. Abb. 3). Wie Abb. 3 zeigt, wird die stärker an das Standarddeutsche angelehnte Variation des Unserdeutsch als Akrolekt bezeichnet, eine Variation des Unserdeutsch zwischen Basilekt und Akrolekt als Mesolekt. Im Mesolekt sind einige Anlehnungen ans Standarddeutsche möglich, es ist jedoch nicht wie im Akrolekt stark ans Standarddeutsche angeglichen worden (vgl. ebd.).

Darüber hinaus wurde das Vokabular des Unserdeutsch durch Wörter aus dem Englischen und Tok Pisin erweitert, auf Grund des Wegfalls des deutschen Einflusses durch die Entkolonialisierung (vgl. Maitz/Lindenfelser/Volker 2021: Kapitel 5). Durch welche Sprachen wurde das Unserdeutsch beeinflusst?

5.4 Einflüsse anderer Sprachen im Unserdeutsch

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Einflüsse anderer Sprachen im Unserdeutsch

Wie Abb. 4 zeigt, entstand Unserdeutsch aus einer Mischung der deutschen Sprache mit der Kreolsprache Tok Pisin. Dabei wurde vorwiegend das deutsche Vokabular mit der Grammatik des Tok Pisin vermischt. Die Phonetik setzt sich aus einer Mischung der beiden Sprachen zusammen (vgl. Maitz/Lindenfelser 2018a: 311ff.; vgl. Maitz/Lindenfelser 2017: 1ff.; vgl. Maitz/Lindenfelser/Volker 2017: Kapitel 3,4 und 5; vgl. Abb. 4). Ferner zeigt Abb. 4 einige Einflüsse der englischen Sprache und dem Tok Pisin im Bereich der Lexik (vgl. ebd.). Deutsch bildet demnach die Superstratsprache des Unserdeutsch, Tok Pisin die Substratsprache (vgl. Maitz 2018: 10ff.; vgl. Abb. 4). Wie beeinflusste nun das Deutsche die beiden Sprachen Unserdeutsch und Tok Pisin ?

6 Einfluss der deutschen Sprache auf Tok Pisin

Tok Pisin wurde primär durch die englische und melanesische Sprache geprägt (vgl. Verhaar 1995: 2f.; Foley 1989: 32f.) Es entstand durch die Vermischung beider Sprachen (vgl. ebd.). Die englische Sprache fungiert dabei als Basis auch Superstratsprache genannt, welche maßgeblich an der Entstehung des Tok Pisin beteiligt war, das Melanesische als Substratsprache (vgl. ebd.). Die Vorherrschaft deutscher Handelsleute in Papua-Neuguinea führte darüber hinaus zu einem Einfluss des Deutschen auf das Tok Pisin (vgl. Engelberg/Möhrs 2016: 578f.). Die Prägung des Tok Pisin durch das Deutsche ist noch heute in einigen Schriftzeugnissen der Sprache erkennbar, wurde jedoch in der Gegenwart weitestgehend durch englische Äquivalente verdrängt (vgl. Heitfeld 1977: 80f.). Welchen Einfluss hat die deutsche Sprache auf die Syntax des Tok Pisin ?

6.1 Einfluss der deutschen Sprache auf die Syntax des Tok Pisin

Die Syntax des Tok Pisin orientiert sich an seiner Superstratsprache dem Englischen. Dies spricht wiederum gegen die These, dass die Grammatik des Tok Pisin vollständig aus der melanesischen Sprache übernommen wurde (vgl. Wurm 1982: 60ff.). Jedoch weist die melanesische Sprache die gleiche Form der Syntax auf wie das Englische (vgl. ebd.).

Die Syntax, also die Reihenfolge der Glieder im Satz, baut sich im Tok Pisin nach Vorbild des Englischen und Melanesischen wie folgt auf: Subjekt - Verb - Objekt (vgl. Wurm 1982: 60ff.). Die SVO-Struktur, also die Reihenfolge nach Subjekt, Verb und Objekt, der Syntax wird im Tok Pisin streng eingehalten (vgl. ebd.). In vielen weiteren Pidgin- und Kreolsprachen ist die Syntax ebenfalls streng nach SVO-Struktur angeordnet (vgl. ebd.). Im Tok Pisin wird ein Satz beispielsweise so gebildet: „Yu kam long wanpela ples“ (Schaefer 2001: 29). Yu bildet dabei das Subjekt, kam das Verb und ples das Objekt. Direkt übersetzt würde der Satz: Du kommen zu ein Dorf/Ort lauten (vgl. ebd.). Long bedeutet in diesem Fall zu, es handelt sich um eine Präposition, welche in unterschiedlichen Kontexten auch unterschiedliche Bedeutungen haben kann, so kann es: zu, auf, hin, her, für, innen, nach, über, während und nach bedeuten. Hier wird es als Präposition zu genutzt (vgl. ebd.: 29; 162). Wan bedeutet ein und da es sich auf das Objekt, also ples (Ort/Dorf) bezieht, wird das Attribut -pela angefügt. Demnach hängt hier das Attribut vom Substantiv ples ab (vgl. ebd.). Darüber hinaus kann in einigen Phrasen des Tok Pisin das persönliche Subjekt fehlen und durch ein unpersönliches Prädikat i ersetzt werden (vgl. Verhaar 1995: 29f.). „Das i ist in erster Linie Kennzeichen dafür, dass das nachfolgende Wort wie ein Tätigkeitswort fungiert, welches die Satzaussage (Prädikat) im Satz bildet.“ (Schaefer 2001: 41). Normalerweise steht das i nach dem Subjekt, außer bei mi - ich und yu - du, und wenn kein persönliches Subjekt vorhanden ist (vgl. ebd.). Das Subjekt entfällt im Tok Pisin häufig dann, wenn Wetterlagen oder Zustände beschrieben werden, wie beispielsweise es schneit, regnet oder ähnliches (vgl. Verhaar 1995: 29f.). So fehlt bei dem sich auf das Wetter beziehenden Satz: „i ren“ (Schaefer 2001: 41); übersetzt: es regnet, sowie dem Satz: „i gat“ (ebd.); übersetzt: es gibt, das Subjekt und wird durch das i ersetzt (vgl. ebd.).

Im Bereich der Syntax kann auf Grund der strengen SVO-Struktur kein direkter Einfluss der deutschen Sprache auf das Tok Pisin nachgewiesen werden, da die Syntax im Deutschen nicht wie im Melanesischen und Englischen streng nach SVO-Struktur aufgebaut ist (vgl. Pelz 2002: 147ff). Zwar kann in einfachen Sätzen auch im Deutschen eine SVO-Struktur vorkommen, jedoch gibt es im Deutschen auch andere Varianten der Syntax, wie beispielsweise die Adverb-V-S-O-Struktur (vgl. ebd.). Von einer strikten SVO-Sprache kann hingegen erst gesprochen werden, wenn der Aufbau der Syntax sich ohne Ausnahme nach dem SVO-Prinzip richtet (vgl. ebd.). Das Deutsche hat demnach im Bereich der Syntax keinen Einfluss auf das Tok Pisin. Kann stattdessen ein Einfluss des Deutschen im Bereich der Phonetik nachgewiesen werden?

6.2 Einfluss der deutschen Sprache auf die Phonetik des >Tok Pisin

Die Phonetik vieler Kreolsprachen wurde nicht im gleichen Maße untersucht wie die der Standardsprachen. Dies gilt auch für die Phonetik des Tok Pisin (vgl. Romaine 2000: 184). Die Entlehnung einiger aus dem Englischen stammenden Worte und damit der Einfluss des Englischen auf die Phonetik des Tok Pisin begründet sich damit, dass Englisch die Superstratsprache des Tok Pisin ist und bei der Entlehnung teilweise phonetische Eigenschaften der Worte mit übertragen werden können (vgl. Matras 2010: 68ff.). Entlehnte Wörter können aber auch bei der Entlehnung in das bereits bestehende phonetische System eingegliedert werden. Zudem ist es möglich, dass nicht die gesamten phonetischen Eigenschaften eines Wortes, sondern nur einzelne Eigenschaften übertragen werden. Beispielsweise wird das englische Wort carrot [kwrst] im phonetischen Vokalsystem des Tok Pisin zu [kerot] (vgl. Boer/Williams 2017: 57f.). Die Entleihung von Worten aus dem Englischen verändert vorwiegend auf eher spontane Weise die Phonetik des Tok Pisin und wird nicht als strukturell integrierte Entleihung verstanden (vgl. ebd. 57ff.).

Durch die Tatsache, dass die Sprecher des Tok Pisin häufig multilingual sind, also mehrere Sprachen sprechen, entsteht Code-Switching, also ein Wechsel des phonetischen Systems und Code-Mixing, also eine Vermischung des bestehenden phonetischen Systems des Tok Pisin mit dem einer anderen Sprache (vgl. Mühlhäusler 2003: 13ff.). Wie ist nun das phonetische System des Tok Pisin aufgebaut?

Das phonetische System des Tok Pisin besteht aus fünf Monophthongen, den Vokalen [a, e, i, o, u] sowie den Allophonen [i] und [u] (vgl. Mihalic 1989: 4ff.) Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen kurzen und langen Vokalen, wie es im Englischen und Deutschen der Fall ist. Das Wort moon aus dem Englischen wird zum Beispiel im Tok Pisin zu mun (vgl. Verhaar 1995: 8f.) Auch gibt es im Tok Pisin keinen Unterschied zwischen hohen und tiefen Vokalen wie in der englischen Sprache. Das englische Wort back wird im Tok Pisin beispielsweise zu bek (vgl. ebd.). Darüber hinaus beinhaltet das phonetische System des Tok Pisin die sieben Diphthongen [au, ai, ia, iu, ei, ou, oi] (vgl. Laycock 1985: 296) Einige Diphthonge des Englischen fehlen im Tok Pisin, beispielsweise wird oa, wie in coat im Tok Pisin zu o wie in kot vereinfacht (vgl. Verhaar 1995: 8ff.) . Auch weist das phonetische System des Tok Pisin weniger Vokale auf als das Deutsche und das Englische (vgl. ebd.). Es gibt, anders als im Deutschen und Englischen, keine Unterscheidungen in der Aussprache der Vokale. Auch Diphthongen gibt es im Tok Pisin weniger als im Englischen, jedoch mehr als in der deutschen Sprache (vgl. ebd.; vgl. Pelz 2002: 72ff.). Das phonetische System des Tok Pisin enthält ferner die 18 in der folgenden Tabelle aufgeführten Konsonanten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Phonetik des Tok Pisin : Konsonantensystem (vgl. Boer/Williams 2017: 61; vgl. Smith 2002: 44)

Im Tok Pisin wird, anders als im Deutschen, nicht zwischen stimmhaften und stimmlosen Konsonanten unterschieden. (vgl. ebd; vgl. Pelz 2002: 72f.). P ist beispielsweise im Deutschen als stimmloser bilabialer Plosiv gekennzeichnet, b als stimmhafter bilabialer Plosiv. Im Tok Pisin hingegen sind die beiden nur als bilabiale Plosive gekennzeichnet, siehe Tabelle 1 (vgl. Boer/Williams 2017: 61). Des Weiteren enthält das Tok Pisin weniger Konsonanten als die deutsche Sprache. So fehlen im Tok Pisin beispielsweise die Konsonanten [z, ƒ, 3, q, x, x, k] (vgl. ebd.; vgl. Pelz 2002: 72f.). Ergänzend beinhaltet das phonetische System des Tok Pisin weniger Konsonanten als das phonetische System des Englischen. Es fehlen die im Englischen enthaltenen Konsonanten [9, ö, z, ƒ, 3, q, x, tf, j, w] (vgl. Boer/Williams 2017: 61).

Da das phonetische System des Tok Pisin sowohl mit dem Deutschen als auch mit dem Englischen Ähnlichkeiten und Parallelen aufweisen, ist es schwer, die sprachlichen Einflüsse genau zuzuordnen (vgl. Boer/Williams 2017: 61ff.; vgl. Pelz 2002: 72ff.). Anhand des Konsonanten [d3], welcher im Deutschen nicht enthalten ist, aber im phonetischen System des Englischen, sowie den übernommenen Diphthongen [iu, oʊ] kann angenommen werden, dass hier vermehrt das Englische Einfluss auf das phonetische System des Tok Pisin nahm (vgl. Laycock 1985: 296). Dennoch gibt es auch Diphthongen, welche im Deutschen vorkommen wie [ai, aʊ, ei, ɔi], welche im phonetischen System des Tok Pisin enthalten sind (vgl. Pelz 2002: 74f.). Anzumerken ist ebenfalls, dass das aus dem Englischen stammende th [θ] im phonetischen System des Tok Pisin fehlt und zum alveolaren Frikativ s umgewandelt wird, beispielsweise im englischen Wort mouth [maʊθ] was im Tok Pisin zu [maʊs] wird (vgl. Laycock 1985: 296; vgl. Verhaar 1995: 7f.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss des Deutschen auf Pidginsprachen in Papua-Neuguinea. Das Beispiel von Tok Pisin und Unserdeutsch
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Sprachwissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
89
Katalognummer
V1142393
ISBN (eBook)
9783346518491
ISBN (Buch)
9783346518507
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einfluss, deutschen, pidginsprachen, papua-neuguinea, beispiel, pisin, unserdeutsch
Arbeit zitieren
Sarah Veit (Autor:in), 2021, Der Einfluss des Deutschen auf Pidginsprachen in Papua-Neuguinea. Das Beispiel von Tok Pisin und Unserdeutsch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1142393

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