Ursachen des Scheiterns von Großprojekten. Anwendung der Erkenntnisse aus dem Tanaland-Experiment am Beispiel des Bauprojekts der Elbphilharmonie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2021

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

1. Relevanz der Systemtheorie für moderne Großprojekte
1.1. Die Herausforderung „Großprojekt“ und der Bau der Elbphilharmonie
1.2. Problemstellung und Ziel dieser Arbeit
1.3. Aufbau der Arbeit

2. Theoretische Grundlagen der Systemtheorie
2.1. Komplexität und Dynamik
2.2. Systeme
2.3. Systemtheorie

3. Systemtheoretische Perspektive: Experiment & Realität
3.1. Die Mikrowelt Tanaland – das Modell
3.2. Die Erkenntnisse aus dem Tanaland-Experiment
3.3. Tanaland-Erkenntnisse angewandt auf das Projekt Elbphilharmonie

4. Fazit
4.1. Nötige Projektmanagerkompetenzen, um komplexe Situationen zu bewältigen
4.2. Empfehlungen für zukünftige Projekte

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Chronologie des Baus der Elbphilharmonie. Quelle: Infrastrukturatlas, Heinrich Böll Stiftung (2020, S.40).

1. Relevanz der Systemtheorie für moderne Großprojekte

1.1. Die Herausforderung „Großprojekt“ und der Bau der Elbphilharmonie

Weltweit sprengen 90% der Großprojekte ihre ursprünglich geplanten Kosten um ein Vielfaches und verfehlen Termine teils um Jahre, ergab eine Analyse von über 1.000 Großprojekten (vgl. Roland Berger 2016). In Deutschland stiegen die Kosten um durchschnittlich 73%. Dies brachte eine weitere Studie hervor, die über 170 Infrastrukturprojekte analysierten. (vgl. Kostka/Anzinger 2016) Warum sind Großprojekte schwer zu managen?

Ob Kosten und/oder Zeitplanung überschritten werden, hängt generell von den anfangs kalkulierten Budgets und Fristen des Projekts ab: den „ersten kommunizierten“ Zahlen. Sind sie zu hoch, findet das Projekt keine Zustimmung bei Verantwortlichen. Sind sie zu knapp kalkuliert, muss später nachgebessert werden. (vgl. Heinrich Böll Stiftung 2020, 40) Darüber schien man sich beispielsweise auch beim Bau des Hamburger Konzerthauses Elbphilharmonie bewusst. Man schätzte die Kosten anfangs sehr niedrig ein, um das Projekt freigegeben zu bekommen. Hierzu zeigt Abbildung 1 Details zur Chronologie des Baus. Demnach wurden die Kosten für die Baugenehmigung auf 186 Mio.€ in der ersten Machbarkeitsstudie 2005 geschätzt. Bis zur Eröffnung stiegen diese über die Jahre auf 839 Mio.€ – um 351%. Auch die zeitliche Planung wurde angepasst. Ursprünglich geplant war die Eröffnung für das Jahr 2010. Sie fand letztendlich 2017 statt. (vgl. Abb. 1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Chronologie des Baus der Elbphilharmonie. Quelle: Infrastrukturatlas, Heinrich Böll Stiftung (2020, S.40).

Aufgrund dieser Verzögerungen und des Kostenanstiegs lässt sich das heute abgeschlossene Projekt als „gescheitert“ einstufen. Als solches wird ein Projekt definiert, das „either terminated or not completed on-time, or not on budget [is], or not providing the value aimed for” (Holgeid/Thompson 2013, 3). Folglich führen Kostenüberschreitungen und Verzögerungen im Projektplan zum Projektscheitern.

Die bisher für das Projektmanagement entwickelten Methoden, wie Stage Gate, WBS (Work Breakdown Structure) oder PRINCE (Projects IN Controlled Environments) halfen generell, Kostensteigerungen und Projektverzögerungen zu reduzieren. Allerdings zeigen sie kaum Wirkung, um mit der Komplexität von Großprojekten zurecht zu kommen und deren Erfolg zu sichern. Deren Projektmanager agierten weniger als Leiter, entpuppten sich eher als Auditor. Jedoch werden bis zum Jahr 2030 weltweit weitere Großprojekte im Rahmen von 30-75 Billionen Euro erwartet. (vgl. Roland Berger 2016) Dies gibt Anlass, über das Handeln in Großprojekten, dort auftretende Probleme oder gar Scheitern nachzudenken.

1.2. Problemstellung und Ziel dieser Arbeit

In einem Großprojekt agieren verschiedene akademische Disziplinen. Diese wurden jeweils zu Spezialisten mit Detailwissen ausgebildet. Von ihnen wird die Realität, welche in Wahrheit ein vernetztes System darstellt, in Einzelteile zerbrochen. Vester meint, dass ihnen hierdurch der Blick für das Ganze entgeht. In der Realität käme es auf die Vernetzung und Wirkungsbeziehungen zwischen Einzeldisziplinen an. Ohne Verbindungen zwischen den Bereichen ergäben sich falsche Annahmen und – daraus resultierend – falsche Handlungen. (vgl. Vester 2002) Daher stehen vernetztes Denken und Handeln im Vordergrund, um Bereiche wie Wirtschaft, Politik, Technik und Gesellschaft zu verbinden; einzelne Disziplinen als Gesamtheit zu betrachten.

Vor dieser Herausforderung, und insbesondere mit der Komplexität und Dynamik umzugehen, stehen Führende in großen Projekten (vgl. Roland Berger 2016; Diekmann 2015).

Dörner meint, die Eigendynamik des Projekts erzeugt Zeitdruck, der sich verkürzend auf das Informationensammeln und die Planung auswirken. Dies kann zu „Ungefähr“-Lösungen führen. Gleichzeitig muss eine durch die Dynamik erzeugte Entwicklungstendenz erfasst werden. Nicht nur der aktuelle Zustand ist relevant, sondern insbesondere die Fortentwicklung, die sich aus den heute getroffenen Entscheidungen ergeben wird (vgl. Dörner 2018, 60ff.). Dabei müssen Projektmanager viele Einflussfaktoren wie Interessen von Share- und Stakeholdern beachten, die auf und innerhalb des Projektes (ein)wirken und abschätzen, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen haben (können). Nicht alle können sie beeinflussen oder überhaupt absehen.

Komplexität zeigte sich auch beim Bau der Elbphilharmonie. Beispielsweise waren 48 Personen in Leitungs- oder Entscheidungspositionen daran beteiligt (vgl. Buschhüter/ Hamann 2014, 14-17). Das Elbphilharmonie-Gebäude gliedert sich in zwei Bereiche: öffentlich und privat. Zum ersten zählen zwei Konzertsäle, Büros, der Rundgang „Plaza“ und der Backstage-Bereich. Zum privaten Investorenbereich gehören die Parkgarage, Gastronomie, das Hotel und diverse Apartments. (vgl. Fiedler/Schuster 2015, 4) Aus diesem komplexen Ausschnitt resultieren unterschiedlichste Anforderungen an die Projektorganisation. Mit dieser schienen die Projektleiter überfordert, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es endete im Misslingen.

Dementsprechend weist die Thematik – die Komplexität von Großprojekten zu erfassen, um sie erfolgreich zu managen – Forschungsbedarf auf. Um Großprojekte bewältigen zu können, genügt es nicht, nur lineare Zusammenhänge zu berücksichtigen. Diese Vereinfachung ist üblicherweise eine Möglichkeit, um eine Vielzahl an Elementen, Zusammenhängen und Wechselwirkungen überschauen und bewältigen zu können. Vereinfachungen fokussieren aber nur einen kleinen Ausschnitt. Sie vereinfachen unzulässigerweise. Denn sie lassen wichtige Zusammenhänge weg und führen somit zu Fehlern beispielsweise in der Beurteilung und Entscheidungsfindung. Eine andere Lösung bietet die Systemtheorie : die Betrachtung komplexer Systeme. Diese bilden eine reale, komplexe Umwelt besser ab.

Aus der Systemtheorie könnten die Erklärungsmodelle auf das Projektmanagement übertragen werden . Denn für den Umgang mit komplexen Situationen bieten Systemtheoretiker Lösungen (vgl. Vester 2002; Ziemann 2013; Bossel 2004). Besonders bekannt dafür sind die Überlegungen des Psychologen und Komplexitätsforschers Dörner. (vgl. Dörner 2018) Er veröffentlichte 1989 eine Sammlung von Experimenten und deren Auswertungen in: „Die Logik des Misslingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen“. Dieses Werk wurde 2003 überarbeitet und vielfach neu aufgelegt (vgl. ebd.). Denn die Thematik bleibt aktuell. Daher stützt sich die vorliegende Literaturstudie beispielhaft auf Dörners Erkenntnisse. Ansichten von weiteren Forschern werden ergänzend genannt, können hier aber nicht in voller Breite ausgeführt werden.

Ziel dieser Arbeit ist es, Projektmanagement aus dem Blickwinkel der Systemtheorie zu betrachten. Hierzu soll untersucht werden, inwiefern sich mit den Erkenntnissen aus Dörners „ Tanaland“- Experiment Probleme im Projektmanagement bzw. das Scheitern von Projekten erklären lassen. Im Detail soll beantwortet werden: welche die wichtigsten Strategiefehler waren, die Dörner nachweisen konnte, und wie sich diese Erkenntnisse auf ein Beispielprojekt, das des Elbphilharmonie-Baus, übertragen lassen. Daraus sollen neue Erkenntnisse resultieren, die die Fragen beantworten sollen, wie generell die Komplexität großer Projekte zu bewältigen ist und welche Kernkompetenzen hierfür Führungskräfte benötigen, um sie erfolgreich zu managen.

1.3. Aufbau der Arbeit

Zunächst bietet das nachfolgende Kapitel eine Theoriegrundlage. Es stellt die Charakteristiken der Begriffe Komplexität und System dar. Die Facetten der Systemtheorie werden kurz erläutert. Anschließend wird im dritten Kapitel Dörners Experiment in einer systemischen Mikrowelt, dem fiktiven Tanaland, vorgestellt. Daraus werden wesentliche Erkenntnisse zusammengefasst. Angewendet werden sie auf ein reales Beispiel (die Elbphilharmonie) und dessen Detailbetrachtung. Es werden die Hauptgründe für das Scheitern dieses Projektes zusammengefasst. Im vierten Kapitel werden daraus Aspekte geschlussfolgert, die Anforderungen an Projektmanager darstellen im Umgang mit komplexen Situationen, wie sie in Großprojekten vorherrschen. Resultierende Empfehlungen für zukünftige Projekte werden abschließend ausgesprochen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Ursachen des Scheiterns von Großprojekten. Anwendung der Erkenntnisse aus dem Tanaland-Experiment am Beispiel des Bauprojekts der Elbphilharmonie
Hochschule
AKAD University, ehem. AKAD Fachhochschule Stuttgart  (Nachhaltigkeit und Systemisches Management)
Veranstaltung
Grundlagen Systemtheorie
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
19
Katalognummer
V1146319
ISBN (eBook)
9783346527981
ISBN (Buch)
9783346527998
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Projektmanagement, Großprojekte, Systemtheorie, Tanaland, Systeme, Komplexität, Dynamik, Projektmanagerkompetenz
Arbeit zitieren
Hendrikje Lyhs (Autor:in), 2021, Ursachen des Scheiterns von Großprojekten. Anwendung der Erkenntnisse aus dem Tanaland-Experiment am Beispiel des Bauprojekts der Elbphilharmonie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1146319

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