Gewalt in der Erziehung. Einfluss auf die Entstehung von Jugenddelinquenz


Hausarbeit, 2021

12 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Begriffsdefinitionen
1.1 Jugenddelinquenz
1.2 Gewalt in der Erziehung

2. Lerntheoretische Ansätze
2.1 Operante Konditionierung
2.2 Modelllernen

3. Abweichendes Verhalten als Bewältigungsstrategie

4. Konzept der Selbstkontrolle

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die Jugendkriminalität ist ein Phänomen, das sehr divers wahrgenommen und diskutiert wird. Gerade in den Medien wird oft über schwere Gewalttaten von Jugendlichen berichtet, wie z.B. Schulamokläufe oder die U-Bahnüberfälle im Oktober 2020. Zwar sinken die allgemeinen Zahlen der Jugendkriminalität sowohl in Österreich (Statistik Austria, 2020) als auch in Deutschland (BPB, 2020), dennoch sind die aktuellen Entwicklungen bedenklich. Denn laut der polizeilichen Kriminalstatistik ist eine signifikante Erhöhung der Gewaltbereitschaft und gleichzeitig eine sinkende Hemmschwelle bei den Jugendlichen zu notieren. In den Jahren 2018/2019 ist in Deutschland die Gewaltkriminalität der tatverdächtigen 14-jährigen um 4,6 % gestiegen (Deutsches Jugendinstitut, 2020, S.9).

Kriminalität betrifft uns alle. Sie hat weitreichende Folgen, sowohl für die Opfer als auch für die Täter, deren Angehörige und letzten Endes auch für die Gesellschaft als solches (Galli, 2020, S.17 f). Zur Erklärung des Phänomens der Jugendkriminalität wurden eine ganze Reihe teilweise höchst unterschiedliche Theorieansätze entwickelt. Eine Vielzahl verschiedener Einflussfaktoren, wie z.B. genetische und biologische Ursachen, sowie soziologische Aspekte haben einen Einfluss auf das Erlernen von delinquentem Verhalten. Diese Arbeit stellt sich die Frage, welchen Einfluss Gewalt in der Erziehung auf die Entwicklung von Jugenddelinquenz hat.

Das erste Kapitel beschäftigt sich mit den Begriffsdefinitionen von „Jugenddelinquenz“ und „Gewalt in der Erziehung“.

Im zweiten Kapitel werden lerntheoretische Ansätze thematisiert, um zu erläutern inwiefern Erleben von Gewalt in der Erziehung delinquentes Verhalten begünstigt.

Das dritte Kapitel widmet sich dem Thema der multifaktoriellen Theorie, die auf Böhnisch zurückgeführt werden kann. Demzufolge wird angenommen, dass delinquentes Verhalten, prinzipiell ein Versuch der Lebensbewältigung in einer anomischen Gesellschaft ist.

Im Fokus des vierten Kapitels steht die Theorie der Selbstkontrolle sowie der psychoanalytische Ansatz zur Erklärung der Entwicklung von Jugenddelinquenz und welche Wirkungsmechanismen hier von der elterlichen Erziehung ausgehen können.

1.Begriffsdefinitionen

Für das genauere Verständnis, inwiefern sich elterliche Gewalt in der familiären Erziehung auf die Entstehung von Jugenddelinquenz auswirkt, bedarf es zu Beginn einer Betrachtung der Begrifflichkeiten.

1.1 Jugenddelinquenz

Im Jugendgerichtsgesetz werden delinquente Taten im Paragrafen eins und drei festgehalten und folgendermaßen definiert:

„§1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist. (2) Jugendlich ist, wer zurzeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig ist“ (JGG, 2021, S.215)

„§ 3 Verantwortlichkeit: Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßstäbe ansetzen wie das Familiengericht“ (JGG, 2021, S.216).

Dollinger (2010, S.11 f.) beschreibt Jugendkriminalität als ein Phänomen, das in allen gesellschaftlichen Schichten zu finden ist. Zudem vertritt er die Ansicht, dass ein Jugendlicher, der keine Normbrüche begeht, gesellschaftlich eher als ungewöhnlich wahrgenommen wird. Hier wird außerdem die Jugendkriminalität als episodenhaft und zeitlich begrenzt dargestellt, die nach dem 18. Lebensjahr meist nachlässt. Dölling (2008, S.897) hingegen stellt fest, dass Jugendliche zwar als Gelegenheitstäter gelten, ein Großteil der registrierten Straftaten jedoch zu Lasten der sogenannten Intensivstraftäter geht. Diese werden dadurch definiert, dass sie in kleineren Abständen mehrere Straftaten begehen. Da es sich bei der Jugendkriminalität um einen Erklärungsgegenstand handelt, der von Diebstahl bis zu Mord reicht, gibt es keine allgemein anerkannte Theorie, die der Erklärung des Phänomens gerecht werden könnte (Wirtz 2020, S. 897).

1.2 Gewalt in der Erziehung

Erziehung wird als eine Interaktion zwischen Personen verstanden, die darauf abzielt, Werte, Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale einer Person dauerhaft auszurichten (Wirtz, 2020, S.546). Zwar ist die gesamte Sozialisation daran beteiligt, das Subjekt in seiner Vergesellschaftung zu beeinflussen, jedoch sind in erster Linie die Eltern die grundlegenden Akteure in dieser Thematik (Treml, 2000 S.62 f).

Waldenfels (2000, S.9) hingegen sieht die Thematik der Gewaltkriminalität allumfassender. Er setzt diese Problematik mit den Phänomenen wie Zeit, Liebe und den Tod gleich. Gewalt ist seiner Meinung nach etwas Fremdes, Unfassbares und Unlösbares, das sich durch alle Lebensbereiche zieht und die verschiedenen Ordnungen in Frage stellt. Gewalt ist überall zu finden. In Familien, in der Schule, in der Politik, ja sogar in Spielen, der Sprache und der Religion.

Gewalt bedeutet prinzipiell, die Macht oder das Recht zu haben, über andere Lebewesen zu herrschen. Dazu kann psychischer oder physischer Zwang verwendet werden, um andere Individuen zu unterwerfen oder zu schädigen (Wirtz, 2020, S.703).

Im Sinne der Erziehung umfasst psychische Gewalt alle Handlungen, die dem heranwachsenden Menschen das Gefühl der Ablehnung und Wertlosigkeit vermitteln z.B. Beschimpfungen und Terrorisierung oder körperliche Vernachlässigung (Mertens & Pankofer, 2011, S.31).

Die physische Gewalt stellt im Vergleich zur psychischen Gewalt, die eindeutigere dar. Hier wird zwischen leichten Misshandlungen und schweren Gewalthandlungen unterschieden. Zu den leichten Misshandlungen gehören schlagen, kneifen, treten, drücken u.s.w. unter schweren Gewalthandlungen werden Verbrennungen, Brüche, Schnitte, innere Blutungen, sexueller Missbrauch u.s.w. verstanden (Kappella, 1999, S.82).

Gewalt in der Erziehung hat demzufolge unterschiedliche Ebenen und Intensitäten. Welchen Einfluss dies auf das Erlernen von delinquenten Verhalten haben kann, wird im Folgenden erläutert.

2. Lerntheoretische Ansätze

Die lerntheoretischen Ansätze gehen von der Annahme aus, dass Verhalten, ganz gleich ob normkonform, abweichend oder gar delinquent, immer eine Folge eines Lernprozesses ist. Somit stehen sie den biologischen, persönlichkeitsspezifischen Ansätzen und der Selbstkontrolltheorie entgegen (Lamnek, 2001, S.186 ff).

2.1 Operante Konditionierung

Während bei der klassischen Konditionierung nach Skinner ausschließlich die Reiz-Stimulus-Verbindungen Gegenstand seiner Untersuchungen waren, trat mit der Theorie der operanten Konditionierung von Thornike, der Zusammenhang zwischen Verhalten und Konsequenzen in den Vordergrund. Dieser besagt, dass aus der Konsequenz von Handlungen Verknüpfungen hergestellt werden, die die Grundlage des Lernens sind. Das Gesetz der Auswirkung besagt außerdem, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit von Verhalten oder Handlungen erhöht wird, wenn diese in vorhergegangenen Problemsituationen zu einer Lösung bzw. zu einem positiv erlebten Effekt geführt haben (Bodenmann et al, 2011, S.99). Bodenmann merkt allerdings kritisch an, dass sämtliche Erkenntnisse anhand von Tierexperimenten erfasst wurden und diese nicht immer eins zu eins auf den Menschen übertragbar sind. Jedoch ist die Grundlage seiner Untersuchungen bis heute unbestreitbar und wird nach wie vor erforscht und erweitert (Bodenmann et al, 2011, S.103).

Auch Zimbaro (1996, S. 218 ff) teilt die Ansicht, dass bei der operanten Konditionierung die Konsequenz einer Reaktion ausschlaggebend ist. Infolge eines bestimmten Verhaltens wird die Umwelt verändert. Dies führt zu einer Konsequenz, welche wiederum einen Einfluss auf künftiges Verhalten hat. Nach dieser Theorie werden delinquente Verhaltensweisen erworben, wenn ein Individuum durch eine Handlung zu der Erkenntnis gelangt, dass es bei der Begehung dieser Handlung häufiger und nachhaltiger belohnt als bestraft wird. Materielle und immaterielle Belohnung wirkt verstärkend. Das heißt, wird eine Verhaltensweise belohnt, steigt durch den verstärkenden Effekt die Wahrscheinlichkeit, dass diese erneut gezeigt wird. Im Gegenzug sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Verhaltenswiederholung, wenn dieses Verhalten zuvor bestraft wurde. Außerdem wirkt das Ausbleiben von Strafe verstärkend auf das Fehlverhalten und fördert somit dieses (Göppinger, 1997, S.117 ff).

2.2 Modelllernen

Auch das Modelllernen stellt eine Schlüsselposition der lerntheoretischen Ansätze von Verhalten dar, wobei operante Konditionierungsprozesse in diesem Ansatz integriert sind. Bandura geht davon aus, dass manche komplexen Verhaltensweisen nicht nur durch operante Lernprozesse erworben werden, sondern durch Beobachtung von Verhalten anderer Personen. Dadurch können bereits vorhandene Verhaltensweisen verstärkt oder geschwächt werden (Bodenmann et.al, 2011, S.237). Besonders effizient ist die Art der Übernahme von beobachteten Verhalten im sozialen und sprachlichen Kontext zu erkennen (Tausch & Tausch, 1973, S.49). Hier stehen dem Beobachter verschiedene Arten von Modellen zur Verfügung. Kompetenzmodelle zeigen der beobachtenden Person, wie man Probleme kompetent und zielgerichtet lösen kann, während Bewältigungsmodelle sich dadurch auszeichnen, dass sie in Problemsituationen Lösungsversuche aufzeigen, ohne dass sie selbst vorher nach der bestmöglichen Lösung gesucht haben. Diese beiden Varianten können sowohl reale Modelle (Eltern, Freunde, Lehrer) sein, als auch symbolische Modelle wie sie beispielsweise in Märchen, Romanen, Filmen u.s.w. zu finden sind (Bodenmann, 2011, S. 237 ff). Kinder beispielsweise lernen nicht nur aus der Erfahrung durch Verstärkung und Bestrafung eigener Verhaltensweisen, sie übernehmen auch Modellverhalten, wenn ihre Modelle Verstärkung erhalten. In Bezug auf die Gewalt in der Erziehung erleben Kinder also, dass das Gewaltverhalten ihres Modells z.B. der Eltern, eine positive Konsequenz hat, nämlich die Kontrolle über das Verhalten Anderer und den dadurch bedingten Abbau von Frustration (Treibel, 2011, S.65).

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Details

Titel
Gewalt in der Erziehung. Einfluss auf die Entstehung von Jugenddelinquenz
Hochschule
Hamburger Fern-Hochschule
Veranstaltung
Hausarbeit
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
12
Katalognummer
V1143909
ISBN (eBook)
9783346524591
ISBN (Buch)
9783346524607
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Jugenddelinquenz, Erziehung, Gewalt, Selbstkontrolle, Bewältigungsstrategie, Modelllernen, Operante Konditionierung, Gewalt in der Erziehung
Arbeit zitieren
Andrea Hämmerle (Autor:in), 2021, Gewalt in der Erziehung. Einfluss auf die Entstehung von Jugenddelinquenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1143909

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