Arzthaftung. Behandlungsfehler in der Notfallmedizin

Zivilrechtliche und strafrechtliche Aspekte


Hausarbeit, 2021

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Behandlungsfehler
2.1 Rechtliche Grundlagen
2.2 Überblick über die Haftung

3. Behandlungsfehler in der Notfallmedizin

4. Fehlermeldesysteme

4.1 Critical Incident Reporting System

4.2 Crew Resource Management

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Getreu des Satzes „Errare humanum est“ – „Irren ist menschlich“ (Lucius Annaeus Seneca, 4 vor Chr. bis 45 n. Chr.) geschehen auch in der Medizin Fehler. Allerdings wird darüber nur in den wenigsten Fällen gesprochen oder Fehler werden mitunter gar nicht erst eingestanden, denn vor allem im medizinischen Bereich leben wir in einer „Blame-Culture mit gedachter Null-Fehler-Mentalität“ (Hohenstein, C./Fleischer, T./Hempel, D. 2011, S. 91).

Unplanbarkeit, der darunter herrschende Zeitdruck, die hohe Komplexität und die sich aus der Multiprofessionalität ergebenden zahlreichen Schnittstellen sind häufige Fehlerquellen im Krankenhausalltag. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Gründe, weshalb es zu menschlichen Fehlleistungen kommen kann. Einerseits kann die Schwäche eines Einzelnen, seine Vergesslichkeit oder Unaufmerksamkeit ursächlich für einen Behandlungsfehler durch die Person selbst sein, andererseits können Fehlerquellen ebenso im System beziehungsweise der Organisation liegen, wenn es aufgrund der Bedingungen, unter denen die Beschäftigten arbeiten, zu Fehlern kommt (Moser, M. 2013). An diesem Punkt setzen Wissenschaftler an, um Mechanismen zu entwickeln, welche Fehler verhindern oder zumindest reduzieren sollen. Um die Eintrittswahrscheinlichkeit von Behandlungsfehlern zu senken, ist es wichtig ein systemorientiertes und präventiv wirkendes klinisches Risikomanagement zu implementieren. Eine aufmerksame Früherkennung stellt dabei einen wichtigen Punkt dar, um fehlerhaftes Arbeiten zu vermeiden. Dies kann jedoch nur unter angemessenen Arbeitsbedingungen und einer funktionierenden Teamkultur erreicht werden. Hierfür sind zum Beispiel das Critical Incident Reporting System und das Crew Resource Management häufig verwendete Fehlermelde- beziehungsweise Fehlerbewältigungssysteme (Hohenstein, C./Fleischer, T./Hempel, D. 2011).

In diesem Zusammenhang wird in dieser Seminararbeit, neben der theoretischen Aufarbeitung zivil- und strafrechtlicher Aspekte von Behandlungsfehlern, auch auf alltägliche Probleme des klinischen Alltags eingegangen. Dabei stellt die Notfallmedizin nicht nur einen Bereich mit dem höchsten Patientendurchlauf dar, sondern auch einen der risikoreichsten und wird daher als praktisches Beispiel für diese Arbeit fungieren. Hierbei soll vor allem anhand der aktuellen klinischen Situation aufgezeigt werden wie Fehler entstehen. Welche Möglichkeiten sich im Laufe der letzten Jahre entwickelt haben, um Fehler in der Medizin zu vermeiden, soll ebenfalls Thema sein.

Das Ziel dieser Seminararbeit ist es, nicht nur die rechtlichen Aspekte von Behandlungsfehlern aufzuarbeiten, sondern auch praktische Hintergründe der täglichen Arbeit von medizinischem Personal kennenzulernen. Dies ist insofern für die Arbeit von Gesundheitsmanagern essenziell, da sie bei Strafverfahren nicht die Entscheidung treffen, sondern vorab in der Lage sein sollten neue Systeme zur Vermeidung von Behandlungsfehlern zu verstehen und bestenfalls auch zu implementieren.

2. Behandlungsfehler

Eine wesentliche Ursache für Auseinandersetzungen zwischen Arzt und Patient ist die Unzufriedenheit bei dem Ergebnis einer ärztlichen Behandlung. Dabei vermuten Patienten oftmals einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache ihres eingetretenen Gesundheitsschadens. Jedoch lässt sich nicht in jedem Fall ein schuldhaft verursachter Behandlungsfehler nachweisen. Jeder Arzt ist zwar bei der Betreuung von Patienten zur Wahrung der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet, allerdings schließt dies nicht eine erfolgreiche Behandlung ein. Ein schuldhaft begangener Behandlungsfehler liegt nur dann vor, „wenn gegen anerkannte Regeln der Heilkunde verstoßen und aus der Sicht ex ante diejenige Sorgfalt, die von einem ordentlichen, pflichtgetreuen Arzt in der konkreten Situation erwartet werden kann, außer Acht gelassen wurden“ (Schaffartzik, W./Neu J., 2008, S. 196).

Man spricht in diesem Sinne auch von Kunstregeln beziehungsweise von Kunstfehlern, wenn diese nicht eingehalten werden. So steht im § 28 Abs. 1 SGB V, dass „die im System der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes umfasst, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ ausreichend und zweckmäßig ist“ (Quaas, M./Zuck, R./Clemens, T., 2018, S. 223).

Weiterhin können Behandlungsfehler nach Schweregraden unterschieden werden. Von einem schweren beziehungsweise groben Behandlungsfehler wird beispielsweise gesprochen, „wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Handlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf“ (Schaffartzik, W./Neu, J., 2008, S.196).

In diesem Kapitel werden theoretische Bezüge zum Thema „Behandlungsfehler“ dargestellt. Dabei soll vor allem ein Überblick über die rechtlichen Grundlagen und allgemeine Haftungsprinzipien gegeben werden.

2.1 Rechtliche Grundlagen

Da es sich bei jedem Heileingriff auch gleichzeitig um eine Körperverletzung handelt, welche nur bei vorheriger rechtswirksamer Einwilligung seitens des Patienten straffrei ist, stellt das Recht der unerlaubten Handlungen – das Deliktsrecht –, neben dem Vertragsrecht, eine wichtige Grundlage der zivilrechtlichen Arzthaftung dar. Diese ist in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Es gelten daher die Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

Erst seit dem 26.02.2013 enthält das BGB in den §§ 630 a bis h gesonderte Regeln, welche ausschließlich die ärztliche Behandlung dekretieren. Dabei definiert der § 630b BGB den ärztlichen Behandlungsvertrag als Dienstvertrag und weist daher noch einmal darauf hin, dass der Arzt dem Patienten eine sorgfältige sowie fachgerechte Behandlung im Sinne einer Dienstleistung schuldet, nicht aber einen Behandlungs- beziehungsweise Heilerfolg (Neu, J., 2013).

Somit schuldet ein Arzt dem Patienten vertraglich als auch deliktisch nach § 276 BGB die erforderliche Präzision und Fürsorge, welche anhand des § 630a Abs. 2 BGB generell aus medizinischen Standards der jeweiligen Sachgebiete abgeleitet werden, insofern vorab keine anderen Vereinbarungen getroffen wurden. Hierbei ist es wichtig die Begriffe „richtliniengemäß“, „leitliniengemäß“ und „standardgerecht“, welche oftmals bei einer Prüfung von Behandlungsfehlern verwendet werden, zu differenzieren. Bei Richtlinien handelt es sich um rechtlich verbindliche Vorschriften, welche bei Verstoß ohne jede weitere gutachterliche Prüfung haftungsrechtlich als ärztliches Fehlverhalten zu beurteilen sind. Leitlinien hingegen sind rechtlich unverbindlich. Diese gelten lediglich als praxisbezogene und wissenschaftlich begründete Orientierungshilfen, um ärztliche Vorgehensweisen bei verschiedensten gesundheitlichen Problemen zu unterstützen. Sie gelten daher also nur als allgemeine Handlungsempfehlung und ersetzen kein Sachverständigengutachten. Wohingegen ein Standard durch Sachverständige für jeden konkreten Einzelfall, angepasst an aktuellen Gegebenheiten und Notwendigkeiten, zu definieren ist. Der Standard ist demnach nicht einheitlich festgelegt, sondern ein „objektiver Maßstab dafür, ob die Behandlung legeartis oder fehlerhaft durchgeführt wurde“ (Neu, J., 2013). Dabei werden bei der Festlegung eines Standards neben dem medizinischen Kenntnisstand auch Spezialkenntnisse eines Arztes berücksichtigt, welche bei Vorhandensein auch dem Patienten zugunsten eingesetzt werden müssen. Auch die Art der Behandlung und die personelle Ausstattung sowie die Versorgungsebene eines Krankenhauses werden hierbei beachtet (Schmid, F./Püschmann, H./Neu, J., 2007).

Zu den Behandlungsfehlern im engeren Sinne gehören nicht nur Mängel bei der Diagnosestellung oder Therapie. Es können auch Organisationsfehler, beispielsweise bei der Durchführung einer Operation, oder Verstöße gegen Hygienestandards dem Arzt vorgeworfen werden. Im weiten Sinne kann ein Behandlungsfehler auch darin liegen, dass ein Patient fehlerhaft, unvollständig oder gar nicht aufgeklärt wurde. Dies wird im § 630e BGB allerdings unter Aufklärungspflichten geregelt und hätte daher einen Aufklärungsfehler zur Folge, welcher sich vom Behandlungsfehler vor allem hinsichtlich der Beweislast unterscheidet.

Bei einem Aufklärungsfehler muss der behandelnde Arzt nachweisen, den Patienten aufgeklärt zu haben. Kann er dies nicht und liegt eine Kausalität sowie eine tatsächliche nicht ordnungsgemäße Aufklärung vor, so ist die Voraussetzung für eine Haftung erfüllt. Hingegen steht bei einem Behandlungsfehler der Patient unter Beweislast, um eine Haftung zu erzielen, worauf im folgenden Kapitel genauer eingegangen wird.

2.2 Überblick über die Haftung

Zwar stellt die Nichteinhaltung des Behandlungsvertrages maßgeblich einen Behandlungsfehler dar, aber nur dann, wenn ein Gesundheitsschaden durch fehlerhaftes aktives Handeln oder aber auch durch schlichte Unterlassung zurückzuführen und zu beweisen ist, hat der Patient einen Schadensersatzanspruch. Dabei spielen die im vorherigen Gliederungspunkt genannten Standards in der Medizin eine übergeordnete Rolle. Ob der Gesundheitsschaden eine abzusehende Komplikation der medizinischen Betreuung oder einen Behandlungsfehler darstellt, „wird über die Betrachtung des zum Zeitpunkt der Behandlung des Patienten gültigen Standards des entsprechenden medizinischen Fachgebiets und der daraus abzuleitenden erforderlichen Sorgfaltspflicht des Arztes entschieden“ (Schaffartzik, W./Neu, J., 2008, S. 196). Problemtisch erscheint hierbei nur, dass Standards zwischen verschiedenen Kliniken unterschiedlich sein können sowie, dass gegenwärtig nicht für jede ärztliche Behandlung ein Standard festgelegt ist. Daher ist es die Aufgabe eines medizinischen Sachverständigen, unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes, festzustellen, inwiefern „der Arzt bei der Behandlung so reagiert hat, wie es von einem ordentlichen pflichtgetreuen Arzt in der konkreten Situation erwartet werden konnte“ (Schaffartzik, W./Neu, J., 2008, S.196).

Bei der Klärung von Streitigkeiten zwischen Ärzten und Patienten, bei denen Schadensersatzforderungen zugrunde liegen, kommen neben ordentlichen Gerichten ebenso Gutachterkommissionen oder Schlichtungsstellen zum Einsatz, welche sowohl von Patienten als auch Ärzten, Krankenhausträgern und Versicherern in Anspruch genommen werden können (Schmid, F./Püschmann, H./Neu, J., 2007). Die Klärung der Kausalität obliegt grundsätzlich immer dem Patienten, es sei denn es handelt sich, nach § 630h Abs. 4 und 5 BGB, um einen schweren Behandlungsfehler oder der behandelnde war für die medizinische Versorgung in diesem konkreten Fall nicht befähigt. Hierbei ist der Kausalitätsnachweis schon gegeben, wenn der eingetretene Gesundheitsschaden im sinnvollen Zusammenhang mit dem Fehler stehen könnte, ausgenommen die Arztseite kann die Verknüpfung zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden widerlegen.

Kommt es zu einem Prozess ist dieser häufig mit hohen Kosten verbunden, da Gerichte für die Aufklärung der Vorwürfe medizinische Sachverständige hinzuziehen müssen. Ein Prozess für Behandlungsfehler hat eine durchschnittliche Dauer von vier bis fünf Jahren, in Extremfällen sogar bis zu zwölf Jahren (Neu, J., 2013). Da der Arzt bei einem solchen Prozess natürlich die Aussage verweigern kann, kommt es nicht selten zu einer Verfahrenseinstellung aufgrund zu geringer Schuldfeststellung oder sogar zu einem Freispruch aufgrund des Mangels an Beweisen. Es ist daher angeraten sich außergerichtlich auf einen Schadensersatz zu einigen und nur bei Nichterfolg dessen und mit stichhaltigen Beweisen die Klage vor einem Zivilgericht zu erheben. Hierbei muss der Patient allerdings damit rechnen, sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von dem Strafrichter, als Zeuge vernommen zu werden und sich gegebenenfalls für zusätzliche medizinische Untersuchungen bereitzuhalten.

Arzthaftungsansprüche unterliegen nach § 195 BGB vertraglich als auch deliktisch einer einheitlichen dreijährigen Verjährungsfrist, welche allerdings erst mit dem Ende des Jahres, in welchem die Behandlung durchgeführt wurde, beginnt.

Zusehen ist also, dass ein Arzt nicht sofort bei einem ausbleibenden Behandlungserfolg, unerwünschten Nebenwirkungen oder Komplikationen haften muss. Dies ist nur der Fall, wenn es tatsächlich auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Das dies nicht häufig der Fall ist zeigt eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales (BMGS), welche in den Jahren 1990 bis 2000 an 17 verschiedenen universitären Rechtsmedizininstituten Todesfälle untersuchte, bei welchen eine gerichtliche Obduktion aufgrund eines Behandlungsfehlers durchgeführt wurde. Hierbei wurde vor allem die Notfallmedizin in Betracht gezogen. Ohne Berücksichtigung der Kausalität liegt die Zahl der bejahten Behandlungsfehlervorwürde bei elf von 108 Fällen, also bei 10,2%. Davon wurde in nur fünf Fällen die Kausalität für den Todeseintritt bejaht, bei den restlichen sechs Fällen wurde die Kausalität verneint oder war nicht zweifelsfrei nachweisbar. Weiterhin wurden in dieser Studie ebenso 434 Fälle mit nicht letalem Verlauf untersucht. Dabei konnten nur vier Fälle (0,9%) auf einen Behandlungsfehler seitens des Notarztes zurückgeführt werden (Madea B./Preuß J./Dettmeyer R., 2007).

3. Behandlungsfehler in der Notfallmedizin

Die Notfallmedizin hat in den letzten Jahrzehnten einen deutlichen Wandel durchlebt. Durch das hohe Patientenaufkommen in Deutschlands zentralen Notaufnahmen (ZNA), inklusive langer Wartzeiten und daraus resultierenden frustrierten Patienten, aber auch durch die starke Inanspruchnahme von Menschen ohne dringenden Behandlungsbedarf, gerät diese zunehmend unter Druck. Zeitgleich wächst der Anspruch der Patienten zunehmend und wird medial als auch gesellschaftlich zusätzlich getriggert. Ebenfalls nimmt auch die Kenntnis von klinischen Risiken und die daraus resultierenden Schädigungen für Patienten immer weiter zu.

Dabei stellt die Notfallmedizin ganz besonders ein hochkomplexes Umfeld dar, welches zu den risikoreichsten Bereichen eines Krankenhauses zählt. Hier müssen nicht nur eine Vielzahl von Patienten unter einem begrenzten Zeitlimit behandelt werden, auch Ärzte stoßen, aufgrund des breiten Spektrums der verschiedensten Erkrankungen, auf immer wieder neue Herausforderungen (Skowron, N. et al. 2019). Dieser Behandlungs- und Entscheidungsdruck wird von den restriktiven ökonomischen Rahmenbedingungen noch verstärkt. „In diesem Spannungsfeld gilt es für medizinisches Fachpersonal aller Berufsgruppen täglich zu bestehen und mit den von Natur aus begrenzten Ressourcen eine wirksame, bedarfsgerechte, patientenzentrierte und vor allem sichere Patientenversorgung zu gewährleisten“ (Strametz, R./Bayer-Filloff, M., 2019, S. 13).

Vergleicht man die Medizin vergangener Jahrhunderte war diese doch nebenwirkungsreicher. Die hier noch vorherrschende mangelnde Kenntnis über hygienische Grundanforderungen und die oftmals eher schädlichen Therapieansätze brachten teilweise sehr hohe Risiken für die Patienten. Durch verschiedene Meilensteine in der Medizin reduzierten sich diese Risiken, beispielsweise durch die Einführung von Impfungen oder klaren Hygieneprinzipien. Dennoch führt dieser medizinische Fortschritt gleichzeitig zu neuen Herausforderungen in der notfallmedizinischen Versorgung von Patienten. Diese lassen sich auf vier wesentliche Faktoren zurückführen (Strametz, R./Pin, M., 2019):

- der medizinisch-technische Fortschritt,
- die steigende Komplexität in der medizinischen Versorgung,
- der Erwartungsanstieg von Patienten, aber auch Angehörigen und Dritten und
- der intensive, ökonomische, teilweise ruinöse Wettbewerb.

Die medizinisch-technische Entwicklung innerhalb der Medizin, vor allem der Notfallversorgung, erhöht zwar häufig die Chancen akut lebensbedrohliche Zustände zu überleben, birgt allerdings gleichzeitig auch Risiken für Fehler. Alle Beteiligten benötigen theoretisch eine kontinuierliche und zielgerichtete Fortbildung, was, einerseits aufgrund der zunehmenden Leistungsverdichtung und andererseits durch die ständig fortlaufende medizinische Entwicklung, eher problematisch erscheint.

Auch der steigende medizinische Wissenszuwachs und die damit immer weiter fortschreitende Spezialisierung innerhalb der einzelnen Fachdisziplinen sorgt für eine Zunahme der Komplexität in der Versorgung. Dabei bilden sich zahlreiche hochspezialisierte Akteure unterschiedlicher Gesundheitsfachberufe heraus, welche gemeinsam an der Versorgung eines Patienten beteiligt sind. Positiv zu erwähnen sind hierbei erfahrene, interdisziplinäre Teams bei der Versorgung eines Notfallpatienten im Schockraum. Es konnte belegt werden, dass diese, vor allem bei lebensbedrohlich verletzten Patienten, das Outcome wesentlich verbesserten (Strametz, R./Pin, M., 2019). Dennoch steigt mit jedem, der zusätzlich am Prozess beteiligt ist, das Risiko für Missverständnisse oder Informationsverluste, was wiederum die Patientensicherheit negativ beeinflussen kann.

Die mediale Charakterisierung des Gesundheitswesens in der Fiktion, aber auch bei der Berichterstattung über medizinische „Durchbrüche“ in der Behandlung sowie die Skandalisierung vermeintlicher Defizite führen zu einer steigenden Erwartung der Patienten an die Versorgung. Insbesondere das Spannungsfeld Notaufnahme ist von einer gestiegenen Erwartungshaltung geprägt. Dabei trifft der psychisch angespannte Notfallpatient auf Mitarbeitende mit einer hohen qualitativen und quantitativen Arbeitsbelastung. Der hinzukommende Schichtdienst und die Notwendigkeit zielgerichtete rasche Entscheidungen zutreffen, stellen weitere Aspekte negativen Stresses dar (Moser, M., 2013).

Durch den demografischen Wandel und die Inanspruchnahme der Notaufnahme alternativ zur vertragsärztlichen Versorgung steigt die Zahl der Notfallpatienten gewissermaßen linear mit der Belastung des medizinischen Personals und bringt viele Risiken mit sich. Der daraus resultierende Kontrast in der Erwartung des Patienten und der Beteiligten können wiederum zu einem Risiko führen. Zusätzlich wirkt sich der Fachkräftemangel, besonders der Pflegenotstand, selbstverständlich auch in den zentralen Notaufnahmen aus und sorgt dabei für weitere Belastungsaspekte des dort arbeitenden Personals.

Vor dem Hintergrund des zunehmenden ökonomischen Wettbewerbsdruckes, welcher die Reduzierung von Krankenhausbetten bei steigenden jährlichen Behandlungsfällen zur Folge hat, kommt es zu einem Zwiespalt zwischen elektiver Versorgung und reduzierter Belegungsressourcen. Durch die Ausrichtung auf eine bestmöglichste ökonomische Effizienz kommt es mitunter häufig zu Behandlungsfehlern in Bezug zur zielgerechten Aufnahme stationärer Notfallpatienten (Strametz, R./Bayer-Filloff, M., 2019).

Das Zusammenspiel dieser genannten Punkte führt häufig zu einer gravierenden Risikoerhöhung. So sind oftmals, Patienten welche sich in einem kritischen oder gebrechlichen Gesundheitszustand befinden, zeitkritische und unter Druck getroffene Entscheidungen, ein hohes Patientenaufkommen ohne die nötigen Ressourcen und die fehlende Abstimmung bei multiplen Schnittstellen, ursächlich für Behandlungsfehler.

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Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Arzthaftung. Behandlungsfehler in der Notfallmedizin
Untertitel
Zivilrechtliche und strafrechtliche Aspekte
Hochschule
IU Internationale Hochschule
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
17
Katalognummer
V1142487
ISBN (eBook)
9783346520104
ISBN (Buch)
9783346520111
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arzthaftung, Medizinrecht, Pflegerecht, Behandlungsfehler, Notaufnahme, Zentrale Notfallversorgung, Strafrecht, Aufklärungsfehler, Pflege, Ärzte, Mediziner, Haftung, CIRS, Critical Incident Reporting System, Crew Resource Management, Fehlermeldesysteme, Notfallambulanz, Risikomanagement, Management, Gesundheitsmanagement, Aufklärung, Früherkennung
Arbeit zitieren
Bachelor of Science Nadine Schönherr (Autor:in), 2021, Arzthaftung. Behandlungsfehler in der Notfallmedizin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1142487

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