In ihrem 1979 erschienenen Buch beschreibt Alice Miller in drei Studien Verdrän¬gungsprozesse, die beim begabten Kind in der frühen Kindheit geschehen mussten und das Erwachsenenleben enorm beeinflussen, obwohl die damit verbundenen Gefühle und Wünsche als Resultat eben dieser Prozesse unbewusst sind. Der Ter¬minus "begabtes Kind" meint hier nicht eine intellektuelle oder kognitive, sondern eine emotionale Begabung insofern, als das Kind Wünsche und Bedürfnisse der Eltern präzise erkennt und darauf spezifisch reagiert. Darin besteht das Drama dieses Kindes, weil es nämlich, um die Wünsche der Eltern erfüllen zu können, seine eigenen Gefühle und Vorstellungen unterdrücken und verdrängen muss. Wollen die Eltern z.B. nicht, dass ihr Kind weint, über Hunger klagt, Schmerzem¬pfindungen oder andere Gefühle zeigt, wird das hierfür sensible Kind diese zwei¬fellos realen Gefühle verleugnen, unter anderem auch deshalb, weil es befürchtet, mit dem Entzug der elterlichen Liebe und Zuwendung bestraft zu werden. Diese emotionale Wärme muss mit der Aufgabe des eigenen, wahren Selbst erkauft werden.
Dass diese Problemlösungsstrategie nicht aufgeht, erweist sich spätestens im Erwachsenenalter, wo die verdrängten Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse wiederkehren und der Versuch unternommen wird, sie auf eine andere Weise zu realisieren bzw. zu befriedigen. Dies geschieht insbesondere in der Partnerschaft, wo der oder die Betreffende typischerweise regrediert und damit sich selbst eine Kind- und dem Partner eine Elternrolle zuweist. Punktuell auftretend kann dies ei¬ner Beziehung nichts anhaben, aber wenn dieses Verhaltensmuster verstärkt auf¬tritt, wird eine solche asymmetrische Beziehung auf Dauer nicht funktionieren, zumal der in die Vater- oder Mutterrolle gedrängte Partner massiv überfordert wird. Das Dilemma besteht generell darin, dass die Kindheit als vergangenes Stadium der Entwicklung vorbei ist und nicht mehr geändert werden kann. Gleichwohl gibt es Möglichkeiten, die verdrängten Gefühle und Bedürfnisse bewusst zu machen, auf diese Weise Wesentliches über die eigene Identität her¬auszufinden und kreativ damit umzugehen. Millers psychoanalytisch orientierte Theorie versteht sich als Beitrag dazu und verfolgt außerdem das wichtige Ziel, die Kindheit zu rehabilitieren und dem Kind Gehör für seine Gefühle und Bedürfnisse zu verschaffen, und zwar unabhängig von und in Opposition zu den Vorstellungen anderer, besonders der Eltern.
Inhaltsverzeichnis
- A. Das Drama des begabten Kindes
- I. Das begabte Kind und das falsche Selbst
- II. Narzissmus, Depression und Grandiosität
- III. Die Trauer und der Wiederholungszwang
- B. Die Befreiung des inneren Kindes
- I. Das Konzept des "Inneren Kindes"
- II. Methoden zur Entdeckung des Inneren Kindes
- III. Pädagogische Konsequenzen
- C. Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert zwei Werke, die sich mit der Thematik der Persönlichkeitsentwicklung befassen: Alice Millers "Das Drama des begabten Kindes" und "Die Befreiung des inneren Kindes" herausgegeben von J. Abrams. Die Arbeit untersucht die Konzepte und Theorien der beiden Werke und vergleicht deren Ansätze zur Bewältigung von psychischen Problemen, die aus der frühen Kindheit resultieren.
- Das Drama des begabten Kindes und die Entstehung eines falschen Selbst
- Die Rolle von Narzissmus, Depression und Grandiosität in der Persönlichkeitsentwicklung
- Die Bedeutung der Trauer und des Wiederholungszwangs in der Bewältigung von Kindheitstraumen
- Das Konzept des "Inneren Kindes" und dessen Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung
- Methoden zur Entdeckung und Befreiung des Inneren Kindes
Zusammenfassung der Kapitel
A. Das Drama des begabten Kindes
Alice Miller beschreibt in ihrem Buch "Das Drama des begabten Kindes" die Verdrängungsprozesse, die beim begabten Kind in der frühen Kindheit stattfinden. Das "begabte Kind" ist dabei nicht intellektuell, sondern emotional begabt, da es die Bedürfnisse der Eltern präzise erkennt und darauf reagiert. Um die Erwartungen der Eltern zu erfüllen, muss das Kind seine eigenen Gefühle und Bedürfnisse unterdrücken, was zur Ausbildung eines falschen Selbst führt. Im Erwachsenenalter kehren die verdrängten Gefühle zurück und führen zu Problemen in Beziehungen und im Leben allgemein. Miller betont die Bedeutung der Rehabilitierung der Kindheit und die Notwendigkeit, dem Kind Gehör für seine Gefühle und Bedürfnisse zu verschaffen.
I. Das begabte Kind und das falsche Selbst
Das falsche Selbst entsteht durch die Verdrängung der eigenen Bedürfnisse und Gefühle zugunsten der Bedürfnisse der Eltern. Das Kind lernt, seine eigenen Bedürfnisse zu ignorieren und entwickelt ein falsches Selbstbild, das den Erwartungen der Eltern entspricht. Dies führt zu einem unerfüllten Leben und dem Versuch, die unbewussten Wünsche und Sehnsüchte auf andere Weise zu befriedigen. Die Folgen dieser Verdrängungsprozesse sind schwerwiegend und können zu einer Reihe von psychischen Problemen im Erwachsenenalter führen.
II. Narzissmus, Depression und Grandiosität
Miller unterscheidet zwischen gesundem und pathologischem Narzissmus. Der gesunde Narzissmus beinhaltet ein gesundes Verhältnis zu sich selbst und die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse und Gefühle wahrzunehmen und zu artikulieren. Der pathologische Narzissmus entsteht, wenn die Mutter die Bedürfnisse des Kindes nicht akzeptiert und es narzisstisch besetzt. Die daraus resultierenden Symptome sind Grandiosität und Depression. Grandiosität äußert sich in einem ständigen Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anerkennung, während Depression durch Gefühle der Leere, Sinnlosigkeit und Einsamkeit gekennzeichnet ist.
B. Die Befreiung des inneren Kindes
Das Konzept des "Inneren Kindes" beschreibt den Teil der Persönlichkeit, der die Erfahrungen der frühen Kindheit trägt. Die Befreiung des Inneren Kindes zielt darauf ab, die verdrängten Gefühle und Bedürfnisse des Kindes wieder zugänglich zu machen und zu heilen. Durch verschiedene Methoden wie Meditation, Traumdeutung und Körperarbeit können die verdrängten Emotionen verarbeitet und integriert werden.
I. Das Konzept des "Inneren Kindes"
Das "Innere Kind" ist ein Teil der Persönlichkeit, der die Erfahrungen der frühen Kindheit trägt. Es ist der Teil von uns, der unsere Bedürfnisse, Gefühle und Erinnerungen aus der Kindheit repräsentiert. Das Innere Kind kann durch Traumata, Vernachlässigung oder Missbrauch verletzt werden, was zu psychischen Problemen im Erwachsenenalter führen kann.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Persönlichkeitsentwicklung, das begabte Kind, das falsche Selbst, Narzissmus, Depression, Grandiosität, die Befreiung des inneren Kindes, Kindheitstraumata, Verdrängungsprozesse, emotionale Bedürfnisse und die Rehabilitierung der Kindheit.
- Arbeit zitieren
- Dr. Martin Holz (Autor:in), 1999, Eine vergleichende Analyse: A. Miller, Das Drama des begabten Kindes und die Suche nach dem wahren Selbst und J. Abrams (Hg.), Die Befreiung des inneren Kindes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114373