Die Kontroverse zwischen Kuhn und Skalweit zu einer Didaktik


Seminararbeit, 1995

21 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Die Frage nach dem wissenschaftstheoretischen Ort der 1 Geschichtsdidaktik als Ursache für die Kontroverse zwischen Kuhn und Skalweit

2. Die Didaktikerin Annette Kuhn und der Historiker Stefan Skalweit
2.1. Annette Kuhns emanzipatorische Didaktik
2.2. Der Historiker Stefan Skalweit

3.Kuhns und Skalweits Kontroverse über Einordnung und Inhalte der Englischen Revolution
3.1. Die historische Einordnung der Englischen Revolution
3.2. Die Herrschaftslegitimation der Stuarts
3.3. Der Verfassungskonflikt
3.4. Die sozialen Voraussetzungen der Englischen Revolution
3.5. Der religiöse Hintergrund

4. Schlußteil: Die unterschiedlichen Auffassungen Kuhns und Skalweits zu einer Didaktik der Englischen Revolution

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Die Frage nach dem wissenschaftstheoretischen Ort der Geschichtsdidaktik als Ursache für die Kontroverse zwischen Kuhn und Skalweit

Es ist unumstritten, daß die Geschichtsdidaktik zum einen dem Bereich des Unterrichts und der Vermittlung zuzuzählen ist und zum anderen an die Fachwissenschaft der Geschichte geknüpft ist. Doch Kontroversen entstehen genau da, wo es um die Frage geht, wie weit die Geschichtsdidaktik als historische Disziplin zu verstehen ist und damit auch inwieweit sie der Fachwissenschaft verpflichtet ist oder in welchem Maße die Fachdidaktik im Dienste der Pädagogik steht. Zwei unterschiedliche Auffassungen dieser Frage nach dem wissenschaftstheoretischen Ort der Geschichtsdidaktik haben die Vertreterin der emanzipatorischen Didaktik, Annette Kuhn, und der Fachhistoriker Stephan Skalweit. Diese verschiedenen Auffassungen spiegeln sich ganz deutlich in der Kontroverse über den von Annette Kuhn verfassten Unterrichtsentwurf zur Englischen Revolution wider.[1]

In diesem Buch diskutiert die Autorin zuerst die verschiedenen aktuellen Forschungsrichtungen zur englischen Revolution und geht dann von einer Richtung aus, um darauf ihr didaktisches Konzept und den konkreten Unterrichtsentwurf aufzubauen (vergl. Kap. 3). In einer ersten Einheit behandelt sie das Thema der Herrschaftslegitimation der Stuartkönige, die zweite Einheit beschäftigt sich mit dem Verfassungskonflikt und in der dritten Einheit werden die vorher auch schon immer wieder eingeflochtenen sozialen Voraussetzungen der Revolution dargestellt.

Skalweit reagierte auf das 86- seitige Werk mit eindeutig unterrichtsorientierter Zielsetzung mit einer vernichtenden Rezension, in der er der Kuhn vor allem unwissenschaftliches Arbeiten bei der Analyse der historischen Ereignisse vorwarf.[2]

Noch im selben Jahr reagierte wiederum Frau Kuhn mit einer Erwiderung auf die Anmerkungen von Skalweit, in welcher sie ihren von Skalweit als unwissenschaftlich entwerteten fachwissenschaftlichen Standpunkt verteidigte und zudem noch ihre fachdidaktische Position resümierte, nicht ohne ihrerseits Skalweit unwissenschaftliches Arbeiten vorzuwerfen.[3]

Den Abschluß des Streits bildete Skalweits "Stellungnahme zur Erwiderung von A. Kuhn".[4] Hier erläuterte er seine Sichtweise von Geschichte und ihrer Didaktik, die der Kuhns völlig entgegengesetzt ist. Diese letzte Stellungnahme nutzte Skalweit noch einmal dazu, Kuhn unwissenschaftliches Arbeiten vorzuwerfen und ihre Auffassung von einer Geschichtsdidaktik zu verreißen. Nach dieser Stellungnahme erklärte GWU die Diskussion, jedenfalls für ihren Zuständigkeitsbereich, für beendet, auch wenn keine Einigung zustande gekommen ist.

Bevor ich diese Kontroverse über die Englische Revolution und ihre Vermittlung im Geschichtsunterricht in Kapitel 3 und 4 näher ausführe, halte ich es für sinnvoll, vorher genauer auf die Person der Annette Kuhn und ihren gegenwarts- und gesellschaftsbezogenen Ansatz ihrer kritisch-kommunikativen Fachdidaktik einzugehen und darüber hinaus noch auf Stephan Skalweit, den Fachwissenschaftler, und seine Auffassung von Geschichtsdidaktik Bezug zu nehmen. Am Schluß folgt dann der Versuch, die Auffassungen Kuhns und Skalweits zu verbinden und damit die Frage zu beantworten, wie man die Englische Revolution für den Unterricht vorbereiten bzw. im Unterricht behandeln sollte.

2. Die Didaktikerin Annette Kuhn und der Historiker Stephan Skalweit

Um die Auseinandersetzung Kuhn-Skalweit über die Englische Revolution und deren Vermittlung im Geschichtsunterricht, die noch im Zusammenhang mit der durch die 68er ausgelösten Didaktikdiskussion steht, verstehen zu können, muß man vorher die Personen und die verschiedenen Erwartungen, die die beiden an die Geschichtsdidaktik herantragen, genauer betrachten. Dies soll in diesem Kapitel erfolgen.

2.1. Annette Kuhns emanzipatorische Didaktik

Annette Kuhn (* 22.Mai 1934) ist Professorin für mittlere und neuere Geschichte und Frauengeschichte und Didaktik. Sie ist an der Pädagogischen Fakultät der Universität Bonn tätig, was schon andeutet, daß sie sich wohl er zu den Didaktikern zugehörig fühlt als zu den Geschichtswisssenschaftlern. So legte sie, inspiriert durch die heftige Diskussion um das Selbstverständnis des Faches Geschichte und die damit verbundene Frage, wie eine Didaktik der Geschichte auszusehen habe, im Zuge der 68er auch ihre eigene Auffassung von einer Didaktik der Geschichte dar: 1974 erschien ihre Einführung in die Didaktik der Geschichte[5], in der sie einen kritischen, emanzipatorischen Geschichtsunterricht propagiert. Annette Kuhn geht dabei von den Bedürfnissen der damaligen Generation aus, und stellt das historische Wissen quasi in den Dienst gegenwärtiger und zukünftiger Lebensbewältigung. Bei diesen Bedürfnissen handelt es sich jedoch nicht um persönliche oder individuelle, sondern eher um gesamtgesellschaftliche oder politische Bedürfnisse. Daher sieht Annette Kuhn die Gesellschaftstheorie auch "als primäres didaktisches Entscheidungsfeld".[6] Ihrer didaktischen Konzeption muß also immer eine Analyse des Ist-Zustandes der Gesellschaft vorausgehen. Diesen Ist-Zustand betrachtet Kuhn jedoch nicht als den idealen Gesellschaftszustand. Vielmehr sieht sie ihn als Stufe in einer Entwicklung zu einer voll emanzipierten Gesellschaft. Für sie ist der historische Rückgriff "der Weg in die Vorgeschichte gegenwärtiger Unterdrückungen bzw. gegenwärtiger Möglichkeiten emanzipatorischer Veränderungen".[7]

Dieser Satz beinhaltet einmal, daß sie die Geschichte als einen Prozeß sieht, der in direktem Zusammenhang zu den gesellschaftlichen und politischen Problemen der Gegenwart steht. Mit diesem Satz behauptet sie aber auch noch, daß man durch den Blick auf die Geschichte erkennen kann, was man selbst an der Geschichte verändern und vor allem wie man es verändern kann. Dieses ist auch gleichzeitig das Ziel der Geschichtsdidaktik Annette Kuhns. Sie will durch den Geschichtsunterricht die Schüler dazu befähigen, die Mißstände in der Gesellschaft zu erkennen und was ihr noch wichtiger ist, diese Mißstände auch zu beheben, um eine ideale Gesellschaft zu schaffen. Geschichtsunterricht erfolgt bei Kuhn also nicht um der Geschichte willen, sondern sie trägt ein gewisses Erkenntnisinteresse an die Geschichte heran. Die Geschichte wird quasi gefragt, wie man die Gesellschaft weiter emanzipieren kann. Zur Beantwortung dieser Fragestellung eignen sich jedoch nicht alle geschichtlichen Themen oder Ereignisse, sondern nur solche an denen man im weitesten Sinne gesellschaftliche Veränderungen verdeutlichen kann.

Frau Kuhn wählt also aus der Geschichte nur diejenigen Themen aus, die für ihren gesellschaftskritischen Ansatz brauchbar sind. Ihre Fachdidaktik hat auf keinen Fall zum Ziel, die Erkenntnisse der Geschichtswisssenschaftler den Schülern zu vermitteln. Vielmehr werden diese Ergebnisse der Forschung in Frage gestellt. So sagt sie etwa in ihrer Entgegnung auf Skalweits Rezension: "Eine geschichtswissenschaftliche Sicht kann für die Fachdidaktik niemals eine letztgültige, nicht hinterfragbare Autorität datstellen."[8] Die Geschichtswissenschaft kann dies schon deshalb nicht, da sie nach Auffassung von Kuhn ein ganz anderes Erkenntnisinteresse an die Geschichte heranträgt, als sie es sich wünscht. Selbst die geschichtswissenschaftliche Forschung ist in ihren Augen also nicht objektiv, da sie in das gegenwärtige gesellschaftliche und politische System eingebunden ist und aus dieser Eingebundenheit heraus ihre Fragen an die Geschichte stellt. Diese These, daß "jede historische Erkenntnis von ihren zeitalter- und gesellschaftstypischen Voraussetzungen mitbestimmt wird " ist mitlerweile unstrittig.[9] Doch Frau Kuhn geht noch einen Schritt weiter. Sie sieht Geschichte als "Konstruktion der Individuen zur Herstellung eines Konsenses für zukünftiges Handeln."[10] An anderer Stelle erläutert sie dies genauer: " Eine historische Objektivität im Sinne der reinen Forschung gibt es nicht. Das erkennende Subjekt - der Schüler, der Lehrer oder der Forscher - ist immer auch beteiligt. Das Jahr 800 ist beispielsweise nicht einfach das Jahr der Krönung Karls des Großen. Nur aus bestimmten Interessen unserer abendländischen Geschichte ist dieses Ereignis zu einem historischen Faktum geworden, das aus der jeweiligen Intressenlage der Forschung, des Lehrers und der Schüler neu zur Geschichte, zur angeeigneten Tradition wird."[11] Die Gefahr einer solchen Sichtweise liegt auf der Hand. Man kann theoretisch alles aus der Geschichte herausholen, es kommt nur darauf an, welche Fragestellung man hat bzw. aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet.

[...]


[1] Annette Kuhn, Die Englische Revolution, München, 1974.

[2] Stephan Skalweit, Die historische Einordnung der Englischen Revolution, GWU 26, 1975, 629-634.

[3] Annette Kuhn, Die Englische Revolution in fachdidaktischer und fachwissenschaftlicher Sicht, GWU 26, 1975, 696-702.

[4] Stephan Skalweit, Stellungnahme zur Erwiderung von A. Kuhn, GWU 26, 1975, 771-773.

[5] Annette Kuhn, Einführung in die Didaktik der Geschichte, München, 3. Aufl. 1980.

[6] Kuhn, Einführung Didaktik, 18.

[7] Ebd. , 19.

[8] Annette Kuhn, 700.

[9] Joachim Rohlfes, Geschichte und ihre Didaktik, Göttingen, 1986, 187.

[10] Kuhn, Einführung Didaktik, 54.

[11] Ebd. , 20.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Kontroverse zwischen Kuhn und Skalweit zu einer Didaktik
Hochschule
Universität Paderborn  (Geschichte)
Veranstaltung
GS: Geschichtsdidaktische Positionen - Übungen zu Stand und Selbstverständnis der Geschichtsdidaktik
Note
gut
Autor
Jahr
1995
Seiten
21
Katalognummer
V11465
ISBN (eBook)
9783638176231
ISBN (Buch)
9783638757485
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kontroverse, Kuhn, Skalweit, Didaktik, Geschichtsdidaktische, Positionen, Stand, Selbstverständnis, Geschichtsdidaktik
Arbeit zitieren
Simone Ernst (Autor:in), 1995, Die Kontroverse zwischen Kuhn und Skalweit zu einer Didaktik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11465

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