Einführung in die Schulsozialarbeit. Geschichte, Organisation und methodisches Handeln


Hausarbeit, 2021

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Geschichte und Entwicklung

3 Definition des Begriffs „Schulsozialarbeit“

4 Organisation der Schulsozialarbeit

5 Methoden und methodisches Handeln der Schulsozialarbeit

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Schule ist ein Vollzeitjob für Kinder. Zu dem Ergebnis kommen das Deutsche Kinderhilfswerk1 und UNICEF2. Denn laut einer Umfrage von 2013 arbeiten Kinder und Jugendliche in Deutschland im Schnitt mehr als 38,5 Stunden pro Woche in oder für die Schule. Mit großem Abstand folgt die verbrachte Zeit mit der Familie mit etwa 18 Stunden in der Woche. (vgl. Deutsches Komitee für UNICEF e.V. 2013) Somit ist klar, die Schule ist nicht nur eine Bildungsinstitution, sondern auch eine Sozialisationsinstanz mit einem Erziehungsauftrag. Das liegt selbst ohne konkrete Zahlen auf der Hand, denn auch das Sozialverhalten wird auf Zeugnissen vermerkt. Für SchülerInnen ist die Schule der Ort, an dem sie FreundInnen treffen, sich verlieben, streiten und versöhnen. Sie geraten in Konflikte mit Gleichaltrigen oder LehrerInnen, erleben das Gefühl von Freude und Zusammenhalt sowie Ausgrenzung und Ungerechtigkeit.

Gleichzeitig werden Kinder und Jugendliche zu Hause mit veränderten Familienstrukturen konfrontiert, resultierend aus dem Wandel der Gesellschaft. Es gibt immer mehr Scheidungen, Alleinerziehende und beruflich gestresste Eltern, die nur wenig Zeit mit der Familie verbringen können. (vgl. Drilling 2009: 25) Die Forderung nach Schulsozialarbeit als Regeleinrichtung liegt also darin begründet, dass Sozialisationsprozesse dieser Gesellschaft immer brüchiger werden und daher die erzieherische Leistung auch in der Schule immer mehr von Bedeutung ist (vgl. Tillmann 1987: 393).

Ziel dieser Hausarbeit ist es, durch eine Einführung in die geschichtliche Entwicklung, die Organisation und das methodische Handeln zu erfahren, wie die Schulsozialarbeit, als Teilsystem der Schule agiert und den dargestellten Problemen entgegenwirkt. Dabei gehe ich in vier Schritten vor. Um deutlich zu machen, aus welchem historischen Kontext heraus sich das Arbeitsfeld in Deutschland etabliert, behandelt das zweite Kapitel die Geschichte und Entwicklung der Schulsozialarbeit. Zunächst wird der Begriffsursprung dargelegt, welche Vorläufer es gibt und aus welchen gesellschaftlichen Schwierigkeiten heraus erste Ideen zu pädagogischen Reformen an schulischen Einrichtungen entstehen. Um die Entwicklungsstände authentischer zu veranschaulichen, arbeitete ich mit älteren Texten von AutorInnen, die zeitlich nah am Geschehen sind oder den Entwicklungsprozess selbst mitverfolgten und eigene Sichtweisen erläutern. Vorwiegend beziehe ich mich auf die Sozialpädagogin und Zeitzeugin der schulischen Entwicklung Wilma Grossmann (1987), die die Entwicklung besonders übersichtlich zusammenfasst. Schließlich zeigt der letzte Abschnitt des Kapitels, welche Veränderungen dazu führen, dass sich die Schulsozialarbeit durchsetzt und der darauffolgende stetige Ausbau wird durch Zahlen verdeutlicht.

In Kapitel drei geht es um die Definition des Begriffs „Schulsozialarbeit“. Bewusst habe ich Definitionen aus verschiedenen Jahrzehnten gewählt, um herauszufinden, ob sich eine Verschiebung der Bedeutung von Schulsozialarbeit im Laufe der Zeit erkennen lässt. Die zentrale Frage lautet, gibt es eine Antwort darauf, was Schulsozialarbeit ist und was sie ausmacht.

Der Hauptteil der Hausarbeit besteht aus der Organisation der Schulsozialarbeit, da ich zu dieser Thematik über wenige Kenntnisse verfüge und ich eine tiefergehende Recherche für mich nutzte, um mein Wissen auf diesem Gebiet zu erweitern. Meine zentrale Quelle für das vierte Kapitel ist der Erziehungswissenschaftler Speck (2020), der die Rahmenbedingungen für Schulsozialarbeit verständlich herausarbeitet. Zuerst beschäftige ich mich mit den Aufgaben und Zielen der Schulsozialarbeit. Der Fokus liegt nicht nur auf das Leistungsspektrum und den Zuständigkeitsbereich, sondern auch darauf was SchulsozialarbeiterInnen nicht dürfen und welche Konflikte sich daraus ergeben. Danach gehe ich auf die Adressat­Innen ein, an die sich die sozialpädagogische Arbeit richten soll. Ziel dieser Ausarbeitung ist es herauszustellen, ob wirklich nur Schulschwänzer und Störenfriede im Büro der SchulsozialarbeiterInnen sitzen. Sehr aufschlussreich für mich war die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Trägerschaften und Rechtsgrundlagen, die ich im Anschluss thematisiere. Dabei werden die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Trägerschaften sichtbar und ob es ein bevorzugtes Trägermodell gibt. Im Anschluss daran beschäftige ich mich mit der Rechtsgrundlage, für die es notwendig war, auf Internetquellen zurückzugreifen, um die Aktualität der Gesetzeslage und Gesetzesänderungen zu überprüfen. Eine kürzlich beschlossene Neuerung ist für die Schulsozialarbeit besonders bedeutsam. Wie diese Reform aussieht und warum zu diesem Thema kontrovers diskutiert wird, macht der letzte Teil verständlich.

Im fünften Kapitel geht es um das methodische Handeln in der Sozialen Arbeit und welche Methoden in der Schulsozialarbeit anwendbar sind. Dazu erkläre ich kurz was methodisches Handeln bedeutet und stelle zwei Beispiele für Methoden ausführlich vor, die aufzeigen, was bei der Anwendung beachtet werden muss und welche Ergebnisse daraus resultieren.

Das Fazit fasst die Ergebnisse meiner Arbeit zusammen und weist auf offen geblieben Fragen hin.

2 Geschichte und Entwicklung

In Deutschland etablierte sich die Schulsozialarbeit als neues sozialpädagogisches Arbeitsfeld Anfang der 1970er Jahre und wurde begrifflich und konzeptionell beeinflusst durch die amerikanische „School Social Work“ (Abels 1972: 7; Grossmann 1987: 5). Die Geschichte und Entwicklung der Schulsozialarbeit beginnt in den USA bereits im Jahr 1906 und 1907 unter der Bezeichnung „visiting teachers‘ work". Da LehrerInnen die personalen und schulischen Schwierigkeiten der Kinder kaum selbst behandeln können, werden sogenannte „home and school visitors“ herangezogen. Zusammen mit den Lehrpersonen, sind sie für die Behebung der Probleme zuständig, die sich im Zwischenbereich von Familie und Schule ergeben. (vgl. Abels 1972: 7; Raab et al. 1987: 213)

Auch in Deutschland sind bereits vor 1970 historische Vorläufer der Schulsozialarbeit erkennbar. Besonders nennenswert sind die Armen- und Industrieschulen (im 18. Jh.), die Schulkinderfürsorge (ab 1870), die Schulpflege (ab 1907), die sozialpädagogisch orientierte Schule (in der Weimarer Republik) und die Hamburger Schülerhilfe (in den 1930er Jahren). (vgl. Grossmann 1987; Kersting 1985: 10; Speck 2020: 11) Seitdem entwickelt sich die Schulsozialarbeit als eigenständiges Handlungsfeld der Jugendhilfe und in der Zusammenarbeit mit den Lehrkräften immer weiter „als ein Arbeitsfeld an der Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Schule“ (Speck 2020: 11).

In den Industrieschulen des späten 18. Jahrhunderts ist das zentrale pädagogische Ziel die Vorbereitung der Schulkinder auf die Arbeitswelt. Um den regelmäßigen Schulbesuch zu erzwingen, werden Schulversäumnisse mit dem Entzug der finanziellen Armenunterstützung gestraft. Die Ambivalenz der Sozialarbeit wird schon damals deutlich. Einerseits soll sie Hilfe zur Selbsthilfe schaffen, andererseits soll sie ihre kontrollierende Funktion nicht verlieren. Wegen der mangelnden Bereitschaft des Staates zur Kostenübernahme der pädagogischen Arbeitskräfte, geraten sie schnell in den Hintergrund und werden in der Industrialisierung als nicht mehr notwendig angesehen. Die Industrieschule wird von der sogenannten Fabrikschule abgelöst, die erst mit der Einführung des Kinderschutzgesetzes 1891 geschlossen wird. Als Reaktion auf das Kinderelend, das durch die ausbeuterischen Fabriken aufkommt, entwickelt sich die Schulkinderfürsorge. Nacheinander entstehen der Hort, die Schulgesundheitspflege und schließlich die Schulpflege. (vgl. Grossmann 1987: 14-88)

Im ersten deutschen Kinderhort im Jahr 1871 steht nicht die Erwerbsarbeit im Vordergrund, sondern die Kindererziehung. Obwohl auch Hausaufgabenbetreuung auf dem Plan steht, distanziert sich die Einrichtung von der Schule und will nur als Ersatz für die ausfallende Funktion der Familie gelten. Neben dem Hort entwickelt sich 1907-1910 das Jugendheim, das unmittelbar an die Schule angeschlossen ist, aber auch organisatorische und personelle Funktionen der Schule annimmt. (vgl. ebd.: 38-43)

Zwischen 1880 und 1890 entsteht die Schulpflege, die sich an Gesichtspunkten der Jugendhilfe orientiert. „Im Gegensatz zum Hort, der eine eigenständige sozialpädagogische Einrichtung ist, arbeitet die Schulpflege in enger Verbindung mit der Schule. In ihr sehen wir einen Vorläufer jener Ansätze von Schulsozialarbeit […]“ (ebd.: 47). In der Dienstanweisung der Schulpflegerin steht u.a., dass sie zuständig ist für die Fürsorge von bedürftigen, kranken, vernachlässigten, verwahrlosten und minderbegabten Kindern. Sie soll die Ursachen von unregelmäßigen Schulbesuchen, schlechten Leistungen oder Übermüdung eines Kindes herausfinden und durch Freizeitpädagogik und Beratung der Kinder und Jugendlichen in allen Lebensbereichen beseitigen. Zu ihren Aufgaben zählen außerdem, für ein harmonisches Zusammenarbeiten mit allen beteiligten Ämtern, Vereinen und Personen zu sorgen. Mit der Übergabe der pädagogischen Aufgaben an eine ausreichend gebildete Arbeitskraft, wird das Lehrpersonal deutlich entlastet. Es gibt zahlreiche Diskussionen darüber, ob die Schulpflege dem Jugendamt oder dem Schulamt unterstellt werden soll, ähnlich wie die heutige Diskussion zur Trägerschaft von Schulsozialarbeit. Schließlich wird der Ansatz sozialpädagogischer Arbeit an Schulen schon nach kurzer Zeit wieder aufgegeben. Das Jugendamt ersetzt die Schulpflege durch die Familienfürsorge, die nach einzelnen Bezirken gegliedert ist und somit wird der Bezug zwischen Jugendamt und Schule wieder beendet. (vgl. ebd.: 47-89)

In der Weimarer Republik soll die Schule mit einer bewussten, pädagogischen Gestaltung, zu einem Ort der sozialen Erziehung werden. In den 1920er Jahren wird das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) und das Reichsschulgesetz (RSchG) beschlossen, in denen die Abgrenzung von Schule und Jugendfürsorge festgeschrieben ist. (vgl. ebd.: 75-81) Nach der Machtergreifung Hitlers werden fortschrittliche und unabhängige PädagogInnen und LehrerInnen entlassen und die pädagogischen Reformen der Schulen in der Weimarer Republik vernichtet. Weil der familiäre Einfluss auf die Erziehung unterbunden wird, kennt die gesamte junge Generation nichts anderes als das nationalsozialistische Gedankengut des Nazi-Regimes. (vgl. ebd.: 91-96)

In der Nachkriegszeit 1944 bis 1949 haben LehrerInnen nicht mehr primär die Funktion der Wissensvermittlung, sondern übernehmen therapeutische Aufgaben und sollen Verhaltensauffälligkeiten der von den Kriegserlebnissen traumatisierten Kinder erkennen. Die aufgelösten oder verbotenen Freien Träger und Verbände der Jugendhilfe werden wieder neu gegründet.

Bis zum Ende der Sechziger Jahren wird fast nie nach einer Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule nachgedacht. (vgl. ebd.: 96-109) „Vielmehr war von beiden Seiten eine Arbeitsteilung akzeptiert: Die Schule unterrichtet den gesamten gesellschaftlichen Nachwuchs, die Jugendhilfe kümmert sich um die Auffälligen, Gefährdeten […]“ (Tillmann 1987: 385). Die Bildungsreformdebatte zu dieser Zeit richtet sich gegen den reinen Nothilfe-Charakter der Jugendhilfe-Einrichtungen und ist für eine Interessenvertretung der gesamten heranwachsenden Jugend, nicht nur für die Problemfälle. Tillmann sieht die Schule in dieser Sichtweise als eine „zum Teil inhumane Einrichtung, die selbst ständig ‚Versager‘ […] produziert und diese anschließend den Einrichtungen der Jugendhilfe zur weiteren ‚Behandlung’ überweist. Eine selbstbewußte Sozialpädagogik hingegen will […] durch eigene Aktivitäten in der Schule die ständig neue Produktion des pädagogischen Notfalls verhindern“ (Tillmann 1987: 386).

Die Kritik an der Schule und der stigmatisierenden Jugendhilfe bilden in den siebziger Jahren die Forderung danach, sich mit den Problemen der Kinder und Jugendlichen „in der Schule selbst zu beschäftigen und dabei die Methoden der Jugendhilfe einzubeziehen“ (ebd.: 386), also die Forderung nach Schulsozialarbeit. Auch Raab et al. (1987) sind sich einig, dass die „frühe Schulsozialarbeit in der Bundesrepublik […] so als eine Antwort auf die politische und pädagogische Schulkritik der sechziger und der früher siebziger Jahre gesehen werden [kann]“ (Raab et al. 1987: 59). Wegen der fehlenden Chancengleichheit und der undemokratischen Strukturen des viergliedrigen Schulsystems kommt es zum Entwurf der sogenannten integrierten Gesamtschule (vgl. Kersting 1995: 12). In der Aufbauphase der neuen Schulform tritt neben der Überforderung der Lehrerenden mit lernverweigernden und aggressiven SchülerInnen, ein weiterer Grund für den Ausbau von Schulsozialarbeit auf. Mitte der Siebziger Jahre kam eine hohe Jugendarbeitslosigkeit auf, die ein großes Interesse für Schulsozialarbeit, vor allem an Haupt- und Gesamtschulen, auslöst. Tillmann (1987) kommt zu der Erkenntnis, dass „nicht theoretische Überlegungen, sondern massive Problemlagen in der schulischen Praxis [dazu führen], daß sich die Schulen für Sozialarbeiter [öffnen]“ (Tillmann 1987: 387). Aber auch weil die Schulzeit immer mehr zur eigenständigen Lebensphase wird und die Aufgabe der Bewältigung sozialer Alltagsprobleme der Schule zugeschrieben wird (vgl. Raab et al. 1987: 8). Mit Ausnahme der Sonderschule, in der die pädagogische Arbeit mit den SchülerInnen schon lange präsent ist, ist die Schulsozialarbeit an Regelschulen in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ausgebaut. In den 1980er Jahren ist die Schulsozialarbeit hauptsächlich an den Gesamt- und Ganztagsschulen in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Niedersachen und besonders in Berlin, fest etabliert. Und auch in den Berufsschulen finden sich immer mehr SchulsozialarbeiterInnen. (vgl. Kersting 1995: 16) Ein Kollegium beschäftigt meist zwei oder drei SozialarbeiterInnen, die nach festgelegten Arbeitsplatzbeschreibungen, Routinen und Dienstwegen tätig sind. Anstellungsträger ist wie bei dem Lehrpersonal die Schulbehörde. (vgl. Tillmann 1987: 387). Alle anderen Bundesländer sprechen sich gegen eine Beschäftigung von Sozialpädagogen in Regelschulen aus. Laut Kritiker gehören sozialpädagogische Aufgaben zum Erziehungsauftrag der LehrerInnen. (vgl. Raab et al. 1987: 61) In den Grundschulen findet kaum Schulsozialarbeit statt, diesen Aufgabenbereich übernehmen der Hort und der Schulkindergarten. Auch in den Hauptschulen der BRD gibt es kaum SchulsozialarbeiterInnen und wegen der vergangenen Konnotation der Jugendhilfe zur Mittel- und Unterschicht, auch nicht an den Realschulen und Gymnasien. (vgl. Kersting 1995: 15f.) In den 80ern stagniert die Praxis der Schulsozialarbeit, allerdings ist dies eher auf quantitativer Seite zu beobachten. In den Schulen, in denen sie eingerichtet ist, ist sie fester Bestandteil des Schulalltags und mittlerweile von vielen Lehrkräften geschätzt anstatt von Missachtung und Konkurrenz zwischen LehrerInnen und PädagogInnen geprägt (vgl. Raab et al.: 60/130). Am 01. Januar 1991 tritt das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) in Kraft, das im Hinblick auf die zukünftige Ausweitung und Ausgestaltung der Schulsozialarbeit von Bedeutung ist. Unter anderem bezieht es sich auf die Institutionalisierung der Schulsozialarbeit und bietet zudem eine rechtliche Absicherung. (vgl. Wulfers 1991: 36f.) Durch eine Vielzahl an Trägerschaften und Ansätzen von schulbezogenen Angeboten der Jugendhilfe wird letztlich der Begriff Schulsozialarbeit für alle Kooperationsformen von Jugendhilfe und Schule eingeführt. Konkrete Förderprogramme machen eine quantitative und auch fachlichen Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit in den 1990er/2000er Jahren möglich. Zahlreiche Verbände, Organisationen, Kommissionen und Arbeitsgruppen sprechen Empfehlungen aus und beschäftigen sich mit der Kooperation von Schule und Jugendhilfe. Im Jahr 1998 sind 755 SchulsozialarbeiterInnen in der Bundesrepublik tätig, im Jahr 2010 sind es bereits 3.025 und im Jahr 2014 mindestens 5.300. (Speck 2020: 13-30) Wegen des raschen Anstiegs und der erschwerten quantitativen Erfassung der Daten zur Schulsozialarbeit, ist eine genaue Nennung der aktuellen Zahlen nicht möglich. Im Jahr 2015 sollen es schätzungsweise zwischen 10.000 und 16.000 Personen sein, die in der Schulsozialarbeit tätig sind. (vgl. Deutsches Jugendinstitut e.V.: 44)

3 Definition des Begriffs „Schulsozialarbeit“

Obwohl der Begriff Schulsozialarbeit mittlerweile seit über 50 Jahren in Deutschland existiert und er in den meisten Bundesländern „inzwischen zwar weitgehend gebräuchlich“ (Speck 2020: 35) ist, gibt es für dieses Handlungsfeld der Sozialen Arbeit noch keine allgemeingütige Definition (vgl. Drilling 2009: 39; Pötter 2018: 19; Speck 2020: 35). Stattdessen existieren viele verschiedene Begriffserklärungen von AutorInnen, die laut Pötter auf drei verschiedene Aspekte eingehen:

1. „Die Autor/innen nehmen eine Beschreibung dessen vor, was sie in der Praxis beobachten […].“.
2. „Die Autor/innen nehmen Bezug auf die rechtlichen Grundlagen im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG, später Achtes Buch Sozialgesetzbuch […]).“.
3. „Die Autor/innen leiten ihre Definition von theoretischen Überlegungen ab […].“. (Pötter 2014: 4)

Pötter selbst liefert eine zunächst sehr alltagssprachliche Erklärung, in der sie das Wort auftrennt, „in Schul(e) und Sozialarbeit. Offensichtlich hat es mit der Institution Schule als Objekt zu tun bzw. findet am Ort Schule statt. Gleichzeitig handelt es sich offensichtlich um eine Form der Sozialen Arbeit“ (Pötter 2018: 19). Weiter definiert sie „die Schulsozialarbeit als ein Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe. […] Die sozialpädagogischen Fachkräfte sind den Werten, Grundsätzen und Handlungsprinzipien der Kinder- und Jugendhilfe verpflichtet und bedienen sich ihrer theoretischen Zugänge, Handlungskonzepte, Methoden und Techniken“ (Pötter 2018: 23).

In dieser ersten Definition wird deutlich, dass SchulsozialarbeiterInnen als sozialpädagogische Fachkräfte an Schulen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind. Welche Handlungen sie vornehmen und Ziele sie verfolgen wird in der Begriffserklärung von Drilling (2009) näher erläutert.

„Schulsozialarbeit ist ein eigenständiges Handlungsfeld der Jugendhilfe, das mit der Schule in formalisierter und institutionalisierter Form kooperiert. Schulsozialarbeit setzt sich zum Ziel, Kinder und Jugendliche im Prozess des Erwachsenwerdens zu begleiten, sie bei einer für sie befriedigenden Lebensbewältigung zu unterstützen und ihre Kompetenzen zur Lösung von persönlichen und/oder sozialen Problemen zu fördern. Dazu adaptiert Schulsozialarbeit Methoden und Grundsätze der Sozialen Arbeit auf das System Schule.“ (Drilling 2009: 95)

Hier wird auch betont, dass Schulsozialarbeit aus der Tradition der Jugendhilfe heraus entstanden ist und somit an der „Schnittstelle von Jugendhilfe und Schule“ (Speck 2020: 46) agiert, sodass die Ziele beider vertreten werden müssen. Zudem liegt das Gelingen der Schulsozialarbeit nicht allein in den Händen der sozialpädagogischen Fachkräfte, sondern hängt von der Zusammenarbeit aller an der Schule aktiven Professionen ab (vgl. Pötter 2014: 8). Was außerdem festgehalten werden kann ist, dass die priorisierte Zielgruppe Kinder und Jugendliche sind. In der Definition von Tillmann (1987) wird deutlich, für welche SchülerInnen die Schulsozialarbeit besonders bedeutsam ist.

„Durch Schulsozialarbeit […] wird die räumlich-organisatorische Trennung zwischen Schule und Jugendhilfe partiell aufgebrochen[,] werden sozialpädagogische Fachkräfte dauerhaft in (oder an) der Schule angesiedelt [und] soll eine Korrektur oder Ergänzung der erzieherischen Wirkung von Schule erreicht werden, die insbesondere auf Hilfestellung für schwierige und gefährdete Schüler zielt“ (Tillmann 1987: 385).

Hier lässt sich der historische Hintergrund der Schulsozialarbeit erkennen, die in ihrer Entwicklung von einem „Nothilfe-Charakter“ übergegangen ist zur „Interessenvertreterin der gesamten heranwachsenden Jugend“ (ebd.: 386). Wulfers (1991) bringt noch weitere wichtige Zielgruppen in seine Definition mit ein. Er versteht die Schulsozialarbeit als Oberbegriff für alle Aktivitäten, „die dazu geeignet sind, Konflikte und Diskrepanzen bei SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen auf der Grundlage adäquater Methoden der Sozialarbeit (bzw. Sozialpädagogik) innerhalb der Schule oder auf die Schule bezogen abzubauen. So kann die unterrichtliche, soziale und psychische Situation der genannten Personengruppen verbessert werden. Die gewählten Aktivitäten sollten gleichzeitig zu einer Öffnung der Schule nach innen und außen beitragen und eine soziale Verbesserung des Schullebens erwirken. Eine Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen, die in diesem Bereich arbeiten, ist unabdingbar“ (Wulfers 1991: 28).

Der Zuständigkeitsbereich der Schulsozialarbeit wird somit nicht nur um Lehrkräfte und Eltern bzw. Erziehungsverantwortliche erweitert, sondern auf alle Konflikte, die im Kontext der Institution Schule stattfinden. Die nun letzte hier aufgeführte Definition stammt von Speck (2006), die in immer mehr Konzepten von Schulsozialarbeit aufgegriffen wird (vgl. Pötter 2018: 20). Er versteht darunter „ein Angebot der Jugendhilfe […], bei dem sozialpädagogische Fachkräfte kontinuierlich am Ort Schule tätig sind und mit Lehrkräften auf einer verbindlich vereinbarten und gleichberechtigten Basis zusammenarbeiten, um junge Menschen in ihrer individuellen, sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung zu fördern, dazu beizutragen, Bildungsbenachteiligungen zu vermeiden und abzubauen, Erziehungsberechtigte und LehrerInnen bei der Erziehung und dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz zu beraten und zu unterstützen sowie zu einer schülerfreundlichen Umwelt beizutragen“ (Speck 2006: 23).

Diese Definition ist offenbar umfangreich genug, um vieles abzudecken, was sich unter dem Begriff Schulsozialarbeit als praxistauglich erweist und ist spezifisch genug, um im fachlichen Diskurs kompatibel zu sein (vgl. Pötter 2018: 21).

Die Analysen noch weiterer Definitionen, würde den Rahmen der Arbeit überschreiten. Aber dieser Anriss macht deutlich, dass in der Fachliteratur keine Einigkeit über ein eindeutiges Profil der Schulsozialarbeit existiert und es die eine Antwort auf die Frage was Schulsozialarbeit ist und was sie ausmacht, nicht gibt.

4 Organisation der Schulsozialarbeit

Dieses Kapitel behandelt das vielfältige Arbeitsfeld der Schulsozialarbeit mit ihren Aufgaben, Zielen und Zielgruppen. Für eine konkrete Umsetzung sind außerdem die institutionellen Rahmenbedingungen wichtig, weswegen die Formen der Trägerschaft sowie die Rechtsgrundlage genauer erläutert werden.

[...]


1 Gemeinnütziger anerkannter Verein, der sich für Kinderrechte, Beteiligung und den Kampf gegen Kinderarmut einsetzt. (vgl. Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 2021)

2 Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children’s Fund): setzt sich für die Rechte jedes Kindes ein. (vgl. UNICEF 2020)

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Einführung in die Schulsozialarbeit. Geschichte, Organisation und methodisches Handeln
Hochschule
Fachhochschule Dortmund
Veranstaltung
Einführung in die Schulsozialarbeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
24
Katalognummer
V1144780
ISBN (eBook)
9783346523204
ISBN (Buch)
9783346523211
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schule, Schulsozialarbeit, Soziale Arbeit, Methodisches Handeln, Pädagogik, Schulpädagogik
Arbeit zitieren
Nicole Lazik (Autor:in), 2021, Einführung in die Schulsozialarbeit. Geschichte, Organisation und methodisches Handeln, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1144780

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