Im Bereich der linguistischen Werbeforschung kann laut Hartmut Stöckl zwischen drei großen Richtungen unterschieden werden. Die erste betrachtet systemlinguistische Ebenen von Werbetexten unter Einbezug soziolinguistischer Charakteristika. Die zweite Richtung versucht, einen methodischen Zugang zu den sprachlich-kommunikativen Eigenheiten der Werbetexte zu erhalten, indem sie die rein sprachliche Ebene um die Betrachtung anderer Zeichensysteme wie Bilder und Töne ergänzt. Als Beispiel hierfür ist die Semiotik zu nennen, denn "Werbekommunikation semiotisch zu betrachten bedeutet, die Totalität des Texts und des kommunikativen Ergebnisses aus dem Blickwinkel aller Zeichenangebote […] zu untersuchen."
Diese Arbeit orientiert sich an der zweiten Richtung, wobei nach Stöckl (2012) von einem kultur-semiotisch weiten Textbegriff ausgegangen wird. Demnach "kann jedes Artefakt, das Ergebnis absichtlichen zeichenhaften Verhaltens ist, nach einem kulturell verfügbaren Kode 'lesbar' ist und eine in der Kultur konventionalisierte Funktion hat, als Text betrachtet werden. Mit dieser Art Textbegriff ist jede Form von Werbung […] analytisch greifbar".
Inhaltsverzeichnis
1 Werbekommunikation als Forschungsgegenstand
2 Klärung von Begrifflichkeiten
2.1 Werbung
2.2 Multimedialität
2.3 Kulturelle Aspekte: Stereotype und Kulturdimensionen
2.4 Kommunikationsprozess
3 Methodik
3.1 Existierende Ansätze
3.2 Erarbeitetes Analysemodell
4 Analyse der Werbespots
4.1 Jägermeister: deutscher Werbespot „Ich nicht. Wir schon.“
4.1.1 Textexterne Rahmenbedingungen
4.1.2 Textstruktur/Handlungsstruktur
4.1.3 Textinterne Faktoren
4.1.3.1 Visueller Teiltext
4.1.3.2 Verbaler Teiltext
4.1.3.3 Auditiver Teiltext
4.1.4 Intermediale Kohärenz
4.1.5 Abschließende Interpretation
4.2 Jägermeister: spanischer Werbespot „Hunt or be hunted“
4.2.1 Textexterne Rahmenbedingungen
4.2.2 Textstruktur/Handlungsstruktur
4.2.3 Textinterne Faktoren
4.2.3.1 Visueller Teiltext
4.2.3.2 Verbaler Teiltext
4.2.3.3 Auditiver Teiltext
4.2.4 Intermediale Kohärenz
4.2.5 Abschließende Interpretation
4.3 Licor 43: deutscher Werbespot „Pura Pasion“
4.3.1 Textexterne Rahmenbedingungen
4.3.2 Textstruktur/Handlungsstruktur
4.3.3 Textinterne Faktoren
4.3.3.1 Visueller Teiltext
4.3.3.2 Verbaler Teiltext
4.3.3.3 Auditiver Teiltext
4.3.4 Intermediale Kohärenz
4.3.5 Abschließende Interpretation
4.4 Licor 43: spanischer Werbespot „Tu mejor momento“
4.4.1 Textexterne Rahmenbedingungen
4.4.2 Textstruktur/Handlungsstruktur
4.4.3 Textinterne Faktoren
4.4.3.1 Visueller Teiltext
4.4.3.2 Verbaler Teiltext
4.4.3.3 Auditiver Teiltext
4.4.4 Intermediale Kohärenz
4.4.5 Abschließende Interpretation
5 Kontrastiver Vergleich der vier Werbespots
6 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang
I. „Ich nicht. Wir schon.“: Jägermeister -Video-Transkript
II. „Hunt or be hunted“: Jägermeister-Video-Transkript
III. „Pura Pasion“: Licor 43 - Video-Transkript
IV. „Tu mejor momento“: Licor 43 -Video-Transkript
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Deutsch-spanischer Vergleich von Hofstedes Kulturdimensionen
Abb. 2: Werbekommunikation nach Stern
Abb. 3: Analysemodell nach Janich
Abb. 4: Eigenes Analysemodell
1 Werbekommunikation als Forschungsgegenstand
Werbung ist heutzutage allgegenwärtig. Es ist nahezu unmöglich eine Zeitschrift durchzublättern, ohne auf eine Werbeanzeige zu stoßen oder durch die Fernsehsender zu schalten und nicht mit den neuesten Automodellen oder Handytarifen konfrontiert zu werden. Der heutige Konsument wird selbst beim Surfen im Internet permanent mit Werbung bombardiert, denn im digitalen Zeitalter wird es für Unternehmen immer einfacher, Werbebotschaften über verschiedene Kanäle zu verbreiten, um die jeweilige Zielgruppe zu erreichen. Besonders soziale Medien, wie Facebook oder YouTube, gewinnen hierbei zunehmend an Bedeutung (vgl. Janich 2013: 95).
Werbung ist daher längst zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden. In der Sprachwissenschaft werden diesbezüglich jedoch erst seit den 1950er bzw. 1960er Jahren Forschungen angestellt, da Werbung zuvor negativ konnotiert war und hauptsächlich mit Sprachverfall und Manipulation in Verbindung gebracht wurde (vgl. ibid.: 16). Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich die abwertende Sichtweise nach und nach gewandelt, weshalb die Zahl der werbesprachlichen Arbeiten im sprachwissenschaftlichen Bereich stetig zugenommen hat (vgl. ibid.: 16). Mit Anbruch des 21. Jahrhunderts und der damit einhergehenden Digitalisierung besteht in der Forschung vermehrt Interesse an Analysen, die ihre Perspektive um nichtsprachliche Aspekte wie Musik erweitert haben. Neben TV-, Print- und Radiowerbung werden außerdem zunehmend Online-Werbeformen untersucht (vgl. Schröder 2013: 10).
Im Bereich der linguistischen Werbeforschung kann laut Hartmut Stöckl (vgl. 2011a: 13 f.) zwischen drei großen Richtungen unterschieden werden. Die erste betrachtet systemlinguistische Ebenen von Werbetexten unter Einbezug soziolinguistischer Charakteristika. Die zweite Richtung versucht, einen methodischen Zugang zu den sprachlich-kommunikativen Eigenheiten der Werbetexte zu erhalten, indem sie die rein sprachliche Ebene um die Betrachtung anderer Zeichensysteme wie Bilder und Töne ergänzt. Als Beispiel hierfür ist die Semiotik zu nennen, denn „Werbekommunikation semiotisch zu betrachten bedeutet, die Totalität des Texts und des kommunikativen Ergebnisses aus dem Blickwinkel aller Zeichenangebote [.] zu untersuchen.“ (Stöckl 2012: 259). Außerdem wird Werbung hierbei nicht nur als Textprodukt gesehen, sondern auch kontextuelle Aspekte, wie Kultur, werden miteinbezogen. Die dritte Strömung erweitert die linguistische Ebene um verwandte Disziplinen. Hierzu zählen beispielsweise die Kommunikationswissenschaften (vgl. Stöckl 2011a: 13).
Die vorliegende Arbeitorientiert sich an der zweiten Richtung, wobei nach Stöckl (2012) von einem kultur-semiotisch weiten Textbegriff ausgegangen wird. Demnach „kann jedes Artefakt, das Ergebnis absichtlichen zeichenhaften Verhaltens ist, nach einem kulturell verfügbaren Kode ,lesbar‘ ist und eine in der Kultur konventionalisierte Funktion hat, als Text betrachtet werden. Mit dieser Art Textbegriff ist jede Form von Werbung [.]analytisch greifbar (Stöckl 2012: 245).
Bevor mit der separaten Analyse und dem anschließenden Vergleich von vier Werbespots - zwei der Marke Jägermeister und zwei der Marke Licor43, die Bestandteil der jeweiligen deutschen und spanischen Werbekampagne im Jahr 2015 waren - begonnen wird, sollen zunächst Begrifflichkeiten geklärt werden, die zum weiteren Verständnis notwendig sind. Hierzu zählen „Werbung“, „Multimedialität“, „Stereotype“ und „Kulturdimensionen“ sowie „Kommunikationsprozess“. Im Anschluss daran werden bestehende Analysemodelle von Nina Janich, Hartmut Stöckl und Angelika Henneke aufgezeigt. Da sich die Modelle von Janich und Henneke ausschließlich auf Anzeigenwerbung beziehen, wird anschließendeinAnalyseschemaausgearbeitet, das sich zur Untersuchung der audiovisuellen Werbespots von Jägermeister und Licor 43eignet. Dieses erarbeitete Analyseverfahren wirdin einem weiteren Schritt auf die jeweiligen deutschen und spanischen Spots der beiden Likörhersteller angewendet. Als letztes soll ein kontrastiver Vergleich angestellt werden, um die jeweilige länderspezifische Werbestrategie herauszuarbeiten und kulturelle Besonderheiten aufzuzeigen. Hierbei wird auch auf die Verwendung von Stereotypen eingegangen.
2 Klärung von Begrifflichkeiten
2.1 Werbung
Das Verb werben stammt vom althochdeutschen Wort (h)werban ab. Im Mittelhochdeutschen verwendete man das Verb werven, was ursprünglich ‘sich drehen, wenden, umkehren, einher- gehen‘ ausdrückte und später im Sinne von ‘sich um etw., jmdn. bemühen‘ verwendet wurde. Diese Bedeutung kommt der heutigen Absicht von Werbung recht nahe, denn einerseits wird eine Sache bzw. ein Produkt beworben und andererseits soll eine Person zu einer bestimmten Handlung bewegt werden - im Fall der Wirtschaftswerbung meist zum Kauf des jeweiligen Produkts bzw. der jeweiligen Dienstleistung (vgl. Janich 2013: 18). Hoffmann (1981) schlägt folgende Definition für Wirtschaftswerbung vor:
Werbung wird die geplante, öffentliche Übermittlung von Nachrichten dann genannt, wenn die Nachricht das Urteilen und/oder Handeln bestimmter Gruppen beeinflussen und damit einer Güter, Leistungen oder Ideen produzierenden oder absetzenden Gruppe oder Institutionen (vergrößernd, erhaltend oder bei Verwirklichung ihrer Aufgaben) dienen soll. (Hoffmann 1981: 10)
Bei einer sprachwissenschaftlichen Betrachtung von Werbung sollte daher nicht nur untersucht werden, wieObjekte beworben, sondern auchwie Konsumenten gezielt angesprochen werden, um sie zur intendierten Handlung, sprich dem Kauf des Produkts, zu bewegen (vgl. Janich 2013: 18).
Insgesamt lassen sich folgende Arten von Werbung unterscheiden: politische Werbung, religiöse und kulturelle Werbung sowie Wirtschaftswerbung. Letztere nimmt den größten Raum in der werbesprachlichen Forschung einundwird deshalb auch in der vorliegenden Arbeit untersucht. Wirtschaftswerbung kann je nach Intention des Unternehmens inwirtschaftspolitische Werbung, Firmenwerbung/Public Relations und Werbung für Teilfunktionen des Unternehmens unterteilt werden, wobei wiederum zwischen Personal-, Beschaffungs- und Absatzwerbung differenziert werden muss. Im Rahmen dieser Arbeit wird ausschließlich Werbung betrachtet, die der Förderung des Absatzes dienen soll. DieseForm lässt sich noch weiter in Produkt- und Dienstleistungswerbung zerlegen. Für die bevorstehende Analyse ist jedoch nur erstere von Interesse. Weiterhin kann eine Differenzierung in Verbrauchsgüter und Gebrauchsgüter vorgenommen werden (vgl. ibid.: 20). Da die betrachteten Produkte im Spirituosenbereich anzusiedeln sind, handeltes sich bei Jägermeister und Licor43 um die erstgenannte Kategorie.
2.2 Multimedialität
Medienim Sinne von Kommunikationsmitteln, wie Internet und Fernsehen, die zur Übermittlung der betrachteten Werbespots genutzt werden, sind multimedial. Das bedeutet, dass „Informationen [.] multikodal und multimodal vermittelt werden“ (Janich 2013: 96). Multikodale Werbebotschaften werden demnach nicht nur durch Text übermittelt, sondern es werden verschiedene Kodes wie Sprache, Bilder, Musik und Geräusche verwendet. Es kommt also zum Einsatz mehrerer Informationsträger. Multimodalität bezieht sich dagegen auf die Sinne, die beim Konsumenten mittels verschiedener Zeichenmodalitäten angesprochen werden. Hierbei handelt es sich um auditive und visuelle Wahrnehmung (vgl. ibid.: 85-86).
Gerade bei Fernsehspots wird Sprache durch diese Modi repräsentiert, wobei ein Text entweder gesprochen, gesungen oder geschrieben werden kann. Gesprochene und gesungene Texte werden akustisch realisiert und auditiv erfasst. Ist der Sprecher nicht sichtbar, handelt es sich um Off-Sequenzen. Meistens wird der Off-Sprecher bereits während des Werbespots eingesetzt, um die einzelnen Bilder zu kommentieren. Manchmal kommt er auch erst gegen Ende des Spots zum Einsatz, um den eingeblendeten Produktnamen oder Slogan vorzusprechen. Bei sogenannten On-Sequenzen ist der Sprecher sichtbar. Er sprichtden Zuschauer entweder direkt an oder kommuniziert mit einem weiteren Sprecher im Spot.Bei gesungenen Texten muss zwischen Werbeliedern, die häufig speziell für den Werbefilm aufgenommen wurden, und Jingles unterschieden werden. Letztere beziehen sich auf einen gesungenen Slogan, können aber auch ohne Text als reine Erkennungsmelodie realisiert werden (vgl. Janich 2013: 86-87). Auf der auditiven Ebene lassen sichneben Musikund gesprochenem bzw. gesungenem Text auch Geräusche und Töne einordnen (vgl. ibid.: 88).Wird der Text lediglich eingeblendet, kann dieser nur optisch wahrgenommen werden. Auf der visuellen Ebene sind zudem die einzelnen Bilder eines Spots einzureihen (vgl. ibid.: 87).
Da multimediale Werbung „im komplexen Zusammenspiel mehrerer Zeichenmodalitäten (Schrift, Rede, Bild, Musik, Geräusch, Typographie/Layout etc.) und ihrer gestalterischen Ressourcen“ (Stöckl 2011a: 18) entsteht, muss laut Stöckl bei einer praxisnahen Werbeforschung analysiert werden, wie sich die verschiedenen Zeichensysteme zu einem Ganzen zusammenfügen (vgl. ibid.: 18). Janich (vgl. 2013: 86) weist ebenfalls darauf hin, dass eine Berücksichtigung aller Zeichenkodes nötig sei, um die Werbebotschaft der multimedialen Spots zu erfassen. Diese sollten mittels einer Transkription verschriftlicht werden, denn nur auf diese Weise könne eine vollständige sprachwissenschaftliche Analyse vorgenommen werden (vgl. ibid.:86).Auch wenn der Fokus auf einer sprachlichen Betrachtung liegen soll, müssen Bilder miteinbezogen werden, da der Text ohne Bildbezug meistens nicht verständlich ist und wichtige Aspekte vernachlässigt werden (vgl. ibid.: 261). Aus diesem Grund wird auch im Rahmen dieser Arbeit eine Transkription als Forschungsgrundlage angefertigt, die alle vorhandenen Kodes berücksichtigt. Auf die angewandte Methodik wirdin Kürze näher eingegangen.
2.3 Kulturelle Aspekte: Stereotype und Kulturdimensionen
Wie bereits in der Einleitung deutlich wurde, darf bei der Analyse von Werbespots der kulturelle Hintergrund nicht vernachlässigt werden, denn:
Werbetexte sind [.] nicht nur materielle Produkte, die in einer spezifischen Kommunikationssituation zur Anwendung kommen, sondern sie sind gleichzeitig Artefakte einer Kultur und werden Bestandteil der konkreten kulturellen Textwelt und damit Teil der jeweiligen Mentalität. [.] Werte bzw. die Mentalität einer bestimmten Zielgruppe (d.h. ihre spezifischen Kodes) können und müssen [.] als konstitutiv für die Textbedeutung angesehen werden. Die Kultur als Zeichensystem und die Mentalität als Summe aller Kodes wirkt somit als textexterner Kode zur Interpretation der Gesamtbotschaft des Kommunikats (Henneke 2012: 374).
Nicht nur bei der Analyse, sondern auch bei der Planung von Werbekampagnen muss der kulturelle Hintergrund der jeweiligen Zielgruppe berücksichtigt werden. Häufig wird dieser Aspekt jedoch vernachlässigt und Kulturunterschiede werden oftmals erst bemerkt, wenn Produzent und Rezipient einer Werbebotschaft nicht derselben Kultur entstammen (vgl. Wrobel 2000: 71). Mangelnde Kenntnisse über die Werte und Normen der Rezipienten können in der Werbekommunikation seitens des Empfängers zu Fehlinterpretationen führen. In diesem Fall misslingt die Kommunikation und der Rezipient dekodiert die Botschaft falsch, d.h. er interpretiert sie anders als vom Produzenten beabsichtigt (vgl. Siegert/Brecheis 2017: 57).
Insbesondere bei Werbespots, die für den ausländischen Markt konzipiert werden, wird daher oft auf Stereotype zurückgegriffen. Sie verringern die Gefahr einer Fehlinterpretation und können in der Werbung dazu dienen, positive Emotionen bei den Rezipienten hervorzurufen. Dies führt zu einer gesteigerten Markenerinnerung und einem positiven Markenimage. Stereotype sind außerdem leicht verständlich und bedürfen keiner weiteren Erklärung (vgl. Kührer 2015: 165). Der Ausdruck Stereotyp wird häufig gleichgesetzt mit Klischee oder Vorurteil (vgl. Thiele 2015: 28). Thiele (2015) definiert ihn „als kognitive Struktur, die sozial geteiltes Wissen enthält über die angeblich charakteristischen Merkmale und Verhaltensweisen zuvor kategorisierter Personen(-gruppen) und Objekte.“ (ibid.: 84).
Je nach Bezugnahme wird zwischen Autostereotypen, Heterostereotypen und Metastereotypen unterschieden. Autostereotype stehen für das Selbstbild einer sozialen Gruppe. Sie betonen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und dienen gleichzeitig dazu, sich von anderen abzugrenzen. Heterostereotype beziehen sich auf das Fremdbild, sprich wie eine Gemeinschaft eine andere wahrnimmt. Metastereotype bezeichnen dagegen das vermutete Bild, das eine Gruppe von einer anderen besitzt (vgl. ibid.: 30).
Im Rahmen dieser Arbeit soll der Fokus auf ethnischen Stereotypen liegen. Ethnostereotype schaffen ein sehr vereinfachtes Bild der Bewohner eines bestimmten Landes und reduzieren diese auf wenige Charakteristika (vgl. Kührer 2015: 164). So halten die Spanier die Deutschen beispielsweise für perfektionistisch, fleißig, diszipliniert und ernst (vgl. Iglesias 2015: 101). Die Deutschen sehen die Spanier dagegen als aufgeschlossenes, redseliges und lautes Volk (vgl. Iglesias 2015: 104-105). Zudem verbinden viele Deutsche Flamenco, Paella und Siesta mit Spanien (vgl. Kührer 2015: 165).
Nicht nur Ethnostereotype, sondern auch Hofstedes Kulturdimensionen (siehe Abb. 1) eignen sich, um kulturelle Unterschiede zwischen Spaniern und Deutschen aufzuzeigen. In der noch folgenden Analyse der vier Werbespots wird ersichtlich sein, dass für die vorliegende Arbeit hauptsächlich die Unterscheidung Kollektivismus-Individualismus von Interesse ist. Spanien zählt laut Hofstede im europäischen Vergleich zu den kollektivistischen Kulturen, was eine starke Einbindung der Individuen in eine Wir-Gruppe, die bedingungslose Loyalität der Mitglieder fordert, beinhaltet. Deutschland ist dagegen von starkem Individualismus, d.h. einer Ich-Bezogenheit und dem Streben nach Selbstverwirklichung, geprägt (vgl. The Hofstede Centre 2017).
Anmerkung der Redaktion: DieseAbbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Deutsch-spanischer Vergleich von Hofstedes Kulturdimensionen (The Hofstede Centre 2017).
2.4 Kommunikationsprozess
Bevor mit der Analyse der Spots begonnen werden kann, muss der Kommunikationsprozess, aus dem Werbung besteht, genauer betrachtet werden, denn dieser kann keinesfalls schlichtweg als mediale Übermittlung von Informationen zwischen einem Sender und einem Empfänger beschrieben werden. Werbung als Kommunikation gestaltet sich weitaus komplexer (vgl. Janich 2013: 41).
Um Konsumenten mittels einer Werbebotschaft beeinflussen und überzeugen zu können, muss der Sender diese zunächst durch Kodes verschlüsseln, die mithilfe eines Werbeträgers, wie Fernsehen oder Radio, zum Empfänger gesendet werden. Die größte Schwierigkeit besteht darin, die Nachricht derartzu verschlüsseln, dass sie vom Empfänger dekodiert, also im Sinne des Senders interpretiert werden kann (vgl. Schweiger/Schrattenecker 2017: 12-13).
Auf der Ebene des Senders ist zu berücksichtigen, dass der Produzent der Werbebotschaft undder Hersteller des Produkts, welches beworben wird, meist nicht identisch sind. Daher wird zwischen dem Werbetreibendem, also dem Unternehmen, und der Werbeagentur, die im Auftrag der Firma agiert, differenziert (vgl. Zurstiege 2007: 110). Stern unterscheidet sogar drei Arten von Sendern (siehe Abb. 2):den Auftraggeber (sponsor), den Autor der Werbebotschaft (author) und den Kommunikator (persona), der die Botschaft übermittelt (vgl. ibid.: 110). Auf der Ebene des Empfängers bzw. Rezipienten differenziert sie zwischen implied consumer, also dem idealen Konsumenten, sponsorial consumer, dem Werbetreibendenals Kunden der Werbeagentur und actual consumer, dem tatsächlichen Empfänger der Werbebotschaft (vgl. Janich 2013: 43). Werbeagenturen stehen somit vor der Herausforderung, zwei Kunden, den sponso- rial und den actual consumer, zu überzeugen, wobei es eine größere Hürde darstellt, die Präferenzen der tatsächlichen Konsumenten zu treffen und diese für das j eweilige Produkt zu begeistern (vgl. Zurstiege 2007: 116). Werbetreibende müssen die persona undden implied customer gut aufeinander abstimmen, damit der tatsächliche Rezipient die Botschaft entschlüsseln kann, denn:
implied consumers of advertising invoke a network of pre-existing ‘codes‘ or conventions of communication [...] to make sense out of the message. The choice set of ficitonal roles that an implied consumer can assume are associated with the persona's point of view. Among the choices are roles in response to third- person narration (information gatherer, dispassionate judge); to autobiographical narration (reflective sharer of experience, personal confidante); and to dramatic presentation (empathetic participant, entertainment seeker). [.] As the appreciative audience attending to the persona's message, they are expected to play the assigned within-text role. (Stern 1994: 11)
Die Werbebotschaft kann also im Rahmen einer Ich-Erzählung (autobiography), mittels einer Handlungsbeschreibung (narrative), die oft durch einen Testimonial präsentiert wird, oder durch eine Handlungsinszenierung (drama) übermittelt werden (vgl. Janich 2013: 42). Zur letzten Variante zählt die Slice-of-Life-Technik. Dieseermöglichtes einem Unternehmen am ehesten, seine Absicht zu verschleiern, da das Produkt im Rahmen einer alltäglichen Lebenssituation der definierten Zielgruppe präsentiert wird (vgl. Zurstiege 2007: 113).Als Kommunikator agiert der Auftraggeber entweder selbst direkt oder anonym oder ein Konsumentin Form eines Testimonials. Hierbei werden häufig bekannte Persönlichkeiten eingesetzt, weil der Verbraucher sich während des Konsums des entsprechenden Produkts am ehesten mit diesen Personen identifizieren kann (vgl. Brandt 1973: 119).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Werbekommunikation nach Stern (1994: 9).
3 Methodik
3.1 Existierende Ansätze
Wie bereits in der Einführung erwähnt wurde, befasst sich die sprachwissenschaftliche Werbeforschung zunehmend mit semiotischen Ansätzen, denn „[k]aum eine kommunikative Praxis hat sich der Semiotik gegenüber so zugänglich erwiesen wie die Werbung; [.] ihre Kommunikate sind ganz offensichtlich funktionale, kulturell lesbare und mit Zeichenkalkül hergestellte Texte.“ (Stöckl 2012: 245).
Als Basis für eine systematische und umfangreiche Analyse der Werbespots muss zunächst eine geeignete Vorgehensweise herausgearbeitet werden. Dazu ist es notwendig, verschiedene Analysemodelle zu betrachten, aus denen ein geeignetes Modell geformt werden kann. Nina Janich (2013: vgl. 265 f.) entwickelte - allerdings nurfür Anzeigenwerbung - ein Schema, das auf zwei bestehenden Modellen basiert. Es verbindet die Vorteile des Brandtschen Modells mit denen des semiotisch-pragmalinguistischen Modells von Angelika Henneke, welche im Folgenden kurz umrissen werden.
Das von Brandt (1973) entwickelte Modell beinhaltet zwei Analysestufen und drei Synthesestufen. Auf der ersten Analysestufe werden die visuellen, auditiven und lingualen Kodes getrennt voneinander betrachtet, wobei er diese als Werbeformen bezeichnet. Der visuelle Kode wird unterteilt in dynamische, statische, bunte Bilder, etc. Der auditive Kode lässt sich in Musik und Geräusche zerlegen und der linguale in Art der Sprecherrealisierung, Art des Kommunikators, usw. Auf der zweiten Analysestufe folgt eine semantische Beschreibung der Elemente der einzelnen Kodes auf der Text-, Satz-, Wort- und Lautebene. Die erste Synthesestufe dient im Anschluss daran dazu, eine Aussage über die einzelnen Kodes zu treffen. Im nächsten Schritt werden diese aufeinander in Bezug gesetzt und in einer dritten Synthesestufe interpretiert sowie beurteilt. Die letzte Stufe bezeichnet Brandt als Werbeinhalt, da dieser hierbei bewertet wird (vgl. Brandt 1973: 130-196). Nina Janich kritisiert an diesem Modell die isolierte Betrachtung der einzelnen Kodes. Dies bringe unnötige Wiederholungen mit sich, was aufgrund ihrer gegenseitigen Abhängigkeit oft nicht möglich sei. Außerdem vernachlässige das Modell sprachliche Aspekte wie Stilmittel (vgl. Janich 2013: 262-263).
Angelika Henneke (1999: 113-153) betrachtet Werbeanzeigen oder Werbespots als semio- tisch komplexe Supertexte, die sich aus sprachlichen und bildlichen Teiltexten zusammensetzen und erst im Zusammenspiel zu einem Ganzen werden. Hierbei überwiegt meistens einer der verwendeten Kodes. Nach einer Analyse der textinternen Faktoren, also des Supertexts, werden in einem zweiten Schritt textexterne Faktoren analysiert. Hierzu zählen pragmatische und kulturelle Faktoren (vgl. Janich 2013: 263-265). Das Modell ist auf den visuellen und verbalen Kode ausgelegt, kann jedoch laut Henneke auch auf multimediale Texte angewendet werden, in denen mehr als zwei Zeichensysteme vorkommen (vgl. Henneke 2012: 373).
Nina Janichs (2013) Analyseschema (vgl. Abb. 3) setzt sich aus den beiden zuvor erläuterten Modellen zusammen. Es beinhaltet jeweils drei Analyse- und Synthesestufen. Anders als Hen- neke schlägt sie im ersten Schritt eine Betrachtung der textexternen Faktoren vor. Hierbei soll zunächst geklärt werden, um welche Produktbranche es sich handelt, wer Sender und Empfänger der Werbebotschaft ist und welches Werbeziel verfolgt wird. Im nächsten Schritt werden Aufbau, Struktur und formale Gestaltung der semiotischen Kodes unter die Lupe genommen. Janich schlägt vor, bei der Form zu beginnen und anschließend den verbalen sowie paraverbalen Teiltext zu analysieren, welcher bei Henneke fehlt. Zuletzt folgt die Analyse des visuellen Kodes. Die einzelnen Aspekte können der Abbildung 3 entnommen werden. Die dritte Analysestufe widmet sich dem Inhalt der semiotischen Teiltexte, der wie bereits in der am Brandt- schen Modell geübten Kritik nicht getrennt von den Bezügen der einzelnen Kodes zueinander betrachtet werden kann. Im Anschluss an die Analysestufen folgt die erste Synthesestufe, in der Form und Inhalt der Teiltexte aufeinander in Bezug gesetzt werden und so zu einem Supertext verschmelzen. Für den zweiten Syntheseschritt schlägt Janich vor, textinterne und textexterne Faktoren zu verknüpfen und auf diese Weise in der ersten Analysestufe getroffene Aussagen bezüglich Sender, Werbeziel, etc. zu korrigieren. Die letzte Synthesestufe dient der abschließenden Interpretation der herausgearbeiteten Ergebnisse, um eine Aussage über die intendierte Werbewirkung treffen zu können. (vgl. Janich 2013: 265-268).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Analysemodell nach Janich (2013: 267).
Janich merkt jedoch an, dass die einzelnen Stufen nicht immer klar voneinander getrennt werden können und das Analysemodell je nach Untersuchungsgegenstand und Fragestellung angepasst werden muss:
Ein prinzipiell methodisches Problem ist es, ein allgemein gültiges Analyseraster für alle Fragestellungen und für verschiedene Werbemittel und Produktbranchen zu finden. Das Ziel [.] sollte daher sein, eine Grobstruktur für die Analyse zu finden, die sich flexibel an die unterschiedlichen Ansprüche je nach Fragestellung und Untersuchungsmaterial anpassen lässt - d.h.: auch angepasst werden muss! (Janich 2013: 268).
Dies ist auch zwingend erforderlich, da Janichs Modell lediglich auf Anzeigen ausgerichtet ist. Bei der Betrachtung audiovisueller Spots muss das Analysemodell daher um auditive Kodes erweitert werden. Zudem erscheint es wenig sinnvoll, in einer ersten Analysestufe Prognosen über die mögliche Zielgruppe und das Ziel der Werbebotschaft abzugeben, um diese dann in der zweiten Synthesestufe revidieren zu müssen. Die zweite und dritte Analysestufe kann zudem zusammengefasst werden, da beide nicht klar voneinander getrennt werden können, wie Janich selber bemerkt (vgl. Janich 2013: 268).
Stöckl (2003: 308) betont ebenfalls, dass Analysemodelle je nach Spot verändert werden müssen, denn „[m]it der Zahl der beteiligten Kodes steigt die semiotische Komplexität der Texte, die prinzipiell im Audiovisuellen am größten ist“ (Stöckl 2012: 248). Die größte Herausforderung liege darin, alle Kodes zunächst mithilfe eines passenden Transkripts zu erfassen (vgl. Stöckl 2003: 308). Stöckl (2011a) beschreibt Janichs Analysemodell als „bottom-up-Me- thodik“ (ibid.: 20), da Janich erst Details auf verschiedenen Ebenen analysiert und sie anschließend in Bezug auf den Gesamttext in den Synthesephasen interpretiert. Stöckl sieht dagegen eine Analyse in umgekehrter Reihenfolge, von Makro- zu Mikrostruktur, als ökonomischer an und hält sie für eine praxisnahe Werbeforschung auch für sinnvoller (vgl. ibid.: 20). Seine „top- down-Herangehensweise“ (ibid.: 20) folgt den unten aufgeführten Ebenen und Parametern:
a. Segmentierung des Kommunikats - Textstruktur/Handlungsstruktur
b. Verteilung und Strukturierung der einzelnen Zeichenmodalitäten
c. Semantische Beiträge/Funktionen der ,modes‘
d. Intermodale Kohärenz
e. Semiotik salienter Zeichenkomplexe (Stöckl 2011a: 21)
Unter semiotischen modes versteht Stöckl Zeichenmodalitäten bzw. Kodes wie Sprache, Bild, Musik, etc. (vgl. Stöckl 2003: 311). Intermodale Kohärenz bezieht sich auf Kodeverknüpfungen, welche laut Stöckl auf den drei Ebenen Inhalt, Funktion und Form analysiert werden müssen. Hierbei sind die Wissensbestände der Rezipienten nicht zu vernachlässigen. Auch nicht präsente Textelemente können so hinzugefügt werden und zusammen mit den vorhandenen Kodes gedeutet und verstanden werden (vgl. Stöckl 2012: 252).
3.2 Erarbeitetes Analysemodell
Das nachfolgende Modell (Abb. 4) wurde unter Anlehnung an Janich (2013) und Stöckl (2011) entwickelt, wobei beim abschließenden kontrastiven Vergleich aller Spots auch kulturelle Faktoren wie bei Henneke (1999) miteinbezogen werden sollen. Inhaltlich orientiert sich das Modell stärker an Janich, da deren Analyseschema detaillierter ist. Dabei wird ebenfalls, wie bei Stöckl, zunächst die Makrostruktur umrissen, um dem Leser einen groben Überblick über den Inhalt der Spots zu vermitteln, auch ohne dass dieser die einzelnen Videos gesehen haben muss. Werbespots sollen dabei nach Henneke und Janich als semiotische Supertexte betrachtet werden, die sich aus sprachlichen und visuellen Teiltexten - mit Erweiterung um auditive Kodes - zusammensetzen.
In einer ersten Stufe werden textexterne Rahmenbedingungen skizziert, jedoch zunächst ohne Bestimmung der Zielgruppe und des Werbeziels, da diese Punkte jeweils in einer abschließenden Interpretation diskutiert werden. Hierbei werden die folgenden Fragen beantwortet: Um welche Produktbranche handelt es sich? Wie ist die ungefähre Marktsituation? Wer ist der Sender (sponsor und author) der Werbebotschaft? (vgl. Janich 2013: 266). Als nächstes wird die Grundstruktur des Werbespots unter die Lupe genommen, um die Makrostruktur zu skizzieren: In wie viele Bildsegmente ist der Spot zerlegbar und welche Handlung findet statt? Die dritte Stufe behandelt textinterne Faktoren, also die einzelnen Teiltexte. Hierbei wird der verbale, visuelle und auditive Kode genauer betrachtet. Beim verbalen Kode wird zwischen gesprochener und geschriebener Sprache unterschieden. Auch paraverbale Elemente finden Berücksichtigung. Bei gesprochener Sprache ist dies die Intonation. Bei geschriebener Sprache werden Interpunktion und typographische Besonderheiten miteinbezogen. Daneben müssen auch nonverbale Elemente, wie Gestik und Mimikim Rahmen des visuellen Kodes untersucht werden. Der auditive Kode beinhaltet Musik, Töne und Geräusche. Musik spielt in der Werbekommunikation eine große Rolle aufgrund ihrer „subtile[n] Wirkung [.] auf das Unterbewußtsein. Klänge und Rhythmen können Stimmungen und Gefühle hervorrufen oder verstärken und damit in vielfältiger Weise Einfluß auf den Rezipienten ausüben, ohne daß er es bewußt registriert oder nachvollzieht.“ (Seyfarth 1995: 284).
In einem vierten Schritt wird analysiert, wie intermediale Kohärenz geschaffen wird, sprich, wie die einzelnen Kodes bzw. Zeichenmodalitäten interagieren und sich zu einem Supertext zusammensetzen. Da multimediale Werbekommunikation nach Janich (2013) in multikodale und multimodale Botschaften zerlegt werden kann, wurde anders als bei Stöckl der Ausdruck intermediale Kohärenz gewählt. Gemeint ist jedoch dasselbe.
Der letzte Schritt schließt mit der Interpretation der herausgearbeiteten Ergebnisse, um so das mögliche Werbeziel bzw. die mögliche -intention, -wirkung und Zielgruppe sowie den Kommunikator der jeweiligen Werbebotschaft ausfindig zu machen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Wirkung und Intention nicht per se identisch sind.Mit Werbewirkung ist hierbei nicht der ökonomische Effekt im Hinblick auf Umsatz bzw. Absatz gemeint, sondern jenerauf den Empfänger: „Die Wirkung ist [...] gewissermaßen aus der Innensicht des Rezipienten in der Rezeptionssituation zu bestimmen, während die Intention aus der Innensicht des Senders definiert wird.“ (Nord 1991: 54). Der Empfänger interpretiert eine Werbebotschaft anhand der kommunizierten textinternen Faktoren, wobei seine Erwartung auch durch sein Hintergrundwissen aus textexternen Charakteristika aufgebaut wird. Nord (1991) beschreibt Werbewirkung daher als „Resultat eines Kommunikationsprozesses zwischen Sender und Empfänger“ (ibid.: 149). Die Werbeintention lässt sich ausschließlich aus den textinternen Merkmalen herauslesen, da die Werbebotschaft das „Resultat der Intention des Senders“ (ibid.: 56) darstellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Eigenes Analysemodell.
4 Analyse der Werbespots
4.1 Jägermeister: deutscher Werbespot „Ich nicht. Wir schon.“
4.1.1 Textexterne Rahmenbedingungen
Als erstes Analyseobjekt dient der TV-Werbespot von Jägermeister mit dem Titel „Ich nicht. Wir schon.“ Zunächst zu den textexternen Rahmenbedingungen: Die Mast-Jägermeister SE ist ein traditionelles Familienunternehmen im Spirituosenbereich mit Sitz im niedersächsischen Wolfenbüttel. Es wurde 1878 von Wilhelm Mast ursprünglich als Essigfabrik gegründet. 1934 erfand Curt Mast, sein Sohn, den inzwischen weltbekannten Kräuterlikör, der bis heute aus der unveränderten Rezeptur aus 56 verschiedenen Kräutern, Blüten und Wurzeln besteht und ausschließlich an den deutschen Standorten produziert wird (vgl. Jägermeister 1). Der Premiumlikör wird aktuell in über 120 Ländern vermarktet, wobei sich das Traditionsunternehmen mit einem Gesamtabsatz von 91,4 Millionen 0,7 Literflaschen im Jahr 2016 weltweit zum verkaufsstärksten Hersteller im Bereich der Premiumliköre entwickelt hat (vgl. Jägermeister 2).
Bezüglich des Senders lassen sich folgende Aussagen treffen: Werbetreibender des betrachteten Werbespots und somit Auftraggeber ist die Mast-Jägermeister SE. Für die Gestaltung des Werbefilms wurde die Werbeagentur Dirk & Philip Kommunikation aus Berlin beauftragt (vgl. Bauer 2015).
4.1.2 Textstruktur/Handlungsstruktur
Insgesamt wurde der Werbespot in 15 Bildsegmente unterteilt, die die Grundstruktur des Supertexts verdeutlichen sollen. Der Spot lässt sich in drei Episoden zerlegen, die jeweils den Unterschied zwischen dem Einzelnen (N° 3, N° 7, N°10) und der Gruppe (N°4, N° 8, N° 11) aufzeigen. Zuvor wird jeweils der Handlungsort eingeblendet (N° 2, N° 6, N° 9).
Die erste Episode umfasst die Bildsegmente N° 2 bis N° 5. Hierbei steht die Band „Die Orsons“ mit der Kontrastierung zwischen einem einzelnen Bandmitglied und dem Auftritt in der Gruppe im Mittelpunkt. Die zweite Episode (N° 6 - N° 8) spielt sich im Tierreich zunächst zwischen einem einzelnen Erdmännchen und einer Kobra und anschließend einer ganzen Gruppe von Erdmännchen ab, die sich gegen dieSchlangezur Wehr setzen. Die letzte Episode (N° 9 - N° 12) gleicht einer Mutprobe: Ein als Superheld verkleideter Mann läuft auf eine Rakete zu, die auf einer Rampe in Richtung Meer befestigt ist. Alsseine Freunde ihn anfeuern, traut er sich,auf die Rakete zu steigen.
Diese drei Haupthandlungen werden vom beworbenen Produkt eingerahmt: Zu Beginn des Spots (N° 1) erfolgt ein Hinweis darauf, dass es sich um die Bewerbung eines alkoholischen Getränks handelt. Abgerundet wird der Werbefilm mit dem Auftritt des Produkts, der Firma und des Slogans (N° 13 - N° 15).
4.1.3 Textinterne Faktoren
Die textinternen Ausführungen beziehen sich auf das Video-Transkript (siehe Anhang I.). Der Spot enthält alle Zeichenmodalitäten, die im betrachteten Medium vorkommen können: Bilder, Rede, Schrift, Musik, Geräusche. Diese sollen nun im Einzelnen näher untersucht werden, wobei Aspekte wie Gestik und Mimik als nonverbale Elemente im Rahmen des visuellen Teiltexts untersucht werden und paraverbale Elemente wie Typographie im Rahmen des verbalen Kodes. Auch wenn gesprochene Sprache auditiv und geschriebene Sprache visuell wahrgenommen wird, werden beide bei diesem und den nachfolgenden Spots im Rahmen des verbalen Teiltextes analysiert, um ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten.
4.1.3.1 Visueller Teiltext
Bilder sind einprägsamer als Worte und beeinflussen das Verhalten der Zuschauer daher stärker. Sie werden zudem leichter verarbeitet und gespeichert als sprachliche Informationen (vgl. Henneke 1999: 139). Auch in dem betrachteten Spot tragen sie die Handlungs- bzw. Textstruktur und sind somit Hauptinformationsträger. Selbst ohne Sprache oder Musik wären die Bilder verständlich. Der visuelle Kode dominiert somit insgesamt.
Wie bereits erwähnt kommt es zu einem Wechsel zwischen der Darstellung des Einzelnen und der Darstellung einer Gruppe, sowohl bei Menschen als auch in der Tierwelt. Mimik und Gestik der einzelnen Personen (N° 3, N° 10) lassen die Bilder realer und authentischer erscheinen.
In der ersten Episode schaut sich ein Bandmitglied (N° 3) sehr unsicher um. Seine Körperhaltung ist leicht geduckt. In der dritten Episode rückt der Raketenmann (N° 10) seinen Helm zurecht, atmet langsam aus und schaut skeptisch in Richtung Meer. Diese nonverbalen Elemente schaffen eine Natürlichkeit, die den Zuschauer emotional bindet. Der Rezipient kann sofort im Gesicht der dargestellten Einzelpersonen ablesen, dass sie sich alleine unwohl fühlen und erinnert sich möglicherweise sogar an eine ähnliche Situation aus dem eigenen Leben. Doch nicht nur zwischen dem Zuschauer und den einzelnen Personen im Spot kommt es zur Interaktion, sondern auch zwischen den Darstellern innerhalb des Werbefilms. Das zuvor einsame Bandmitglied wird durch die Umarmung mit seinen Kollegen (N° 4) Teil einer Gruppe, in deren Gegenwart er seine Angst verliert und sich wohlfühlt (N° 5). Der Raketenmann überwindet seine Angst ebenfalls durch den Beistand seiner Freunde (N° 11). Auch im Reich der Tiere interagieren die einzelnen Mitglieder der Gruppe. Mittels dieser Interaktion wird ein Gefühl von Geselligkeit und Gemeinschaft vermittelt (vgl. Stöckl 2003: 317). Durch die Nahaufnahmen fühlt sich der Zuschauer zudem besser ins Geschehen involviert.
Das Firmenlogo von Jägermeister wird bereits im dritten Bildsegment (N° 3) eingebaut. Es handelt sich hierbei um ein konventionalisiertes Zeichen (vgl. Janich 2013: 81), da die Bedeutung des kreisförmigen Logos, welches einen Hirschkopf mit einem Kreuz zwischen den Sprossen seines Geweihs beinhaltet, inzwischen weltbekannt ist und international verwendet wird. In diesem Fall soll es auf das beworbene Produkt hinweisen.
4.1.3.2 Verbaler Teiltext
Sprache ist ebenfalls ein sehr starker Kode:
d.h. es existieren diskrete Zeichen, die [...] über mehr oder weniger eindeutige Signifikant-Signifikat-Zuordnungen verfügen. [...] Die Dualität von Sprechen und Schreiben führt zu einem gesteigerten medialen Gestaltungspotenzial, das sich in Typographie/Layout sowie Stimm- und Redegestaltung äußert. (Stöckl 2003: 314)
Im betrachteten Spot wird Sprache sowohl geschrieben als auch gesprochen realisiert, wobei ersteres überwiegt. Der Text (N° 1) gibt einen ersten Hinweis darauf, welche Produktbranche beworben wird und sichert das Unternehmen gleichzeitig bezüglich des Jugendschutzgesetzes ab. Im zweiten Bildsegment wird die Frage gestellt: „DAS HAUS ROCKEN?“, worauf die Antworten „ICH NICHT.“ (N° 3) und „WIR SCHON.“ (N° 4) folgen. Das gleiche Schema wird in der zweiten Episode wiederholt: Auf die Frage „TEAMWORK?“ (N° 6) wird erneut mit „ICH NICHT.“ (N° 7) und „WIR SCHON.“ (N° 8) geantwortet. Auch auf „EINFACH MACHEN?“ (N°9) in der letzten Episode wird dasselbe erwidert. Der Hinweis „JÄGERMEISTER AB 18! Für verantwortungsvollen Genuss.“ (N° 14) dient erneut der Absicherung bezüglich des Jugendschutzgesetztes und ist gleichzeitig Teil des Marketingkodexes der Mast-Jägermeister SE (vgl. Jägermeister 3). Im letzten Bildsegment (N° 15) wird der Slogan „WER, WENN NICHT WIR“ eingeblendet sowie ein Verweis auf die Homepage des Unternehmens „jaegermeister.de“. Im dritten Bildsegment sticht außerdem das englische Wort DON'T heraus, das die negative Aussage „ICH NICHT.“ (N° 3) noch verstärkt.
Bei Untersuchung der paraverbalen Elemente des geschriebenen Anteils fällt auf, dass der komplette Text in Majuskeln verfasst ist. Auffällig erscheint zudem die Interpunktion. „DAS HAUS ROCKEN?“ (N° 2), „TEAMWORK?“ (N° 6) und „EINFACH MACHEN?“ (N° 9) werden durch ein Fragezeichen als Frage gekennzeichnet. So lässt sich sofort erkennen, dass „ICH NICHT.“ und „WIR SCHON.“ aufgrund des Punktes als Antworten auf die jeweils zuvor gestellte Frage fungieren. Der Slogan „WER, WENN NICHT WIR“ (N° 15) wird dagegen weder mit einem Punkt noch mit einem Fragezeichen beendet. Allerdings deutet das Interrogativpronomen „WER“ auf eine rhetorische Frage hin. Sie verstärkt den Gedanken der Gemeinschaft: alleine sind viele Dinge unmöglich, doch zusammen sind sie zu schaffen. „Wir“ ist zudem ein Gefühlswort, das besonders in Werbeslogans immer häufiger eingesetzt wird, um positive Emotionen bei der Rezeption des Spots zu erzeugen (vgl. Römer 2012: 38). Auch durch Verwendung einer Alliteration wird dieses Ziel erreicht.
Der gesprochene Anteil fällt deutlich geringer aus und beschränkt sich auf die beiden letzten Bildsegmente. Hierbei wird der Produkt- und zugleich Markenname „Jägermeister“ (N° 14) von einem männlichen Sprecher genannt und der eingeblendete Slogan mitgesprochen (N° 15). Da der Sprecher nicht sichtbar ist, handelt es sich um Off-Sequenzen (vgl. Janich 2013: 86). Die Intonation lässt hierbei ebenfalls auf eine rhetorische Frage schließen, da die Tonhöhe am Ende des Satzes leicht ansteigt.
4.1.3.3 Auditiver Teiltext
Der auditive Teiltext besteht aus den Zeichenmodalitäten Musik, Töne und Geräusche. Der eigentliche Spot, der ab dem zweiten Bildsegment beginnt, setzt mit einem Jagdhorn ein und wird von Geräuschen der feiernden Konzertbesucher (N° 2) begleitet. Darauf folgt der Einsatz eines Schlagzeuges (N° 3), was in das Lied „Ventilator“ der Band „Die Orsons“ übergeht und vom Jubel der Konzertbesucher begleitet wird (N° 5). Anschließend setzt erneut Schlagzeug zu einer ruhigeren Melodie ein. Hinzu kommt ein kurzer Aufschrei des Erdmännchens (N° 7). Im Anschluss daran folgt erneut das Lied „Ventilator“ sowie ein kurzes Fauchen der Erdmännchen (N° 8). Dieses Lied begleitet fast den gesamten Werbespot und wird erst bei Bildsegment N° 14 durch den erneuten Klang eines Jagdhorns abgelöst.
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- Arbeit zitieren
- Jennifer Scharf (Autor:in), 2017, Multimediale Werbekommunikation im deutsch-spanischen Vergleich. Eine Analyse von Jägermeister und Licor 43, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1143102
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