Legitimation des Schulsports. Aspekte einer pädagogischen Grundlegung


Examensarbeit, 2008

126 Seiten, Note: 1+


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zum Terminus „Legitimation“

3 Bildungspolitische Initiativen und ihre Forderungen
3.1 Rahmenkonzepte für den Schulsport
3.2 Lehrplan Hessen und NordrheinWestfalen Rahmenvorgaben für das Unterrichtsfach Sport in den Jahrgangsstufen

4 Die Instrumentalisierungsdebatte
4.1 Der Instrumentalisierungsvorwurf
4.2 Der Widerspruch

5 Anforderungen an einen zeitgemäßen Sport
5.1 Fachdidaktische Entwicklungen
5.2 Vorschlag für ein zeitgemäßes Konzept Aufwertung des erzieherischen Anspruchs
5.3 Die Bedeutung der pädagogischen Perspektiven

6 Das Konzept eines erziehenden Sportunterrichts (nach Neumann)
6.1 Grundlagen und Perspektiven
6.2 Die Bedeutungsvielfalt eines erziehenden Unterrichts
6.3 Erziehender Unterricht aus sportdidaktischer Sicht
6.4 Die Mehrperspektivität als didaktisches Prinzip eines erziehenden Sportunterrichts
6.4.1 Zur Genese und Bedeutung eines mehrperspektivischen Unterrichts
6.4.2 Die Bedeutung der Mehrperspektivitä nach Ehni
6.4.3 Die Bedeutung der Mehrperspektivität nach Kurz
6.4.4 Zur näheren Konturierung eines perspektivischen Zugangs zum Sportunterricht

7 Sportunterricht und sein Beitrag zum Schulleben
7.1 Der außerunterrichtliche Schulsport
7.2 Die Idee einer bewegten Schule

8 Zusammenfassung der Ergebnisse

9 Fazit

10 Ausblick

Literatur

1 Einleitung

Schulen sind staatliche oder zumindest staatlich kontrollierte Erziehungsinstitutionen, deren Besuch für Jugendliche im Alter von ca.

6-18 Jahren Pflicht ist.

Die vorherrschende Form der Erziehung in der Schule ist die des Unterrichts, welcher in Fächern erteilt wird. Ein Fach unter vielen ist der Sport. Sowohl die Einbindung des Faches Sport in den Fächerkanon der Schule, als auch der curriculare Umfang stehen derzeit infrage. Trotz vielfacher Proteste von Seiten der Sportlehrerschaft, der Sportpädagogik, der Sportwissenschaft und des organisierten Sports, wurde in zahlreichen Bundesländern die Flexibilisierung der Stundentafeln eingefordert und die dritte Pflichtstunde Sport, beispielsweise im Saarland und in Bayern, abgeschafft.

Sämtliche Fragen, Bemühungen und Vorgänge der letzten Jahrzehnte, die den Sport betreffen und diesen hinterfragen, haben eines gemeinsam: Sie fragen nach der Legitimation des Sports. Doch wie lässt sich das Unterrichtsfach Sport im aktuellen Fächerkanon und auch für die Zukunft hinreichend begründen? Welchen Formen sportlicher Erziehung sehen wir uns heute gegenüber? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden. Dabei wird versucht, den Sport nicht nur um seiner selbst willen zu begründen, sondern vielmehr seine Bedeutung für die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen herauszuarbeiten. Mit den Mitteln der Textforschung werden bildungspolitische und (sport)didaktische Argumente gesammelt, die eine Legitimation des Schulsports hinsichtlich einer zeitgemäßen pädagogischen Grundlegung ermöglichen sollen. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit liegt im Bereich erziehungstheoretischer und didaktischer Aussagen. Diese Aussagen beziehen sich im Wesentlichen auf die Bedingungen und Möglichkeiten der erzieherischen Gestaltung des Sports in der Schule, also auf den pädagogischen Auftrag des Faches und nicht auf die konkrete methodische Umsetzung.

Die vorliegende Arbeit wird sich primär mit der Legitimation des Sports als Unterrichtsfach beschäftigen und sekundär auch auf die Lebenswelt Schule, in Bezug auf die Idee einer bewegten Schule[1] und außerunterrichtlicher Bewegungsaktivitäten eingehen. Aus diesem Grund wurde die Fragestellung der Arbeit nicht nur in Bezug auf die Legitimation des Sportunterrichts ausgerichtet, sondern bezieht sich auf den Schulsport im Allgemeinen, weil so auch der außerunterrichtliche Sport mit eingeschlossen wird.

Es ist bewusst von einer pädagogischen Grundlegung die Rede, da in der Sportdidaktik allgemein Konsens besteht, dass ein erziehender Unterricht der in seiner Leitidee den Doppelauftrag[2] verfolgt, als ein zeitgemäßes Unterrichtsmodell gilt. Es kann in diesem Sinne nicht von einem Konzept gesprochen werden, da die Ansichten über die Form und die leitenden Prinzipien eines erziehenden (Sport-)Unterrichts noch weit auseinander gehen.

Den Anfang dieser Arbeit bildet die Begriffsbestimmung des Terminus „Legitimation“, gefolgt von einem ausführlichen Blick auf wichtige Aspekte aktueller Richtlinien und Lehrpläne des Unterrichtsfaches Sport .

Die Betrachtung der Richtlinien und Lehrpläne des Sports, orientiert sich am Lehrplan Nordrhein-Westfalens, für die Sekundarstufe I der Realschule aus dem Jahre 2001 und dem Lehrplan für Hessen, für den Bildungsgang der Realschule (Klassen 5-10) aus dem Jahre 2006, da dieser in seinen wesentlichen Aussagen und pädagogischen Zielformulierungen kongruent zu dem Lehrplan Nordrhein-Westfalens ist. Die Richtlinien und Lehrpläne für das Unterrichtsfach Sport in Nordrhein-Westfalen gelten als Vorreiter für viele der neuen Lehrpläne in ganz Deutschland, und insbesondere auch für die Sportlehrpläne Hessens. Dass sich die folgende Darstellung mit dem Lehrplan Nordrhein-Westfalens und Hessens auseinandersetzt, ist darauf zurückzuführen, dass ich als Autor dieser Arbeit besonderes Interesse für den Lehrplan des Sportunterrichts in Hessen habe, da dieser für mich als künftige Lehrkraft leitend sein wird. Die Darstellung wesentlicher Aspekte der genannten Lehrpläne erfolgt ausschließlich für den Bildungsgang der Realschule (Klassen 5-10), da eine differenzierte Untersuchung aller Bildungsgänge den Umfang dieser Arbeit sprengen würde.

Der Darstellung aktueller bildungspolitischer Forderungen folgt ein Blick auf den Instrumentalisierungsvorwurf, der in den 1990er Jahren die sportdidaktische Diskussion (bei der Frage nach der Schulsportlegitimation) wesentlich beschäftig hat.

Anschließend werden aktuelle Positionen, Strömungen und Konzepte der Sportdidaktik betrachtet, um aufzuzeigen, aus welchen Ansätzen und Spannungen sich die pädagogische Leitidee eines erziehenden Unterrichts in den letzten Jahren entwickelt hat.

Diese Zusammenschau soll es auch sportdidaktisch wenig erfahrenen Leserinnen und Lesern ermöglichen, die verschiedenen Positionen und Strömungen der vergangenen Jahre gedanklich mitzuverfolgen, welche dazu geführt haben, dass aktuell die Forderung nach einer pädagogischen Aufwertung der erzieherischen Ansprüche im Fach Sport ausgesprochen wird. Das ist ein Anspruch an die Lesart dieser Arbeit. Ein weiterer Anspruch bezieht sich darauf, den Leserinnen und Lesern möglichst transparent aufzuzeigen, wie ein erziehender Sportunterricht, der sich an den pädagogischen Perspektiven[3] orientiert, die Schülerinnen und Schüler in die Kultur des Sports einführen kann und wie dieser die Entwicklung der Heranwachsenden durch Bewegung, Spiel und Sport zu fördern vermag. Die zur Zeit in der Bildungspolitik und der Sportdidaktik aktuelle pädagogische Leitformulierung eines erziehenden Sportunterrichts, wird in Anlehnung an Peter Neumann (2004) dargestellt und ausführlich besprochen. Bevor schließlich der Sportunterricht durch den außerunterrichtlichen Schulsport und die Idee einer bewegten Schule auf seinen Beitrag zum Schulleben untersucht wird, gilt es die Bedeutungsvielfalt eines erziehenden Unterrichts zu klären und bedeutsame didaktische Prinzipien erziehenden Unterrichts herauszuarbeiten, wie sie u.a. in dem Prinzip der Mehrperspektivität zu finden sind. Insbesondere letzteres, zur Zeit in vielen Sportcurricula leitende Unterrichtsprinzip einer mehrperspektivischen Unterrichts-gestaltung, wird auf seine Bedeutung hinsichtlich einer zeitgemäßen pädagogischen Grundlegung für den Sportunterricht untersucht. Da auch hier die Auffassungen der Sportdidaktiker zum Teil weit auseinander gehen, werden Konzepte der Mehrperspektivität nach Ehni und nach Kurz untersucht und auf ihre Bedeutung hinsichtlich eines erzieherisch- orientierten Sportunterrichts geprüft.

Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung der Ergebnisse, welche von einem Fazit abgerundet werden. Ein Ausblick verweist auf Fragen, die bei den Bemühungen und Bestrebungen der Schulsportlegitimation in Bezug auf eine pädagogische Grundlegung offen geblieben sind.

2 Zum Terminus „Legitimation“

Scherlers Semantik folgend, bedeutet „legitimieren“ das Begründen von Handlungen, Entscheidungen oder Forderungen. Etwas differenzierter betrachten Balz & Schierz (Balz & Schierz in: Balz 2004, 31) diesen Terminus: „Umgangssprachlich bezeichnet das Wort den Vorgang oder Nachweis einer Berechtigung, die auf der Grundlage von Absprachen, Regelungen oder sogar von festgeschriebenen Gesetzen erfolgt.“

Erziehungswissenschaftlich betrachtet, stehen Begründung, Recht-fertigung und Legitimation in folgendem Zusammenhang:

- Eine Rechtfertigung versteht sich als erklärende Aussage der Richtigkeit von Zielen (Künzli 1975, 14f, zitiert nach Balz 2004, 31).

Dass die dem Sport gesetzten Ziele Gültigkeit besitzen, soll anhand inner- und außerschulischer Rechtfertigungsschemata gezeigt werden (vgl. Scherler 1997, 7ff).

- Eine Begründung wird als Nachweis einer Zweckmäßigkeit von Mitteln verstanden (vgl. ebd.).

Für diesen Argumentationsteil gilt es nachzuweisen, dass der Sportunterricht geeignet ist, „die ihm gesetzten Zwecke zu erfüllen“ (vgl. Balz & Schierz in: Balz 2004, 33). Dies soll mithilfe der fachimmanenten Begründung einer Erziehung zum Sport und der fachtranszendenten Begründung einer Erziehung durch Sport erfolgen. Auf den ersten Blick erscheint dies mit der fachimmanenten Begründung einer Erziehung zum Sport einfacher zu sein, da das Einführen und Ausüben gängiger Sportarten in der Schule als „hinreichend[e]“ Qualifikation gelten sollte, um den Kindern und Jugendlichen beizubringen, wie sie den Sport ihrer Wahl zu betreiben haben- „oder darauf bewusst zu verzichten“ (vgl. ebd.). Die „fachtranszendent[e] Begründung einer Erziehung durch Sport hingegen müsste aufzeigen, dass „Bewegung, Spiel und Sport geeignete Mittel sind“, um über die Motivation zum lebenslangen Sporttreiben hinausgehende Erziehungsziele, die der „ganzheitlichen Entwicklungsförderung“ dienen, verwirklichen zu können (vgl. ebd.). Besondere Schwierigkeit besteht bei dieser Art der Begründung darin, geeignete Mittel zu finden, um durch Sport so zu erziehen, dass die ihm gesetzten Zwecke erfüllt werden (vgl. ebd.).

- Legitimation letztlich bezeichnet das Herbeiführen der Anerkennung nachvollziehbarer Zielsetzungen (Rechtfertigungen) und zweckmäßiger Mittelwahl (Begründungen).

Lenzen (1999, 201, zitiert nach Balz 2004, 31) legt seinem Begriff ein ähnliches Verständnis zu Grunde: „Legitimation ist der Prozess der Erzeugung von Legalität und Legitimität durch Rechtfertigung und Begründung didaktischer Entscheidungen.“

Mit diesem Verständnis von Legitimation, wird sich die vorliegende Arbeit der Frage nach der Legitimation des Sportunterrichts, in Bezug auf eine pädagogische Grundlegung, stellen.

Anspruch dieser Arbeit soll es sein, geeignete Begründungen für didaktische Entscheidungen und bildungspolitische Forderungen eines zeitgemäßen Unterrichtskonzeptes zu finden, durch welche gezeigt werden kann, dass der Sportunterricht in pädagogischer Hinsicht besonders geeignet ist, die ihm gesetzten (erzieherischen) Zwecke erfüllen zu können und seinen Beitrag zum allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule einzulösen.

3 Bildungspolitische Initiativen und ihre Forderungen

3.1 Rahmenkonzepte für den Schulsport

Sport in der Schule ist institutionellen Vorgaben unterstellt. Diese gelten sowohl für den inhaltlichen, wie auch für den organisatorischen Rahmen. Insbesondere gelten diese Vorgaben auch für den staatlichen Bildungs-und Erziehungsauftrag, dem jede Schule gleichermaßen verpflichtet ist (vgl. Bräutigam 2003, 53).

Der Sport wird durch die schulischen und die staatlichen Rahmenvorgaben auf die Kinder und Jugendlichen in der Schule zugeschnitten. In diesem Punkt unterscheidet er sich von der außerschulischen Sportkultur (vgl. ebd.). Im Wesentlichen wird dem Schulsport laut Bräutigam, ein Stück seiner „Spontaneität, Freiwilligkeit und Zweckfreiheit [genommen]“ (vgl. ebd.). Als Gewinn hingegen, birgt der Schulsport das Potenzial, anspruchsvolle erzieherische Ziele „zuverlässig und systematisch zu verfolgen“ und alle Heranwachsenden zu erreichen. Dieser Umstand wird durch die verpflichtende Teilnahme am Sportunterricht gewährleistet (vgl. ebd.).

Die Institution Schule hat zur Erfüllung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages die Pflicht, den verschiedenen Fächern unterschiedliche pädagogische Aufgaben an die Hand zu geben: Diese sind zum einen fachspezifischer Natur, zum anderen fächerübergreifender Natur (vgl. ebd., 55):

- Fachspezifische Aufgaben umfassen z.B. die Vermittlung sportmotorischer Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse.
- Fächerübergreifende Aufgaben beziehen sich auf die Pflege und den Erhalt von kulturellen Traditionen, die Vermittlung gesellschaftlicher Normen und Werte und die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung. Die Entwicklungsförderung verfolgt das Ziel, die Heranwachsenden zu befähigen, aktuelle und künftige Situationen und Probleme in ihrem Leben selbstbestimmt bewältigen zu können (vgl. ebd.).

Es gilt also in Erfahrung zu bringen, inwiefern der Sport zur Einlösung des allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrages beitragen kann und wie sich seine fachspezifischen, pädagogischen Aufgaben konkret äußern. In einem nächsten Schritt ist dann zu klären, wie diese pädagogischen Aufgaben des Sportunterrichts zur Erziehung der Kinder und Jugendlichen (im Sinne überfachlicher Qualifikationen), beitragen können.

Als verbindliche Vorgaben für den Unterricht an den Schulen, erlässt jedes Bundesland Richtlinien und Lehrpläne, die schulstufen- und schulformbezogen vorschlagen, welche Inhalte in den verschiedenen Jahrgangsstufen und in welcher Form und welchem Umfang behandelt werden sollen. Die Lehrpläne enthalten, neben pädagogischen Leitformeln auch zum Teil bereits konkrete inhaltliche Vorgaben. Lehrpläne haben keinen vorschreibenden Charakter, sie unterliegen der Verantwortlichkeit der Lehrperson (vgl. ebd., 56).

Eine Grundorientierung für das Unterrichtsfach Sport zu finden, scheint nicht ganz einfach, da länderspezifisch unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Form und der Inhalte des Sports vorherrschen (vgl. ebd., 73). Eines ist nach Bräutigam aber tendenziell in (fast) allen Lehrplänen erkennbar: Der Doppelauftrag des Sports:

1. Erschließung der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur mit der Befähigung, „Sport sinnvoll in die eigene Lebensgestaltung zu integrieren“ (vgl. ebd., 73).
2. „Bewegung, Spiel und Sport als Mittel [...] individueller Entwicklungsförderung“ (ebd., 74), die mit dem Ziel verbunden ist, die Kinder und Jugendlichen in ihrer Selbstständigkeit zu fördern.

Prohl (in: Lange & Sinning 2008, 45) äußert, dass sich der Auftrag des Sports bildungstheoretisch zum einen auf die Einführung in die Bewegungsbildung (Erziehung zum Sport) bezieht, zum anderen auf die Förderung und Verbesserung der Allgemeinbildung (Erziehung durch Sport).

3.2 Lehrplan Hessen und Nordrhein-Westfalen - Rahmenvorgaben für das Unterrichtsfach Sport in den Jahrgangsstufen 5-10

Nordrhein-Westfalen, das größte Bundesland in der Bundesrepublik, hat Ende der 1990er Jahre mit seinen Richtlinien und Lehrplänen für den Sport in der Schule für alle Schulformen „Lehrplangeschichte“ geschrieben. Von dort aus wurde die Lehrplanentwicklung, und nicht zuletzt auch die sportdidaktische Entwicklung, in ganz Deutschland maßgeblich beeinflusst (vgl. Stibbe & Aschebrock 2007, 166). Bereits die 1980 in Nordrhein-Westfalen erlassenen Richtlinien und Lehrpläne für den Schulsport, wurden in einem Verfahren entwickelt, welches in „Anspruch und Aufwand“ in der Geschichte der Bundesrepublik einzigartig ist (vgl. Kurz in: Aschebrock 2000, 9). Damals stellten die Vorgaben für den Schulsport den Versuch dar, sich auf ein ausformuliertes, sportpädagogisch anerkanntes Konzept zu stützen, welches unter der Überschrift „Pädagogische Grundlegung“ im Band I der Richtlinien von 1980 verfasst wurde (vgl. ebd.). Die in diesem Band niedergeschriebene pädagogische Grundlegung wird durch begriffliche Zielformulierungen wie „Handlungsfähigkeit“ und „Sinn“ charakterisiert (vgl. Kurz in: Aschebrock 2000, 10). Doch Richtlinien unterliegen einem Zeitgeist: Sie entstehen und verändern sich aufgrund gesellschaftlicher Herausforderungen und gründen ihre Empfehlungen auf eine absehbare Zukunft, um schließlich wieder neue Impulse und Anforderungen der Gesellschaft aufzugreifen (vgl. Kurz in: Aschebrock 2000, 9). Seit den 1980er Jahren hat sich für den Schulsport vieles verändert, eine Überarbeitung der Richtlinien und Lehrpläne war wieder notwendig geworden: Den Vorgaben der Landesregierung folgend, sollte kein komplett neuer Entwurf vorgelegt, sondern ein behutsamer Fortschritt bereits bestehender Forderungen und Empfehlungen angestrebt werden, damit das Lehrplanwerk für den Sport in den Rahmen aktueller Richtlinienentwicklungen Nordrhein-Westfalens eingefügt werden konnte (vgl. ebd.). Die Richtlinien der 1980er Jahre wurden erst einmal einer gründlichen Revision unterzogen, um wieder wie bereits in den vorangegangenen Richtlinien, eine pädagogische Grundlegung zu finden, welche in ihrer Auslegung für alle Schulstufen und Schulformen Gültigkeit besitzt[4]. Auf dieser pädagogischen Grundlegung aufbauend, sollte (so forderten es die Vorgaben der Landesregierung), der Bildungsauftrag der einzelnen Schulformen mehr Berücksichtigung finden, als es bisher der Fall gewesen ist (vgl. Kurz in: Aschebrock 2000, 10).

Wenn wir uns in der heutigen Zeit die Umwelt der Kinder und Jugendlichen anschauen, so stellen wir fest, dass diese in einer leibfeindlichen Umgebung aufwachsen, in der immer weniger natürliche Bewegungsanlässe vorhanden sind. Diesbezüglich leistet der Schulsport einen eigenständigen und nicht austauschbaren Bildungs- und Erziehungsauftrag zur ganzheitlichen Förderung von Kindern und Jugendlichen (vgl. Kultusministerium Hessen 2006, S.3; vgl. MSWF NRW 2001, 11ff; siehe auch: Stibbe & Aschebrock 2007, 178, wo sie sich auf MSWWF NRW 1999, XXX beziehen).

Die Rahmenrichtlinien für Hessen und Nordrhein-Westfalen fordern, dass die Heranwachsenden eine ganzheitliche Förderung erfahren, um den verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Körper zu erlernen (vgl. Kultusministerium Hessen 2006, 3f; vgl. MSWF NRW 2001, 11f; siehe auch: Kurz in: Aschebrock 2000, 13f). Die Förderung der „Ganzheitlichkeit“ soll durch die Vermittlung bewegungsbezogener Fähigkeiten, Fertigkeiten, kognitiver Kenntnisse und allgemeiner sportlicher Einsichten, gewährleistet werden. Dies zielt darauf ab, bei den Kindern und Jugendlichen, Freude und Spaß an der Bewegung und am gemeinschaftlichen Sporttreiben zu erwecken. Die Schüler sollen die Einsicht gewinnen, dass regelmäßiges und dauerhaftes Sporttreiben, verbunden mit einem gesunden und ausgeglichenen Lebensstil, positive Auswirkungen auf ihre soziale, seelisch-geistige und körperliche Entwicklung haben kann (vgl. Kultusministerium Hessen 2006, 3f). Darüber hinaus kann der Schulsport sportimmanente Fähigkeiten, wie z.B. Fairness, Toleranz, Teamfähigkeit, Kooperationsbereitschaft und das Einschätzen der eigenen Leistung ermöglichen, und so bei den Kindern und Jugendlichen wichtige Voraussetzungen für den späteren Berufs- und Lebensalltag schaffen (vgl. ebd.).

Unverzichtbarkeit und Sonderstellung kommen insbesondere dem Sport zu, weil Sport als einziges Unterrichtsfach die Körperlichkeit der Schülerinnen und Schüler in Bewegung, Spiel und Sport in umfassender Weise anspricht (vgl. MSWF NRW 2001, 39f). In seiner pädagogischen Bedeutsamkeit ist der Schulsport nicht auf die physische Dimension der Entwicklung Heranwachsender beschränkt, sondern lässt sich als „wichtiger Ansatzpunkt ganzheitlicher Entwicklung“ verstehen (vgl. ebd.). Das heißt, dass im Sport immer auch „soziale Bezüge, Emotionen, Motive, Kognitionen und Wertvorstellungen“ aktualisiert werden (vgl. ebd.).

Ist hier von dem Begriff Schulsport die Rede, so ist damit nicht allein nur der Sportunterricht als solcher zu verstehen. In einem weiteren Sinne ist darunter auch die Bewegungs-, Spiel- und Sporterziehung zu verstehen, welche über den Fachunterricht hinaus einen wesentlichen Bestandteil der Ausgestaltung eines attraktiven Schullebens und einer gesundheitsförderlichen Aktivität darstellt (vgl. Kultusministerium Hessen 2006, 3; vgl. auch: MSWF NRW, 2001, 56ff).

Unter dem außerunterrichtlichen Schulsport werden verstanden:

-Pausensport
-Arbeitsgemeinschaften
-Wettkämpfe
-Schul(sport)feste
-Mehrtägige Veranstaltungen mit sportlichem Bezug, die alle einen wesentlichen Bestandteil der Bewegungs-, Spiel- und Sporterziehung ausmachen (vgl. Kultusministerium Hessen 2006, 3; vgl. auch: MSWF NRW, 2001, 57ff)[5].

Im ersten Absatz der Rahmenrichtlinien Hessens zu den Aufgaben und Zielen des Sportunterrichts heißt es bezüglich des Doppelauftrages, dem der Sport verpflichtet ist:

„Der Auftrag des Sportunterrichts ist es, Bewegung, Spiel und Sport sowohl als Mittel individueller Entwicklungsförderung einzusetzen als auch durch ihn die Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur zu erschließen.“ (ebd. , 3).

Im Sinne der bewegungsbezogenen Qualifikationsaufgaben des Sportunterrichts fördert dieser die Bewegungskompetenzen, verbessert die körperlichen Fähigkeiten und befähigt das Individuum Schüler zur aktiven Teilnahme an der Bewegungs- und Sportkultur (vgl. ebd., 3; vgl. auch: MSWF NRW 2001, 39f).

Ein bedeutsamer Schwerpunkt des Sportunterrichts liegt in den oben beschriebenen bewegungsbezogenen Qualifikationsaufgaben des Sports. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in den mindestens genauso wichtigen Erziehungsaufgaben, welche als verbindliche, pädagogische Absichten im Lehrplan festgehalten sind. Diese Erziehungsaufgaben werden differenziert in eine Erziehung im (zum) Sport und Erziehung durch Sport: „Erziehung im Sport“ versteht sich als die bewusste Sporterziehung in Abgrenzung zur allgemeinen Erziehungsintention, der „Erziehung durch Sport“ (vgl. ebd., 4; vgl. auch: MSWF NRW 2001, 39f). Hervorzuheben ist, dass Sportunterricht in Kooperation mit anderen Fächern positiven Einfluss auf verschiedenste Bereiche unserer Lebenswirklichkeit nehmen kann:

- Sportunterricht kann zu einer gesunden Lebensführung, sinnvollen Freizeitgestaltung, Toleranz gegenüber anderen Bewegungs-kulturen, der ästhetisch gestalterischen Auseinandersetzung mit der Lebenswirklichkeit und dem Ausbilden von Konflikt-lösestrategien im Rahmen des sozialen Lernens führen.
- Weiter kann der Sportunterricht faires Verhalten im Sporttreiben als auch in Alltagssituationen fördern und den kritischen Umgang mit den Medien beeinflussen (vgl. Kultusministerium Hessen 2006, 3f).

Die pädagogischen Intentionen, die dem Sportunterricht zu Grunde liegen, können in sechs sogenannte pädagogische Perspektiven aufgeschlüsselt werden:

- Wahrnehmungsfähigkeit verbessern, Bewegungserfahrungen erweitern
- sich körperlich ausdrücken, Bewegungen gestalten
- etwas wagen und verantworten
- das Leisten erfahren, verstehen und einschätzen
- kooperieren, wettkämpfen und sich verständigen
- Gesundheit fördern, Gesundheitsbewusstsein entwickeln (vgl. Kultusministerium Hessen 2006, 4f; siehe auch Stibbe & Aschebrock 2007, 178, wo sie sich auf MSWF NRW 2001, o.S., beziehen; siehe auch: Kurz in: Aschebrock 2000, 24ff).

Diese sechs pädagogischen Perspektiven zeigen auf, was Kinder und Jugendliche der Jahrgangsstufen 5-10 im Schulsport lernen und erfahren sollen. Zu jeder pädagogischen Perspektive wird in den Richtlinien erläutert, inwiefern die jeweils beschriebene sportliche Aktivität der entsprechenden Perspektive pädagogisch wertvoll, und somit bedeutsam für die Begründung des Schulsports ist. Die pädagogischen Perspektiven geben auch eine Antwort auf die Frage, inwiefern sich die Entwicklung der heranwachsenden Schülerinnen und Schüler fördern lässt. Dabei werden die Antworten von Gedanken zu den Bildungsgehalten des Sports, zu den verbreitetsten Entwicklungsproblemen der heranwachsenden Kinder und Jugendliche und von Gedanken zu den anerkannten Aufgaben der Schule gesteuert (vgl. ebd., 4f; siehe auch: Stibbe & Aschebrock 2007, 179, wo sie sich auf MSWWF NRW, 1999, XXX beziehen).

Die pädagogischen Perspektiven korrespondieren zum Teil auch mit überfachlichen Aufgaben des Schulsports: So kann ein perspektivisch ausgelegter Unterricht im Fach Sport, zu folgenden überfachlichen Aspekten beitragen:

- Verkehrs- und Umwelterziehung, reflexive Koedukation, gemeinsamer Unterricht und gemeinsames Lernen, interkulturelle Erziehung und Verständigung, politische Bildung, ästhetische Erziehung und Medienerziehung (vgl. MSWF NRW 2001, 46).
- Die Schülerschaft kennt die Bedeutung des eigenen sportlichen Handelns für eine gesunde Lebensführung und den Stellenwert von Körperhygiene (Sportkleidung, Duschen) und einer gesunden Ernährung; sie kennt die Wirkung verschiedener sozialer Verhaltensweisen innerhalb einer Gruppe und gegenüber anderen Gruppen und verfügt über Möglichkeiten, Situationen positiv beeinflussen zu können; sie kennt geschlechts- und kulturkreisspezifische Unterschiede sowie Interessens- und Leistungsunterschiede; sie weiß um die Funktionsweise verschiedener Gütemaßstäbe und Bezugsnormen (individuelle Bezugnorm, soziale Bezugsnorm und sachliche Bezugsnorm) bei der Leistungsbewertung (vgl. Kultusministerium Hessen 2006, 67).

Da die Jugendlichen nach Beendigung der Schullaufbahn mehr oder weniger gezwungen sind, neue soziale Beziehungen im privaten und beruflichen Netzwerk aufzubauen, sich an neue Arbeitsstrukturen und Hierarchien anzupassen, die Fähigkeit zur Arbeit im Team zu zeigen und allgemein gesprochen, auf die komplexen Anforderungen der Gesellschaft flexibel, selbstbewusst und mündig zu reagieren, erscheint der Erwerb von Schlüsselqualifikationen innerhalb der Schullaufbahn unabdingbar und unbedingt notwendig für die kompetente Qualifizierung der Jugendlichen für die künftige Berufs- und Arbeitswelt. Hier zeigt sich im Sport eine besondere Qualität: Im Sport können im Gegensatz zu anderen Unterrichtsfächern, in realen- aber auch artifiziell konstruierten Handlungs- und Erfahrungssituationen, wichtige Schlüsselkompetenzen erworben werden (vgl. Kottmann in: Wuppertaler Arbeitsgruppe 2004, 46): Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, welche Qualifikationen und Kompetenzen Jugendliche in der Sekundarstufe I erwerben müssen und welchen Beitrag der Schulsport zu leisten vermag, um Schülerinnen und Schüler kompetent für eine mündige Teilnahme am gesellschaftlichen Leben vorzubereiten?

Es scheint offensichtlich, dass nicht nur fachinhärente, sondern auch überfachliche Qualifikationen wichtig erscheinen: Solche Kompetenzen können zur Persönlichkeitsbildung beitragen und beeinflussen die Qualität der zukünftigen Aufgabenlösungen (vgl. ebd., 47). Diese Forderung, dass der Schulsport auf die Persönlichkeitsentwicklung Heranwachsender Bezug nehmen soll, ist in der einen Seite des Doppelauftrages formuliert, in der sinngemäß ausgedrückt wird, dass die Heranwachsenden durch Bewegung, Spiel und Sport in ihrer Entwicklung zu fördern sind (vgl. MSWF NRW 2001, 39f). Kottmann äußert, dass die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen ein hohes pädagogisches Engagement, verbunden mit der Fähigkeit zur realistischen Einschätzung pädagogischer Situationen, voraussetzt (vgl. Kottmann in: Wuppertaler Arbeitsgruppe 2004, 51). Der Erwerb von Schlüsselqualifikationen ist diese Anstrengungen aber wert, wenn die Schülerschaft dadurch für die Bewältigung zukünftiger Aufgaben in der Berufs- und Alltagswelt kompetent vorbereitet werden soll (vgl. ebd.). Zu den Schlüsselqualifikationen, die insbesondere durch den Sport ermöglicht werden und sowohl zur Bewältigung gesellschaftlich relevanter Anforderungen notwendig sind, als auch Persönlichkeitsstabilisierende und Persönlichkeitsbildende Wirkung besitzen, zählen u.a.:

- Teamfähigkeit
- Empathie und Zutrauen in die eigene Selbstwirksamkeit
- Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit
- Ausdauer, Fairness und Leistungsengagement
- Lern- und Konzentrationsfähigkeit
- Organisations- und Dispositionsfähigkeit
- Problemlösefähigkeit und Zielstrebigkeit
- Argumentationsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen
- Kritik- und Argumentationsbereitschaft
- Vernetztes Denken
- Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit
- Kooperationsbereitschaft bzw. Konkurrenzfähigkeit
- Regelbewusstsein und die Fähigkeit Regeln als veränderbar anzusehen (vgl. ebd., 49ff).

Der Sportunterricht bietet in der für ihn typischen handlungsorientierten Auseinandersetzung mit Problemsituationen besondere Möglichkeiten für die Entwicklung der oben genannten Qualifikationen, welche in konkret- anschaulichen, auf Ganzheitlichkeit angelegten und unmittelbaren Handlungsvollzügen ermöglicht werden (vgl. Kottmann in: Wuppertaler Arbeitsgruppe 2004, 51f).

Im Vergleich zu den alten Lehrplänen sind in den neuen Lehrplänen drei wesentliche Neuerungen zu finden

- Erstens ist eine deutliche, pädagogische Akzentuierung durch den Doppelauftrag formuliert, die durch sechs pädagogische Perspektiven auf den Sport (und fünf Prinzipien eines erziehenden Unterrichts) konkretisiert werden soll.
- Zweitens ist eine Öffnung und eine Erweiterung der Inhaltsspektren vorgesehen, d.h., es werden mehr als nur normierte Sportarten durch die Kombination von pädagogischen Perspektiven und den Bewegungsfeldern vermittelt.
- Drittens werden den einzelnen Schulen mehr Handlungsspielräume als bisher eingeräumt (vgl. Prohl in: Lange & Sinning 2008, 41, wo er sich auf Stibbe 2000, o.S. bezieht; siehe auch: Stibbe & Aschebrock 2007, 180ff).

Für den Zusammenhang bildungstheoretischer Argumente und der Gestaltung von Sport in der Schule, sind in erster Linie die ersten beiden Aspekte bedeutsam (vgl. Prohl in: Lange & Sinning 2008, 41, wo er sich auf Stibbe 2000, o.S. bezieht).

Die pädagogischen Perspektiven sollen auf der einen Seite die „besonderen erzieherischen Möglichkeiten“ des Unterrichtsfaches Sport aufzeigen, und dadurch dem allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule nachkommen. Auf der anderen Seite sollen diese ermöglichen, dass bei subjektiven und individuellen Beweggründen der Kinder und Jugendlichen angesetzt werden kann, die wiederum die Kinder zum Sporttreiben anleiten sollen (vgl. Stibbe 2000, 213 zitiert nach Prohl in: Lange & Sinning 2008, 41; siehe auch: Stibbe & Aschebrock 2007, 179, wo sie sich auf MSWWF NRW 1999, XXX-XXXI beziehen).

Mit dem zweiten Punkt, also der Erweiterung der Inhaltsspektren, soll im Unterricht der gesellschaftliche Wandel in der Sportkultur aufgegriffen werden. Dies wiederum erfordert die Öffnung der Unterrichtsspektren. Das heißt, die normierten Sportarten stellen nicht länger den zentralen Bezugspunkt einer jeden Sportstunde dar, sondern werden in Bewegungsfeldern integrativ vermittelt (vgl. ebd.; siehe auch Stibbe & Aschebrock 2007, 182f, wo sie sich auf MSWWF NRW 1999, XXXVII beziehen). Mit welcher Zielvorstellung die einzelnen Bewegungsfelder in den Lehrplänen verbunden werden können, darüber geben die pädagogischen Perspektiven Aufschluss, die einen Rahmen didaktisch thematisierter Empfehlungen für den Sportunterricht darstellen (vgl. Kurz 1998, 144 zitiert nach Prohl 2008, 42)

Der dritte und letzte Punkt der Neuerungen in den Rahmenrichtlinien, die Gewährung von individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der einzelnen Schulen, eröffnet für die einzelnen Schulen die Möglichkeit, ein eigenständiges, sportbezogenes Profil zu entwickeln. Ein entsprechendes sportbezügliches Profil, könnte die Idee einer bewegungsfreudigen Schule ermöglichen (vgl. Prohl 2006, 179; siehe auch Stibbe & Aschbrock 2007, 182f).

Prohl behauptet, dass Stibbe aus den drei Neuerungen in den Lehrplänen schließt, dass durch diese ein Anschluss an die allgemeine schulpädagogische Diskussion eingeleitet worden ist. Dies gilt seiner Auffassung folgend insbesondere auch für den Legitimationsdruck, dem sich der Sport in der Schule (wieder) in besonderem Maße seit den 1990er Jahren gegenübersieht (vgl. Prohl in: Lange & Sinning 2008, 42, wo er sich auf Stibbe 2000, 217f bezieht). Die pädagogischen Perspektiven können sich, um dem Druck der Legitimation entgegenzuwirken, als richtungsweisende Orientierungen und Begründungen erweisen, welche den erzieherischen Auftrag des Sports in der Schule gegenüber außerschulischen Sportaktivitäten rechtfertigen (vgl. ebd.).

Die hier vorgebrachten Aspekte einer Neuerung in den Lehrplänen, münden als allgemeiner sportpädagogischer Konsens in die Bemühungen eines erziehenden Sportunterrichts, dessen deutliche pädagogische Akzentuierung sich im Doppelauftrag widerspiegelt. Der Doppelauftrag findet seine Konkretisierung - wie bereits eingangs erwähnt - in den sechs pädagogischen Perspektiven[6] und den verschiedenen Leitideen (Prinzipien)[7] eines erziehenden Unterrichts (Mehrperspektivität, Wertorientierung, Reflexion, Erfahrungs- und Handlungsorientierung und Verständigung) (vgl. ebd.; siehe auch: Stibbe & Aschebrock 2007,179f, wo sie sich auf MSWWF NRW 1999b, XLIV-XLV beziehen).

Diese Arbeit wird sich nun erst einmal der Frage zuwenden, welches Potenzial der Sport zur Erfüllung des allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrages birgt. Der in der Landesverfassung und den Schulgesetzen formulierte staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule umfasst die folgenden Aspekte: Unter dem Postulat des Doppelauftrages, soll die Schülerschaft durch eine personale und soziale Erziehung auf der einen Seite, und eine fachlich-sachliche Erziehung auf der anderen Seite, zur Mündigkeit erzogen werden (MSWF NRW 2001, 11). Durch den Doppelauftrag soll gewährleistet werden, dass der Schülerschaft grundlegende Fähigkeiten zur selbstbestimmten, verantwortungsbewussten Lebensgestaltung und Lebensführung in einer demokratisch verfassten Gesellschaft ermöglicht werden (vgl. ebd.). Diese grundlegenden Befähigungen, die nach Kottmann (vgl. Kottmann in: Wuppertaler Arbeitsgruppe 2004, 46) wichtige Basis- bzw. Schlüsselqualifikationen darstellen, werden in den Richtlinien Nordrhein- Westfalens wie folgt beschrieben:

- Entfaltung von Individualität und Stärkung sozialer Verantwortung
- kulturelle Teilhabe
- ethisches Urteilen und Handeln
- verantwortliche Tätigkeit in der Berufs- und Arbeitswelt
- Mitbestimmung und Mitverantwortung in einer demokratisch verfassten Gesellschaft (vgl. MSWF NRW 2001, 11ff).

Die fachliche und erzieherische Arbeit kann, so wird es in den Richtlinien Nordrhein-Westfalens beschrieben, in einem erziehenden Unterricht miteinander verknüpft werden (vgl. MSWF NRW 2001, 17). Zu den Vorteilen und Potenzialen eines erziehenden Unterrichts wird an dieser Stelle aus besagten Richtlinien zitiert:

- „[Erziehender Unterricht] entfaltet fachliches Lernen, das an die Vorerfahrung und Deutungsmuster der Schülerinnen und Schüler anknüpft;
- vermittelt grundlegende Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie Einstellungen und Haltungen;
- entwickelt Wahrnehmungs- und Erlebnisfähigkeit, Reflexions-, Urteils- und Handlungsfähigkeit sowie die Fähigkeit zum Weiterlernen;
- verdeutlicht die Sinnzusammenhänge schulischen Lernens und befähigt die Schülerinnen und Schüler zur Einordnung und Integration ihrer Lebenserfahrungen;
- macht thematische Zusammenhänge der Fächer und Lernbereiche begreiflich und damit ganzheitliches Lernen möglich;
- berücksichtigt sowohl kognitive als auch emotionale und körperliche Ausdrucks- und Entwicklungsmöglichkeiten und fördert Kreativität und ästhetische Wahrnehmung;
- fördert und fordert Schülerinnen und Schüler durch individuelles und gemeinsames Lernen und Erleben;
- reflektiert unterschiedliches Interaktionsverhalten zwischen Mädchen und Jungen, damit sie gleichberechtigt schulische, familiäre, berufliche und gesellschaftliche Möglichkeiten wahrnehmen können;
- hilft, die Fülle der durch Medien vermittelten Eindrücke und Informationen durch kritische Reflexion einzuordnen und zu bewerten;
- unterstützt die Anwendung der in Unterricht und Schule erworbenen Fähigkeiten in und außerhalb der Schule" (MSWF NRW 2001, 17).

Soweit zu den Potenzialen eines erziehenden Unterrichts. In den Lehrplänen Nordrhein-Westfalens und Hessens, ist nicht nur von einem erziehenden Unterricht (als Unterrichtskonzept) die Rede, sondern auch von Prinzipien, welche die Leitideen eines erziehenden Unterrichts auf die Unterrichtstheoretische Ebene übertragen sollen. Als wichtigstes Unterrichtsprinzip wird das Prinzip der Mehrperspektivität genannt. Durch einen mehrperspektivischen Unterricht sollen den Schülerinnen und Schülern möglichst viele unterschiedliche Erfahrungen der Vielfalt des sportlichen Sinns ermöglicht werden. Diese vielfältigen Sinndeutungen wiederum sollen ermöglichen, dass jede Schülerin und jeder Schüler eine subjektive Sinngebung für das Sporttreiben findet. Außerdem soll über die Berücksichtigung der pädagogischen Perspektiven sichergestellt werden, dass bei den Schülerinnen und Schülern eine umfassende Handlungskompetenz erworben wird (vgl. ebd., 4; siehe auch: Stibbe & Aschebrock 2007, 180f, wo sie sich auf MSWWF NRW 1999, XLIV beziehen). Dabei ist es wichtig, dass der Sportunterricht nicht nur auf die subjektiven Sinngebungen der Schülerinnen und Schüler Rücksicht nimmt, sondern dass die Motive der Schülerinnen und Schüler mit pädagogisch reflektierten Vorstellungen der Lehrkräfte konfrontiert werden. Diese sollten dann in einem nächsten Schritt bestmöglichst aufeinander abgestimmt und gegebenenfalls auch kombiniert werden (vgl. Kultusministerium Hessen 2006, 4f). Jeweils entsprechende erzieherische Impulse, können hierbei aus den verschiedenen pädagogischen Perspektiven abgeleitet werden[8]. Dies sollte unter der Zielvorgabe geschehen, dass die Schülerinnen und Schüler den verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Körper lernen (vgl. ebd.). Das gilt in gleichem Maße auch für das selbstständige und selbstverantwortliche Handeln im Sport, welches mit Hilfe der pädagogischen Perspektiven angebahnt, entwickelt und gefördert werden soll. Wenn sich also im Verlauf des gesamten Bildungsganges der Jahrgangsstufen 5-10 auf die pädagogischen Perspektiven gestützt wird, so ist es von großer Bedeutung, dass Einigkeit darüber besteht, dass die pädagogischen Perspektiven alle gleich bedeutsam für die ganzheitliche Förderung der Kinder und Jugendlichen sind (vgl. ebd., 5). Eine einseitige Orientierung gilt es zu vermeiden. Jeder Sportlehrer sollte den Anspruch entwickeln, seinen Unterricht nicht bloß einfach nur mehrperspektivisch aufzubauen, sondern vielmehr auch versuchen, die einzelnen pädagogischen Perspektiven ausgeglichen zu berücksichtigen und in sein langfristiges Planungsschema für den Sportunterricht mit einzubeziehen (vgl. ebd., 5). Diese Forderung bedeutet konkret: Die als verbindlich festgesetzten Unterrichtsvorhaben in den Klassen 5-10 des Bildungsganges der Realschule, haben die fachlichen Inhalte auch weiterhin als Ausgangswert. Diese werden dann aber entsprechend bestimmter Leitperspektiven ausgelegt. Die verbindlichen Unterrichtsvorhaben der Klassen 5-10 lassen eine quantitativ ausgeglichene Aufteilung der pädagogischen Perspektiven kaum zu, berücksichtigen aber alle pädagogischen Perspektiven. Dies ist durch die Sachstruktur der als verbindlich festgelegten Unterrichtsinhalte aus den verschiedenen Bewegungsfeldern begründet (vgl. ebd.). Fakultative Angebote und außerunterrichtlicher Schulsport, sollen gemeinsam zu einer ausgewogenen Berücksichtigung, aller pädagogischen Perspektiven im gesamten Bildungsgang, der Realschule führen.

Soweit zu den Richtlinien der Lehrpläne Sport in Nordrhein-Westfalen und Hessen. Dass Sportunterricht aufgrund der in diesem Kapitel aufgeführten Potenziale durchaus begründet werden kann, erscheint naheliegend. Bevor dies aber geschehen kann, soll auf die wohl bedeutendste Kontroverse der Sportdidaktik (der 1990er Jahre) Bezug genommen werden. Diese Kontroverse wird im folgenden Kapitel aufgegriffen, wobei verschiedene Standpunkte dargestellt und auf ihre Aussagekraft hin untersucht werden.

4 Die Instrumentalisierungsdebatte

4.1 Der Instrumentalisierungsvorwurf

Bereits Söll warnte 1988 davor, dass der Sport vor eilfertigen oder den Sport verzweckenden Pädagogen geschützt werden müsse, da befürchtet wurde, dass der Sport als Mittel für allgemeine Erziehungsziele, die aus seiner Eigenstruktur nicht direkt ableitbar wären, missbraucht werden könnte (vgl. Söll 1996, 37ff; vgl. auch: Neumann 2004, 32, wo er sich auf Söll, 1988, 38 bezieht). Diese bereits 1988 von Söll formulierte Angst vor der Verzweckung des Sports, fand ihren Höhepunkt in der Instrumentalisierungsdebatte der 1990er Jahre, in der es um die Frage ging, inwieweit „Sport zum Zweck von Erziehung [gemacht] werden darf“ (vgl. Neumann 2004, 33). Dabei pochen die einen (wie Söll) auf die Eigenständigkeit des Sport, andere verweisen auf den allgemeinen Erziehungsauftrag der Schule und auf den Sport als „Bestandteil gesellschaftlich kulturellen Wandels“ (vgl. ebd., wo er sich auf Beckers 1993, 1994, o.S. bezieht).

Der Vorwurf, dass sich in der neueren Sportpädagogik instrumentelle Tendenzen finden ließen, wurde 1992 von Schaller erhoben. Dies war zu jener Zeit nicht der erste Vorwurf dieser Art: Dieser Vorwurf wurde bereits 1977 von Bernett erhoben: Er beklagte damals die „Fremdbestimmung und Instrumentalisierung des Sports“ (vgl. Scherler 1997, 5, wo er sich auf Bernett 1977, o. S. bezieht ): Der Vorwurf bezog sich u.a. auf das völkische Turnen „im Rahmen einer chauvinistischen Nationalerziehung“, auf die „körperliche Erziehung als Mittel vormilitärischer Ausbildung“ und auf den Sport im Dienst „ökonomischer Interessen“ (vgl. Scherler, 1997, 5, wo er sich auf Bernett 1977, o.S. bezieht).

Schaller proklamiert zum Teil in Anlehnung an Bernett (1977) folgende Vorwürfe: Als instrumentell versteht Schaller „die programmatische Vereinnahmung des Sports für Zwecke jedweder Art [...], die aus seiner Eigenstruktur nicht direkt herleitbar sind“ (1992,11).

Folglich gilt beispielsweise der Einsatz von Bewegungstätigkeiten für Zwecke der Bildung, Gesundheitserziehung und Sozialerziehung, als instrumentell (vgl. Grössing in: Baumann, 1994, 33).

Als modernes Beispiel nennt Schaller das Konzept der Körpererfahrung, welches durch randständige Inhalte, wie beispielsweise duschen, massieren und entspannen, den Sport ungebührlich ausdehnen würde (vgl. Scherler 1997, 5, wo er sich auf Schaller 1992, 15-19 bezieht). Weiter kritisiert Schaller das Konzept der Gesundheits- und Sozialerziehung: Diesen beiden Konzeptionen wirft er vor, dass sie den Sport in der Schule auf mögliche positive Wirkungen reduzieren und somit entsportlichen würden (vgl. ebd.). Schaller schlägt vor in der Schule ausschließlich Ziele zu verfolgen, die in keinem anderen Schulfach angestrebt werden (Diese Ziele bezeichnet er als substantielle Ziele). Damit verweist er aber lediglich auf die intrasportiven Ziele des Sports, die die Kinder und Jugendlichen zum Handeln in und außerhalb der Schule befähigen sollen. Bei dieser Begründung werden aber überfachliche und erzieherische Ansprüche des Faches nicht bedacht (vgl. ebd., wo er sich auf Schaller, 1992, 20f bezieht). Schaller fordert einen Sportunterricht, der sich primär auf die Berücksichtigung substantieller (intrasportiver) Ziele bezieht, und Konzepte der Körpererfahrung, der Gesundheitserziehung und der Sozialerziehung erst als sekundäre Ziele im Sinne erwünschter Nebenwirkungen Berücksichtigung finden.

Die Forderungen Schallers äußern sich also in einer Translation der Perspektive: Schaller fordert, dass den intrasportiven Zielen ein höherer Stellenwert zukommen soll, wohingegen die extrasportiven Ziele in ihrer Bedeutung für den Sportunterricht herabgesetzt werden sollen. Schaller schlägt vor, dass die sekundären Ziele „auch zu ‚sportspezifischen’ Zielen umgedeutet werden [könnten]“ (vgl. Scherler, 1997, 5, wo er sich auf Schaller 1992, 20 bezieht), sodass der Sport (durch einen entsprechenden Bedeutungswandel) nicht länger für Zwecke der Körpererfahrung, Gesundheit oder des sozialen Lernens instrumentalisiert werden müssten. Ihm zu Folge, könnten diese schließlich sogar als „Voraussetzungen sportlichen Handelns“ angesehen werden (vgl. ebd.).

4.1 Der Widerspruch

Beckers (1993, 254), als einer der wichtigsten Vertreter der Legitimationsdebatte (der Jahre 1992-1942) erwidert auf den Vorwurf, der Schulsport würde instrumentelle Tendenzen aufweisen, dass der Begriff der Instrumentalisierung nur dann negativ belastet werden könne, „wenn ‚die Sache’ Sport zum Ausgangspunkt pädagogischer Überlegungen [gemacht] wird“. Diskussionsstand sollte - so vertritt es diese Arbeit in Anlehnung an Beckers - nicht die Tatsache bilden, dass Mittel eingesetzt werden, um bestimmte Zwecke (auch: Ziele) zu erreichen, sondern vielmehr die Frage, inwiefern die Zwecke bedeutsam erscheinen und die dafür notwendigen Mittel für die Umsetzung dieser geeignet sind (vgl. Scherler 1997, 6). Wenn also die Menschen selbst, die Förderung ihrer Entwicklung, sowie Potenziale des Sports für das Leben der Kinder und Jugendlichen in den Fokus genommen werden, dann ist es legitim und notwendig, die Handlungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen auch durch den Sport zu verbessern (vgl. Beckers 1993, 254). Kurz (1993, 415) tritt als Fürsprecher der Zweckfreiheit des Sports ein und unterscheidet zwischen Zwecken und Folgen des Sports. Er unterscheidet eine Instrumentalisierung des Sports von der des Menschen und formuliert Kriterien für die Auswahl von pädagogischen Perspektiven:

Durch die pädagogischen Perspektiven sollen gesellschaftlich wünschenswerte Folgen des Sports Berücksichtigung finden. Ebenso sollen Inhalte möglichst wahrscheinlichen Eintretens leitend bei der Auswahl der Perspektiven sein. Außerdem sollen subjektive Sinngebungen der Kinder und Jugendlichen im Sportunterricht ermöglicht werden.

Nach Kurz wäre Sport nur in dem Moment als instrumentell zu bezeichnen, wenn bei der Erziehung im Unterricht nur die beiden zuerst genannten Kriterien berücksichtigt würden (vgl. ebd.). Dies bedeutet also, dass für Kurz das Herbeiführen erwünschter Wirkungen, die aus dem Sport resultieren, nur dann eine Instrumentalisierung darstellen, wenn die subjektive Sinngebung des Individuums keine Berücksichtigung findet. Scherler bilanziert in seinem Beitrag zur Instrumentalisierungsdebatte die verschiedenen Stellungnahmen von Beckers (1993), Bernett (1993), Schaller (1992) und Kurz (1993) wie folgt:

Von dem Begriff der Instrumentalisierung kann künftig abgesehen werden, solange die Zwecke hinterfragt werden, welche durch den Sport erzielt werden sollen. Entscheidend sei nämlich, ob man - und dann wird von einer „Verzweckung“ gesprochen- „die Eignung des Sports als Mittel zur Verwirklichung dieser Zwecke bestreitet (Scherler in: Sportpädagogik 1997, 7).

Scherler (1994, 7) geht noch einen Schritt weiter und fragt, was im eigentlichen Sinn hinter der Eigenstruktur des Sports zu verstehen sei. Er behauptet, es gäbe keine genauen Angaben darüber, was sich denn hinter diesem Terminus der Eigenstruktur verbirgt, den Schaller bei seinem Vorwurf der Instrumentalisierung des Sports verwenden würde. Scherler behauptet, dass der von Schaller geprägte Begriff der „Eigenstruktur“ des Sports, eine „ontologische Mystifizierung [darstellt]“, da zu keiner Zeit eine Zweckfreiheit bestehe: Die Zweckfreiheit des Sports stellt für Scherler eine „Fiktion“ dar (Scherler 1997, 7). Er behauptet weiter, dass Sport nur sehr selten um seiner selbst willen betrieben wird, gerade weil Sporttreibende dem Sport gewisse Funktionen, Bedeutungen und erwünschte Wirkungen zusprechen. Demnach habe auch niemand das Recht, die dem Sport von den Sporttreibenden zugesprochenen Funktionen, Bedeutungen oder in Aussicht gestellten Wirkungen abzusprechen oder gar als sachfremd zu postulieren (vgl. ebd.).

Wie die Instrumentalisierungsdebatte aufgezeigt hat, kann der Sport nicht als frei von menschlichen Zwecksetzungen bzw. Zielsetzungen der Sporttreibenden verstanden werden, sondern vielmehr als „unbegrenzte Freiheit“ in der Setzung von Zwecken (bezogen auf Handlungen) und Zielen (bezogen auf die Menschen), da es vielerlei Zwecke gibt die im Sport und auch mit dem Sport verfolgt werden können (vgl. ebd., 8). Es bleibt festzuhalten, dass es bis heute keinen Konsens in der Sportpädagogik zu diesem Instrumentalisierungsvorwurf gegeben hat. Die Reaktionen darauf gehen weit auseinander: Sie reichen von „philosophisch-analytischen Vergewisserungen“ (vgl. Balz & Neumann 1999, 177, wo sie sich auf Court 1996, o.S. beziehen), pauschalen Vorwürfen der Beschränktheit an die Instrumentalisierungskritiker (vgl. ebd., wo sie sich auf Schierz 1997, 48 beziehen), bis hin zu einem Unverständnis der betroffenen Sportlehrkörper (vgl. ebd., wo sie sich auf Drescher 1998, 5 beziehen).

Die vorliegende Arbeit stellt sich an dieser Stelle die Frage, welche Argumente für den erziehenden Unterricht von Bedeutung sind: Scherler bilanziert, dass sich die Instrumentalisierungsdebatte solange im Kreis drehen wird, bis erkannt wird, dass die „Beurteilung der Eignung des Sports als Mittel für die genannten Zwecke [einer Erziehung durch Sport; S.N.] [...] keine Wert-, sondern eine Wirkungsfrage [ist]“ (ebd., 8).

Es muss also deutlicher zwischen erwünschten Zwecken und der Eignung von Mitteln für die Erreichung dieser Zwecke (Ziele) differenziert werden.

Bei einer Erziehung zum Sport liegt das Ziel darin, Kinder und Jugendliche in der Schule zu einem kompetenten Umgang mit dem Sport zu erziehen und Handlungsfähigkeit anzubahnen, so dass diese befähigt werden, auch nach der Schule weiterhin Sport treiben zu können und für sich und andere zu organisieren (ebd., 8).

„Doch bei einer solchen sportimmanenten Zielsetzung ist der Schulsport genau genommen kein Mittel für einen anderen Zweck [wie es Schaller mit seinem Instrumentalisierungsvorwurf verstanden wissen will; S.N], sondern nur ein Teil eines Ganzen, eben des Sports“ (ebd.,8).

Als weiteren Teil des Ganzen versteht sich dann die Erziehung durch Sport, die in ihrer Zielsetzung die Entwicklungsförderung der Kinder und Jugendlichen durch Bewegung, Spiel und Sport fordert. Zur Veranschaulichung wird ein Beispiel genannt:

„Wer im Sportunterricht lernt, Turngeräte schnell und arbeitsteilig aufzubauen, lernt nicht nur den sachgerechten Umgang mit Sportgeräten, sondern auch, umsichtig und effizient zu arbeiten“ (Scherler 1997, 8).

Damit ist gemeint, dass durch den Sportunterricht Wirkungen gezielt angebahnt werden können, die den Schülern fächerübergreifende Qualifikationen ermöglichen (vgl. ebd.).

Es stellt sich die Frage, was eigentlich aus dem Instrumentalisierungsvorwurf gelernt werden kann?

„Ausgangspunkt pädagogischer Reflexionen und unterrichtlicher Maßnahmen sollte der zu Erziehende sein“, es gilt die Persönlichkeit des zu Erziehenden zu stärken und seine Entwicklung im Sport zu fördern (vgl. Balz & Neumann, 1999, 178).

Um mit den Worten Schleiermachers zu sprechen (vgl. Balz & Neumann 1999, 178, wo sie sich auf Schleiermacher, o.J.,o.S. beziehen), wird der Erziehende nur dann verzweckt, wenn die Erziehung einseitig auf die Sozialisation und nicht auf zukünftiges Handeln ausgerichtet ist. Werden gegenwärtige Bedürfnisse, Wünsche und Forderungen nicht berücksichtigt, dann wird der zu Erziehende Mittel zum Zweck des erzieherischen Anspruchs. Einer Instrumentalisierung der Heranwachsenden ist dadurch vorzubeugen, dass gegenwärtige Bedürfnisse und Wünsche nicht übergangen werden, d.h. aber eben auch kritische Tendenzen (z.B. Schmiergeld- und Wettaffären in der Fußball- Bundesliga, Dopingskandale in der Tour-de-France etc.) außerschulischen Sports offen zu diskutieren und Verhaltensweisen von Schülerinnen und Schülern im Sportunterricht einer Reflexion zu unterziehen sind (vgl. Balz & Neumann 1999, 179).

5 Anforderungen an einen zeitgemäßen Sport

Damit Sport in der Schule zeitgemäß und auch begründet unterrichtet werden kann, sollte der Sport „aktuelle Voraussetzungen [von Schülern; S.N.] einkalkulieren“, neue Ideen, Konzepte und bildungspolitische Forderungen und Vorgaben berücksichtigen und eine „konsensfähige pädagogische Leitidee“ zugrunde legen (vgl. Balz & Kuhlmann 2003, 145). Als zeitgemäß muss sich der Sport auch hinsichtlich seiner Inhalts-, Methoden- und Zielauswahl erweisen. Solche zeitgemäßen Vorstellungen spiegeln sich u.a. in den aktuellen Richtlinientexten wieder. Die Auffassung von einem zeitgemäßen Sportunterricht ist zwar kein beschlossener Konsens, die aktuellen Tendenzen spiegeln sich aber in den Lehrplänen der einzelnen Bundesländer wider (vgl. ebd., 145f).

Sport ist trotz „wiederkehrender bildungspolitischer Kontroversen um den Stundenumfang des Faches“ (vgl. ebd., 146) fest im Kanon der Schulfächer verankert und steht quantitativ an dritter Stelle (vgl. Balz & Schierz in: Balz 2004, 10). Dass dem Fach ein besonderer Status zukommt, lässt sich insbesondere daran ablesen, dass der Sport als Pflichtunterricht, in den Klassen 1-13, zu denjenigen Fächern mit dem insgesamt höchsten Umfang an Unterrichtsstunden zählt (vgl. Balz & Kuhlmann 2003, 146). Im Vergleich zu „anderen organisierten und informellen Formen des Sporttreibens“, ist der Sportunterricht die einzige Form mit staatlichem Erziehungs- und Bildungsauftrag und einem verpflichtenden Charakter (Balz & Schierz in: Balz 2004, 10). Bevor nun die Frage nach einem geeigneten, zeitgemäßen konsensfähigen Konzepts für den Sportunterricht hinreichend beantwortet werden kann, gilt es den Blick erst einmal auf die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte zu werfen: In diesem Sinne werden nachfolgend verschiedene sportdidaktische Positionen und Strömungen dargestellt, so soll für den Leser eine größtmögliche Transparenz hergestellt und aufgezeigt werden, welche sportdidaktischen Konzepte in den vergangenen Jahren - bis heute - für den Sport in der Schule leitend waren (und zum Teil auch noch leitend sind). Weiter wird dann erläutert, wie diese verschiedenen Positionen und Strömungen zu einer zeitgemäßen, aktuellen pädagogischen Grundlegung, die in ihrem Kern die Idee erziehenden Unterrichts beinhaltet, beitragen können bzw. bereits beigetragen haben.

5.1 Fachdidaktische Entwicklungen

In diesem Kapitel geht es darum, unter Rückgriff auf einige wesentliche sportdidaktische Strömungen, die aktuelle „Renaissance des Bildungsbegriffs“ in der Sportpädagogik vorzubereiten (vgl. Prohl 2006, 105). Es kann aber nicht die Aufgabe dieser Arbeit sein, alle fachdidaktischen Positionen, Strömungen und Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte zu skizzieren. Genauso wenig kann es die Aufgabe sein, die verschiedenen Einordnungsversuche diverser Autoren der Sportdidaktik näher zu betrachten, mit denen versucht wird die Vielfalt sportdidaktischer Positionen unter verschiedenen Perspektiven zu strukturieren.

Die vorliegende Arbeit verfolgt vielmehr das Ziel, einen groben Überblick über einige der sportdidaktischen Positionen zu liefern, welche mit der Vorstellung erziehenden Sportunterrichts verbunden werden können bzw. welche dazu beigetragen haben, dass aktuell wieder mehr Wert auf die pädagogische Bedeutung eines erziehenden Unterrichts gelegt wird (vgl. Balz & Neumann in: Günzel & Laging 1999, 172).

Einordnungsversuche sportdidaktischer Positionen verschiedener Strömungen oder Ansätze finden sich u.a. bei Geßmann 1894, Balz 1992, Schaller 1992, Größing 1993, Crum 1992, Elflein 1995, Prohl 1999, Hummel 2000 und bei Balz & Neumann (vgl. Döhring 2004, 31ff).

Balz & Neumann (1999 in: Günzel & Laging, 171ff) differenzieren zwischen fünf sportdidaktischen Positionen, um die Überlegungen zu den verschiedenen Positionen in der Sportdidaktik auf einen Ansatz mehrperspektivisch orientierten erziehenden Sportunterrichts zu beziehen. Mit diesem Einordnungsversuch wird sich diese Arbeit im Folgenden näher auseinandersetzen. Die gegenwärtig geführten Diskussionen und die mannigfaltig vorliegenden Vorschläge der Sportdidaktik zu diversen Unterrichtskonzepten sind gekennzeichnet von Unüberschaubarkeit und Uneinheitlichkeit: „Nach einer stabilen bildungstheoretischen Phase“ der 1950er- und 1960er Jahre, begann ab Mitte der 1970er Jahre in der Bundesrepublik eine Zeit der pragmatischen Sportdidaktik (vgl. Neumann & Balz in: Günzel & Laging 1999, 172, wo sie sich auf Balz 1996, o.S. beziehen). Die pragmatische Position der „Handlungsfähigkeit“ übersteigt, so Balz, die reduzierten Ansprüche des Sportartenprogramms und wird durch alternative Konzepte zur Körpererfahrung und Bewegungserziehung kritisiert (vgl. ebd.). Weitere konkurrierende Ansätze sind die fundamentale Leitidee von Spaß[9] im Sport und das Konzept der Intensivierungs- und Grundlagenbildung aus den neuen Bundesländern.

Im Folgenden werden die verschiedenen Positionen bzw. Unterrichtskonzepte, u.a. in Anlehnung an Balz & Neumann (vgl. Balz & Neumann in: Günzel & Laging 1999, 172ff), überblicksartig dargestellt und mögliche Probleme bzw. Potenzen skizziert:

1. Die perpetuelle Position der Intensivierung und Grundlagenbildung.
2. Die traditionelle Position des Sportartenprogramms.
3. Die pragmatische Position der Handlungsfähigkeit.
4. Die alternative Position der Körper- und Bewegungserziehung.

1. Die perpetuelle Position der Intensivierung und Grundlagenbildung:

Diese Position stützt ihre unterrichtlichen Forderungen auf das Ausbilden körperlich-sportlicher Grundlagenbildung mit dem Ziel einer speziellen Handlungsfähigkeit, die sich auf die Ausbildung konditioneller und sportmotorischer Fertigkeiten bezieht. Im Mittelpunkt stehen die Aneignung sportartenspezifischer Kompetenzen und die Förderung körperlicher Leistungsfähigkeit, welche in einem bewegungsintensiven, durchgeplanten und auf Effizienz ausgerichteten Sportunterricht angestrebt werden (vgl. Balz & Neumann in: Günzel & Laging, 1999, 173). Neumann (2004, 28f) grenzt das Intensivierungskonzept von dem der Grundlagenbildung ab, da diese beiden Konzepte chronologisch betrachtet, nacheinander in ostdeutschen Sportlehrplänen leitend waren (vgl. Neumann, 2004, 27).

Das Intensivierungskonzept wurde Ende der 1960er Jahre, aufgrund nachhaltiger Kritik am bestehenden Turnunterricht und dessen in Frage gestellten Effektivität in der ehemaligen DDR, entwickelt: Dieses Konzept sollte die als zu knapp empfundene Bewegungszeit und die mangelnde konditionelle Intensität des bis dahin bestehenden Turnunterrichts durch ein „schlüssiges Ineinandergreifen von unterrichtlichem Leitziel“ und der Stoffauswahl kompensieren (vgl. ebd.). Unter der unterrichtlichen Leitformulierung wurde die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und insbesondere die Entwicklung konditioneller Fähigkeiten durch Grundübungen aus Techniken und Fertigkeiten der Schulsportarten sowie der Spiele und Tänze angestrebt (vgl. ebd.).

Der unterrichtliche Rahmen war an einer möglichst rationalen und effizienten Gestaltung des Sportunterrichts orientiert, der durch eine straffe zeitliche Organisation und eine auf Effektivität ausgelegte Verbesserung körperlicher Leistungsfähigkeit ausgerichtet war (vgl. ebd., 28).

Das Intensivierungskonzept wurde in den 1980er Jahren von der körperlich-sportlichen Grundlagenbildung abgelöst, welches in den Curricula der ehemaligen DDR vor allem „körperbildende und sportsozialisatorische“ Ziele anstrebte, nachdem es Ende der 1970er Jahre zu einer stärkeren pädagogischen Orientierung des Sportunterrichts mit Blick auf die Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen gekommen war (vgl. ebd., 29). Kennzeichnend war u.a., dass die Forderung ausgesprochen wurde, dass sich Heranwachsende aktiv an schulsportlicher Erziehung beteiligen sollten und im Unterricht der Fokus stärker auf die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler zu richten sei, was durch entsprechende Handlungsspielräume im Sportunterricht ermöglicht werden sollte (vgl. ebd.).

Das Konzept der körperlich-sportlichen Grundlagenbildung verfolgte dabei zwei Anliegen: Einerseits die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit bezüglich konditioneller- und koordinativer Fähigkeiten (als körperliche Bildung gedacht) und andererseits die Entwicklung und Förderung einer sportlichen Handlungsfähigkeit (als sportliche Bildung gedacht), die sportmotorisches Können, methodisch-organisatorisches Können, sportbezogene Kenntnisse, Wertorientierung und soziale Umgangsformen anbahnen sollten (vgl. ebd., wo er sich auf Hummel 1997, 259 bezieht).

Dieser doppelte Bildungsanspruch kann nach Hummel in eine formale und eine materiale Bildung differenziert werden:

Formale Bildung meint die Verbesserung körperlicher Leistungsfähigkeit, materiale Bildung hingegen, meint die Qualifikation für gesellschaftliche Aufgaben, welche durch die sportliche Ausbildung angestrebt werden (vgl. ebd., 30, wo er sich auf Hummel 1997, 263f bezieht). Diese materiale Bildung, also das Ausbilden einer Handlungsfähigkeit für sportliches Agieren, findet sich auch in der pragmatischen Sportdidaktik, die den Sport aus der Sachstruktur des gesellschaftlichen Sports heraus zu begründen versucht. Die Auswahl von Unterrichtsinhalten, also was gemacht werden soll, steht im Zentrum dieser Position, welche in einem späteren Absatz dieses Kapitels einer näheren Betrachtung unterzogen wird (vgl. Prohl 2006, 110).

2. Die traditionelle Position des Sportarten- Programms:

Das, was in der ehemaligen DDR als körperlich-sportliche Grundlagenbildung in den Sportcurricula der 1980er Jahre für den Sportunterricht in den ostdeutschen Schulen leitend war, fand seine Entsprechung im westdeutschen Sportartenprogramm (vgl. Neumann 2004, 30). Das Sportartenprogramm bezeichnet eine sportdidaktische Strömung, die vor allem in der Sportpraxis der Sekundarstufen der Schulen, seit den 1970er Jahren, verbreitet ist. Ziel des Sportartenprogramms ist es, Sportarten sachgemäß zu lehren und dabei weniger auf die weitergehenden pädagogischen Ziele zu achten, als vielmehr darauf, dass die Schülerinnen und Schüler möglichst effektiv die verschiedenen Sportarten lernen, um ein abprüfbares Fertigkeitsniveau zu erreichen (vgl. Söll 1996, 37f).

Söll unterscheidet im Sportartenprogramm eine körper- und eine bewegungsbildende Komponente:

- Unter der Körperbildung versteht Söll grundlegende sportmotorische und koordinative Fähigkeiten, wie Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Beweglichkeit (vgl. Söll 1996, 38).
- Unter der Bewegungsbildung versteht Söll die Einführung in die Bewegungskultur (vgl. Söll, 1996, 38) und die Fähigkeit, bewegungstechnischen Anforderungen des Sports mit sportlicher Kompetenz entgegentreten zu können (vgl. Neumann, 2004, 32, wo er sich auf Söll, 1989, 14 bezieht).

Die Bewegungskultur umfasst nach Söll drei Kernbereiche, in die der Sportunterricht einführen soll: Demnach soll der Sport in den spielerischen Sport, den künstlerisch ausgestalteten Sport und den sportlichen Sport einführen: In dem spielerischen Sport, also in kleinen und großen Sportspielen, geht es dabei um das Prinzip der Effektivität; bei dem künstlerischen Sport, der seine Verwirklichung in Bereichen wie Pantomime, Ballett oder Tanz findet, geht es um das Prinzip der Bewegungsqualität und bei dem sportlichen Sport ist das Überbietungs- und Trainingsprinzip das dominierende Prinzip, welches in den Individualsportarten (Leichtathletik, Gewichtheben, Schwimmen etc.) seine Anwendung findet (vgl. Söll 1996, 35ff).

Das Sportartenkonzept begründet seine Berechtigung durch die eine Seite des Doppelauftrages, die in den aktuellen Rahmenvorgaben für das Unterrichtsfach Sport als „Erschließung der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur“ aufgefasst und formuliert wird (vgl. Kurz in: Beckers, Hercher & Neuber 2000, 41). Diese eine Seite des Doppelauftrages lässt sich als Einführung in die Sportkultur, der Förderung von Interessen und dem Ausbilden von Urteilsfähigkeit beschreiben und wird in einem am Sportartenprogramm orientierten Unterricht, als Leitidee beschrieben (vgl. ebd.). Das, was im Sportunterricht pädagogisch möglich ist, findet sich aber erst in der zweiten Seite des Doppelauftrages. Es kann sicher nicht bestritten werden, dass auch ein Unterricht nach dem Sportartenprogramm die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen fördert, dies geschieht aber, um mit den Worten von Kurz (in: Beckers, Hercher & Neuber, 2000, 41) zu sprechen, „explizit und kontrolliert“nur auf die Entwicklungsförderung sportlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten der Sportarten bezogen (vgl. ebd., 42; vgl. auch Balz & Neumann in: Günzel & Laging 1999,172; ausführlicher Prohl 2006, 107f).

[...]


[1] Zur Bedeutung der bewegten Schule sei auf Kap. 7 verwiesen.

[2] Unter dem Begriff des Doppelauftrages ist folgendes zu verstehen: Auf der einen Seite ist es die Aufgabe der Schule, die Kinder und Jugendlichen in die Kultur des Sports einzuführen (Erziehung zum Sport). Auf der anderen Seite sollen die Kinder und Jugendlichen durch Bewegung, Spiel und Sport in ihrer Entwicklung gefördert werden (Erziehung durch Sport).

[3] Der Begriff der pädagogischen Perspektiven bedeutet zweierlei: Zum einen verweisen die Perspektiven auf mögliche Förderabsichten, zum anderen werden durch diese den Schülerinnen und Schülern individuelle Sinngebungen im Sport ermöglicht (ausführlich siehe Kap. 5.3).

[4] Die zur Wende des 21. Jahrhunderts erlassenen Richtlinien und Lehrpläne für den Sportunterricht, bestehen aus drei Teilen:

In den Richtlinien werden gesonderte Aufgaben, Zielformulierungen und methodische Prinzipien für den Sportunterricht erläutert.

Die Rahmenvorgaben, umfassen das schulstufen- und schulformübergreifende pädagogische Konzept und die Lehrpläne beinhalten auf die konkrete Umsetzung ausgelegte fachspezifische Anleitungen zu Aufgaben, Inhalten, Methoden und zur Organisation des Unterrichts (vgl. ebd., 177).

[5] Zur näheren Bedeutungsbestimmung außerunterrichtlicher Sportaktivitäten sei auf Kapitel 7 dieser Arbeit verwiesen.

[6] Die erzieherischen Bedeutungen der einzelnen pädagogischen Perspektiven werden ausführlich in Kap. 5.3 erläutert.

[7] Zu den derzeit anerkanntesten Prinzipien eines erziehenden Unterrichts gehören (in Anlehnung an den Nordrhein-Westfälischen Lehrplan von 2001 für die Sekundarstufe I): Mehrperspektivität, Wertorientierung, Reflexion, Erfahrungs- und Handlungsorientierung und Verständigung. Diese Prinzipien eines erziehenden Unterrichts werden in Kap. 6.4.4 ausführlicher betrachtet.

[8] Siehe Kap. 5.3 für ausführlichere Informationen bezüglich der erzieherischen Bedeutung der pädagogischen Perspektiven.

[9] Bei der fundamentalen Leitidee von Spaß im Unterricht, geht es nicht wie in anderen Konzeptionen um die Pädagogisierung und Methodisierung des Sports, sondern vielmehr darum, dass die Kinder und Jugendlichen die Herausforderung von willkürlichen Bewegungsaufgaben vornehmlich körperlich zu lösen versuchen, um so in der Auseinandersetzung mit sportlichen Bewegungsaufgaben diese mit subjektivem Sinn belegen zu können (vgl. Balz & Neumann in: Günzel & Laging 1999, 173, wo sie sich auf Volkamer 1987, 135 beziehen). Da sich aus dieser Position keine direkten Konsequenzen für einen erziehenden Sportunterricht ergeben, wird die Position der Spaßerziehung nicht eingehender betrachtet.

Ende der Leseprobe aus 126 Seiten

Details

Titel
Legitimation des Schulsports. Aspekte einer pädagogischen Grundlegung
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Sportdidaktik)
Note
1+
Autor
Jahr
2008
Seiten
126
Katalognummer
V114434
ISBN (eBook)
9783640152780
ISBN (Buch)
9783640154845
Dateigröße
799 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Legitimation, Schulsports, Aspekte, Grundlegung
Arbeit zitieren
Sebastian Nick (Autor:in), 2008, Legitimation des Schulsports. Aspekte einer pädagogischen Grundlegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114434

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