“Cum igitur [...] homo sit instabilissimum
atque variabilissimum animal, [nostra loquela]
nec durabilis nec continua esse potest, sed [...]
per locorum temporumque distantias variari oportet.”1
Bereits der „Vater der italienischen Sprache“ Dante Alighieri, der sich – unter anderem – als erster auch theoretisch mit Sprache auseinandersetzte, wies in seiner theoretischen Abhandlung De vulgari eloquentia auf das unbeständige Wesen des Menschen und die damit verbundene örtliche und zeitliche Variation von Sprache hin.
Die vorliegende Arbeit soll den modernen Aspekt der Diskussion um die Questione della lingua in der italienischen Sprachwissenschaft anhand des Varietätensystems untersuchen. Der Begriff des „Varietätensystems“ bringt mich zunächst zu einigen grundlegenden Überlegungen bezüglich der Themenstellung; ist doch von einem „System“ die Rede und nicht etwa vom „Varietätenspektrum“ oder schlicht von den „Varietäten“. Ferner geht es um das Varietätensystem „des heutigen Italienisch“, wobei dadurch einerseits die diachronische Variable eingeschränkt wird und sich andererseits die Frage aufdrängt, ob es denn „das“ heutige Italienisch im Sinne eines einzigen, eines bestimmten gibt. Dies lässt sich eben, aufgrund der Existenz von sprachlichen Varietäten, verneinen.
Einer grundlegenden Annäherung an den Begriff der Varietät, soll, in einem deskriptiven Teil, die Darstellung der synchronen und diachronen Varietäten folgen, die es anhand ausgewählter Beispiele zu verdeutlichen gilt. Weiterhin sollen die Verzahnungen zwischen diesen bisweilen schwer abgrenzbaren, letztlich voneinander untrennbaren Varietäten beleuchtet werden.
Schließlich wird, nach dem von Giovanni Battista Pellegrini entwickelten, traditionell diatopisch ausgerichteten Modell zur Anordnung bzw. Schichtung der komplexen Varietätenvielfalt, ein ausgewähltes aktuelles Modell, nämlich das Francesco Sabatinis, einschließlich dessen Kritik durch Arrigo Castellani vorgestellt. Darauf folgen Untersuchungen zu Bewegungen bzw. Verschiebungen innerhalb des italienischen Sprachrepertoires. In einem abschließenden Teil soll zuletzt über die Bedeutung der einzelnen Varietäten, über ihre Stellung im Vergleich zueinander, reflektiert werden.
1 Dante Alighieri, De vulgari eloquentia, a cura di M. Barbi, E. G. Parodi u.a., Le Opere di Dante, Florenz ²1960, I, ix, 6, S. 304
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Varietätenbegriff
- Die vier Dimensionen synchroner Variation
- Die diatopische Varietät
- Die diamesische Varietät
- Die diasituative Varietät
- Die diastratische Varietät
- Zur Abgrenzungsproblematik und Sonderstellung einzelner Varietäten
- Die diachronische Variable
- Schichtungsmodelle und Entwicklungen im italienischen Sprachrepertoire
- Das diatopische Modell Pellegrinis
- Sabatinis italiano dell'uso medio
- Castellanis italiano normale
- Tendenzen im italienischen Varietätenspektrum
- Schlussbemerkungen
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Varietätensystem des heutigen Italienisch und untersucht die Frage der sprachlichen Variation im Kontext der „Questione della lingua“. Ziel ist es, die verschiedenen Dimensionen der Variation im Italienischen zu beleuchten und die Entwicklung des Sprachrepertoires zu analysieren. Dabei werden sowohl synchrone als auch diachrone Aspekte der Variation berücksichtigt.
- Der Begriff der Sprachvarietät und seine Bedeutung für die italienische Sprachwissenschaft
- Die vier Dimensionen synchroner Variation: diatopisch, diamesisch, diasituativ und diastratisch
- Die diachronische Variable und ihre Auswirkungen auf das italienische Sprachrepertoire
- Schichtungsmodelle des italienischen Sprachrepertoires, insbesondere das diatopische Modell Pellegrinis und das Modell Sabatinis
- Tendenzen und Entwicklungen im italienischen Varietätenspektrum
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der „Questione della lingua“ ein und stellt die Relevanz des Varietätensystems für die italienische Sprachwissenschaft dar. Der zweite Abschnitt definiert den Begriff der Sprachvarietät und erläutert die Bedeutung von Ideolekt und Register im Zusammenhang mit der sprachlichen Variation eines Sprechers.
Im dritten Kapitel werden die vier Dimensionen synchroner Variation – diatopisch, diamesisch, diasituativ und diastratisch – vorgestellt und anhand von Beispielen erläutert. Die diatopische Variation bezieht sich auf geographische Faktoren und die Unterschiede zwischen den Dialekten. Die diamesische Variation betrifft die Unterschiede in der Sprache, die je nach Medium (z. B. Schrift vs. Sprache) verwendet werden. Die diasituative Variation bezieht sich auf die Unterschiede in der Sprache, die je nach Situation (z. B. formell vs. informell) verwendet werden. Die diastratische Variation bezieht sich auf die Unterschiede in der Sprache, die je nach sozialer Schicht (z. B. Bildung, Beruf) verwendet werden.
Das vierte Kapitel befasst sich mit der Abgrenzungsproblematik und der Sonderstellung einzelner Varietäten. Es wird die Frage aufgeworfen, wie die verschiedenen Varietäten voneinander abgegrenzt werden können und welche Besonderheiten einzelne Varietäten aufweisen.
Das fünfte Kapitel behandelt die diachronische Variable und ihre Auswirkungen auf das italienische Sprachrepertoire. Es wird die Entwicklung der italienischen Sprache im Laufe der Zeit betrachtet und die Rolle der diachronischen Variation für die Entstehung des heutigen Sprachrepertoires erläutert.
Das sechste Kapitel stellt verschiedene Schichtungsmodelle des italienischen Sprachrepertoires vor, darunter das diatopische Modell Pellegrinis und das Modell Sabatinis. Es werden die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle diskutiert und die Entwicklung des italienischen Sprachrepertoires im Kontext der verschiedenen Modelle analysiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Varietätensystem, die Questione della lingua, die synchrone und diachrone Variation, die diatopische, diamesische, diasituative und diastratische Variation, das italienische Sprachrepertoire, Schichtungsmodelle, Dialekte, Standardsprache, Ideolekt, Register und die Entwicklung der italienischen Sprache.
- Arbeit zitieren
- Thomas Strobel (Autor:in), 2000, Das Varietätensystem des heutigen Italienisch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114586