Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Abstract
2 Theoretischer Hintergrund der Begrifflichkeiten
3 Stand der Forschung
4 Herleitung der Hypothesen
5 Methodisches Vorgehen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Abstract
Die weltweiten Rüstungsausgaben steigen ins Unermessliche und haben im Jahr 2019 ein neues Rekordniveau von 1, 917 Milliarden Dollar erreicht. Besonders in der Krisenregion „ Süd- ostasien “ ist ein kontinuierlicher Anstieg der Rüstungsausgaben zu verzeichnen. Laut dem internationalen Friedensforschungsinstitut SIPRI betrug der Anstieg der Rüstungsausgaben in der Region im Jahr 2019 satte 4,2 Prozent zum Vorjahr, das Volumen stieg demnach auf eine Rekordsumme von 40,5 Milliarden Dollar an (vgl. Tian et al. 2020, S. 8). Ein Blick auf die letzten zehn Jahre verdeutlicht zudem, warum dieser Teil des asiatischen Kontinents immer stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit von Politik, Wissenschaft und Medien rückt: Im südostasiatischen Raum sind in der letzten Dekade, zwischen 2010 und 2019, die Rüstungsausgaben durchschnittlich um 34 Prozent gestiegen (vgl. ebd., S. 8).
Zur Erklärung der zunehmenden Rüstungsdynamik in dieser Krisenregion werden vorrangig außenpolitische Faktoren, wie etwa die Existenz von zwischenstaatlichen Konflikten, herangezogen. Im Rahmen dieser Arbeit sollen vor diesem Hintergrund auch die Auswirkungen von innenpolitischen Faktoren auf die Rüstungsausgaben in der Region untersucht werden. Im Kern geht es dabei um die Forschungsfrage: Inwiefern haben innenpolitische Faktoren Einfluss auf die Rüstungsausgaben unterschiedlicher Staaten?
Zur Beantwortung der Forschungsfrage werden im Rahmen einer Sekundäranalyse die Daten von acht südostasiatischen Staaten (hier: Indonesien, Malaysia, Kambodscha, Philippinen, Myanmar, Vietnam, Thailand und Singapur) analysiert und ausgewertet. Mit der Vielzahl der ausgewählten Fälle soll einerseits sichergestellt werden, dass eine Verzerrung der Ergebnisse ausgeschlossen werden kann, andererseits die Heterogenität in Südostasien angemessen abgebildet wird. Der mögliche Einfluss von innenpolitischen Faktoren auf die Rüstungsausgaben der genannten Staaten wird auf Basis zuvor formulierter Hypothesen mit dem Ziel untersucht, ob eine Beeinflussung vorliegt und wenn ja, wie diese ausgeprägt ist. Das Ergebnis der Analyse ist, dass innenpolitische Faktoren zur Erhöhung bzw. Minderung der Rüstungsausgaben in den untersuchten Staaten führen können.
2 Theoretischer Hintergrund der Begrifflichkeiten
Rüstungsausgaben
Der Begriff „ Rüstungsausgaben “ wird in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedlich definiert, weshalb es auch häufig bei der Ermittlung der Rüstungsausgaben einzelner Staaten zu unterschiedlichen Werten kommt (vgl. Brzoska 2020, S. 1). Das internationale Friedensforschungsinstitut SIPRI um - ein Beispiel zu nennen - verwendet den Begriff der „Rüstungsausgaben “ synonym zum Begriff der „ Militärausgaben “ (vgl. SIPRI 2012, S. 214). Unter Militärausgaben werden dabei alle Ausgaben subsumiert, die ein Staat zur „ militärischen “ Sicherung der nationalen Sicherheit einsetzt (vgl. ebd., S. 214). Hierzu gehören die Gesamtheit aller laufenden Ausgaben für das militärische Personal und die Rüstungsgüter (z. B. Beschaffung von Waffen, Munition, Panzern, Kampfflugzeugen, Kriegsschiffen etc.), Operations-, Betriebs- und Baukosten (z. B. das Errichten von militärischen Stützpunkten), Militärhilfen (z. B. Bewaffnung und Ausbildung paramilitärischer Kräfte) sowie auch die Ausgaben für die militärische Forschungs- und Entwicklungsabteilung (vgl. ebd., S. 214). Die Kosten für den Zivilschutz, die Abrüstung sowie die Leistungszahlungen an Veteranen werden nicht vom Begriff der „ Militärausgaben “ erfasst (vgl. ebd., S. 214).
Das politisch-militärische Bündnis „ NATO “ verwendet zur Beschreibung der Militär- bzw. Rüstungsausgaben den Terminus „Verteidigungsausgaben “ (vgl. NATO 2020, S. 15). Der Terminus „ Verteidigungsausgaben “ ist breiter gefasst als der Begriff der „ Militärausgaben “, denn er subsumiert auch jene Kosten, die nicht unmittelbar militärischen Zwecken dienen, wie z. B. Pensionszahlungen für ehemalige Soldat(inn)en sowie auch friedensstiftende und -erhaltende Maßnahmen (z. B. die Kosten für den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte auf ausländischen Boden oder Abrüstungsprojekte) (vgl. ebd., S. 15).
Die Vielzahl an unterschiedlichen Definitionen lässt schon erahnen, dass der Begriff „ Rüstungsausgaberi“ sehr dehnbar ist und - je nach Interesse - auch unterschiedlich aufgefasst werden kann. Um dennoch eine einheitliche Definition des Begriffs „ Rüstungsausgaben “ zu finden, erscheint es an dieser Stelle sinnvoll das Wort „ Rüstung “ weiter zu präzisieren, um über dessen Definition genaueres zu erfahren. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (kurz: BMWi) hat hierzu den Begriff der „ Rüstung “ bzw. „ Rüstungsgüter “ in verschiedene Einzelpositionen zerlegt und enumerativ in einer Ausfuhrliste aufgeführt (vgl. BMWi 2020, S. 25). Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste enthält dabei 22 Positionen (Nr. 0001 bis Nr. 0022) verschiedener Waffen, Munitionen sowie Software- und Technologiesystemen, wobei jede einzelne Positionen wiederum in weitere Unterpositionen unterteilt ist (vgl. ebd., S. 22). Auffällig an der Ausfuhrliste ist, dass sie, ähnlich der Definition von SIPRI (2012, S. 214), Rüstungsgüter auflistet, die ausschließlich der militärischen Verwendung dienen. Hierzu zählen u. a. Güter aus unterschiedlichen Kategorien, von ABC-Kampfstoffen und Kriegsgeräte im engeren Sinne (z. B. Panzer, Kampfflugzeuge, Waffensysteme aller Art) über Munition (z. B. Bomben, Raketen, Flugkörper), bis hin zu sonstigem militärischen Rüstungsmaterial (vgl. ebd., S. 25). Der „Ausgangspunkt für die Einordnung als Rüstungsgut ist [also] stets, dass dieses für militärische Zwecke besonders konstruiert ist.“ (Wolffgang 2017, S. 2). Angelehnt an die Definition von SIPRI sowie die Ausfuhrliste des BMWi erscheint die Definition für „ Rüstungsausgaben “ von Johannes Rattinger am adäquatesten, da die militärische Komponente in seiner Definition besonders hervorgehoben wird: Unter Rüstungsausgaben werden alle staatlichen Ausgaben in den Kategorien „1) Beschaffung von Material für die Streitkräfte, 2) Betrieb und Unterhaltung alles mobilen und immobilen Materials der Streitkräfte, 3) Ausgaben für die Subsitenz des militärischen und zivilen Personals der Streifkräfte sowie 4) Forschung und Entwicklung im militärischen Aufgabenbereich“ subsumiert (Rattinger 1975, S. 150 f.).
In den nachfolgenden Kapiteln wird Begriff „ Rüstungsausgaben “ synonym zum Begriff der „ Militärausgaben “ verwendet.
3 Stand der Forschung
In den Politikwissenschaften existiert bereits seit langem eine breite Fachliteratur zu den Themen „ Verteidigungs- und Militärausgaben“, „Rüstungswirtschaft“ und „Rüstungsfinanzierung “, wobei jedoch die genannten Themen häufig unter dem Begriff der „ Verteidigungspolitik “ subsumiert werden (vgl. z. B. Gallhöfer 2014, S. 28 ff.; Köllner 1977, S. 261 ff.). Die wachsende Bedeutung dieses Untersuchungsbereiches lässt sich insbesondere auf die in den letzten Jahren kontinuierlich stark gestiegenen Militärausgaben zurückführen, die vergleichsweise höher liegen als zu den Spitzenzeiten des Kalten Krieges (vgl. Alwardt et al. 2019, S. 95). Im Vordergrund dieser Untersuchungen stehen vor allem die Bereiche der politikwissenschaftlichen Entwicklung, Probleme sowie Herausforderungen (vgl. Gallhöfer 2014, S. 28 ff.). Die vorliegende Forschungsarbeit fokussiert den Bereich der politikwissenschaftlichen Entwicklung der Rüstungsausgaben, wobei insbesondere untersucht werden soll, inwiefern innenpolitische Faktoren Einfluss auf diese Entwicklung haben.
In vielen Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Militarisierung - und damit die Rüstungsausgaben - in den letzten Jahren weltweit stark angestiegen sind (vgl. z. B. McGerty 2021; Tian et al. 2020). So zeigt etwa eine Studie des schwedischen Instituts zur internationalen Friedensforschung (SIPRI), dass die weltweiten Rüstungsausgaben im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent auf 1,917 Milliarden Dollar angestiegen sind (vgl. Tian et al. 2020, S. 1). Dieser Trend ist auch im Jahr 2020 zu verzeichnen. Nach dem aktuellen Bericht des Londoner Instituts für Strategische Studien (IISS) erreichten die weltweiten Rüstungsausgaben im Jahr 2020 einen Umfang von 1,83 Milliarden Dollar (vgl. McGerty 2021). Gegenüber dem Vorjahr ist dies ein Anstieg um 3,9 Prozent (vgl. ebd., 2021). Die Gründe zur Erklärung dieser zunehmenden Rüstungsdynamik sind vielfältig, wobei oftmals innen- und/oder außenpolitische Faktoren zur Erklärung herangezogen werden (vgl. z. B. Heiduk 2017, S. 6). Durch das breite Spektrum an möglichen innen- und außenpolitischen Faktoren sind auch sehr zahlreiche Arbeiten in der Forschung vorhanden (vgl. z. B. Heiduk 2017; Mandel 2004; Sauer & Schörnig 2012). Da diese Arbeit ausschließlich den Einfluss von innenpolitischen Faktoren auf die Rüstungsausgaben von Staaten untersucht, wird nachfolgend auch der Forschungsstand dieses speziellen Bereichs fokussiert.
In der wissenschaftliche Literatur existieren zahlreiche Studien, in denen der Einfluss von innenpolitischen Faktoren auf die staatliche Rüstungspolitik untersucht wird. So kommt etwa Felix Heiduk in seiner Studie „ Ein Wettrüsten in Südostasien? Veränderte Rüstungsdynamiken, regionale Sicherheit und die Rolle europäischer Waffenexport “ zu der Erkenntnis, dass innenpolitische Faktoren einen starken Einfluss auf die Rüstungspolitik einzelner Staaten haben können (vgl. Heiduk 2017, S. 6). In seiner Studie untersucht Heiduk u. a. die Ursachen für den Anstieg der Rüstungsausgaben in verschiedenen südostasiatischen Staaten (vgl. ebd., S. 6). Heiduk verweist dabei auf mögliche innenpolitische Faktoren, wie etwa die Verfügbarkeit von finanziellen Mitteln für den Verteidigungssektor, welche i. d. R. von der Wirtschaftsentwicklung und den Einnahmen eines Staates abhängig ist, die innere Sicherheitslage eines Landes sowie auch den Einfluss des Militärs auf politische und wirtschaftliche Entscheidungsprozesse im Land (vgl. ebd., S. 7). Auch Bussmann (2009) untersucht in ihrer Studie „ Peitsche oder Zuckerbrot? Staatskapazität und Bürgerkriege “ u. a. den Einfluss von innenpolitischen Faktoren auf die Militärausgaben eines Staates. Dabei greift sie die drei Komponenten von Staatskapazität, nämlich die militärische, redistributive und extraktive Stärke eines Staates, heraus und setzt sie mit dem Ausbruch von Bürgerkriegen in Verbindung (vgl. ebd., S. 259). In ihrer Studie kommt sie u. a. zum Ergebnis, dass innerstaatliche Faktoren, wie etwa die Erhaltung des Machtapparates bzw. Gewaltmonopols eines Staates sowie die Bekämpfung von Kriminalität, Rebellion und Terrorismus im Innern ursächlich für die Erhöhung der Militärausgaben eines Staates sind (vgl. ebd., S. 260 ff.). Andere Studien, wie etwa von Mandel (2004), Sauer und Schörnig (2021) sowie Schütz (2018), verweisen ebenfalls auf innerstaatliche Faktoren als Ursache für die Erhöhung bzw. Minderung der Militärausgaben unterschiedlicher Staaten. In diesen Studien wird insbesondere auf den im Zusammenhang mit der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung verbundenen Schutzgedanken (z. B. Schutz der eigenen Bevölkerung vor Terrorismus, Unterdrückung des Drogenhandels) verwiesen, welcher ursächlich für den Anstieg der Rüstungsausgaben eines Staates ist (vgl. z. B. Mandel 2004; Sauer & Schörnig 2012; Schütz 2018, S. 50 f.). Neben den bereits genannten Ursachen, spielt auch die Symbolkraft eine Rolle: „Highly technological militaries symbolize modernity, efficacy and independence“ (Eyre & Suchman 1996, S. 86). Dies gilt insbesondere für atomare Waffensysteme (hier: Nuklearwaffen), die über eine hohe Symbolkraft besitzen und häufig mit erhöhtem Status und Prestige verbunden sind (vgl. Sagan 1996, S. 73 ff.).
Um Aussagen über den Einfluss von innenpolitischen Faktoren auf die Rüstungsausgaben eines Staates treffen zu können, werden im nachfolgenden Kapitel Hypothesen aus der übergeordneten Fragestellung abgeleitet.
4 Herleitung der Hypothesen
Zur Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage werden, ausgehend von der Fragestellung, zunächst Hypothesen formuliert, die es im Anschluss zu falsifizieren oder zu verifizieren gilt. Zentrales Ziel dabei ist es, mithilfe der formulierten Hypothesen, die Forschungsfrage möglichst umfassend zu betrachten und argumentativ nachvollziehbar zu behandeln. Im Rahmen der Überprüfung der Hypothesen werden unterschiedliche Sekundärdaten zum Themengebiet genutzt. Durch die Formulierung von Hypothesen sollen mögliche Zusammenhänge zwischen den zu untersuchenden unabhängigen (x) und abhängigen (y) Variablen aufgedeckt werden (vgl. Stratmann 2010, S. 187). Da im Rahmen dieses Kapitels überprüft werden soll, inwiefern innenpolitische Faktoren Einfluss auf die Rüstungsausgaben südostasiatischer Staaten haben, werden die innenpolitischen Faktoren als unabhängige Variable (x), die Rüstungsausgaben hingegen als abhängige Variable (y) betrachtet.
Die generelle Annahme, dass innenpolitische Faktoren Einfluss auf die Rüstungsausgaben unterschiedlicher Staaten haben, scheint insofern plausibel, als dass verschiedene Studien belegen, dass innenpolitische Faktoren zur Erhöhung der Rüstungsausgaben führen können (vgl. z. B. Bussmann 2009, S. 260 ff.; Eyre & Suchman 1996, S. 86; Heiduk 2017, S. 6; Mandel 2004; Sauer & Schörnig 2012; Schütz 2018, S. 50 f). Heiduk (2017, S. 6) stellt dabei die These auf, dass innenpolitische Faktoren, wie etwa innenpolitische Umbrüche (Putsch, Transition) sowie auch Bedrohungen im Innern eines Staates, ursächlich für die Rüstungsambitionen von Staaten sind. Auch für Bussmann (2009, S. 259) spielen innenpolitische Faktoren in Bezug auf die Entwicklung der Rüstungsausgaben unterschiedlicher Staaten eine zentrale Rolle. Besonders die innerstaatliche Abwehr und Prävention von Bedrohungen, wie etwa die Bekämpfung zunehmender Kriminalität, Rebellion und Terrorismus im Innern eines Staates, gelten als zentrale Ursachen für den anhaltend hohen Anstieg der Rüstungsausgaben von Staaten (vgl. ebd., S. 260 ff.).
Auf Basis der Vermutung, dass mit der Zunahme von innerstaatlichen Bedrohungen die Rüstungsausgaben eines Staates steigen, lässt sich folgende Hypothese ableiten:
H 1: Je größer die inneren Sicherheitsbedrohungen eines Staates, desto höher sind dessen Rüstungsausgaben.
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