Unterrichtsstunde: Die Fabel

Textnahes Lesen


Unterrichtsentwurf, 2008

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Lernziele
2.1 Übergeordnetes Lernziel
2.2 Untergeordnete Lernziele

3. Bild und Stand der Klasse

4. Fachwissenschaftliche Analyse

5. Didaktische Analyse
5.1 Bezug zu Bildungsstandards
5.2 Didaktische Analyse der Unterrichtsstunde

6. Methodische Überlegungen

7. Begründung der methodischen Entscheidung

8. Verlauf der Stunde
8.1 Erste Stunde
8.2 Zweite Stunde

9. Literatur

10. Anhang

1. Einleitung

Der vorliegende Unterrichtsentwurf basiert auf Texten von Heiner Willenberg[1] und Elisabeth K. Paefgen[2]. Im Folgenden werde ich zunächst einen kurzen Überblick über beide Texte geben, bevor ich mich dem Unterrichtsentwurf zuwende.

Beginnen möchte ich mit dem Text von Heiner Willenberg. Für Willenberg ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler ihre Lesefähigkeit auch außerhalb der Schule anwenden können; nicht nur im Beruf, sondern auch im privaten Bereich. Die Didaktik versteht Lernen als einen Prozess, bei dem durch den Unterricht das Gelernte hängen bleibt. Und zwar so, dass die Schülerinnen und Schüler fähig sind, das Gelernte auch auf andere Lerninhalte zu übertragen. Lediglich die Denkmuster verändern sich, die Grundauffassungen bleiben die Selben:

- Gemeinsames Lesen in der Klasse wirkt sich, wenn es immer wieder praktiziert wird, langfristig auf die individuellen Fähigkeiten der jeweiligen Schülerinnen und Schüler aus.
- Kindern und Jugendlichen müssen konkrete Lesetätigkeiten vermittelt werden. Diese sollen später auch abrufbar sein, denn „nur präsente Zugangsweisen bringen erkennbare Fortschritte.“[3]

Im Laufe der Zeit jedoch hat die Bevorzugung subjektiven Lernens einige Aspekte immer weniger berücksichtigt: Man kann die Kreativität von Kindern oder Jugendlichen nicht mit der Kreativität von Autoren gleichsetzen. Ebenso müssen Texte sehr oft zum besseren Verständnis in Kontexte eingebettet werden. Diese werden aber sehr oft von der Lehrkraft selektiert und vorgegeben. Und schlussendlich ist die Polyvalenz von Texten nicht sehr groß. Vertreter des subjektiv orientierten Lernens und Vertreter der Vermittlung von Lesestrategien sind sich darüber einig, dass sich beim Lesen das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler mit dem Kern des aktuell gelesenen Textes verbinden sollte. Eine Erweiterung des Vorwissens bildet sich im Unterricht nur durch neue Leseinhalte. Beim Lernen auf prozedualer Ebene entwickeln die Lesenden eine Aktivierung von Metaphern, Kohärenz, Schlüsselwörtern, Vergleichen, etc. Dadurch wenden die Schülerinnen und Schüler gelernte Definitionen eigenständig auf die Lektüre an.

Die Basis jeden Unterrichts ist die eigenständige Tätigkeit des Lernenden. Die Lehrkraft vermittelt Prozeduren und Wissen, die dafür nötig sind. In diesem Fall also die Lesestrategien. Aber was sind Lesestrategien eigentlich? Bei Willenberg finden wir folgende Definition: „Lesestrategien – als ein Sonderfall von Lernstrategien – sind Lesemethoden, die von den Jugendlichen bewusst gelernt und dann beim Lesen neuer Texte eigenständig angewandt werden. (vgl. Paris u.a. 1996)“[4] Diese Strategien sollen von der Lehrkraft eingeführt und wiederholt praktiziert werden, bis sie nach und nach von den Schülerinnen und Schülern verinnerlicht und selbständig angewandt werden. Damit die gewünschten Resultate erzielt werden können, muss der Zugang zu den Lesestrategien für jede Klasse individuell abgestimmt werden.

Anna Uhl Chamot (1999) hat für Lesestrategien einen Fünferschritt entwickelt:

1. Vorbereitung (Voraussetzungen aktivieren): Dieser Schritt beschreibt den Umgang mit einer Textstelle, mehreren Textpassagen und abschließend den gesamten Text.
2. Darstellung (Erweiterung; Integration in eine Lesetheorie): Bei diesem Schritt wird erstes Vorwissen über den zu lesenden Text ermittelt. Zu nennen wäre an dieser Stelle der Autorname, der Titel des Textes und die Zeit, in der er geschrieben wurde. Diese drei Komponenten bilden eine erste Orientierung und erzeugen laut Forschung ein „Mentales Modell“. Dieses wird im Verlauf des Lesens ergänzt. Weiterhin müssen nun auf unterster Ebene einzelne Wörter des Textes entschlüsselt werden. Schon beim ersten Durchlesen eines Textes werden erste Inferenzen[5] unbewusst in den Text eingewoben. Wenn eine Geschichte beispielsweise von einem Lord oder einer Lady handelt, kann man schlussfolgern, dass die Handlung in England spielt. Bricht die Geschichte plötzlich ab, erstellt man eine Zwischen-Synthese, die auf dem bisher gelesenen, auf Lektüregewohnheiten und dem Wissen von Textsorten beruht. Der Leser erwartet eine Weiterführung, die an seine Erfahrungen und seine Emotionen anknüpft.
3. Praxis (Arbeitsblätter/Feedback-Prinzip): Arbeitsblätter sollen dem Lesenden helfen, das Gelesene besser aufnehmen und verarbeiten zu können. Dadurch befasst sich der Lesende intensiver mit dem Text. Das Feedback-Prinzip beruht auf der Annahme, dass die Lehrkraft als Meisterleser vormacht, wie man mit einem Text umgeht, indem sie dabei laut denkt. In die Selbe Kategorie gehört das reziproke Lehren, bei dem bessere Schülerinnen und Schüler ihre Gedanken zum Text den schwächeren Arbeitspartnern mitteilen. Der Schwächere profitiert davon, während der Stärkere die verständliche Darstellung der Lektüre üben kann.
4. Bewertung: Willenberg überspringt in seinem Text den Schritt der Bewertung, da diese auch im nächsten Schritt (der Übertragung auf neue Texte) erfolgen kann.
5. Übertragung (auf neue Texte): Im letzten Schritt werden die erworbenen Lesekompetenzen auf andere Texte, auch andere Textgattungen, angewandt. Forschungen haben ergeben, dass gute Schülerinnen und Schüler weitaus mehr von Lesestrategien profitieren als Schwächere. Dennoch gibt es Lesende, die sich die Strategien nur langsam aneignen und dennoch gute Ergebnisse erzielen.

Paefgen formuliert ihre Erkenntnisse zum textnahen Lesen in sechs Thesen:

1. Genaues, langsames, gründliches Lesen:
Textnahes Lesen meint gründliches, langsames und genaues Studieren von literarischen Texten, mit einem Stift in der Hand und Papier für Notizen. Gelesen werden soll mit Geduld und Zeit für den Satz, den Absatz oder die Seite. Textnahes – oder statarisches Lesen[6] - ist verbunden mit häufigem Zurückblättern und wiederholtem Lesen von Textpassagen.
2. Textnahes Lesen muss gelehrt und gelernt werden:
Textnahes Lesen kann als didaktische Herausforderung gesehen werden. Es soll nicht nur innerhalb der Schule gelehrt und gefördert werden.
3. Textmenge klein halten:
Kernaussage der These ist, dass zu große Textmengen gründliches Lesen erschweren.
4. Mehrmaliges Lesen des Textes:
Textnahes Lesen wird vor allem bei fremden Texten vom Leser gefordert. Die ‚natürlichste’ Art des textnahen Lesens ist die Übersetzung fremdsprachiger Texte.
5. Lyrische Texte sind am geeignetsten:
Textnahes Lesen steht in Abhängigkeit von literarischen Gattungen. Am stärksten fordern lyrische Texte das textnahe Lesen, danach folgen dramatische Texte und ganz zum Schluss epische Romanliteratur, die kaum Möglichkeiten zum textnahen Lesen bietet.
6. Wenig lesen – viel denken:

Textnahes Lesen wird vor allem durch die Reduktion der zu lesenden Textmenge, dem Diktieren und Abschreiben von Texten gefordert. Vor allem die Verbindung von lesen und schreiben fördert diese Art zu lesen. Somit rückt das eigene Denken in den Vordergrund.

Im Folgenden werde ich nun meinen Unterrichtsentwurf im Detail vorstellen.

2. Lernziele

2.1 Übergeordnetes Lernziel

Die Schülerinnen und Schüler sollen mit verschiedenen Methoden des textnahen Lesens vertraut gemacht werden.

2.2 Untergeordnete Lernziele:

- Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, Inhalte von Texten durch genaues Lesen zu erfassen.
- Kreatives Schreiben soll gefördert werden.
- Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, Inhalte kurz in eigenen Worten zusammen zu fassen.
- Die Schülerinnen und Schüler sollen gezielt Informationen aus dem vorliegenden Text erschließen können.
- Die Schülerinnen und Schüler sollen Textarten miteinander vergleichen können.

3. Bild und Stand der Klasse

Dieser Unterrichtsentwurf basiert auf einer Stunde der Klasse 6a des Albert-Schweitzer-Gymnasiums X., die ich im Rahmen meines Praxissemesters gehalten habe. Die Klasse besteht aus 28 Schülern, 16 Mädchen und 12 Jungen. Schon während meiner Hospitationsstunden habe ich festgestellt, dass die Klasse recht lebhaft ist, aber auch sehr konzentriert arbeiten kann. Alle Schülerinnen und Schüler arbeiten begeistert mit und sind für sie neuen Unterrichtsmethoden gegenüber offen. Schon in meiner ersten selbst gehaltenen Unterrichtsstunde ist mir die Klasse freundlich, begeistert und aufgeschlossen entgegengetreten, so dass ich von einer sehr guten Atmosphäre sprechen kann. Zwei Schüler spielen gerne den Klassenclown und stören öfter den Unterricht, nehmen Ermahnungen aber ernst und sind den Rest der Stunde ruhig und arbeiten fleißig mit.

Die Lesekompetenz ist bei den meisten Schülerinnen und Schülern gut ausgeprägt, es gibt nur drei leseschwache Schüler. Die Schreibkompetenz, vor allem Rechtschreibung, ist eher auf niedrigem Niveau angesiedelt. Altersbedingt besteht bei der Klasse ein hohes Mitteilungsbedürfnis, das ich für den Deutschunterricht sehr positiv nutzen kann. Ab und zu kommt es zu dadurch aber auch zu störenden Schülereinwürfen, die den Unterrichtsablauf unterbrechen, da einige Schülerinnen und Schüler übereifrig sind[7]. Ein Schüler fällt durch seine große Introvertiertheit auf, die Hausaufgaben hat er selten erledigt[8].

Die Schülerinnen und Schüler sind mit Arbeitsformen wie Gruppen- oder Partnerarbeit vertraut. Ich muss allerdings sehr darauf achten, dass die Gruppen, die ihre Aufgabe beendet haben, nicht zu laut werden und damit die anderen stören. Die Schülerinnen und Schüler sind mit den verschiedenen Unterrichtsmedien vertraut, daher werden in dieser Stunde nicht nur Tafel, sondern auch Overheadprojektor und Arbeitsblätter zum Einsatz kommen.

4. Fachwissenschaftliche Analyse

Fabeln gibt es schon seit der Antike. Ein berühmter Verfasser war zum Beispiel Äsop, der die Fabel dazu benutzte, die Obrigkeit zu kritisieren, ohne diese Kritik jedoch laut auszusprechen. Dieses Verfahren war damals gang und gäbe. Somit entging jeder Autor einer etwaigen Bestrafung, da er keine direkte Kritik übte. Im Laufe der Zeit bekamen Fabeln aber immer mehr den Sinn, Menschen auf ihre versteckten Fehler und Schwächen aufmerksam zu machen.

Fabeln enthalten das Element der Verfremdung, indem menschliche Eigenschaften und Charakterzüge auf Tiere oder Pflanzen übertragen werden. Eine Fabel soll unterhalten und belehren und enthält daher meist eine Moral. Ein weiteres Merkmal sind Rede (actio) im ersten Teil und Gegenrede (reactio) im zweiten Teil der Fabel, die schlussendlich zum Ergebnis der inhaltlichen Handlung führen. Der Aufbau der Fabel ist jedoch unterschiedlich und muss nicht immer alle Merkmale enthalten.

Die Fabel „Die zwei Ziegenböcke“ von Jean de la Fontaine[9] ist eine klassische Tierfabel. Die Ausgangssituation der Fabel: Zwei Ziegenböcke begegnen sich auf einer schmalen Brücke, die über ein reißendes Wasser führt. Es gibt keine Möglichkeit, aneinander vorbei zu kommen und jeder der beiden Ziegenböcke beansprucht das Vorrecht, zuerst die Brücke zu überqueren, für sich. Beide Böcke sind starrsinnig und wollen dem anderen nicht den Vortritt lassen. Es kommt zum Streit zwischen beiden (actio-reactio), der schließlich eskaliert. Als Ergebnis des Ganzen stürzen beide Ziegen ins Wasser und können sich nur retten, da der Ziegenhirt dazukommt. Für den Leser ist die Moral erkennbar: „Sturheit zahlt sich nicht aus“, oder etwa: „Der Klügere gibt nach“. Den Ziegenböcken werden hier menschliche Eigenschaften wie Sturheit, Starrsinn, Egoismus, Überheblichkeit oder mangelnde Einsicht zugeordnet. Der Rezipient wird durch diese Fabel aufgefordert, nicht immer mit dem eigenen Kopf durch die Wand zu wollen, sondern auch nachgeben zu können. Denn Starrsinn führt meist dazu, sich selbst zu schaden.

[...]


[1] Willenberg, Heiner: Lesestrategien. In: Praxis Deutsch. Nr. 187. Erhard Friedrich Verlag. Seelze. 2004. S. 6-15.

[2] Paefgen, Elisabeth K.: Textnahes Lesen. In: Belgrad, Jürgen und Fingerhut, Karlheinz (Hrsg.): Textnahes Lesen. Annäherung an Literatur im Unterricht. Schneider Verlag Hohengehren. Baltmannsweiler. 1998.

[3] Willenberg, S. 6.

[4] Willenberg, S. 6.

[5] Schnelle Schlussfolgerungen.

[6] Verweilendes Lesen.

[7] Die Schülerinnen und Schüler reden entweder, ohne sich zu melden oder reden trotz Meldung, bevor sie aufgerufen werden.

[8] Durch den Austausch mit dem Kollegium habe ich erfahren, dass er zu Hause sehr stark durch seine Mutter kontrolliert wird.

[9] In der Literatur wird die Fabel auch oft Äsop oder Ludwig Grimm zugeschrieben. Es ist nicht belegbar, von wem diese Fabel geschrieben wurde.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Unterrichtsstunde: Die Fabel
Untertitel
Textnahes Lesen
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Literaturdidaktische Unterrichtsmodelle
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V114609
ISBN (eBook)
9783640168828
ISBN (Buch)
9783640171798
Dateigröße
567 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unterrichtsstunde, Fabel, Literaturdidaktische, Unterrichtsmodelle
Arbeit zitieren
Cathrin Wölfling (Autor:in), 2008, Unterrichtsstunde: Die Fabel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114609

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Unterrichtsstunde: Die Fabel



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden