Die Semantik von Kopfhaar und Frisur


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

30 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theorie
2.1. Die Kodes
2.1.1. Das Element des Kopfhaares im archaischen Kode
2.1.2. Das Element des Kopfhaares im biologischen Kode
2.1.3. Das Element der Frisur im kategorialen Kode
2.1.4. Das Element der Frisur im konventionalen Kode
2.1.5. Das Element der Frisur oder des Kopfhaares im flexiblen Kode
2.2. Ergänzende Theorie
2.2.1. Die Sprache der Haare
2.2.2. Weshalb liefern uns Kopfhaare und Frisur Informationen

3. Analyse

4. Schluss

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

1. Einleitung

In der gängigen Literatur über nonverbale Kommunikation im allgemeinen und Körpersprache im speziellen wird die Frisur zwar meist als Ausdrucksmittel aufgeführt, jedoch selten spezifisch behandelt. Dies überrascht, wenn man bedenkt, dass die Frisur ein prägnantes Ausdrucksmittel ist und ein Bild daher mindestens so stark dominieren kann wie beispielsweise die Körperhaltung oder die Umgebung das können.

Die Journalistin, Literatur- und Kulturhistorikerin, Nina Bolt, betitelte ihr Buch mit: „Haare - Eine Kulturgeschichte der wichtigsten Hauptsache der Welt“.1 Ob sie mit dem starken Titel der Vernachlässigung dieses Körperteils in der Forschung der Körpersprache entgegenwirken wollte, bleibt dahingestellt. Sicher ist, dass die Werbung die Frisur ganz bewusst als Ausdruck der Werbebotschaft einsetzt.

Ziel dieser Seminararbeit soll es jedoch nicht sein, nur Werbeplakate, sondern verschiedene Bilder, in denen die Haarpracht eine Rolle spielt, bezüglich des dominantesten Kodes zu deuten. Dadurch sollen der Leser oder die Leserin für die Sprache der Kopfhaare und Frisur sensibilisiert werden. Schliesslich wird um diese Art der Kopfbedeckung viel Wind gemacht - nicht nur von Werbefilmern.

Die Arbeit ist in einen Theorieteil und in einen Analyseteil gegliedert. Der Theorieteil schildert bildsemantische Lesearten hinsichtlich des Kopfhaares beziehungsweise der Frisur. Er bildet also das Fundament für den Analyseteil und rundet diesen mit Zusatzinformationen ab.

Die Aufteilung der Bildsemantik in verschiedene Kodes (Lesearten) stammt aus Kapitel 13 des Buches: „Ein Bild ist mehr als ein Bild“ von Christian Doelker.2 Diese Aufteilung gliedert das Kapitel 2.1. Die Kodes des Theorieteils.

Methodisch stützt sich die Arbeit auf Literatur und die Analyse von Bildern.

Zwei Unterscheidungen sind wichtig. Einmal die Unterscheidung zwischen der Frisur und dem Kopfhaar. Der Ausdruck Frisur bezeichnet im folgenden Text bewusst gestaltetes Kopfhaar. Kopfhaar steht dann für die andere, also nicht gestaltete oder nicht bewusst gestaltete Haarpracht. Kopfhaar und Frisur enthalten nebst Informationen im archaischen und biologischen Kode auch solche im kategorialen, konventionalen und flexiblen Kode.

Somit ist bereits die zweite Unterscheidung angesprochen. Hier werden die verschiedenen Aspekte von Kopfhaar oder Frisur nach deren Aussagekraft jeweils dem archaischen, biologischen, kategorialen, konventionalen oder dem flexiblen Kode zugeteilt.

2. Theorie

Auf den ersten Blick scheint das Kopfhaar keine nennenswerte Bedeutung zu haben, wenn man es mit der Bedeutung des Fells bei Säugetieren oder dem Gefieder der Vögel vergleicht. Das Kopfhaar hat aber zwei biologische Funktionen: Es schützt den Schädel gleichzeitig vor Kälte und vor ultravioletten Strahlen.3

2.1. Die Kodes

Nebst diesen zwei Schutzeigenschaften hat das Kopfhaar die Funktion, etwas über dessen Träger auszusagen. Entweder mittels archaischem Kode, biologischem Kode oder mittels kategorialem Kode. Der konventionale Kode und der flexible Kode sind bezüglich der Kopfhaare beziehungsweise der Frisur in der Alltagsdeutung weniger wichtig und werden vor allem in der Werbung oder der Kunst zusätzlich verwendet.4

Natürlich können das Kopfhaar beziehungsweise die Frisur gleichzeitig in mehr als einem Kode sprechen beziehungsweise gelesen werden. Man spricht dabei von einer Überlagerung der Kodes.5

Am Kopfhaar bzw. an der Frisur lassen sich folgende Dinge abgelesen:

- Gesundheit (archaischer Kode)
- Alter (archaischer Kode)
- Geschlecht / Sexualität (biologischer Kode)
- Kultur / Subkultur / Epoche (kategorialer Kode)
- Gesellschaftliche Position (kategorialer Kode)

2.1.1. Das Element des Kopfhaares im archaischen Kode

Da die Frisur bewusst gestaltetes (oder bewusst nicht gestaltetes) Kopfhaar ist, kommt sie im archaischen Kode nicht als bedeutungsbildendes Element vor. Die Frisur ist immer ein kulturelles Phänomen. Allerdings kann sie bewusst oder unbewusst so gestaltet sein, dass sie als gestaltetes Kopfhaar auch archaische Bedeutungen vermittelt.6 Wenn von archaischen Formen gesprochen wird, so geschieht dies also mit dem Begriff Kopfhaar, da der archaische Kode in Eigenschaften von Kopfhaar und nicht in Eigenschaften der Frisur spricht oder gelesen wird. Durch die Überlagerung der Kodes7, ist es nicht immer einfach, die Trennschärfe, besonders zwischen den archaischen und den kulturell festgelegten Kodes, zu bewahren. Ausserdem kann ein bestimmter Kode der Frisur durchaus seinen Ursprung in der archaischen Bedeutung des Kopfhaares haben und diese daher verstärken.

Gesundheit

Wie das glänzende Fell aus der Hundefutterwerbung ist auch kräftiges Kopfhaar beim Menschen ein Zeichen für Gesundheit. Der physische und psychische Gesundheitszustand der jeweiligen Person wird also gerade nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern kann nahezu problemlos an den Kopfhaaren abgelesen werden.8 Bolt präzisiert: „Hängt es fettig und trocken herab oder strähnig wie welkes Gras, so deuten wir dies als Zeichen dafür, dass es uns weder physisch noch psychisch sonderlich gut geht.“9 Das greift die Shampoowerbung auf, wenn sie von gesundem Glanz oder vollem, schuppenfreiem Haar spricht. In den Worten von Bolt: „Glänzendes, volles, lebendiges und natürliches Haar sind die vier Schlüsselbegriffe, die immer wieder in der Werbung für Haarpflegemittel fallen und die gleichzeitig das Schönheitsideal der heutigen Zeit wiedergeben.“10 Was gesund aussieht, wirkt attraktiv.

Alter

Das erste sichtbare Zeichen unserer Sterblichkeit ist graues Haar. Aber während Frauen oft über ihr graues Haar klagen, da es als Anzeichen für zunehmendes Alter gilt, ist graues Haar bei Männern oft Zeichen von Lebenserfahrung.11 Die bekannteste Analogie in der Tierwelt findet sich bei den uns nahe verwandten Gorillas mit den ranghohen Silberrücken. Es ist möglich, dass graues Haar eher mit nützlicher Erfahrung korrespondierte und sich die Weibchen daher schon in der vorkulturellen Zeit von grauem Haar angezogen fühlten. Viele emanzipierte Frauen denken heute wohl etwas differenzierter über Männer mit grauen Haaren, zumal sie auch nicht auf einen guten Versorger mit viel Erfahrung angewiesen sind. Für sie mag es ärgerlich sein, dass in der heutigen Gesellschaft Frauen mit grauem Haar noch immer schlechter da stehen als Männer mit grauem Haar. Männer kämpfen dafür mit einem ganz anderen Problem, wenn sie älter werden: Dem Haarausfall. Ein kahler Kopf wird mit Alter und einem nicht so guten Gesundheitszustand gleichgesetzt. Daher führt Haarausfall zu einer Reduktion der Attraktivität.

Neben dem Gesundheitszustand und der grauen Haarfarbe enthält auch die blonde Haarfarbe Informationen in archaischem Kode. Besonders das blonde Frauenhaar vermag es nämlich, die Männer in Fahrt zu bringen. Frauen mit blonden Haaren verfügen über mehr Östrogen im Blut als Brünetten.12 Hars schreibt weiter: „Für 67 Prozent der Männer ist die Traumfrau blond. Forscher der Ruhr-Universität Bochum fanden heraus, dass Blondinen seltener Strafmandate bekommen und dass sie auf Kontaktanzeigen 60 Prozent mehr Antworten erhalten. Eine britische Studie belegt sogar, dass Blondinen im Supermarkt mehr Kasse machen: Männer stellen sich bei blonden Kassiererinnen lieber an, auch wenn anderswo die Schlange kürzer ist. Blondinen an der Kasse machen 23 Prozent mehr Umsatz.“13

Der Grund dafür liegt laut Evolutionsforschern darin, dass blondes Haar selten die dreissig erreiche und daher ein Indiz für Jugend sei. Nach einer Geburt werde das Haar einer Blondine dunkler, da mit der Geburt der Östrogenspiegel abnimmt. Es gibt daher nur wenig Blondinen über dreissig. Wählte ein Mann eine Blondine zur Frau, konnte er sich also von jeher ziemlich sicher sein, eine junge Frau im besten Fortpflanzungsalter zu ehelichen, die zudem mit ziemlicher Sicherheit noch kinderlos war.14

Heute können sich Frauen blondieren lassen, um sich dadurch einen von diesen 67 Prozent der Männer zu angeln, deren Traumfrau blond ist.15 Allerdings ist damit das Risiko verbunden, für dumm gehalten zu werden. Denn auch die Blondinenwitze haben ihre Gründe. Blondinen - vorausgesetzt sie sind es von Natur aus - haben einen geringeren Testosteronspiegel als beispielsweise Brünetten. Testosteron unterstützt alles, was irgendwie mit räumlichem Denken zu tun hat. Daher schneiden blonde Frauen in wirklich intelligenten Disziplinen wie Nägel in die Wand hauen oder einparken schlechter ab als Brünetten. Das könnte der Grund sein, weshalb viele Männer Blondinen für dumm halten.16 Falls sie deshalb als besonders dumm gelten, ist dies aber ein kulturelles Phänomen und gehört nicht zum archaischen Kode.

So interessant diese Theorie ist, sie muss relativiert werden, denn blondes Haar tritt nur bei Menschen der ‚Kaukasischen Rasse’ auf. Aus der Verhaltensforschung bei multikoloren Ethnien ist auch bekannt, dass die Wahl signifikant häufiger auf Partner fällt, die dem elterlichen Archetyp entsprechen, d.h. Männer mit einer dunkelhaarigen Mutter wählen signifikant häufiger eine dunkelhaarige Partnerin aus und umgekehrt.17 Dies gilt auf alle Fälle für feste Beziehungen, bei denen ein höherer Östrogenspiegel des weiblichen Partners kein dauerhafter Vorteil ist, sondern nur eine höhere Paarungsbereitschaft signalisiert.

2.1.2. Das Element des Kopfhaares und der Frisur im biologischen Kode

Geschlecht / Sexualität

Langes, volles, gesund glänzendes Haar gilt bei Frauen als besonders attraktiv. Es ist ein Symbol für Erotik und Sexualität. So schreibt Bolt: „[...] langes Haar, was jahrhundertelang ein weibliches Geschlechtsmerkmal und sexuelles Symbol war, selbst zu den Zeiten, als Männer ebenfalls langes Haar trugen. Dass muslimische Frauen [...] einen Schleier tragen, liegt an der Assoziation von Kopfhaar mit weiblicher Sexualität.“18 Das Kopfhaar ist ein sekundäres Geschlechtsmerkmal sowie ein Symbol für weibliche Sexualität.

Bei Männern gilt dichtes und gesund glänzendes Kopfhaar als attraktiv. Männer mit Glatze gelten als weniger attraktiv und sind entgegen dem Klischee auch nicht potenter als ihre mähnigen Kollegen19. Langes Kopfhaar wird in gewissen Kulturen und Subkulturen als Ausdruck von Potenz und Aggressivität analog zur Löwenmähne gelesen.20 Der biblische Samson stellt dafür wohl das bekannteste Beispiel dar. Durch das Abschneiden seiner Locken verlor er seine Heldenkraft.21

Die Interpretation der Haarlänge hängt aber auch von der Zeit ab. So Argyle: „Gegenwärtig [um 1970] ist langes Haar für junge Männer sehr wichtig - manche messen dem einen grossen Wert bei, langes Haar zu haben, während viele Ältere langes Haar als empörend empfinden. Manche junge Männer meinen, langes Haar zu brauchen, um Freundinnen zu finden, und kurzes Haar, um einen Job zu bekommen, und so tragen sie eine Perücke.“22 Daher wurde dem Kopfhaar in den Siebziger Jahren wohl weniger Bedeutung als sekundäres Geschlechtsmerkmal zugemessen, wie in Zeiten in denen der Mann kurz trug oder trägt.

Männer wechseln ihre Frisur nicht so oft wie Frauen. Ihnen ist es nicht so wichtig eine unverwechselbare Frisur zu haben. Es kommt auch seltener vor, dass Männer anlässlich einer Verabredung extra zum Friseur gehen. Männer orientieren sich eher an der Norm einer gewissen Einförmigkeit.23

Für Frauen ist der Verlust ihrer Haare eine Tragödie. Sie verlieren damit sozusagen ihre sexuelle Anziehungskraft.24 So kam es auch, dass das Haarschneiden als Strafe eingeführt wurde. Bolt: „Im Laufe der Geschichte sind die Frauen in weitaus grösserem Masse an ihren Haaren bestraft worden als die Männer, sei es für Ehebruch oder andere sexuelle Verstösse, wie den, mit wallendem Haar umherzugehen, was ihnen vor der Eheschliessung verboten war.“25

2.1.3. Das Element der Frisur im kategorialen Kode

Michael Argyle schreibt: „Jede Haartracht hat ihre soziale Bedeutung, wobei allerdings in verschiedenen Zeiten diese Bedeutungen unterschiedlich sind: zum Beispiel langes Haar bei Männern wurde in manchen Zeiten als männlich und in anderen als weibisch angesehen.“26 Historikerinnen und Historiker nutzen Haarmoden beispielsweise um Bilddokumente einer Epoche der Zeitgeschichte zuzuordnen.

Kultur / Subkultur / Epoche

Die Frisur zeigt zu welcher Kultur, Subkultur und Epoche ihr Träger gehört. In modernen Kulturen ist es aufgrund der zunehmenden Individualisierung selten, dass sich die Frisur als markantes Erkennungszeichen der jeweiligen Kultur erhalten hat. Subkulturen hingegen zeichnen sich besonders stark durch eine charakteristische Frisur aus, so beispielsweise die Punk Frisur und die Britpop Frisur. Auch sie unterliegen einem zeitlichen Wandel. Bei Naturvölkern dient die Frisur wiederum relativ stark als Erkennungszeichen des jeweiligen Stammes.

[...]


1 Siehe Literaturverzeichnis.

2 Siehe Literaturverzeichnis.

3 Bolt, S. 7.

4 Siehe unten 2.1.4. Das Element der Frisur im konventionalen Kode.

5 Doelker, S. 140.

6 So kann zum Beispiel das Kopfhaar einer Frisur so hergerichtet werden, dass es besonders kränklich aussieht. Zum Beispiel in einem Film, in dem eine Schauspielerin eine böse alte Hexe darstellen soll. Da dies jedoch eher selten der Fall ist, dient die begriffliche Unterscheidung zwischen Kopfhaar und Frisur der Vereinfachung.

7 Doelker, S. 140.

8 Siehe Abbildung 7 im Analyseteil.

9 Bolt, S. 9.

10 Bolt, S. 53.

11 Bolt, S. 72.

12 Hars, S. 202.

13 Hars, S. 203-204.

14 Hars, S. 204.

15 Siehe Abbildung 9 im Analyseteil.

16 Hars, S. 201-204.

17 Hassebrauck; Küpper, S. 85-86.

18 Bolt, S. 68.

19 Hars, S. 143.

20 Bolt, S. 74.

21 Lurker, S. 272.

22 Argyle, S. 306.

23 Bolt, S. 69.

24 Bolt, S. 67.

25 Bolt, S. 173.

26 Argyle, S. 306.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Die Semantik von Kopfhaar und Frisur
Hochschule
Université de Fribourg - Universität Freiburg (Schweiz)  (Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft)
Veranstaltung
Das Bild in der Werbung
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
30
Katalognummer
V11427
ISBN (eBook)
9783638175937
Dateigröße
2281 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sematik
Arbeit zitieren
Matthias Giger (Autor:in), 2002, Die Semantik von Kopfhaar und Frisur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11427

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